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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line Trojafahrt

es erschien. Thiersch wollte die Holländer und Dänen der Einfachheit halber gleich
mit zu den Deutschen stellen. Das verbaten sich diese entschieden. Die Ungarn
weigerten sich kategorisch, mit den Österreichern zusammengetan zu werden, der
Pole, der Ruthene, der Tscheche verlangten gesonderte Aufführung, und ein Deutsch-
Russe schwankte, ob er zu den Deutschen gehen oder die russische Nation repräsen¬
tieren sollte; er entschied sich für das letzte, weil er glaubte, der russische Name werde
dem Türken besonders imponieren. Endlich waren alle Nationen und Natiönchen
abgezählt und aufnotiert, und der "Obertürke" erteilte nun, nachdem er den ihm
eingehändigten Zettel lauge verständnislos hin und her gewandt hatte, zögernd die
Erlaubnis.

Wir setzten uns also in Bewegung, und zwar, da der Tumulus nicht weit vom
Orte liegt, zu Fuß. Aber kaum waren wir einige hundert Schritte weit vorgedrungen
und wollten eben den Hauptplatz betreten, auf dem wir eine kleine Moschee und
ein paar grüne Bäume sahen, als uns das Schicksal in Gestalt eines Soldaten
entgegentrat, des Postens vor der Kaserne am Platze. Er rief mir, der ich ruhig
an ihm Vorbeigehen wollte, mit sehr bezeichnender Handbewegung ein energisches
"oxisso!" (zurück) zu, blieb dann mit geschultertem Gewehr vor uns stehn und ließ
sich auf keine weitern Verhandlungen ein. Vermutlich verstand er nur die wenigen
Worte Griechisch, die zum Verdicken unumgänglich nötig sind. Unser sich rasch
steigernder Unwille ließ ihn kalt.

Jetzt kam ein Offizier die Straße neben dem Platze herauf, rief, als er uns
bemerkte, einem andern Soldaten einige Worte zu und trat dann hinter eine dicke
Pappel. Der Soldat brachte ihm aus der Kaserne seinen Säbel und schnallte ihn
ihm um, und nnn erst, solchergestalt kriegerisch adjustiert, trat der Offizier -- es
war ein blutjunger Leutnant -- mit der vollendeten Gravität und dem Selbstbe¬
wußtsein eines Paschas zu den drei Roßschweifen auf uns zu. Mehrere Soldaten
folgten ihm. Thiersch setzte ihm unser Begehren auseinander; er aber erwiderte,
unterhalb des Hügels liege eine neue Batterie, deshalb sei es unmöglich, daß wir
diesen besuchten. Als sich Thiersch auf die Erlaubnis der Ortsbehörde berief, lachte
ihm der Offizier ins Gesicht und sagte: "Wenn du mir eine Bescheinigung vom
Seraskeriat (Kriegsministerium) in Konstantinopel vorweisest, Effendi, so werde ich
dir und deinen Genossen den Zutritt freigeben, sonst nicht." Dabei bliebs, der
kranke Mann war einmal wieder gerettet, für uns aber hieß es oxisso! Auf den
Gesichtern der Ortseingesessenen lag es wie Schadenfreude, als wir uns wieder auf
die Gäule schwangen und im Abreiten wehmütig den Kauens anstimmten: Muß i
deun, muß i denn zum Städtle hinaus. Mir persönlich war allerdings dieses charak¬
teristische Erlebnis wertvoller als der Tumulus des göttlichen Achilles und seines
Freundes Patroklos zusammengenommen. Sind doch beide schon von Schliemann
eingegraben und leer gefunden worden, also Kenotaphe gewesen."

Thiersch gab nun die Losung aus: "Nach Kallifatli, zum griechischen Volksfest!
Kallifatlt ist ein Dorf südwestlich von Hissarlik. Dorthin ging nun unser Ritt durch
die öde kahle Ebne mit ihren dürren Feldern. Wiederum mußten wir durch den
Meudere reiten, und dabei passierte es zum erstenmal, daß sich eins der Pferde
ganz gemütlich ins Wasser legte. Den Deutsch-Russen traf dieses Unheil, vielleicht
zur Strafe für seiue "Dcutschverleugnung" beim Nationalitätenappell. Bedenklich
war, daß er bei diesem unfreiwilligen Bade anfangs im Steigbügel hängen blieb.
Völlig durchnäßt mit engangeklebten Kleidern mußte er weiterreiten. Der starke
Nord trocknete ihn jedoch bald, konnte ihm freilich den weggeschwommenen Hut
nicht wiederbringen.

Noch einmal mußten wir einen Arm des Skamander passieren und ritten dann,
das steil aus der Ebne aufsteigende Hissarlik mit seinen Schuttkegeln links liegen
lassend, auf Kallifatli zu. Schon vor dem Orte stießen wir auf die Panigyris
(Festversammlung). Eine uralte Platane stand auf einem weiten Rasenplan. In
ihrer Höhlung bargen sich drei Musikanten, die mit einer Guitarre und zwei Blas-


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es erschien. Thiersch wollte die Holländer und Dänen der Einfachheit halber gleich
mit zu den Deutschen stellen. Das verbaten sich diese entschieden. Die Ungarn
weigerten sich kategorisch, mit den Österreichern zusammengetan zu werden, der
Pole, der Ruthene, der Tscheche verlangten gesonderte Aufführung, und ein Deutsch-
Russe schwankte, ob er zu den Deutschen gehen oder die russische Nation repräsen¬
tieren sollte; er entschied sich für das letzte, weil er glaubte, der russische Name werde
dem Türken besonders imponieren. Endlich waren alle Nationen und Natiönchen
abgezählt und aufnotiert, und der „Obertürke" erteilte nun, nachdem er den ihm
eingehändigten Zettel lauge verständnislos hin und her gewandt hatte, zögernd die
Erlaubnis.

Wir setzten uns also in Bewegung, und zwar, da der Tumulus nicht weit vom
Orte liegt, zu Fuß. Aber kaum waren wir einige hundert Schritte weit vorgedrungen
und wollten eben den Hauptplatz betreten, auf dem wir eine kleine Moschee und
ein paar grüne Bäume sahen, als uns das Schicksal in Gestalt eines Soldaten
entgegentrat, des Postens vor der Kaserne am Platze. Er rief mir, der ich ruhig
an ihm Vorbeigehen wollte, mit sehr bezeichnender Handbewegung ein energisches
„oxisso!" (zurück) zu, blieb dann mit geschultertem Gewehr vor uns stehn und ließ
sich auf keine weitern Verhandlungen ein. Vermutlich verstand er nur die wenigen
Worte Griechisch, die zum Verdicken unumgänglich nötig sind. Unser sich rasch
steigernder Unwille ließ ihn kalt.

Jetzt kam ein Offizier die Straße neben dem Platze herauf, rief, als er uns
bemerkte, einem andern Soldaten einige Worte zu und trat dann hinter eine dicke
Pappel. Der Soldat brachte ihm aus der Kaserne seinen Säbel und schnallte ihn
ihm um, und nnn erst, solchergestalt kriegerisch adjustiert, trat der Offizier — es
war ein blutjunger Leutnant — mit der vollendeten Gravität und dem Selbstbe¬
wußtsein eines Paschas zu den drei Roßschweifen auf uns zu. Mehrere Soldaten
folgten ihm. Thiersch setzte ihm unser Begehren auseinander; er aber erwiderte,
unterhalb des Hügels liege eine neue Batterie, deshalb sei es unmöglich, daß wir
diesen besuchten. Als sich Thiersch auf die Erlaubnis der Ortsbehörde berief, lachte
ihm der Offizier ins Gesicht und sagte: „Wenn du mir eine Bescheinigung vom
Seraskeriat (Kriegsministerium) in Konstantinopel vorweisest, Effendi, so werde ich
dir und deinen Genossen den Zutritt freigeben, sonst nicht." Dabei bliebs, der
kranke Mann war einmal wieder gerettet, für uns aber hieß es oxisso! Auf den
Gesichtern der Ortseingesessenen lag es wie Schadenfreude, als wir uns wieder auf
die Gäule schwangen und im Abreiten wehmütig den Kauens anstimmten: Muß i
deun, muß i denn zum Städtle hinaus. Mir persönlich war allerdings dieses charak¬
teristische Erlebnis wertvoller als der Tumulus des göttlichen Achilles und seines
Freundes Patroklos zusammengenommen. Sind doch beide schon von Schliemann
eingegraben und leer gefunden worden, also Kenotaphe gewesen."

Thiersch gab nun die Losung aus: „Nach Kallifatli, zum griechischen Volksfest!
Kallifatlt ist ein Dorf südwestlich von Hissarlik. Dorthin ging nun unser Ritt durch
die öde kahle Ebne mit ihren dürren Feldern. Wiederum mußten wir durch den
Meudere reiten, und dabei passierte es zum erstenmal, daß sich eins der Pferde
ganz gemütlich ins Wasser legte. Den Deutsch-Russen traf dieses Unheil, vielleicht
zur Strafe für seiue „Dcutschverleugnung" beim Nationalitätenappell. Bedenklich
war, daß er bei diesem unfreiwilligen Bade anfangs im Steigbügel hängen blieb.
Völlig durchnäßt mit engangeklebten Kleidern mußte er weiterreiten. Der starke
Nord trocknete ihn jedoch bald, konnte ihm freilich den weggeschwommenen Hut
nicht wiederbringen.

