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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Erinnerungen ans der Kriegsgefangenschaft in den Jahren ^370 und ^87^

längern Aufenthalt, weil Zugwechsel stattfand, und wir diesen in den Wartesälen
abwarten mußten. Da waren wir natürlich der Gegenstand der Neugierde und
wurden viel begafft, namentlich auch von jungen uniformierten Leuten, die sich
sammelten, um in den Krieg zu ziehen; sonst verlief die Reise ohne irgendwelche
bemerkenswerten Erlebnisse. An Stoff zur Unterhaltung fehlte es uns ja nicht,
und das Bedürfnis zu schlafen stellte sich auch ein, sodaß die Stunden dahinflogen.
Die beiden Gendarmen, das möchte ich noch hervorheben, erwiesen sich unterwegs
als höchst anständige und ehrenwerte Soldaten; sie unterhielten sich sehr wenig
mit uus und nahmen nichts von uns an, kein Gläschen Kognak, keine Zigarre!
Am Abend des 4. Dezembers endete unsre Reise in Le Puy en Vetens, unserm
Ziele, wo wir ungefähr um dieselbe Stunde eintrafen, in der sich die ersten deutschen
Truppen der Stadt Orleans wieder siegreich bemächtigten, die wir vor reichlich
vierundzwanzig Stunden als Kriegsgefnngne verlassen hatten!

Bei unsrer Ankunft in Le Puy gegen neun Uhr Abends wurden wir auf dem
Bahnhof von einem Kapitän der Gendarmerie sehr höflich empfangen und in
Droschken ins HStel du Nord gebracht, wo wir zunächst logieren mußten, und wo,
wie uns gleich erzählt wurde, schon mehrere gefangne deutsche Offiziere wohnten.
Mit einigen von diesen, die auf ihren Zimmern zusammen saßen, machten wir uus
noch am Abend bekannt und ließen uns einiges von dem Leben, das man dort
führte, erzählen. Wir konnten damals natürlich noch nicht ahnen, daß uns nach
Gottes Ratschluß ein fast dreimonatiger Aufenthalt hier bevorstand, wohl in äußerer
Sicherheit und ohne Lebensgefahr, aber doch so fern von unsern Lieben daheim,
fern von unsern Kameraden im Felde. Am nächsten Vormittag holte uns ein
Gendarm ins Bureau des genannten Kapitäns, der uns die nötigen Verhaltungs¬
maßregeln gab. Zunächst mußten wir, wie es die bisher hier eingetroffnen Offiziere
ebenfalls getan hatten, eine Erklärung unterzeichnen, durch die wir uns auf
Ehrenwort verpflichteten, nicht zu entfliehen; da wir ja etwa zwanzig deutsche Meilen
von der schweizerischen und der italienischen Grenze entfernt waren, brauchten wir
kein Bedenken zu hegen, solche Verpflichtung auf uus zu nehmen. Danach erhielten
wir die Erlaubnis, ganz nach unserm Belieben in einem Hotel oder in c-NNndrss
Minieh zu wohnen und auch sonst unser Leben einzurichten, wie wir wollten; nicht
nur in der Stadt, sondern auch in der nähern Umgegend durften wir frei umher¬
gehen. Einige Restaurants und zwei Cafe's wurden namhaft gemacht, die wir
besuchen könnten, während uus empfohlen wurde, alle andern öffentlichen Lokale zu
meiden. Wir erhielten ferner den Befehl, uns jeden Sonntag Mittag zu dem
regelmäßigen "Appell" im Hotel de Ville einzufinden, bei dem festgestellt wurde,
ob alle Gefangnen am Platze waren, und allgemein interessierende Dinge zur
Mitteilung gelangten. Endlich gab uns der Kapitän den Rat, um die ssMrruznts
der Bevölkerung zu schönen, uns möglichst wenig in Uniform zu zeigen, sondern
recht schnell uns zu insttrs su KourA-sois.

Hierauf waren wir schon am Abend vorher durch die erwähnten Kameraden
vorbereitet worden, wußten aber auch schon, daß dieses nicht so einfach sei, da die
Kaufleute und Handwerker in Le Puy den Gefangnen nichts auf Kredit gaben
und deutsches Geld nicht annahmen; von diesem hatten wir aber auch nicht genug
bei uns. So war unsre dringendste Sorge, Geld zu bekommen, und wir schrieben
also sofort an die Unsern in der Heimat, damit diese uns durch einen Schweizer
Bankier Geld anweisen ließen. Auf den Rat mehrerer von den schon hier lebenden
Kameraden wandten wir uns auch mit einer Bitte um Geld um den preußischen
Gesandten in Bern, und dieser sandte uns sehr rasch eine Summe Geldes, die uns
im Laufe des nächsten Jahres nach unsrer Freilassung auf dem Instanzenwege
wieder abgefordert worden ist. Ehe wir aber nicht genug Geld hatten, erhielten
wir keinen Zivilanzug geliefert, wenn wir ihn uns auch anmessen lassen konnten-
Ebenso fehlte es uns natürlich auch an Wäsche und Unterzeug, kurz an allem, da
ja keiner davon mehr bei sich hatte, als was er auf dem Leibe oder in seinem


