Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.War Dctavio piccolomini der vorräter Wallensteins? mitzuteilenden Schreiben beweisen. Ob Gallas, Aldringen und Colloredo Wenn sich also Piccolomini nach den Mitteilungen des kaiserlichen Ab¬ Die Beantwortung dieser Frage sei einer spätern Betrachtung vorbehalten. Wir möchten noch die Bemerkung hinzufügen, daß Aldringen kein Italiener Man hat auch vermutet, daß wichtige Schriftstücke, die die ganze "Ver¬ Freilich sind auch einige Schriftstücke des Archivs mit der Zeit ver- *) Um so wunderbarer ist es, daß neuerdings auch die Tschechen Wallenstein als einen
der Ihrigen in Anspruch nehmen. Wallenstein hat nie ein tschechisches Wort geschrieben, ja er befahl sogar, in die von ihm begründeten Erziehungsanstalten nur dcutschredende junge Leute aufzunehmen. In einem Briefe gebraucht er sogar einmal einen sehr verächtlichen Ausdruck Der Versasser. über die Tschechen. War Dctavio piccolomini der vorräter Wallensteins? mitzuteilenden Schreiben beweisen. Ob Gallas, Aldringen und Colloredo Wenn sich also Piccolomini nach den Mitteilungen des kaiserlichen Ab¬ Die Beantwortung dieser Frage sei einer spätern Betrachtung vorbehalten. Wir möchten noch die Bemerkung hinzufügen, daß Aldringen kein Italiener Man hat auch vermutet, daß wichtige Schriftstücke, die die ganze „Ver¬ Freilich sind auch einige Schriftstücke des Archivs mit der Zeit ver- *) Um so wunderbarer ist es, daß neuerdings auch die Tschechen Wallenstein als einen
der Ihrigen in Anspruch nehmen. Wallenstein hat nie ein tschechisches Wort geschrieben, ja er befahl sogar, in die von ihm begründeten Erziehungsanstalten nur dcutschredende junge Leute aufzunehmen. In einem Briefe gebraucht er sogar einmal einen sehr verächtlichen Ausdruck Der Versasser. über die Tschechen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294079"/> <fw type="header" place="top"> War Dctavio piccolomini der vorräter Wallensteins?</fw><lb/> <p xml:id="ID_2056" prev="#ID_2055"> mitzuteilenden Schreiben beweisen. Ob Gallas, Aldringen und Colloredo<lb/> ebenso gutgläubig handelten, das zu beweisen ist hier nicht meine Sache.</p><lb/> <p xml:id="ID_2057"> Wenn sich also Piccolomini nach den Mitteilungen des kaiserlichen Ab¬<lb/> gesandten über die Rebellion Wallensteins sofort dazu entschloß, dem Befehle<lb/> des Kaisers nachzukommen und sich Wallensteins und seiner nächsten Anhänger<lb/> zu bemächtigen, so tat er nichts weiter als seine Pflicht. Ihm daraus einen<lb/> Vorwurf zu macheu, ihn namentlich der elenden Verrüterei an seinem Gönner<lb/> Wallenstein zu beschuldigen, erscheint uns durchaus unrichtig. Etwas andres<lb/> ist es, ob er und Gallas die richtigen Mittel zur Erreichung ihres Zwecks an¬<lb/> wandten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2058"> Die Beantwortung dieser Frage sei einer spätern Betrachtung vorbehalten.<lb/> Hier möchten wir uur den Vorwurf Försters, Schebecks und andrer Schrift¬<lb/> steller zurückweisen, als habe schon seit längerer Zeit eine Verschwörung nament¬<lb/> lich der italienischen Offiziere im kaiserlichen Heere gegen Wallenstein bestanden,<lb/> mit Gallas, Piccolomini und Aldringen an der Spitze. Dieser Vorwurf ist<lb/> nicht neu. Schon unmittelbar nach der Ermordung Wallensteins trat er heim¬<lb/> lich und offen auf, sodaß sich, wie die mitzuteilenden Briefe beweisen, Piccolo¬<lb/> mini sehr energisch dagegen wehrte. Wenn an dem Sturze Wallensteins haupt¬<lb/> sächlich fremdländische Offiziere — namentlich an leitender Stelle Italiener —<lb/> beteiligt waren, so hatte man wohl gerade diese zu dem Streiche auserkoren,<lb/> weil einerseits ihre Religion sie eng mit den kaiserlichen und spanischen In¬<lb/> teressen verband, und weil sich andrerseits Wallenstein gerade bei den Deutschen<lb/> und den Evangelischen großer Sympathien erfreute.*)</p><lb/> <p xml:id="ID_2059"> Wir möchten noch die Bemerkung hinzufügen, daß Aldringen kein Italiener<lb/> war. sondern aus der heutigen Rheinprovinz stammte, und die Colloredos trotz<lb/> ihres italienischen Namens eine ursprünglich schwäbische Familie waren. Aldringen<lb/> aber war schon seit fast zehn Jahren der geheime Widersacher Wallensteins, zu<lb/> einer Zeit, wo Piccolomini eben erst in den Dienst Wallensteins eintrat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2060"> Man hat auch vermutet, daß wichtige Schriftstücke, die die ganze „Ver¬<lb/> schwörung" gegen Wallenstein an das Licht bringen würden, mit Absicht bei¬<lb/> seite geschafft worden seien. Was Piccolomini anlangt, so glauben wir, daß<lb/> das bei ihm nicht der Fall gewesen ist, und zwar aus dem Grunde, weil fast<lb/> feine ganze Korrespondenz der damaligen und spätern Zeit in dem Archiv des<lb/> Schlosses Nachod ist. Piccolomini scheint ein Vielschreiber gewesen zu sein;<lb/> mit all und jedem stand er in Briefwechsel, mit allen bekannten Persönlichkeiten<lb/> jener Zeit und mit Hunderten von Offizieren. Diese Korrespondenz ist fast<lb/> lückenlos vorhanden. Sollte man darin nicht Andeutungen über die „cmti-<lb/> wallensteinische Verschwörung" finden? Aber nichts dergleichen ist bis jetzt ent¬<lb/> deckt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2061" next="#ID_2062"> Freilich sind auch einige Schriftstücke des Archivs mit der Zeit ver-</p><lb/> <note xml:id="FID_49" place="foot"> *) Um so wunderbarer ist es, daß neuerdings auch die Tschechen Wallenstein als einen<lb/> der Ihrigen in Anspruch nehmen. Wallenstein hat nie ein tschechisches Wort geschrieben, ja er<lb/> befahl sogar, in die von ihm begründeten Erziehungsanstalten nur dcutschredende junge Leute<lb/> aufzunehmen. In einem Briefe gebraucht er sogar einmal einen sehr verächtlichen Ausdruck<lb/><note type="byline"> Der Versasser.</note> über die Tschechen. </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
War Dctavio piccolomini der vorräter Wallensteins?