Noch einmal mußten wir einen Arm des Skamander passieren und ritten dann,
das steil aus der Ebne aufsteigende Hissarlik mit seinen Schuttkegeln links liegen
lassend, auf Kallifatli zu. Schon vor dem Orte stießen wir auf die Panigyris
(Festversammlung). Eine uralte Platane stand auf einem weiten Rasenplan. In
ihrer Höhlung bargen sich drei Musikanten, die mit einer Guitarre und zwei Blas-


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[0350] Line Trojafahrt es erschien. Thiersch wollte die Holländer und Dänen der Einfachheit halber gleich mit zu den Deutschen stellen. Das verbaten sich diese entschieden. Die Ungarn weigerten sich kategorisch, mit den Österreichern zusammengetan zu werden, der Pole, der Ruthene, der Tscheche verlangten gesonderte Aufführung, und ein Deutsch- Russe schwankte, ob er zu den Deutschen gehen oder die russische Nation repräsen¬ tieren sollte; er entschied sich für das letzte, weil er glaubte, der russische Name werde dem Türken besonders imponieren. Endlich waren alle Nationen und Natiönchen abgezählt und aufnotiert, und der „Obertürke" erteilte nun, nachdem er den ihm eingehändigten Zettel lauge verständnislos hin und her gewandt hatte, zögernd die Erlaubnis. Wir setzten uns also in Bewegung, und zwar, da der Tumulus nicht weit vom Orte liegt, zu Fuß. Aber kaum waren wir einige hundert Schritte weit vorgedrungen und wollten eben den Hauptplatz betreten, auf dem wir eine kleine Moschee und ein paar grüne Bäume sahen, als uns das Schicksal in Gestalt eines Soldaten entgegentrat, des Postens vor der Kaserne am Platze. Er rief mir, der ich ruhig an ihm Vorbeigehen wollte, mit sehr bezeichnender Handbewegung ein energisches „oxisso!" (zurück) zu, blieb dann mit geschultertem Gewehr vor uns stehn und ließ sich auf keine weitern Verhandlungen ein. Vermutlich verstand er nur die wenigen Worte Griechisch, die zum Verdicken unumgänglich nötig sind. Unser sich rasch steigernder Unwille ließ ihn kalt. Jetzt kam ein Offizier die Straße neben dem Platze herauf, rief, als er uns bemerkte, einem andern Soldaten einige Worte zu und trat dann hinter eine dicke Pappel. Der Soldat brachte ihm aus der Kaserne seinen Säbel und schnallte ihn ihm um, und nnn erst, solchergestalt kriegerisch adjustiert, trat der Offizier — es war ein blutjunger Leutnant — mit der vollendeten Gravität und dem Selbstbe¬ wußtsein eines Paschas zu den drei Roßschweifen auf uns zu. Mehrere Soldaten folgten ihm. Thiersch setzte ihm unser Begehren auseinander; er aber erwiderte, unterhalb des Hügels liege eine neue Batterie, deshalb sei es unmöglich, daß wir diesen besuchten. Als sich Thiersch auf die Erlaubnis der Ortsbehörde berief, lachte ihm der Offizier ins Gesicht und sagte: „Wenn du mir eine Bescheinigung vom Seraskeriat (Kriegsministerium) in Konstantinopel vorweisest, Effendi, so werde ich dir und deinen Genossen den Zutritt freigeben, sonst nicht." Dabei bliebs, der kranke Mann war einmal wieder gerettet, für uns aber hieß es oxisso! Auf den Gesichtern der Ortseingesessenen lag es wie Schadenfreude, als wir uns wieder auf die Gäule schwangen und im Abreiten wehmütig den Kauens anstimmten: Muß i deun, muß i denn zum Städtle hinaus. Mir persönlich war allerdings dieses charak¬ teristische Erlebnis wertvoller als der Tumulus des göttlichen Achilles und seines Freundes Patroklos zusammengenommen. Sind doch beide schon von Schliemann eingegraben und leer gefunden worden, also Kenotaphe gewesen." Thiersch gab nun die Losung aus: „Nach Kallifatli, zum griechischen Volksfest! Kallifatlt ist ein Dorf südwestlich von Hissarlik. Dorthin ging nun unser Ritt durch die öde kahle Ebne mit ihren dürren Feldern. Wiederum mußten wir durch den Meudere reiten, und dabei passierte es zum erstenmal, daß sich eins der Pferde ganz gemütlich ins Wasser legte. Den Deutsch-Russen traf dieses Unheil, vielleicht zur Strafe für seiue „Dcutschverleugnung" beim Nationalitätenappell. Bedenklich war, daß er bei diesem unfreiwilligen Bade anfangs im Steigbügel hängen blieb. Völlig durchnäßt mit engangeklebten Kleidern mußte er weiterreiten. Der starke Nord trocknete ihn jedoch bald, konnte ihm freilich den weggeschwommenen Hut nicht wiederbringen. Noch einmal mußten wir einen Arm des Skamander passieren und ritten dann, das steil aus der Ebne aufsteigende Hissarlik mit seinen Schuttkegeln links liegen lassend, auf Kallifatli zu. Schon vor dem Orte stießen wir auf die Panigyris (Festversammlung). Eine uralte Platane stand auf einem weiten Rasenplan. In ihrer Höhlung bargen sich drei Musikanten, die mit einer Guitarre und zwei Blas-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/350>, abgerufen am 25.07.2024.