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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line Trojafahrt

Instrumenten ein schnarrendes, klimperndes Geräusch hervorbrachten, das in der Tat
eine entfernte Ähnlichkeit mit Musik zu haben schien. Vor ihnen war der Kaffeeschank
errichtet, ein kleiner Kochherd, Holzkohlen, Kannen und Täßchen. Wir kamen leider
gerade erst an, als der Tanz zu Ende ging. Die Mädchen trugen Kleider nach
europäischem Schnitt, sehr buntfarbig, rot, grün, blau, viele auch strahlend weiß.
Am Hals, auf der Brust, in den Ohren prangte stattlicher Goldschmuck. Diese
Neigung der troischen Frauen, sich mit Goldstaat zu behängen, hat sich also in un-
unterbrochner Folge von den Bewohnerinnen der zweiten Stadt bis auf unsre
Zeit von einem Geschlecht zum andern vererbt, fünf Jahrtausende lang. So unver¬
änderlich ist die Natur des Weibes.

Die Festteilnehmer schwangen sich bei unsrer Ankunft gerade zum Nachhause-
reiten auf ihre Pferde, auf je eins immer ein Paar, er vorn, sie hinten, sich an
ihm festhaltend. Überall herrschte Jubel und Lachen, und dazwischen knallten Pistolen¬
schüsse. Neben Stuten trabten ihre Füllen frei einher, die Hengste waren viel feuriger
und ungebcindigter als unsre Mietsgäule, aber die jungen Griechinnen fürchteten
sich nicht; mochten sich die Tiere noch so sehr bäumen und schlagen, sie hielten sich
einfach an ihren Liebsten fest und vertrauten deren sicherer Hand. Wir trafen zu
unsrer angenehmen Überraschung auf diesem Festplatz auch unsre beiden deutschen
Damen und einige von unsern Herren, die sich direkt von Hissarlik zu Fuß hierher¬
begeben hatte". Wir zogen dann alle zusammen in das Dorf selbst hinein, um
von dem Fest so viel wie möglich mitzunehmen. Auf dem Platz in der Mitte wurde
"och getanzt, natürlich nach griechischer Art, d. h. im Kreise hin und her getreten,
wobei jedoch die Tanzenden, um jede Berührung zu vermeiden, Taschentücher zwischen
le zwei Hände nehmen. Unsre Damen sahen zuerst zu und konstatierten mit Be¬
friedigung, daß die europäischen Laster des Puderns und Schminkens auch schon
Naturkinder infiziert hatten. Dann aber genügte es ihnen nicht mehr, als
müßige Zuschauerinnen am Markte zu stehe", die Amerikanerinnen engagierten ihre
Herren, und im Handumdrehen wurde der orientalische Reigentanz von einem
occidentalischen Rundtanz durchbrochen. Sogar eine Quadrille wurde riskiert. Mir
Mette es natürlich in den Füßen, anzutun, aber der brennende Schmerz in meinem
rechten Bein zwang mich auf einen Strohschemel nieder. Ich fand meinen Trost
in dem herrlichen Tenedoswein, den der Gastwirt verschenkte, und schaute mit der
Ruhe des Weltweisen auf das bunte Treiben vor mir.

Die Griechen hatten, als sie die Europäer tanzen sahen, ihren Reigen auf¬
gelöst und schauten nun mit offnen Mündern auf die tanzenden Paare. So etwas
hatten sie offenbar noch nicht gesehen, und das enge Sichaneinanderschmiegen schien
ihnen sicherlich anfangs anstößig, doch ging die etwa vorhandne sittliche Entrüstung
sehr bald in dem allgemeinen Jubel zugrunde. Das ganze Dorf drängte herzu,
und nicht allein der Platz selbst war dicht mit Menschen besetzt, sondern auch die
Fenster und die Dächer der Häuser, ja sogar auf die Gipfel der Bäume kletterten
die Burschen, um den losen oder vielmehr allzu geschlossenen Tanz der ausgelassenen
europäischen Gesellschaft zu schauen. Die Musikanten arbeiteten aus Leibeskräften,
und als der Wirt mit einem Krug Krahl "Wein) umherging und jedem, der da
wollte, unentgeltlich einschenkte, erreichte die Begeisterung ihren Höhepunkt,

vim- ^ begann zu dunkeln, und wir mußten uns beeilen, wenn wir noch vor
oUlger Nacht zu unsern verwunschnem neun Städten zurückkommen wollten. Auchle Griechen brachen auf und setzten sich paarweise zu Roß. Das letzte, was ich
> war, daß ein emporsteigender Hengst das auf ihm sitzende Liebespaar von hinten
g gen eine Mauer rannte. Die Trojanerin beugte sich so weit wie möglich nach
n und glitt dann sanft vom Rosse. Noch einmal, zum siebenten mal an diesem
in?^ wir durch den strudelreichen Skamander reiten, dann gelangten wir
A^H"rhein Trabe wieder auf unserm Burghügel an, wo Polyxene schon mit dem
"rnakwbendbrot auf uns wartete.