mitzuteilenden Schreiben beweisen. Ob Gallas, Aldringen und Colloredo
ebenso gutgläubig handelten, das zu beweisen ist hier nicht meine Sache.
Wenn sich also Piccolomini nach den Mitteilungen des kaiserlichen Ab¬
gesandten über die Rebellion Wallensteins sofort dazu entschloß, dem Befehle
des Kaisers nachzukommen und sich Wallensteins und seiner nächsten Anhänger
zu bemächtigen, so tat er nichts weiter als seine Pflicht. Ihm daraus einen
Vorwurf zu macheu, ihn namentlich der elenden Verrüterei an seinem Gönner
Wallenstein zu beschuldigen, erscheint uns durchaus unrichtig. Etwas andres
ist es, ob er und Gallas die richtigen Mittel zur Erreichung ihres Zwecks an¬
wandten.
Die Beantwortung dieser Frage sei einer spätern Betrachtung vorbehalten.
Hier möchten wir uur den Vorwurf Försters, Schebecks und andrer Schrift¬
steller zurückweisen, als habe schon seit längerer Zeit eine Verschwörung nament¬
lich der italienischen Offiziere im kaiserlichen Heere gegen Wallenstein bestanden,
mit Gallas, Piccolomini und Aldringen an der Spitze. Dieser Vorwurf ist
nicht neu. Schon unmittelbar nach der Ermordung Wallensteins trat er heim¬
lich und offen auf, sodaß sich, wie die mitzuteilenden Briefe beweisen, Piccolo¬
mini sehr energisch dagegen wehrte. Wenn an dem Sturze Wallensteins haupt¬
sächlich fremdländische Offiziere — namentlich an leitender Stelle Italiener —
beteiligt waren, so hatte man wohl gerade diese zu dem Streiche auserkoren,
weil einerseits ihre Religion sie eng mit den kaiserlichen und spanischen In¬
teressen verband, und weil sich andrerseits Wallenstein gerade bei den Deutschen
und den Evangelischen großer Sympathien erfreute.*)
Wir möchten noch die Bemerkung hinzufügen, daß Aldringen kein Italiener
war. sondern aus der heutigen Rheinprovinz stammte, und die Colloredos trotz
ihres italienischen Namens eine ursprünglich schwäbische Familie waren. Aldringen
aber war schon seit fast zehn Jahren der geheime Widersacher Wallensteins, zu
einer Zeit, wo Piccolomini eben erst in den Dienst Wallensteins eintrat.
Man hat auch vermutet, daß wichtige Schriftstücke, die die ganze „Ver¬
schwörung" gegen Wallenstein an das Licht bringen würden, mit Absicht bei¬
seite geschafft worden seien. Was Piccolomini anlangt, so glauben wir, daß
das bei ihm nicht der Fall gewesen ist, und zwar aus dem Grunde, weil fast
feine ganze Korrespondenz der damaligen und spätern Zeit in dem Archiv des
Schlosses Nachod ist. Piccolomini scheint ein Vielschreiber gewesen zu sein;
mit all und jedem stand er in Briefwechsel, mit allen bekannten Persönlichkeiten
jener Zeit und mit Hunderten von Offizieren. Diese Korrespondenz ist fast
lückenlos vorhanden. Sollte man darin nicht Andeutungen über die „cmti-
wallensteinische Verschwörung" finden? Aber nichts dergleichen ist bis jetzt ent¬
deckt worden.
Freilich sind auch einige Schriftstücke des Archivs mit der Zeit ver-
*) Um so wunderbarer ist es, daß neuerdings auch die Tschechen Wallenstein als einen
der Ihrigen in Anspruch nehmen. Wallenstein hat nie ein tschechisches Wort geschrieben, ja er
befahl sogar, in die von ihm begründeten Erziehungsanstalten nur dcutschredende junge Leute
aufzunehmen. In einem Briefe gebraucht er sogar einmal einen sehr verächtlichen Ausdruck
Der Versasser. über die Tschechen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |