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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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sie das öfter an Empfangsabenden tat, so konnte sie ans Modernität ihres Putzes
nicht eben Anspruch erheben. Er wäre vielmehr schon der schönen Helena ebenso
altmodisch vorgekommen, wie unsern Damen etwa der Schmuck merowingischer
Königinnen.

Die dritte, die vierte und die fünfte Ansiedlung siud unbedeutend und dorf¬
ähnlich. Die sechste ist die mykenische Stadt, die man von etwa 1500 bis 1000 v. Chr.
ansetzen muß. Erhalten sind von ihr nur die Südmauer und die Gebäude, die in
deren Nähe lagen. Die ganze Nordseite ist schon im Altertum zur Befestigung der
Stadt Sigeion abgebrochen worden. Wenn man diese Mauer sieht, so begreift man
kaum, wie man je die der zweiten Stadt für die des homerischen Ilios hat halten
können, die doch mit ihren kleinern Steinen von dem bekannten mykenischen Typus
so gänzlich abweicht. Die neuentdeckte Mauer dagegen besteht aus soliden Quadern
und "Steinziegeln" -- so nennt Dörpfeld die länglichen Steine, die die ältere
Ziegelform nachahmen -- und kann sich an Stärke und Festigkeit mit allen Mauern
der mykenischen Zeit messen, während sie an sorgfältiger Bearbeitung die andern
übertrifft. Ganz eigentümlich berührt den Beschauer, daß diese Mauer nicht rund,
sondern polygonal gebaut ist. Stücke von neun Metern Länge bilden immer eine
Seite des Polygons, die durch einen besonders sorgfältig gearbeiteten Vorsprung
sich von der Nachbarseite nach außen hin abhebt. Man war anfangs zweifelhaft,
ob diese Vorsprünge nicht etwa einem fortifikatorischeu Zweck gedient haben. Dörpfeld
aber hat festgestellt, daß sie nur eine architektonische Dekoration sind. Sie dienten
bei den Luftziegelmauern, die immer in einzelnen Stücken gebaut wurden, zur
Verdeckung der zwischen diesen Manerabschnitteu leicht entstehenden Fugen. So finden
sie sich schon in Ägypten. Diese Bauart ist dann hier auf den Steinbau übertragen
worden, ebenso wie die lange Form der Ziegel.

Auch die Zweiteilung der Mauer in eine untere gebvschte Stützmauer und eine
senkrechte Obermauer ist altüberliefert und war schon bei der zweiten Stadt in
gleicher Weise vorhanden, nur mit dem Unterschiede, daß bei der sechsten die Ober¬
mauer aus solidem Stein kaum halb so dick zu sein brauchte, wie die vier Meter
dicke Lehmziegelmauer der zweiten. Diese Mauerkvnstruktion bezeichnete Dörpfeld
als eine Mausefalle. Der Feind sollte verlockt werden, die leicht zu erkletternde
geböschte Untermauer zu erklimmen, dann warf man ihm von der senkrechten Ober¬
mauer einen Stein auf den Kopf. Dieser Knick in der Mitte der Mauer ist "der
Ellbogen der Mauer," bis zu dem Patroklus im sechzehnten Buche der Ilias
M 702) dreimal emporstürmt, bis er von Apollo zurückgescheucht wird, nicht eine
Mauerecke oder ein Vorsprung, wie man bis vor kurzem erklärte. Auch an den
Toren siud "Mausefallen" angebracht, ebenso wie in Tiryns. Der Feind wurde
verlockt, durch einen scheinbar unverschlossen Gang in die Stadt einzudringen, fand
sich hinter einer Wendung dann plötzlich vor einem befestigten Tore und wurde
nun von beiden Seiten mit Geschossen überschüttet.

Einen mächtigen Eindruck ans den Beschauer macht besonders der riesige
Nordostturm, dessen Nordecke wie eine spitze Bastion in die Ebne vorspringt und
merkwürdigerweise genau mit derselben leichten Biegung nach innen geböscht ist,
wie der Eiffelturm, weil diese Konstruktion die größte Festigkeit bietet. Die alten
Architekten, wahrscheinlich eine Baukaste phönikischen Ursprungs, haben also schon
eben dasselbe gewußt und geübt, wie die modernsten französischen Eisenkonstrukteure.
Dieser gewaltige Nordostturm ist erst in der letzten Bauperiode der Stadt an die
Mauer angefügt worden, um eine der Lebensquellen der Stadt, einen Brunnen,
in die Befestigung hineinzuziehen.

Die sechste Stadt ninßte, da ihre Außenmauer eine Strecke unterhalb der
höchsten Erhebung lag, in Terrassen nach innen ansteigen, und vielleicht waren die
Terrassenmauern ältere Ringmauern. Von ihren Gebäuden sind die im Innern
liegenden durch die spätern Ansiedlungen und durch die Schliemaunscheu Grabungen
zerstört worden. Erhalten sind nur noch die hart an der Mauer liegenden, die


Line Trojafahrt

sie das öfter an Empfangsabenden tat, so konnte sie ans Modernität ihres Putzes
nicht eben Anspruch erheben. Er wäre vielmehr schon der schönen Helena ebenso
altmodisch vorgekommen, wie unsern Damen etwa der Schmuck merowingischer
Königinnen.