Die Nacht war recht eigentümlich für mich. Der Wind war zum Sturm ge-


Line Trojafahrt

Instrumenten ein schnarrendes, klimperndes Geräusch hervorbrachten, das in der Tat
eine entfernte Ähnlichkeit mit Musik zu haben schien. Vor ihnen war der Kaffeeschank
errichtet, ein kleiner Kochherd, Holzkohlen, Kannen und Täßchen. Wir kamen leider
gerade erst an, als der Tanz zu Ende ging. Die Mädchen trugen Kleider nach
europäischem Schnitt, sehr buntfarbig, rot, grün, blau, viele auch strahlend weiß.
Am Hals, auf der Brust, in den Ohren prangte stattlicher Goldschmuck. Diese
Neigung der troischen Frauen, sich mit Goldstaat zu behängen, hat sich also in un-
unterbrochner Folge von den Bewohnerinnen der zweiten Stadt bis auf unsre
Zeit von einem Geschlecht zum andern vererbt, fünf Jahrtausende lang. So unver¬
änderlich ist die Natur des Weibes.

Die Festteilnehmer schwangen sich bei unsrer Ankunft gerade zum Nachhause-
reiten auf ihre Pferde, auf je eins immer ein Paar, er vorn, sie hinten, sich an
ihm festhaltend. Überall herrschte Jubel und Lachen, und dazwischen knallten Pistolen¬
schüsse. Neben Stuten trabten ihre Füllen frei einher, die Hengste waren viel feuriger
und ungebcindigter als unsre Mietsgäule, aber die jungen Griechinnen fürchteten
sich nicht; mochten sich die Tiere noch so sehr bäumen und schlagen, sie hielten sich
einfach an ihren Liebsten fest und vertrauten deren sicherer Hand. Wir trafen zu
unsrer angenehmen Überraschung auf diesem Festplatz auch unsre beiden deutschen
Damen und einige von unsern Herren, die sich direkt von Hissarlik zu Fuß hierher¬
begeben hatte«. Wir zogen dann alle zusammen in das Dorf selbst hinein, um
von dem Fest so viel wie möglich mitzunehmen. Auf dem Platz in der Mitte wurde
"och getanzt, natürlich nach griechischer Art, d. h. im Kreise hin und her getreten,
wobei jedoch die Tanzenden, um jede Berührung zu vermeiden, Taschentücher zwischen
le zwei Hände nehmen. Unsre Damen sahen zuerst zu und konstatierten mit Be¬
friedigung, daß die europäischen Laster des Puderns und Schminkens auch schon
Naturkinder infiziert hatten. Dann aber genügte es ihnen nicht mehr, als
müßige Zuschauerinnen am Markte zu stehe«, die Amerikanerinnen engagierten ihre
Herren, und im Handumdrehen wurde der orientalische Reigentanz von einem
occidentalischen Rundtanz durchbrochen. Sogar eine Quadrille wurde riskiert. Mir
Mette es natürlich in den Füßen, anzutun, aber der brennende Schmerz in meinem
rechten Bein zwang mich auf einen Strohschemel nieder. Ich fand meinen Trost
in dem herrlichen Tenedoswein, den der Gastwirt verschenkte, und schaute mit der
Ruhe des Weltweisen auf das bunte Treiben vor mir.

Die Griechen hatten, als sie die Europäer tanzen sahen, ihren Reigen auf¬
gelöst und schauten nun mit offnen Mündern auf die tanzenden Paare. So etwas
hatten sie offenbar noch nicht gesehen, und das enge Sichaneinanderschmiegen schien
ihnen sicherlich anfangs anstößig, doch ging die etwa vorhandne sittliche Entrüstung
sehr bald in dem allgemeinen Jubel zugrunde. Das ganze Dorf drängte herzu,
und nicht allein der Platz selbst war dicht mit Menschen besetzt, sondern auch die
Fenster und die Dächer der Häuser, ja sogar auf die Gipfel der Bäume kletterten
die Burschen, um den losen oder vielmehr allzu geschlossenen Tanz der ausgelassenen
europäischen Gesellschaft zu schauen. Die Musikanten arbeiteten aus Leibeskräften,
und als der Wirt mit einem Krug Krahl «Wein) umherging und jedem, der da
wollte, unentgeltlich einschenkte, erreichte die Begeisterung ihren Höhepunkt,

vim- ^ begann zu dunkeln, und wir mußten uns beeilen, wenn wir noch vor
oUlger Nacht zu unsern verwunschnem neun Städten zurückkommen wollten. Auchle Griechen brachen auf und setzten sich paarweise zu Roß. Das letzte, was ich
> war, daß ein emporsteigender Hengst das auf ihm sitzende Liebespaar von hinten
g gen eine Mauer rannte. Die Trojanerin beugte sich so weit wie möglich nach
n und glitt dann sanft vom Rosse. Noch einmal, zum siebenten mal an diesem
in?^ wir durch den strudelreichen Skamander reiten, dann gelangten wir
A^H"rhein Trabe wieder auf unserm Burghügel an, wo Polyxene schon mit dem
"rnakwbendbrot auf uns wartete.

