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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Eine Trojafahrt

grabungsfeldern immer wieder zu diesem seinem Lieblingsgebiete zurückgekehrt, seit
1882 unterstützt von Dörpfeld, den er sich als architektonischen Berater engagiert
hatte. Dieser setzte, als Schliemann im Dezember 1890 ein rascher Tod hinweg¬
gerafft hatte, sein Werk mit den von Schumanns Gattin zur Verfügung gestellten
Mitteln fort, zuletzt in den Jahren 1893 und 1894.

Schliemann hatte in dem Glauben, daß das alte Troja sehr tief liegen müsse,
seine Arbeiten damit begonnen, daß er einen breiten Graben, den vielberufnen
"Nvrdgraben," quer durch den Schutthügel bis auf den gewachsnen Fels schlagen
ließ. Bei diesem allzu summarischen Verfahren wurde natürlich alles Obere zerstört,
und leider hat es Schliemann in seinem Streben, möglichst bald möglichst tief zu
kommen, versäumt, irgendwelche Zeichnungen oder photographische Aufnahmen von
dem jeweiligen Befund zu machen, sodaß viel Wichtiges hier unwiederbringlich ver¬
loren ging. Allmählich erkannte er dann die verschiednen Schichten und verkündete
der staunenden Welt, daß er zu Hissarlik sieben alte Städte übereinander gefunden
habe. Er wurde anfangs durchaus nicht ernst genommen, und vollends als er
erklärte, er habe den Schatz des Priamos ausgegraben, denselben, der jetzt in den
Schliemcmnscilcn des Ethnographischen Museums zu Berlin zu sehen ist, seine Frau
habe ihn in ihrem Umschlagetuch in Sicherheit gebracht, da hatte die gelehrte und
ungelehrte Welt nur Hohn und Spott für den "sonderbaren Schwärmer." Der
Kladderadatsch brachte sogar eine Karikatur, wie Frau Schliemann den Schatz des
Priamos in ihr Umschlagtuch packt.

Nachher sollte sich herausstellen, daß dieser Goldschatz aus noch weit älterer
Zeit stammt, als die des Königs Priamos und des homerischen Troja gewesen ist.
Er war nnmlich in der Mauer der sogenannten zweiten Stadt gefunden, und diese
zweite Stadt hielt Schliemann für das Ilion Homers; er starb auch in diesem
Glauben. Dörpfeld und den andern Mitarbeitern erschienen jedoch schon im
Jahre 1882 die in der zweiten Stadt gefundnen Gegenstände, vornehmlich die zum
großen Schatz gehörenden Schmuckstücke, Schalen und Becher etwas sehr alt, jeden¬
falls älter als die in Mykene gefundnen Goldsachen. Ebenso wichen die Mauern
der zweiten Stadt in ihrem Material und ihrer Bauart durchaus ab von den
"kyklopischen" Mauern in Mykene und Tiryns. Dörpfeld glaubte deshalb schon
damals, daß hier nicht Reste aus der sogenannten mykenischen Periode, wie sie
Homer schildert, vorlagen, sondern solche aus älterer, prähistorischer Zeit. Eine
volle Bestätigung dieser Zweifel brachten die Grabungen von 1893 und 1894. Da
kamen nämlich in einem erweiterten konzentrischen Ring mächtige Mauern zutage,
die in ihrer Konstruktion den mykenischen gleichen. Auch die in dieser Schicht -- es
ist die sechste -- gefundnen Tonvasen und andre Gebrauchsgegenstände trugen
durchaus den Charakter der mykenischen Kulturperiode.

Es sind auf dem Burgberge von Hissarlik überhaupt nicht sieben, wie Schliemann
wollte, sondern neun Ansiedlungen zu unterscheiden. Die älteste, erste Schicht ist
nur durch den Nordgraben bekannt geworden. Hier finden wir unbedeutende Hütten
aus kleinen, mit Lehm verbundnen Steinen, einfarbige Topfware und primitive
Steingerttte, nur ganz vereinzelte Bronzestücke. Dörpfeld setzt diese Schicht nach
Schätzung ungefähr in die Zeit von 3000 bis 2500 v. Chr. Die zweite An-
siedlung ist dann die von Schliemann für Troja gehaltene. Sie liegt fünf Meter
höher als die erste. Ihre Mauern bestehn aus einem nach außen starkgeböschten
Unterbau aus mäßig großen Steinen und einem vier Meter dicken, senkrechten
Oberbau aus Lehmziegeln, die nur an der Sonne getrocknet sind; zwischen sie sind,
um sie zu halten, Holzbalken in die Länge und Quere gelegt, ähnlich wie das
Cäsar von den Mauern gallischer Städte berichtet, und wie es sich auch in Babylon
gefunden hat, wo diese Bauweise entstanden sein muß. In dieser Mauer lag auch
der große, jetzt in Berlin bewahrte Schatz in einer Kiste geborgen. Diese Ansiedlung
gehörte etwa den Jahren 2500 bis 2000 v. Chr. an. Wenn sich Frau Sophie
Schliemann also mit dem großen goldnen Kopfschmuck des Schatzes schmückte, wie


Eine Trojafahrt

grabungsfeldern immer wieder zu diesem seinem Lieblingsgebiete zurückgekehrt, seit
1882 unterstützt von Dörpfeld, den er sich als architektonischen Berater engagiert
hatte. Dieser setzte, als Schliemann im Dezember 1890 ein rascher Tod hinweg¬
gerafft hatte, sein Werk mit den von Schumanns Gattin zur Verfügung gestellten
Mitteln fort, zuletzt in den Jahren 1893 und 1894.