Die dritte, die vierte und die fünfte Ansiedlung siud unbedeutend und dorf¬
ähnlich. Die sechste ist die mykenische Stadt, die man von etwa 1500 bis 1000 v. Chr.
ansetzen muß. Erhalten sind von ihr nur die Südmauer und die Gebäude, die in
deren Nähe lagen. Die ganze Nordseite ist schon im Altertum zur Befestigung der
Stadt Sigeion abgebrochen worden. Wenn man diese Mauer sieht, so begreift man
kaum, wie man je die der zweiten Stadt für die des homerischen Ilios hat halten
können, die doch mit ihren kleinern Steinen von dem bekannten mykenischen Typus
so gänzlich abweicht. Die neuentdeckte Mauer dagegen besteht aus soliden Quadern
und „Steinziegeln" — so nennt Dörpfeld die länglichen Steine, die die ältere
Ziegelform nachahmen — und kann sich an Stärke und Festigkeit mit allen Mauern
der mykenischen Zeit messen, während sie an sorgfältiger Bearbeitung die andern
übertrifft. Ganz eigentümlich berührt den Beschauer, daß diese Mauer nicht rund,
sondern polygonal gebaut ist. Stücke von neun Metern Länge bilden immer eine
Seite des Polygons, die durch einen besonders sorgfältig gearbeiteten Vorsprung
sich von der Nachbarseite nach außen hin abhebt. Man war anfangs zweifelhaft,
ob diese Vorsprünge nicht etwa einem fortifikatorischeu Zweck gedient haben. Dörpfeld
aber hat festgestellt, daß sie nur eine architektonische Dekoration sind. Sie dienten
bei den Luftziegelmauern, die immer in einzelnen Stücken gebaut wurden, zur
Verdeckung der zwischen diesen Manerabschnitteu leicht entstehenden Fugen. So finden
sie sich schon in Ägypten. Diese Bauart ist dann hier auf den Steinbau übertragen
worden, ebenso wie die lange Form der Ziegel.

Auch die Zweiteilung der Mauer in eine untere gebvschte Stützmauer und eine
senkrechte Obermauer ist altüberliefert und war schon bei der zweiten Stadt in
gleicher Weise vorhanden, nur mit dem Unterschiede, daß bei der sechsten die Ober¬
mauer aus solidem Stein kaum halb so dick zu sein brauchte, wie die vier Meter
dicke Lehmziegelmauer der zweiten. Diese Mauerkvnstruktion bezeichnete Dörpfeld
als eine Mausefalle. Der Feind sollte verlockt werden, die leicht zu erkletternde
geböschte Untermauer zu erklimmen, dann warf man ihm von der senkrechten Ober¬
mauer einen Stein auf den Kopf. Dieser Knick in der Mitte der Mauer ist „der
Ellbogen der Mauer," bis zu dem Patroklus im sechzehnten Buche der Ilias
M 702) dreimal emporstürmt, bis er von Apollo zurückgescheucht wird, nicht eine
Mauerecke oder ein Vorsprung, wie man bis vor kurzem erklärte. Auch an den
Toren siud „Mausefallen" angebracht, ebenso wie in Tiryns. Der Feind wurde
verlockt, durch einen scheinbar unverschlossen Gang in die Stadt einzudringen, fand
sich hinter einer Wendung dann plötzlich vor einem befestigten Tore und wurde
nun von beiden Seiten mit Geschossen überschüttet.

Einen mächtigen Eindruck ans den Beschauer macht besonders der riesige
Nordostturm, dessen Nordecke wie eine spitze Bastion in die Ebne vorspringt und
merkwürdigerweise genau mit derselben leichten Biegung nach innen geböscht ist,
wie der Eiffelturm, weil diese Konstruktion die größte Festigkeit bietet. Die alten
Architekten, wahrscheinlich eine Baukaste phönikischen Ursprungs, haben also schon
eben dasselbe gewußt und geübt, wie die modernsten französischen Eisenkonstrukteure.
Dieser gewaltige Nordostturm ist erst in der letzten Bauperiode der Stadt an die
Mauer angefügt worden, um eine der Lebensquellen der Stadt, einen Brunnen,
in die Befestigung hineinzuziehen.