Die Nacht war recht eigentümlich für mich. Der Wind war zum Sturm ge-


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[0351] Line Trojafahrt Instrumenten ein schnarrendes, klimperndes Geräusch hervorbrachten, das in der Tat eine entfernte Ähnlichkeit mit Musik zu haben schien. Vor ihnen war der Kaffeeschank errichtet, ein kleiner Kochherd, Holzkohlen, Kannen und Täßchen. Wir kamen leider gerade erst an, als der Tanz zu Ende ging. Die Mädchen trugen Kleider nach europäischem Schnitt, sehr buntfarbig, rot, grün, blau, viele auch strahlend weiß. Am Hals, auf der Brust, in den Ohren prangte stattlicher Goldschmuck. Diese Neigung der troischen Frauen, sich mit Goldstaat zu behängen, hat sich also in un- unterbrochner Folge von den Bewohnerinnen der zweiten Stadt bis auf unsre Zeit von einem Geschlecht zum andern vererbt, fünf Jahrtausende lang. So unver¬ änderlich ist die Natur des Weibes. Die Festteilnehmer schwangen sich bei unsrer Ankunft gerade zum Nachhause- reiten auf ihre Pferde, auf je eins immer ein Paar, er vorn, sie hinten, sich an ihm festhaltend. Überall herrschte Jubel und Lachen, und dazwischen knallten Pistolen¬ schüsse. Neben Stuten trabten ihre Füllen frei einher, die Hengste waren viel feuriger und ungebcindigter als unsre Mietsgäule, aber die jungen Griechinnen fürchteten sich nicht; mochten sich die Tiere noch so sehr bäumen und schlagen, sie hielten sich einfach an ihren Liebsten fest und vertrauten deren sicherer Hand. Wir trafen zu unsrer angenehmen Überraschung auf diesem Festplatz auch unsre beiden deutschen Damen und einige von unsern Herren, die sich direkt von Hissarlik zu Fuß hierher¬ begeben hatte«. Wir zogen dann alle zusammen in das Dorf selbst hinein, um von dem Fest so viel wie möglich mitzunehmen. Auf dem Platz in der Mitte wurde "och getanzt, natürlich nach griechischer Art, d. h. im Kreise hin und her getreten, wobei jedoch die Tanzenden, um jede Berührung zu vermeiden, Taschentücher zwischen le zwei Hände nehmen. Unsre Damen sahen zuerst zu und konstatierten mit Be¬ friedigung, daß die europäischen Laster des Puderns und Schminkens auch schon Naturkinder infiziert hatten. Dann aber genügte es ihnen nicht mehr, als müßige Zuschauerinnen am Markte zu stehe«, die Amerikanerinnen engagierten ihre Herren, und im Handumdrehen wurde der orientalische Reigentanz von einem occidentalischen Rundtanz durchbrochen. Sogar eine Quadrille wurde riskiert. Mir Mette es natürlich in den Füßen, anzutun, aber der brennende Schmerz in meinem rechten Bein zwang mich auf einen Strohschemel nieder. Ich fand meinen Trost in dem herrlichen Tenedoswein, den der Gastwirt verschenkte, und schaute mit der Ruhe des Weltweisen auf das bunte Treiben vor mir. Die Griechen hatten, als sie die Europäer tanzen sahen, ihren Reigen auf¬ gelöst und schauten nun mit offnen Mündern auf die tanzenden Paare. So etwas hatten sie offenbar noch nicht gesehen, und das enge Sichaneinanderschmiegen schien ihnen sicherlich anfangs anstößig, doch ging die etwa vorhandne sittliche Entrüstung sehr bald in dem allgemeinen Jubel zugrunde. Das ganze Dorf drängte herzu, und nicht allein der Platz selbst war dicht mit Menschen besetzt, sondern auch die Fenster und die Dächer der Häuser, ja sogar auf die Gipfel der Bäume kletterten die Burschen, um den losen oder vielmehr allzu geschlossenen Tanz der ausgelassenen europäischen Gesellschaft zu schauen. Die Musikanten arbeiteten aus Leibeskräften, und als der Wirt mit einem Krug Krahl «Wein) umherging und jedem, der da wollte, unentgeltlich einschenkte, erreichte die Begeisterung ihren Höhepunkt, vim- ^ begann zu dunkeln, und wir mußten uns beeilen, wenn wir noch vor oUlger Nacht zu unsern verwunschnem neun Städten zurückkommen wollten. Auchle Griechen brachen auf und setzten sich paarweise zu Roß. Das letzte, was ich > war, daß ein emporsteigender Hengst das auf ihm sitzende Liebespaar von hinten g gen eine Mauer rannte. Die Trojanerin beugte sich so weit wie möglich nach n und glitt dann sanft vom Rosse. Noch einmal, zum siebenten mal an diesem in?^ wir durch den strudelreichen Skamander reiten, dann gelangten wir A^H"rhein Trabe wieder auf unserm Burghügel an, wo Polyxene schon mit dem "rnakwbendbrot auf uns wartete. Die Nacht war recht eigentümlich für mich. Der Wind war zum Sturm ge-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/351>, abgerufen am 04.07.2024.