Schliemann hatte in dem Glauben, daß das alte Troja sehr tief liegen müsse,
seine Arbeiten damit begonnen, daß er einen breiten Graben, den vielberufnen
„Nvrdgraben," quer durch den Schutthügel bis auf den gewachsnen Fels schlagen
ließ. Bei diesem allzu summarischen Verfahren wurde natürlich alles Obere zerstört,
und leider hat es Schliemann in seinem Streben, möglichst bald möglichst tief zu
kommen, versäumt, irgendwelche Zeichnungen oder photographische Aufnahmen von
dem jeweiligen Befund zu machen, sodaß viel Wichtiges hier unwiederbringlich ver¬
loren ging. Allmählich erkannte er dann die verschiednen Schichten und verkündete
der staunenden Welt, daß er zu Hissarlik sieben alte Städte übereinander gefunden
habe. Er wurde anfangs durchaus nicht ernst genommen, und vollends als er
erklärte, er habe den Schatz des Priamos ausgegraben, denselben, der jetzt in den
Schliemcmnscilcn des Ethnographischen Museums zu Berlin zu sehen ist, seine Frau
habe ihn in ihrem Umschlagetuch in Sicherheit gebracht, da hatte die gelehrte und
ungelehrte Welt nur Hohn und Spott für den „sonderbaren Schwärmer." Der
Kladderadatsch brachte sogar eine Karikatur, wie Frau Schliemann den Schatz des
Priamos in ihr Umschlagtuch packt.

Nachher sollte sich herausstellen, daß dieser Goldschatz aus noch weit älterer
Zeit stammt, als die des Königs Priamos und des homerischen Troja gewesen ist.
Er war nnmlich in der Mauer der sogenannten zweiten Stadt gefunden, und diese
zweite Stadt hielt Schliemann für das Ilion Homers; er starb auch in diesem
Glauben. Dörpfeld und den andern Mitarbeitern erschienen jedoch schon im
Jahre 1882 die in der zweiten Stadt gefundnen Gegenstände, vornehmlich die zum
großen Schatz gehörenden Schmuckstücke, Schalen und Becher etwas sehr alt, jeden¬
falls älter als die in Mykene gefundnen Goldsachen. Ebenso wichen die Mauern
der zweiten Stadt in ihrem Material und ihrer Bauart durchaus ab von den
„kyklopischen" Mauern in Mykene und Tiryns. Dörpfeld glaubte deshalb schon
damals, daß hier nicht Reste aus der sogenannten mykenischen Periode, wie sie
Homer schildert, vorlagen, sondern solche aus älterer, prähistorischer Zeit. Eine
volle Bestätigung dieser Zweifel brachten die Grabungen von 1893 und 1894. Da
kamen nämlich in einem erweiterten konzentrischen Ring mächtige Mauern zutage,
die in ihrer Konstruktion den mykenischen gleichen. Auch die in dieser Schicht — es
ist die sechste — gefundnen Tonvasen und andre Gebrauchsgegenstände trugen
durchaus den Charakter der mykenischen Kulturperiode.

Es sind auf dem Burgberge von Hissarlik überhaupt nicht sieben, wie Schliemann
wollte, sondern neun Ansiedlungen zu unterscheiden. Die älteste, erste Schicht ist
nur durch den Nordgraben bekannt geworden. Hier finden wir unbedeutende Hütten
aus kleinen, mit Lehm verbundnen Steinen, einfarbige Topfware und primitive
Steingerttte, nur ganz vereinzelte Bronzestücke. Dörpfeld setzt diese Schicht nach
Schätzung ungefähr in die Zeit von 3000 bis 2500 v. Chr. Die zweite An-
siedlung ist dann die von Schliemann für Troja gehaltene. Sie liegt fünf Meter
höher als die erste. Ihre Mauern bestehn aus einem nach außen starkgeböschten
Unterbau aus mäßig großen Steinen und einem vier Meter dicken, senkrechten
Oberbau aus Lehmziegeln, die nur an der Sonne getrocknet sind; zwischen sie sind,
um sie zu halten, Holzbalken in die Länge und Quere gelegt, ähnlich wie das
Cäsar von den Mauern gallischer Städte berichtet, und wie es sich auch in Babylon
gefunden hat, wo diese Bauweise entstanden sein muß. In dieser Mauer lag auch
der große, jetzt in Berlin bewahrte Schatz in einer Kiste geborgen. Diese Ansiedlung
gehörte etwa den Jahren 2500 bis 2000 v. Chr. an. Wenn sich Frau Sophie
Schliemann also mit dem großen goldnen Kopfschmuck des Schatzes schmückte, wie


