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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

hier enthauptet worden. Für den Kronprinzen war es gewiß kein leichter Entschluß,
der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen; aber es ist etwas Großes, daß er diesen
Entschluß gefaßt hat. Die Sekretienmg der Hinrichtung war vollkommen gelungen.
Desto tiefer war der Eindruck, den die Vollstreckung des Todesurteils heute überall
gemacht hat. Der unglückliche Hödel hat seiue unglaublich freche Haltung bis zuletzt
bewahrt.

Heute Nachmittag war ich zum Diner bei dem Grafen Stolberg. Es waren
nur noch da der Minister und Staatssekretär Hofmann, der Staatssekretär Friedberg
und der Unterstaatssekretär v. Philippsborn. Die Unterhaltung war ungezwungen,
aber ohne besondern Gewinn. Fürst Bismarck macht Schwierigkeiten wegen des
dem Bundesrate vorliegenden Sozialistengesetzes.

20. August. Heute war ich bei dem Unterstaatssekretär Sydow. Er hat Sorge
wegen der angeblich von dem Fürsten Bismarck geplanten Nuntiatur in Berlin.

22. August. Vortrag bei dem Grafen Stolberg. Morgen soll eine Sitzung
des Staatsministeriums stattfinden wegen Jnstruierung der preußischen Stimme
über die in der ersten Lesung von Bundesratsansschusse beschlossenen Änderungen des
Sozialistengesetzentwurfs. Mir erscheinen die Änderungen, besonders die Streichung
des Reichsamts für Vereinswesen und Presse und dessen Ersatz durch den Bundesrat
oder durch einen ständigen Bundesratsausschuß von sieben Mitgliedern, als Ver¬
schlechterungen, die überdies im Reichstage wenig Aussicht haben.

Wenig zu tun, aber auch wenig Befriedigung. Götz vou Berlichingen wieder
gelesen. Dramatisch steht das Stück nicht auf der Hohe, aber vieles darin, unter
anderm die kräftig gezeichnete Persönlichkeit des Götz und sein Verhältnis zu seiner
Familie, mutet doch ungemein deutsch und sympathisch an.

23. August. Sitzung des Staatsministeriums über das Sozialistengesetz. Das
Reichsamt für Vereinswesen und Presse ist auf den Antrieb Bayerns gestrichen und
durch einen Bimdesratscmsschuß ersetzt. Der Reichstag wird das schwerlich annehmen
und das Reichsgericht zur Beschwerdeinstanz machen wollen. Dann aber kann die
Waffe leicht stumpf werden. Gleichwohl beschloß das Staatsministerium, für den ab¬
geänderten Entwurf zu stimmen. Fürst Bismarck hat geschrieben, daß er das wünsche.

Zum erstenmal den Finnnzminister Hobrecht gesehen und gesprochen. Er sieht
gut und gescheit aus und zeigt eine gute Haltung.

24. August. Vortrag bei Graf Stolberg. Ich soll ihm über die Hauptsachen
des Unterrichtsgesetzes Vortrag halten und ebenso über den Entwurf eines Reichs¬
gesetzes über die Vollstreckung der Freiheitsstrafen. Gegen meine Andeutung, daß
das Untcrrichtsgesetz gerade jetzt als Gegenwirkung gegen die Sozialdemokratie auf¬
zunehmen sei, wandte er ein: Der Unterricht, die Schule jn, aber nicht das Unter¬
richtsgesetz. Der Einwand hat den Schein für sich, ist aber doch nicht ganz richtig.
Gerade der Mangel des gesetzlichen Bodens lähmt die Unterrichtsverwaltung auf
Schritt und Tritt.

Ich habe heute bei alleu Ministern, bei denen ich noch nicht gewesen war,
Besuch gemacht und Karten abgegeben. Sie waren heute alle in Potsdam zu den
Vermählungsfeierlichkeiten der Prinzessin Marie mit dem Prinzen Heinrich der
Niederlande. Heute früh sah ich hier den König Wilhelm der Niederlande, einen
starken, behäbigen, schon recht grauen Herrn. Er trug die Uniform seines preußischen
elften (Düsseldorfer) Husarenregiments.

25. August. Heute (Sonntag) Mittag war ich nach der Kirche im Auftrage
des Grafen Stolberg bei dem Minister des Innern, Grafen Botho Eulenburg.
Vornehm, klug, selbständig, mir überaus sympathisch. Er sprach sich rückhaltlos
über die politische Lage aus, und zwar wenig hoffnungsvoll. Auch er meint, daß
von den Nationalliberalen eigentlich nur Bennigsen tieferes, staatsmännisches Ver¬
ständnis hat, und daß dieser der einzige ist, mit dem allenfalls wirklich etwas anzu¬
fangen wäre. Aber auch Bennigsen steht, wenn er hier ist, stark unter den Ein¬
flüssen seiner Fraktion, deren bedenklichster und aus blindem Doktrinarismus


Erinnerungen

hier enthauptet worden. Für den Kronprinzen war es gewiß kein leichter Entschluß,
der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen; aber es ist etwas Großes, daß er diesen
Entschluß gefaßt hat. Die Sekretienmg der Hinrichtung war vollkommen gelungen.
Desto tiefer war der Eindruck, den die Vollstreckung des Todesurteils heute überall
gemacht hat. Der unglückliche Hödel hat seiue unglaublich freche Haltung bis zuletzt
bewahrt.

