Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
westfälische Geschichten

geschoben wurde, keiner sah es, keiner dachte daran. Mochte das Geld flöten gehn,
die Rieka, wenn nur die Rieka ja sagen wollte! Daß sie alle, die in der Spiel¬
stube waren, mit ihr standen, wie der Hinrich mit ihr stand, daß sie alle glaubten,
der Auserwählte zu sein, das merkte der Franz bald genug, ebenso wie das be¬
trügerische unehrliche Spiel der beiden Spielhalter. Auch er warf achtlos das
Geld auf den Tisch, ließ den Clemens Lie gewinnen, ohne den Versuch zu machen,
das unehrliche Spiel zu entlarven. Dann aber, als eben eine Runde vollendet,
ein Schafsbock fertig gezeichnet war auf der Tafel, erhob er sich und trat an die
Rieka heran. Seine Stimme klang heiser vor Bewegung: Ich hab dir etwas zu
sagen. Kannst du mich hinführen, wo wir allein wären?

Das übertraf ihre kühnsten Hoffnungen, so schnell war das Spiel gewonnen?
Ein Gefühl, wie sie es noch nie empfunden, das sie sich nicht zu deuten wußte,
durchfuhr sie. Ihr Herz pochte, als ob es zerspringen solle.

Komm, sagte sie leise, stand auf vom Sofa und ging vor ihm her. Sie
führte ihn in das Hintergemach, das ihre Stube und ganz städtisch eingerichtet
war. Sie setzte sich auf einen der Sessel nieder, winkte dem Franz, auf dem
andern Platz zu nehmen. Ihre Knie zitterten. Sie brachte kein Wort hervor.
Dank, solange solls nicht dauern, sagte der Franz und blieb stehn. Seine Stimme
klang fest und kalt.

Weißt du noch, Rieka, wie ich dich einst beschützt hab, als die Kinder dich
beschimpften auf dem Schulplatz? Damals hattest du den Schimpf nicht verdient.
Heut sagen sie dir ins Gesicht, drin in der Stube, viel schlimmere Sachen. Du
tust, als ob dus uicht hörtest, nicht verstündest, ne Sund ists und ne Schand,
wie du die jungen Leute an der Nase herumführst, sie ausziehn läßt von deinem
Vater und dem Herrn Lie!

Sie wurde blaß im Gesicht, sie fuhr auf, sie spreizte die Finger auseinander,
wie sich als Kind getan hatte, als sie ihm das Gesicht zerkratzen wollte:. Wie
kannst du dich unterstehn?

Schweig, sagte er, oder ich schrei so laut, daß sich alle hören, die da drüben
sitzen. Hören sollst du mich diesesmal. Wozu glaubst du, daß ich gekommen bin
in euer Haus? Sehen wollt ich selbst, wie ihrs treibt, und nun hab ichs gesehen.
Daß du den Hinrich nicht heiraten willst, den armen Tropf, den du um sein Erbe
gebracht hast, das weißt du wohl so gut wie ich. Der Hinrich ist mein Freund.
Entweder du sagst ihm gleich, daß du ihn nicht nehmen willst, daß er nichts
von dir zu hoffen hat -- er weiß, daß ich draußen auf ihn warte, bis er von
dir kommt --, oder ich brings ans Gericht, was ich heut Abend gesehen hab
-- ich kanns beschwören -- in der Goldner Krone, in der Spielstube deines
Vaters. Du wirst wissen, was ich meine. Richte dich danach! Er drehte sich
um und ging.

Die Rieka stand mitten im Zimmer, die Arme ausgestreckt, die Finger aus¬
einander gespreizt, den Mund geöffnet, als ob sie schreien wolle, und doch kam
kein Ton über ihre Lippen. Totenblaß war sie im Gesicht, ihre Glieder bebten.
Stöhnend drangs hervor ans ihrer Brust. Hell liess aus den Augen ihr übers
Gesicht, aber sie schluchzte nicht, sie wischte die Tränen nicht ab. Sie wußte
nicht, daß sie weinte, ihr war, als ob sie ersticken müsse vor Wut und wahn¬
sinnigem Schmerz.

