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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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koar Gctavio Piccolomini der Verräter Mallensteins?

Man denke an den uns näher liegenden Fall des Generals von Uork im
Jahre 1813, ohne jedoch den patriotischen Zweck, den Aork verfolgte, in Rück¬
sicht zu ziehn.

Aork stand mit den Russen, den damaligen Gegnern seines Königs -- ob
ohne oder mit Wissen des Königs ist nicht aufgeklärt --, in Unterhandlung,
daß er eine Verbindung der preußischen und der russischen Streitkräfte gegen
Napoleon herbeiführen sollte, ebenso wie Wallenstein eine Verbindung der kaiser¬
lichen, der sächsischen und der brandenburgischen Truppen erstrebte, angeblich
in der Absicht, sie gemeinsam gegen die Schweden zu führen.

Jetzt nehme man den Fall, daß ein Bündnis Preußens und Rußlands,
sei es in welcher Hinsicht immer, der Politik des Königs widerstrebt hätte, und
dieser die Absetzung und Verhaftung Jorks durch einen geheimen Befehl an
dessen Untergenerale, deren einem er den Oberbefehl übertragen, angeordnet
hätte. Hätten sich da die Untergenerale weigern dürfen, dem Befehl ihres
Königs nachzukommen, auch wenn sie mit dem Zwecke ihres kommandierender
Generals, dein Bündnisse mit Nußland, einverstanden gewesen wären?

Aus diese Frage ist meines Erachtens die Antwort leicht. Man hätte
Wohl den König, aber niemals seinen Generalen ans der Absetzung und Ver¬
haftung Aorks einen Vorwurf machen können.

Ganz ähnlich war die Sachlage bei Wallenstein. Auch er verfolgte
wenigstens nach Annahme der ihm freundlichen Historiker -- einen guten
Zweck, nämlich die Pazifizierung Deutschlands, die Versöhnung der Katholiken
und der Protestanten und die Vertreibung der Schweden. Aber er trat mit
dieser Politik in Gegensatz zu der Politik seines Kaisers, und er schien noch
geheime, dem kaiserlichen Hofe verderblich erscheinende Ziele zu verfolgen, indem
er sich auch mit den Schweden nud mit Frankreich in heimliche Unterhand¬
lungen einließ. Dazu kam die mindestens sehr zweideutige Verpflichtung der
Offiziere auf dem bekannten Pilsener Gastmahle, ihn niemals verlassen zu
wollen, und das Verlangen der Offiziere, daß Wallenstein an der Spitze des
Heeres gelassen würde. Schon allein diese gemeinsame Verabredung der Offi¬
ziere zugunsten des Generalissimus würde heute als ein militärisches Komplott
angesehen werden.

Es kam serner hinzu, daß die Generale Gallas, Piccolomini und Aldringen
mit den Plänen Wallensteins nicht einverstanden waren; daß sie fürchteten,
Wnllcnstein ließe sich von den Gegnern überlisten, und daß sie die Krieg¬
führung Wallensteins nicht billigten.

Und nun trat der kaiserliche Abgesandte auf mit der ganz bestimmten Mit¬
teilung, daß Wallenstein eine Rebellion plane, und mit dem Befehl, sich Wallen-
sieins zu versichern!

Konnte es da für die Generale zweifelhaft sein, wie sie zu handeln hatten?
Für sie hieß es: "Hie Kaiser -- hie Wallenstein!" Auf Grund ihres Sol¬
dateneides mußten sie sich für die Sache des Kaisers erklären, einerlei, ob ans
dieser Seite in Wahrheit das Recht und die Wohlfahrt Deutschlands standen
oder nicht.

Aber sie waren auch von der Gerechtigkeit der kaiserlichen Sache voll¬
kommen überzeugt. Wenigstens kann man das für Piccolomini aus den später


koar Gctavio Piccolomini der Verräter Mallensteins?

Man denke an den uns näher liegenden Fall des Generals von Uork im
Jahre 1813, ohne jedoch den patriotischen Zweck, den Aork verfolgte, in Rück¬
sicht zu ziehn.

Aork stand mit den Russen, den damaligen Gegnern seines Königs — ob
ohne oder mit Wissen des Königs ist nicht aufgeklärt —, in Unterhandlung,
daß er eine Verbindung der preußischen und der russischen Streitkräfte gegen
Napoleon herbeiführen sollte, ebenso wie Wallenstein eine Verbindung der kaiser¬
lichen, der sächsischen und der brandenburgischen Truppen erstrebte, angeblich
in der Absicht, sie gemeinsam gegen die Schweden zu führen.

Jetzt nehme man den Fall, daß ein Bündnis Preußens und Rußlands,
sei es in welcher Hinsicht immer, der Politik des Königs widerstrebt hätte, und
dieser die Absetzung und Verhaftung Jorks durch einen geheimen Befehl an
dessen Untergenerale, deren einem er den Oberbefehl übertragen, angeordnet
hätte. Hätten sich da die Untergenerale weigern dürfen, dem Befehl ihres
Königs nachzukommen, auch wenn sie mit dem Zwecke ihres kommandierender
Generals, dein Bündnisse mit Nußland, einverstanden gewesen wären?

Aus diese Frage ist meines Erachtens die Antwort leicht. Man hätte
Wohl den König, aber niemals seinen Generalen ans der Absetzung und Ver¬
haftung Aorks einen Vorwurf machen können.