Heute Nachmittag war ich zum Diner bei dem Grafen Stolberg. Es waren
nur noch da der Minister und Staatssekretär Hofmann, der Staatssekretär Friedberg
und der Unterstaatssekretär v. Philippsborn. Die Unterhaltung war ungezwungen,
aber ohne besondern Gewinn. Fürst Bismarck macht Schwierigkeiten wegen des
dem Bundesrate vorliegenden Sozialistengesetzes.

20. August. Heute war ich bei dem Unterstaatssekretär Sydow. Er hat Sorge
wegen der angeblich von dem Fürsten Bismarck geplanten Nuntiatur in Berlin.

22. August. Vortrag bei dem Grafen Stolberg. Morgen soll eine Sitzung
des Staatsministeriums stattfinden wegen Jnstruierung der preußischen Stimme
über die in der ersten Lesung von Bundesratsansschusse beschlossenen Änderungen des
Sozialistengesetzentwurfs. Mir erscheinen die Änderungen, besonders die Streichung
des Reichsamts für Vereinswesen und Presse und dessen Ersatz durch den Bundesrat
oder durch einen ständigen Bundesratsausschuß von sieben Mitgliedern, als Ver¬
schlechterungen, die überdies im Reichstage wenig Aussicht haben.

Wenig zu tun, aber auch wenig Befriedigung. Götz vou Berlichingen wieder
gelesen. Dramatisch steht das Stück nicht auf der Hohe, aber vieles darin, unter
anderm die kräftig gezeichnete Persönlichkeit des Götz und sein Verhältnis zu seiner
Familie, mutet doch ungemein deutsch und sympathisch an.

23. August. Sitzung des Staatsministeriums über das Sozialistengesetz. Das
Reichsamt für Vereinswesen und Presse ist auf den Antrieb Bayerns gestrichen und
durch einen Bimdesratscmsschuß ersetzt. Der Reichstag wird das schwerlich annehmen
und das Reichsgericht zur Beschwerdeinstanz machen wollen. Dann aber kann die
Waffe leicht stumpf werden. Gleichwohl beschloß das Staatsministerium, für den ab¬
geänderten Entwurf zu stimmen. Fürst Bismarck hat geschrieben, daß er das wünsche.

Zum erstenmal den Finnnzminister Hobrecht gesehen und gesprochen. Er sieht
gut und gescheit aus und zeigt eine gute Haltung.

24. August. Vortrag bei Graf Stolberg. Ich soll ihm über die Hauptsachen
des Unterrichtsgesetzes Vortrag halten und ebenso über den Entwurf eines Reichs¬
gesetzes über die Vollstreckung der Freiheitsstrafen. Gegen meine Andeutung, daß
das Untcrrichtsgesetz gerade jetzt als Gegenwirkung gegen die Sozialdemokratie auf¬
zunehmen sei, wandte er ein: Der Unterricht, die Schule jn, aber nicht das Unter¬
richtsgesetz. Der Einwand hat den Schein für sich, ist aber doch nicht ganz richtig.
Gerade der Mangel des gesetzlichen Bodens lähmt die Unterrichtsverwaltung auf
Schritt und Tritt.

Ich habe heute bei alleu Ministern, bei denen ich noch nicht gewesen war,
Besuch gemacht und Karten abgegeben. Sie waren heute alle in Potsdam zu den
Vermählungsfeierlichkeiten der Prinzessin Marie mit dem Prinzen Heinrich der
Niederlande. Heute früh sah ich hier den König Wilhelm der Niederlande, einen
starken, behäbigen, schon recht grauen Herrn. Er trug die Uniform seines preußischen
elften (Düsseldorfer) Husarenregiments.

25. August. Heute (Sonntag) Mittag war ich nach der Kirche im Auftrage
des Grafen Stolberg bei dem Minister des Innern, Grafen Botho Eulenburg.
Vornehm, klug, selbständig, mir überaus sympathisch. Er sprach sich rückhaltlos
über die politische Lage aus, und zwar wenig hoffnungsvoll. Auch er meint, daß
von den Nationalliberalen eigentlich nur Bennigsen tieferes, staatsmännisches Ver¬
ständnis hat, und daß dieser der einzige ist, mit dem allenfalls wirklich etwas anzu¬
fangen wäre. Aber auch Bennigsen steht, wenn er hier ist, stark unter den Ein¬
flüssen seiner Fraktion, deren bedenklichster und aus blindem Doktrinarismus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/170>, abgerufen am 02.07.2024.