Sie trat vor den Spiegel, sie glättete ihr Haar, mit einem feuchten Tuch
benetzte sie ihre Augen. Dann ging sie in die Spielstube zurück. Sie winkte dem
Hinrich, sie führte ihn in ihre Stube. An derselben Stelle, wo eben der Franz
zu ihr gesprochen hatte, fiel sie dem Hinrich um den Hals und küßte ihn, küßte ihn,
als ob sie ihn ersticken wollte. Den Hinrich überliess bald kalt, bald heiß: Sie
hat mich lieb, die Rieka. Ein Flammenstrom brach hervor aus seinen Augen. Er
Preßte sie an sich, daß ihr der Atem verging, er hob sie auf vom Boden, er trug
sie zum Sofa. Da saß er neben ihr, schlug seine Arme wie Eisenketten ihr um


westfälische Geschichten

geschoben wurde, keiner sah es, keiner dachte daran. Mochte das Geld flöten gehn,
die Rieka, wenn nur die Rieka ja sagen wollte! Daß sie alle, die in der Spiel¬
stube waren, mit ihr standen, wie der Hinrich mit ihr stand, daß sie alle glaubten,
der Auserwählte zu sein, das merkte der Franz bald genug, ebenso wie das be¬
trügerische unehrliche Spiel der beiden Spielhalter. Auch er warf achtlos das
Geld auf den Tisch, ließ den Clemens Lie gewinnen, ohne den Versuch zu machen,
das unehrliche Spiel zu entlarven. Dann aber, als eben eine Runde vollendet,
ein Schafsbock fertig gezeichnet war auf der Tafel, erhob er sich und trat an die
Rieka heran. Seine Stimme klang heiser vor Bewegung: Ich hab dir etwas zu
sagen. Kannst du mich hinführen, wo wir allein wären?

Das übertraf ihre kühnsten Hoffnungen, so schnell war das Spiel gewonnen?
Ein Gefühl, wie sie es noch nie empfunden, das sie sich nicht zu deuten wußte,
durchfuhr sie. Ihr Herz pochte, als ob es zerspringen solle.

Komm, sagte sie leise, stand auf vom Sofa und ging vor ihm her. Sie
führte ihn in das Hintergemach, das ihre Stube und ganz städtisch eingerichtet
war. Sie setzte sich auf einen der Sessel nieder, winkte dem Franz, auf dem
andern Platz zu nehmen. Ihre Knie zitterten. Sie brachte kein Wort hervor.
Dank, solange solls nicht dauern, sagte der Franz und blieb stehn. Seine Stimme
klang fest und kalt.

Weißt du noch, Rieka, wie ich dich einst beschützt hab, als die Kinder dich
beschimpften auf dem Schulplatz? Damals hattest du den Schimpf nicht verdient.
Heut sagen sie dir ins Gesicht, drin in der Stube, viel schlimmere Sachen. Du
tust, als ob dus uicht hörtest, nicht verstündest, ne Sund ists und ne Schand,
wie du die jungen Leute an der Nase herumführst, sie ausziehn läßt von deinem
Vater und dem Herrn Lie!

Sie wurde blaß im Gesicht, sie fuhr auf, sie spreizte die Finger auseinander,
wie sich als Kind getan hatte, als sie ihm das Gesicht zerkratzen wollte:. Wie
kannst du dich unterstehn?

Schweig, sagte er, oder ich schrei so laut, daß sich alle hören, die da drüben
sitzen. Hören sollst du mich diesesmal. Wozu glaubst du, daß ich gekommen bin
in euer Haus? Sehen wollt ich selbst, wie ihrs treibt, und nun hab ichs gesehen.
Daß du den Hinrich nicht heiraten willst, den armen Tropf, den du um sein Erbe
gebracht hast, das weißt du wohl so gut wie ich. Der Hinrich ist mein Freund.
Entweder du sagst ihm gleich, daß du ihn nicht nehmen willst, daß er nichts
von dir zu hoffen hat — er weiß, daß ich draußen auf ihn warte, bis er von
dir kommt —, oder ich brings ans Gericht, was ich heut Abend gesehen hab
— ich kanns beschwören — in der Goldner Krone, in der Spielstube deines
Vaters. Du wirst wissen, was ich meine. Richte dich danach! Er drehte sich
um und ging.