Ganz ähnlich war die Sachlage bei Wallenstein. Auch er verfolgte
wenigstens nach Annahme der ihm freundlichen Historiker — einen guten
Zweck, nämlich die Pazifizierung Deutschlands, die Versöhnung der Katholiken
und der Protestanten und die Vertreibung der Schweden. Aber er trat mit
dieser Politik in Gegensatz zu der Politik seines Kaisers, und er schien noch
geheime, dem kaiserlichen Hofe verderblich erscheinende Ziele zu verfolgen, indem
er sich auch mit den Schweden nud mit Frankreich in heimliche Unterhand¬
lungen einließ. Dazu kam die mindestens sehr zweideutige Verpflichtung der
Offiziere auf dem bekannten Pilsener Gastmahle, ihn niemals verlassen zu
wollen, und das Verlangen der Offiziere, daß Wallenstein an der Spitze des
Heeres gelassen würde. Schon allein diese gemeinsame Verabredung der Offi¬
ziere zugunsten des Generalissimus würde heute als ein militärisches Komplott
angesehen werden.

Es kam serner hinzu, daß die Generale Gallas, Piccolomini und Aldringen
mit den Plänen Wallensteins nicht einverstanden waren; daß sie fürchteten,
Wnllcnstein ließe sich von den Gegnern überlisten, und daß sie die Krieg¬
führung Wallensteins nicht billigten.

Und nun trat der kaiserliche Abgesandte auf mit der ganz bestimmten Mit¬
teilung, daß Wallenstein eine Rebellion plane, und mit dem Befehl, sich Wallen-
sieins zu versichern!

Konnte es da für die Generale zweifelhaft sein, wie sie zu handeln hatten?
Für sie hieß es: „Hie Kaiser — hie Wallenstein!" Auf Grund ihres Sol¬
dateneides mußten sie sich für die Sache des Kaisers erklären, einerlei, ob ans
dieser Seite in Wahrheit das Recht und die Wohlfahrt Deutschlands standen
oder nicht.

Aber sie waren auch von der Gerechtigkeit der kaiserlichen Sache voll¬
kommen überzeugt. Wenigstens kann man das für Piccolomini aus den später


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[0459] koar Gctavio Piccolomini der Verräter Mallensteins? Man denke an den uns näher liegenden Fall des Generals von Uork im Jahre 1813, ohne jedoch den patriotischen Zweck, den Aork verfolgte, in Rück¬ sicht zu ziehn. Aork stand mit den Russen, den damaligen Gegnern seines Königs — ob ohne oder mit Wissen des Königs ist nicht aufgeklärt —, in Unterhandlung, daß er eine Verbindung der preußischen und der russischen Streitkräfte gegen Napoleon herbeiführen sollte, ebenso wie Wallenstein eine Verbindung der kaiser¬ lichen, der sächsischen und der brandenburgischen Truppen erstrebte, angeblich in der Absicht, sie gemeinsam gegen die Schweden zu führen. Jetzt nehme man den Fall, daß ein Bündnis Preußens und Rußlands, sei es in welcher Hinsicht immer, der Politik des Königs widerstrebt hätte, und dieser die Absetzung und Verhaftung Jorks durch einen geheimen Befehl an dessen Untergenerale, deren einem er den Oberbefehl übertragen, angeordnet hätte. Hätten sich da die Untergenerale weigern dürfen, dem Befehl ihres Königs nachzukommen, auch wenn sie mit dem Zwecke ihres kommandierender Generals, dein Bündnisse mit Nußland, einverstanden gewesen wären? Aus diese Frage ist meines Erachtens die Antwort leicht. Man hätte Wohl den König, aber niemals seinen Generalen ans der Absetzung und Ver¬ haftung Aorks einen Vorwurf machen können. Ganz ähnlich war die Sachlage bei Wallenstein. Auch er verfolgte wenigstens nach Annahme der ihm freundlichen Historiker — einen guten Zweck, nämlich die Pazifizierung Deutschlands, die Versöhnung der Katholiken und der Protestanten und die Vertreibung der Schweden. Aber er trat mit dieser Politik in Gegensatz zu der Politik seines Kaisers, und er schien noch geheime, dem kaiserlichen Hofe verderblich erscheinende Ziele zu verfolgen, indem er sich auch mit den Schweden nud mit Frankreich in heimliche Unterhand¬ lungen einließ. Dazu kam die mindestens sehr zweideutige Verpflichtung der Offiziere auf dem bekannten Pilsener Gastmahle, ihn niemals verlassen zu wollen, und das Verlangen der Offiziere, daß Wallenstein an der Spitze des Heeres gelassen würde. Schon allein diese gemeinsame Verabredung der Offi¬ ziere zugunsten des Generalissimus würde heute als ein militärisches Komplott angesehen werden. Es kam serner hinzu, daß die Generale Gallas, Piccolomini und Aldringen mit den Plänen Wallensteins nicht einverstanden waren; daß sie fürchteten, Wnllcnstein ließe sich von den Gegnern überlisten, und daß sie die Krieg¬ führung Wallensteins nicht billigten. Und nun trat der kaiserliche Abgesandte auf mit der ganz bestimmten Mit¬ teilung, daß Wallenstein eine Rebellion plane, und mit dem Befehl, sich Wallen- sieins zu versichern! Konnte es da für die Generale zweifelhaft sein, wie sie zu handeln hatten? Für sie hieß es: „Hie Kaiser — hie Wallenstein!" Auf Grund ihres Sol¬ dateneides mußten sie sich für die Sache des Kaisers erklären, einerlei, ob ans dieser Seite in Wahrheit das Recht und die Wohlfahrt Deutschlands standen oder nicht. Aber sie waren auch von der Gerechtigkeit der kaiserlichen Sache voll¬ kommen überzeugt. Wenigstens kann man das für Piccolomini aus den später

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/459>, abgerufen am 25.07.2024.