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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line Trojafahrt

Begabung Treffliches geleistet, indem er sich mit der klassischen Schönheit
genialer Gedichte ganz erfüllte und für sie einen würdigen musikalischen Aus¬
druck suchte. Als Kunstkritiker hat er auf das Große und Erhabne hinge¬
wiesen und die künstlerische Auferstehung unsrer großen Meister Gluck, Bach
und Händel vorbereitet. Als Mensch hat er unzweifelhaft große Schwächen
gehabt und es seinen Freunden nicht immer leicht gemacht, an seiner Seite
auszuhalten. Wer aber aushielt, konnte in der Not das echte Gold seiner
edelmütigen Freundschaft erproben. Eben so echt hat er sich als Patriot be¬
wiesen, der in harten Kämpfen, in Zeiten eiserner Not sich eine politische
Überzeugung erarbeitete und daran festhielt.

Unser Vaterland ist wieder erstanden durch den Bund zweier Gruppen
von Männern. Die einen sind die einfältigen Seelen mit frommem Glauben
und schlichter Anhänglichkeit an den Heimatboden. Ihnen soll ihre Ehre nicht
geschmälert werden. Ist doch die Erhebung Preußens im Jahre 1313 ohne
die Wiedergeburt des Glaubens wahrlich nicht zu denken. Die andern Männer
sind freie, aufgeklärte Geister, groß geworden in der Schule Kants. Sie
haben ihren Prenßenstolz gewonnen als Untertanen des großen Königs, in
dem hohen Bewußtsein, einem Kulturstaate anzugehören, dessen Erhaltung der
Franzose Mirabeau von dem Genius Europas erflehte. In der trüben Zeit
Friedrich Wilhelms des Zweiten von dem Lichte der französischen Freiheit
eine Weile geblendet, erfüllen sie sich mit neuem nationalen Selbstgefühl, als
der junge König Friedrich Wilhelm der Dritte eine neue freiere Periode er¬
öffnet. Als dann Druck und Not hereinbrechen, ist es die Erinnerung an den
großen Friedrich, das Bewußtsein der Kulturmission des preußischen Staates,
das sie aufrecht erhält, bis der Tag der Freiheit aufleuchtet.

Ein solcher Mann ist Johann Friedrich Reichardt gewesen, und er ver¬
dient es, als ein freisinniger Herold vaterländischen Sinnes von unserm weiter¬
strebenden Volke uicht vergessen zu werdeu. Hören wir doch in der Symphonie
seines Lebens je später, je gewaltiger die Weise erklingen, der er in seiner
Geisterinsel Töne geliehen hat:


Allmächtig ist die Liebe
Zu dir, mein Vaterland!



Eine Trojasahrt
R Friedrich Seiler eiseerinnerungen von
I.. Die Reise nach Troja

>ir waren unter der Leitung des Professors Dörpfetd, des ersten
Sekretärs des Kaiserlichen Archäologischen Instituts z" Athen, schon
durch den Peloponnes gezogen und durch das griechische Jnselmeer
gefahren (vgl. Grenzboten 1903, I. Vierteljahr, S. 37. 93, 340, 411,
IV. Vierteljahr. S. 750, 824). Nun stand uns noch die letzte und
! romantischste der drei archäologischen Reisen bevor, die nach Troja.
An Bord eines kleinen griechischen Dampfers, der den reizvollen Namen "Aphrodite"
führte, fand sich unsre aus etwa dreißig Personen bestehende Gesellschaft zusammen.


Line Trojafahrt

Begabung Treffliches geleistet, indem er sich mit der klassischen Schönheit
genialer Gedichte ganz erfüllte und für sie einen würdigen musikalischen Aus¬
druck suchte. Als Kunstkritiker hat er auf das Große und Erhabne hinge¬
wiesen und die künstlerische Auferstehung unsrer großen Meister Gluck, Bach
und Händel vorbereitet. Als Mensch hat er unzweifelhaft große Schwächen
gehabt und es seinen Freunden nicht immer leicht gemacht, an seiner Seite
auszuhalten. Wer aber aushielt, konnte in der Not das echte Gold seiner
edelmütigen Freundschaft erproben. Eben so echt hat er sich als Patriot be¬
wiesen, der in harten Kämpfen, in Zeiten eiserner Not sich eine politische
Überzeugung erarbeitete und daran festhielt.

Unser Vaterland ist wieder erstanden durch den Bund zweier Gruppen
von Männern. Die einen sind die einfältigen Seelen mit frommem Glauben
und schlichter Anhänglichkeit an den Heimatboden. Ihnen soll ihre Ehre nicht
geschmälert werden. Ist doch die Erhebung Preußens im Jahre 1313 ohne
die Wiedergeburt des Glaubens wahrlich nicht zu denken. Die andern Männer
sind freie, aufgeklärte Geister, groß geworden in der Schule Kants. Sie
haben ihren Prenßenstolz gewonnen als Untertanen des großen Königs, in
dem hohen Bewußtsein, einem Kulturstaate anzugehören, dessen Erhaltung der
Franzose Mirabeau von dem Genius Europas erflehte. In der trüben Zeit
Friedrich Wilhelms des Zweiten von dem Lichte der französischen Freiheit
eine Weile geblendet, erfüllen sie sich mit neuem nationalen Selbstgefühl, als
der junge König Friedrich Wilhelm der Dritte eine neue freiere Periode er¬
öffnet. Als dann Druck und Not hereinbrechen, ist es die Erinnerung an den
großen Friedrich, das Bewußtsein der Kulturmission des preußischen Staates,
das sie aufrecht erhält, bis der Tag der Freiheit aufleuchtet.