Die Rieka stand mitten im Zimmer, die Arme ausgestreckt, die Finger aus¬
einander gespreizt, den Mund geöffnet, als ob sie schreien wolle, und doch kam
kein Ton über ihre Lippen. Totenblaß war sie im Gesicht, ihre Glieder bebten.
Stöhnend drangs hervor ans ihrer Brust. Hell liess aus den Augen ihr übers
Gesicht, aber sie schluchzte nicht, sie wischte die Tränen nicht ab. Sie wußte
nicht, daß sie weinte, ihr war, als ob sie ersticken müsse vor Wut und wahn¬
sinnigem Schmerz.

Sie trat vor den Spiegel, sie glättete ihr Haar, mit einem feuchten Tuch
benetzte sie ihre Augen. Dann ging sie in die Spielstube zurück. Sie winkte dem
Hinrich, sie führte ihn in ihre Stube. An derselben Stelle, wo eben der Franz
zu ihr gesprochen hatte, fiel sie dem Hinrich um den Hals und küßte ihn, küßte ihn,
als ob sie ihn ersticken wollte. Den Hinrich überliess bald kalt, bald heiß: Sie
hat mich lieb, die Rieka. Ein Flammenstrom brach hervor aus seinen Augen. Er
Preßte sie an sich, daß ihr der Atem verging, er hob sie auf vom Boden, er trug
sie zum Sofa. Da saß er neben ihr, schlug seine Arme wie Eisenketten ihr um