Die sechste Stadt ninßte, da ihre Außenmauer eine Strecke unterhalb der
höchsten Erhebung lag, in Terrassen nach innen ansteigen, und vielleicht waren die
Terrassenmauern ältere Ringmauern. Von ihren Gebäuden sind die im Innern
liegenden durch die spätern Ansiedlungen und durch die Schliemaunscheu Grabungen
zerstört worden. Erhalten sind nur noch die hart an der Mauer liegenden, die


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[0230] Line Trojafahrt sie das öfter an Empfangsabenden tat, so konnte sie ans Modernität ihres Putzes nicht eben Anspruch erheben. Er wäre vielmehr schon der schönen Helena ebenso altmodisch vorgekommen, wie unsern Damen etwa der Schmuck merowingischer Königinnen. Die dritte, die vierte und die fünfte Ansiedlung siud unbedeutend und dorf¬ ähnlich. Die sechste ist die mykenische Stadt, die man von etwa 1500 bis 1000 v. Chr. ansetzen muß. Erhalten sind von ihr nur die Südmauer und die Gebäude, die in deren Nähe lagen. Die ganze Nordseite ist schon im Altertum zur Befestigung der Stadt Sigeion abgebrochen worden. Wenn man diese Mauer sieht, so begreift man kaum, wie man je die der zweiten Stadt für die des homerischen Ilios hat halten können, die doch mit ihren kleinern Steinen von dem bekannten mykenischen Typus so gänzlich abweicht. Die neuentdeckte Mauer dagegen besteht aus soliden Quadern und „Steinziegeln" — so nennt Dörpfeld die länglichen Steine, die die ältere Ziegelform nachahmen — und kann sich an Stärke und Festigkeit mit allen Mauern der mykenischen Zeit messen, während sie an sorgfältiger Bearbeitung die andern übertrifft. Ganz eigentümlich berührt den Beschauer, daß diese Mauer nicht rund, sondern polygonal gebaut ist. Stücke von neun Metern Länge bilden immer eine Seite des Polygons, die durch einen besonders sorgfältig gearbeiteten Vorsprung sich von der Nachbarseite nach außen hin abhebt. Man war anfangs zweifelhaft, ob diese Vorsprünge nicht etwa einem fortifikatorischeu Zweck gedient haben. Dörpfeld aber hat festgestellt, daß sie nur eine architektonische Dekoration sind. Sie dienten bei den Luftziegelmauern, die immer in einzelnen Stücken gebaut wurden, zur Verdeckung der zwischen diesen Manerabschnitteu leicht entstehenden Fugen. So finden sie sich schon in Ägypten. Diese Bauart ist dann hier auf den Steinbau übertragen worden, ebenso wie die lange Form der Ziegel. Auch die Zweiteilung der Mauer in eine untere gebvschte Stützmauer und eine senkrechte Obermauer ist altüberliefert und war schon bei der zweiten Stadt in gleicher Weise vorhanden, nur mit dem Unterschiede, daß bei der sechsten die Ober¬ mauer aus solidem Stein kaum halb so dick zu sein brauchte, wie die vier Meter dicke Lehmziegelmauer der zweiten. Diese Mauerkvnstruktion bezeichnete Dörpfeld als eine Mausefalle. Der Feind sollte verlockt werden, die leicht zu erkletternde geböschte Untermauer zu erklimmen, dann warf man ihm von der senkrechten Ober¬ mauer einen Stein auf den Kopf. Dieser Knick in der Mitte der Mauer ist „der Ellbogen der Mauer," bis zu dem Patroklus im sechzehnten Buche der Ilias M 702) dreimal emporstürmt, bis er von Apollo zurückgescheucht wird, nicht eine Mauerecke oder ein Vorsprung, wie man bis vor kurzem erklärte. Auch an den Toren siud „Mausefallen" angebracht, ebenso wie in Tiryns. Der Feind wurde verlockt, durch einen scheinbar unverschlossen Gang in die Stadt einzudringen, fand sich hinter einer Wendung dann plötzlich vor einem befestigten Tore und wurde nun von beiden Seiten mit Geschossen überschüttet. Einen mächtigen Eindruck ans den Beschauer macht besonders der riesige Nordostturm, dessen Nordecke wie eine spitze Bastion in die Ebne vorspringt und merkwürdigerweise genau mit derselben leichten Biegung nach innen geböscht ist, wie der Eiffelturm, weil diese Konstruktion die größte Festigkeit bietet. Die alten Architekten, wahrscheinlich eine Baukaste phönikischen Ursprungs, haben also schon eben dasselbe gewußt und geübt, wie die modernsten französischen Eisenkonstrukteure. Dieser gewaltige Nordostturm ist erst in der letzten Bauperiode der Stadt an die Mauer angefügt worden, um eine der Lebensquellen der Stadt, einen Brunnen, in die Befestigung hineinzuziehen. Die sechste Stadt ninßte, da ihre Außenmauer eine Strecke unterhalb der höchsten Erhebung lag, in Terrassen nach innen ansteigen, und vielleicht waren die Terrassenmauern ältere Ringmauern. Von ihren Gebäuden sind die im Innern liegenden durch die spätern Ansiedlungen und durch die Schliemaunscheu Grabungen zerstört worden. Erhalten sind nur noch die hart an der Mauer liegenden, die

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/230>, abgerufen am 25.07.2024.