Ein solcher Mann ist Johann Friedrich Reichardt gewesen, und er ver¬
dient es, als ein freisinniger Herold vaterländischen Sinnes von unserm weiter¬
strebenden Volke uicht vergessen zu werdeu. Hören wir doch in der Symphonie
seines Lebens je später, je gewaltiger die Weise erklingen, der er in seiner
Geisterinsel Töne geliehen hat:


Allmächtig ist die Liebe
Zu dir, mein Vaterland!



Eine Trojasahrt
R Friedrich Seiler eiseerinnerungen von
I.. Die Reise nach Troja

>ir waren unter der Leitung des Professors Dörpfetd, des ersten
Sekretärs des Kaiserlichen Archäologischen Instituts z» Athen, schon
durch den Peloponnes gezogen und durch das griechische Jnselmeer
gefahren (vgl. Grenzboten 1903, I. Vierteljahr, S. 37. 93, 340, 411,
IV. Vierteljahr. S. 750, 824). Nun stand uns noch die letzte und
! romantischste der drei archäologischen Reisen bevor, die nach Troja.
An Bord eines kleinen griechischen Dampfers, der den reizvollen Namen „Aphrodite"
führte, fand sich unsre aus etwa dreißig Personen bestehende Gesellschaft zusammen.


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[0111] Line Trojafahrt Begabung Treffliches geleistet, indem er sich mit der klassischen Schönheit genialer Gedichte ganz erfüllte und für sie einen würdigen musikalischen Aus¬ druck suchte. Als Kunstkritiker hat er auf das Große und Erhabne hinge¬ wiesen und die künstlerische Auferstehung unsrer großen Meister Gluck, Bach und Händel vorbereitet. Als Mensch hat er unzweifelhaft große Schwächen gehabt und es seinen Freunden nicht immer leicht gemacht, an seiner Seite auszuhalten. Wer aber aushielt, konnte in der Not das echte Gold seiner edelmütigen Freundschaft erproben. Eben so echt hat er sich als Patriot be¬ wiesen, der in harten Kämpfen, in Zeiten eiserner Not sich eine politische Überzeugung erarbeitete und daran festhielt. Unser Vaterland ist wieder erstanden durch den Bund zweier Gruppen von Männern. Die einen sind die einfältigen Seelen mit frommem Glauben und schlichter Anhänglichkeit an den Heimatboden. Ihnen soll ihre Ehre nicht geschmälert werden. Ist doch die Erhebung Preußens im Jahre 1313 ohne die Wiedergeburt des Glaubens wahrlich nicht zu denken. Die andern Männer sind freie, aufgeklärte Geister, groß geworden in der Schule Kants. Sie haben ihren Prenßenstolz gewonnen als Untertanen des großen Königs, in dem hohen Bewußtsein, einem Kulturstaate anzugehören, dessen Erhaltung der Franzose Mirabeau von dem Genius Europas erflehte. In der trüben Zeit Friedrich Wilhelms des Zweiten von dem Lichte der französischen Freiheit eine Weile geblendet, erfüllen sie sich mit neuem nationalen Selbstgefühl, als der junge König Friedrich Wilhelm der Dritte eine neue freiere Periode er¬ öffnet. Als dann Druck und Not hereinbrechen, ist es die Erinnerung an den großen Friedrich, das Bewußtsein der Kulturmission des preußischen Staates, das sie aufrecht erhält, bis der Tag der Freiheit aufleuchtet. Ein solcher Mann ist Johann Friedrich Reichardt gewesen, und er ver¬ dient es, als ein freisinniger Herold vaterländischen Sinnes von unserm weiter¬ strebenden Volke uicht vergessen zu werdeu. Hören wir doch in der Symphonie seines Lebens je später, je gewaltiger die Weise erklingen, der er in seiner Geisterinsel Töne geliehen hat: Allmächtig ist die Liebe Zu dir, mein Vaterland! Eine Trojasahrt R Friedrich Seiler eiseerinnerungen von I.. Die Reise nach Troja >ir waren unter der Leitung des Professors Dörpfetd, des ersten Sekretärs des Kaiserlichen Archäologischen Instituts z» Athen, schon durch den Peloponnes gezogen und durch das griechische Jnselmeer gefahren (vgl. Grenzboten 1903, I. Vierteljahr, S. 37. 93, 340, 411, IV. Vierteljahr. S. 750, 824). Nun stand uns noch die letzte und ! romantischste der drei archäologischen Reisen bevor, die nach Troja. An Bord eines kleinen griechischen Dampfers, der den reizvollen Namen „Aphrodite" führte, fand sich unsre aus etwa dreißig Personen bestehende Gesellschaft zusammen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/111>, abgerufen am 04.07.2024.