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293795"/>
          <fw type="header" place="top"> westfälische Geschichten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_664" prev="#ID_663"> geschoben wurde, keiner sah es, keiner dachte daran. Mochte das Geld flöten gehn,<lb/>
die Rieka, wenn nur die Rieka ja sagen wollte! Daß sie alle, die in der Spiel¬<lb/>
stube waren, mit ihr standen, wie der Hinrich mit ihr stand, daß sie alle glaubten,<lb/>
der Auserwählte zu sein, das merkte der Franz bald genug, ebenso wie das be¬<lb/>
trügerische unehrliche Spiel der beiden Spielhalter. Auch er warf achtlos das<lb/>
Geld auf den Tisch, ließ den Clemens Lie gewinnen, ohne den Versuch zu machen,<lb/>
das unehrliche Spiel zu entlarven. Dann aber, als eben eine Runde vollendet,<lb/>
ein Schafsbock fertig gezeichnet war auf der Tafel, erhob er sich und trat an die<lb/>
Rieka heran. Seine Stimme klang heiser vor Bewegung: Ich hab dir etwas zu<lb/>
sagen.  Kannst du mich hinführen, wo wir allein wären?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_665"> Das übertraf ihre kühnsten Hoffnungen, so schnell war das Spiel gewonnen?<lb/>
Ein Gefühl, wie sie es noch nie empfunden, das sie sich nicht zu deuten wußte,<lb/>
durchfuhr sie.  Ihr Herz pochte, als ob es zerspringen solle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_666"> Komm, sagte sie leise, stand auf vom Sofa und ging vor ihm her. Sie<lb/>
führte ihn in das Hintergemach, das ihre Stube und ganz städtisch eingerichtet<lb/>
war. Sie setzte sich auf einen der Sessel nieder, winkte dem Franz, auf dem<lb/>
andern Platz zu nehmen. Ihre Knie zitterten. Sie brachte kein Wort hervor.<lb/>
Dank, solange solls nicht dauern, sagte der Franz und blieb stehn. Seine Stimme<lb/>
klang fest und kalt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_667"> Weißt du noch, Rieka, wie ich dich einst beschützt hab, als die Kinder dich<lb/>
beschimpften auf dem Schulplatz? Damals hattest du den Schimpf nicht verdient.<lb/>
Heut sagen sie dir ins Gesicht, drin in der Stube, viel schlimmere Sachen. Du<lb/>
tust, als ob dus uicht hörtest, nicht verstündest, ne Sund ists und ne Schand,<lb/>
wie du die jungen Leute an der Nase herumführst, sie ausziehn läßt von deinem<lb/>
Vater und dem Herrn Lie!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_668"> Sie wurde blaß im Gesicht, sie fuhr auf, sie spreizte die Finger auseinander,<lb/>
wie sich als Kind getan hatte, als sie ihm das Gesicht zerkratzen wollte:. Wie<lb/>
kannst du dich unterstehn?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_669"> Schweig, sagte er, oder ich schrei so laut, daß sich alle hören, die da drüben<lb/>
sitzen. Hören sollst du mich diesesmal. Wozu glaubst du, daß ich gekommen bin<lb/>
in euer Haus? Sehen wollt ich selbst, wie ihrs treibt, und nun hab ichs gesehen.<lb/>
Daß du den Hinrich nicht heiraten willst, den armen Tropf, den du um sein Erbe<lb/>
gebracht hast, das weißt du wohl so gut wie ich. Der Hinrich ist mein Freund.<lb/>
Entweder du sagst ihm gleich, daß du ihn nicht nehmen willst, daß er nichts<lb/>
von dir zu hoffen hat &#x2014; er weiß, daß ich draußen auf ihn warte, bis er von<lb/>
dir kommt &#x2014;, oder ich brings ans Gericht, was ich heut Abend gesehen hab<lb/>
&#x2014; ich kanns beschwören &#x2014; in der Goldner Krone, in der Spielstube deines<lb/>
Vaters. Du wirst wissen, was ich meine. Richte dich danach! Er drehte sich<lb/>
um und ging.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_670"> Die Rieka stand mitten im Zimmer, die Arme ausgestreckt, die Finger aus¬<lb/>
einander gespreizt, den Mund geöffnet, als ob sie schreien wolle, und doch kam<lb/>
kein Ton über ihre Lippen. Totenblaß war sie im Gesicht, ihre Glieder bebten.<lb/>
Stöhnend drangs hervor ans ihrer Brust. Hell liess aus den Augen ihr übers<lb/>
Gesicht, aber sie schluchzte nicht, sie wischte die Tränen nicht ab. Sie wußte<lb/>
nicht, daß sie weinte, ihr war, als ob sie ersticken müsse vor Wut und wahn¬<lb/>
sinnigem Schmerz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_671" next="#ID_672"> Sie trat vor den Spiegel, sie glättete ihr Haar, mit einem feuchten Tuch<lb/>
benetzte sie ihre Augen. Dann ging sie in die Spielstube zurück. Sie winkte dem<lb/>
Hinrich, sie führte ihn in ihre Stube. An derselben Stelle, wo eben der Franz<lb/>
zu ihr gesprochen hatte, fiel sie dem Hinrich um den Hals und küßte ihn, küßte ihn,<lb/>