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[0229] Eine Trojafahrt grabungsfeldern immer wieder zu diesem seinem Lieblingsgebiete zurückgekehrt, seit 1882 unterstützt von Dörpfeld, den er sich als architektonischen Berater engagiert hatte. Dieser setzte, als Schliemann im Dezember 1890 ein rascher Tod hinweg¬ gerafft hatte, sein Werk mit den von Schumanns Gattin zur Verfügung gestellten Mitteln fort, zuletzt in den Jahren 1893 und 1894. Schliemann hatte in dem Glauben, daß das alte Troja sehr tief liegen müsse, seine Arbeiten damit begonnen, daß er einen breiten Graben, den vielberufnen „Nvrdgraben," quer durch den Schutthügel bis auf den gewachsnen Fels schlagen ließ. Bei diesem allzu summarischen Verfahren wurde natürlich alles Obere zerstört, und leider hat es Schliemann in seinem Streben, möglichst bald möglichst tief zu kommen, versäumt, irgendwelche Zeichnungen oder photographische Aufnahmen von dem jeweiligen Befund zu machen, sodaß viel Wichtiges hier unwiederbringlich ver¬ loren ging. Allmählich erkannte er dann die verschiednen Schichten und verkündete der staunenden Welt, daß er zu Hissarlik sieben alte Städte übereinander gefunden habe. Er wurde anfangs durchaus nicht ernst genommen, und vollends als er erklärte, er habe den Schatz des Priamos ausgegraben, denselben, der jetzt in den Schliemcmnscilcn des Ethnographischen Museums zu Berlin zu sehen ist, seine Frau habe ihn in ihrem Umschlagetuch in Sicherheit gebracht, da hatte die gelehrte und ungelehrte Welt nur Hohn und Spott für den „sonderbaren Schwärmer." Der Kladderadatsch brachte sogar eine Karikatur, wie Frau Schliemann den Schatz des Priamos in ihr Umschlagtuch packt. Nachher sollte sich herausstellen, daß dieser Goldschatz aus noch weit älterer Zeit stammt, als die des Königs Priamos und des homerischen Troja gewesen ist. Er war nnmlich in der Mauer der sogenannten zweiten Stadt gefunden, und diese zweite Stadt hielt Schliemann für das Ilion Homers; er starb auch in diesem Glauben. Dörpfeld und den andern Mitarbeitern erschienen jedoch schon im Jahre 1882 die in der zweiten Stadt gefundnen Gegenstände, vornehmlich die zum großen Schatz gehörenden Schmuckstücke, Schalen und Becher etwas sehr alt, jeden¬ falls älter als die in Mykene gefundnen Goldsachen. Ebenso wichen die Mauern der zweiten Stadt in ihrem Material und ihrer Bauart durchaus ab von den „kyklopischen" Mauern in Mykene und Tiryns. Dörpfeld glaubte deshalb schon damals, daß hier nicht Reste aus der sogenannten mykenischen Periode, wie sie Homer schildert, vorlagen, sondern solche aus älterer, prähistorischer Zeit. Eine volle Bestätigung dieser Zweifel brachten die Grabungen von 1893 und 1894. Da kamen nämlich in einem erweiterten konzentrischen Ring mächtige Mauern zutage, die in ihrer Konstruktion den mykenischen gleichen. Auch die in dieser Schicht — es ist die sechste — gefundnen Tonvasen und andre Gebrauchsgegenstände trugen durchaus den Charakter der mykenischen Kulturperiode. Es sind auf dem Burgberge von Hissarlik überhaupt nicht sieben, wie Schliemann wollte, sondern neun Ansiedlungen zu unterscheiden. Die älteste, erste Schicht ist nur durch den Nordgraben bekannt geworden. Hier finden wir unbedeutende Hütten aus kleinen, mit Lehm verbundnen Steinen, einfarbige Topfware und primitive Steingerttte, nur ganz vereinzelte Bronzestücke. Dörpfeld setzt diese Schicht nach Schätzung ungefähr in die Zeit von 3000 bis 2500 v. Chr. Die zweite An- siedlung ist dann die von Schliemann für Troja gehaltene. Sie liegt fünf Meter höher als die erste. Ihre Mauern bestehn aus einem nach außen starkgeböschten Unterbau aus mäßig großen Steinen und einem vier Meter dicken, senkrechten Oberbau aus Lehmziegeln, die nur an der Sonne getrocknet sind; zwischen sie sind, um sie zu halten, Holzbalken in die Länge und Quere gelegt, ähnlich wie das Cäsar von den Mauern gallischer Städte berichtet, und wie es sich auch in Babylon gefunden hat, wo diese Bauweise entstanden sein muß. In dieser Mauer lag auch der große, jetzt in Berlin bewahrte Schatz in einer Kiste geborgen. Diese Ansiedlung gehörte etwa den Jahren 2500 bis 2000 v. Chr. an. Wenn sich Frau Sophie Schliemann also mit dem großen goldnen Kopfschmuck des Schatzes schmückte, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/229>, abgerufen am 25.07.2024.