als ob sie ihn ersticken wollte. Den Hinrich überliess bald kalt, bald heiß: Sie<lb/>
hat mich lieb, die Rieka. Ein Flammenstrom brach hervor aus seinen Augen. Er<lb/>
Preßte sie an sich, daß ihr der Atem verging, er hob sie auf vom Boden, er trug<lb/>
sie zum Sofa.  Da saß er neben ihr, schlug seine Arme wie Eisenketten ihr um</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] westfälische Geschichten geschoben wurde, keiner sah es, keiner dachte daran. Mochte das Geld flöten gehn, die Rieka, wenn nur die Rieka ja sagen wollte! Daß sie alle, die in der Spiel¬ stube waren, mit ihr standen, wie der Hinrich mit ihr stand, daß sie alle glaubten, der Auserwählte zu sein, das merkte der Franz bald genug, ebenso wie das be¬ trügerische unehrliche Spiel der beiden Spielhalter. Auch er warf achtlos das Geld auf den Tisch, ließ den Clemens Lie gewinnen, ohne den Versuch zu machen, das unehrliche Spiel zu entlarven. Dann aber, als eben eine Runde vollendet, ein Schafsbock fertig gezeichnet war auf der Tafel, erhob er sich und trat an die Rieka heran. Seine Stimme klang heiser vor Bewegung: Ich hab dir etwas zu sagen. Kannst du mich hinführen, wo wir allein wären? Das übertraf ihre kühnsten Hoffnungen, so schnell war das Spiel gewonnen? Ein Gefühl, wie sie es noch nie empfunden, das sie sich nicht zu deuten wußte, durchfuhr sie. Ihr Herz pochte, als ob es zerspringen solle. Komm, sagte sie leise, stand auf vom Sofa und ging vor ihm her. Sie führte ihn in das Hintergemach, das ihre Stube und ganz städtisch eingerichtet war. Sie setzte sich auf einen der Sessel nieder, winkte dem Franz, auf dem andern Platz zu nehmen. Ihre Knie zitterten. Sie brachte kein Wort hervor. Dank, solange solls nicht dauern, sagte der Franz und blieb stehn. Seine Stimme klang fest und kalt. Weißt du noch, Rieka, wie ich dich einst beschützt hab, als die Kinder dich beschimpften auf dem Schulplatz? Damals hattest du den Schimpf nicht verdient. Heut sagen sie dir ins Gesicht, drin in der Stube, viel schlimmere Sachen. Du tust, als ob dus uicht hörtest, nicht verstündest, ne Sund ists und ne Schand, wie du die jungen Leute an der Nase herumführst, sie ausziehn läßt von deinem Vater und dem Herrn Lie! Sie wurde blaß im Gesicht, sie fuhr auf, sie spreizte die Finger auseinander, wie sich als Kind getan hatte, als sie ihm das Gesicht zerkratzen wollte:. Wie kannst du dich unterstehn? Schweig, sagte er, oder ich schrei so laut, daß sich alle hören, die da drüben sitzen. Hören sollst du mich diesesmal. Wozu glaubst du, daß ich gekommen bin in euer Haus? Sehen wollt ich selbst, wie ihrs treibt, und nun hab ichs gesehen. Daß du den Hinrich nicht heiraten willst, den armen Tropf, den du um sein Erbe gebracht hast, das weißt du wohl so gut wie ich. Der Hinrich ist mein Freund. Entweder du sagst ihm gleich, daß du ihn nicht nehmen willst, daß er nichts von dir zu hoffen hat — er weiß, daß ich draußen auf ihn warte, bis er von dir kommt —, oder ich brings ans Gericht, was ich heut Abend gesehen hab — ich kanns beschwören — in der Goldner Krone, in der Spielstube deines Vaters. Du wirst wissen, was ich meine. Richte dich danach! Er drehte sich um und ging. Die Rieka stand mitten im Zimmer, die Arme ausgestreckt, die Finger aus¬ einander gespreizt, den Mund geöffnet, als ob sie schreien wolle, und doch kam kein Ton über ihre Lippen. Totenblaß war sie im Gesicht, ihre Glieder bebten. Stöhnend drangs hervor ans ihrer Brust. Hell liess aus den Augen ihr übers Gesicht, aber sie schluchzte nicht, sie wischte die Tränen nicht ab. Sie wußte nicht, daß sie weinte, ihr war, als ob sie ersticken müsse vor Wut und wahn¬ sinnigem Schmerz. Sie trat vor den Spiegel, sie glättete ihr Haar, mit einem feuchten Tuch benetzte sie ihre Augen. Dann ging sie in die Spielstube zurück. Sie winkte dem Hinrich, sie führte ihn in ihre Stube. An derselben Stelle, wo eben der Franz zu ihr gesprochen hatte, fiel sie dem Hinrich um den Hals und küßte ihn, küßte ihn, als ob sie ihn ersticken wollte. Den Hinrich überliess bald kalt, bald heiß: Sie hat mich lieb, die Rieka. Ein Flammenstrom brach hervor aus seinen Augen. Er Preßte sie an sich, daß ihr der Atem verging, er hob sie auf vom Boden, er trug sie zum Sofa. Da saß er neben ihr, schlug seine Arme wie Eisenketten ihr um

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/176>, abgerufen am 02.07.2024.