Erinnerungen ans der Kriegsgefangenschaft in den Jahren ^370 und ^87^

längern Aufenthalt, weil Zugwechsel stattfand, und wir diesen in den Wartesälen
abwarten mußten. Da waren wir natürlich der Gegenstand der Neugierde und
wurden viel begafft, namentlich auch von jungen uniformierten Leuten, die sich
sammelten, um in den Krieg zu ziehen; sonst verlief die Reise ohne irgendwelche
bemerkenswerten Erlebnisse. An Stoff zur Unterhaltung fehlte es uns ja nicht,
und das Bedürfnis zu schlafen stellte sich auch ein, sodaß die Stunden dahinflogen.
Die beiden Gendarmen, das möchte ich noch hervorheben, erwiesen sich unterwegs
als höchst anständige und ehrenwerte Soldaten; sie unterhielten sich sehr wenig
mit uus und nahmen nichts von uns an, kein Gläschen Kognak, keine Zigarre!
Am Abend des 4. Dezembers endete unsre Reise in Le Puy en Vetens, unserm
Ziele, wo wir ungefähr um dieselbe Stunde eintrafen, in der sich die ersten deutschen
Truppen der Stadt Orleans wieder siegreich bemächtigten, die wir vor reichlich
vierundzwanzig Stunden als Kriegsgefnngne verlassen hatten!

Bei unsrer Ankunft in Le Puy gegen neun Uhr Abends wurden wir auf dem
Bahnhof von einem Kapitän der Gendarmerie sehr höflich empfangen und in
Droschken ins HStel du Nord gebracht, wo wir zunächst logieren mußten, und wo,
wie uns gleich erzählt wurde, schon mehrere gefangne deutsche Offiziere wohnten.
Mit einigen von diesen, die auf ihren Zimmern zusammen saßen, machten wir uus
noch am Abend bekannt und ließen uns einiges von dem Leben, das man dort
führte, erzählen. Wir konnten damals natürlich noch nicht ahnen, daß uns nach
Gottes Ratschluß ein fast dreimonatiger Aufenthalt hier bevorstand, wohl in äußerer
Sicherheit und ohne Lebensgefahr, aber doch so fern von unsern Lieben daheim,
fern von unsern Kameraden im Felde. Am nächsten Vormittag holte uns ein
Gendarm ins Bureau des genannten Kapitäns, der uns die nötigen Verhaltungs¬
maßregeln gab. Zunächst mußten wir, wie es die bisher hier eingetroffnen Offiziere
ebenfalls getan hatten, eine Erklärung unterzeichnen, durch die wir uns auf
Ehrenwort verpflichteten, nicht zu entfliehen; da wir ja etwa zwanzig deutsche Meilen
von der schweizerischen und der italienischen Grenze entfernt waren, brauchten wir
kein Bedenken zu hegen, solche Verpflichtung auf uus zu nehmen. Danach erhielten
wir die Erlaubnis, ganz nach unserm Belieben in einem Hotel oder in c-NNndrss
Minieh zu wohnen und auch sonst unser Leben einzurichten, wie wir wollten; nicht
nur in der Stadt, sondern auch in der nähern Umgegend durften wir frei umher¬
gehen. Einige Restaurants und zwei Cafe's wurden namhaft gemacht, die wir
besuchen könnten, während uus empfohlen wurde, alle andern öffentlichen Lokale zu
meiden. Wir erhielten ferner den Befehl, uns jeden Sonntag Mittag zu dem
regelmäßigen „Appell" im Hotel de Ville einzufinden, bei dem festgestellt wurde,
ob alle Gefangnen am Platze waren, und allgemein interessierende Dinge zur
Mitteilung gelangten. Endlich gab uns der Kapitän den Rat, um die ssMrruznts
der Bevölkerung zu schönen, uns möglichst wenig in Uniform zu zeigen, sondern
recht schnell uns zu insttrs su KourA-sois.

Hierauf waren wir schon am Abend vorher durch die erwähnten Kameraden
vorbereitet worden, wußten aber auch schon, daß dieses nicht so einfach sei, da die
Kaufleute und Handwerker in Le Puy den Gefangnen nichts auf Kredit gaben
und deutsches Geld nicht annahmen; von diesem hatten wir aber auch nicht genug
bei uns. So war unsre dringendste Sorge, Geld zu bekommen, und wir schrieben
also sofort an die Unsern in der Heimat, damit diese uns durch einen Schweizer
Bankier Geld anweisen ließen. Auf den Rat mehrerer von den schon hier lebenden
Kameraden wandten wir uns auch mit einer Bitte um Geld um den preußischen
Gesandten in Bern, und dieser sandte uns sehr rasch eine Summe Geldes, die uns
im Laufe des nächsten Jahres nach unsrer Freilassung auf dem Instanzenwege
wieder abgefordert worden ist. Ehe wir aber nicht genug Geld hatten, erhielten
wir keinen Zivilanzug geliefert, wenn wir ihn uns auch anmessen lassen konnten-
Ebenso fehlte es uns natürlich auch an Wäsche und Unterzeug, kurz an allem, da
ja keiner davon mehr bei sich hatte, als was er auf dem Leibe oder in seinem


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[0736] Erinnerungen ans der Kriegsgefangenschaft in den Jahren ^370 und ^87^ längern Aufenthalt, weil Zugwechsel stattfand, und wir diesen in den Wartesälen abwarten mußten. Da waren wir natürlich der Gegenstand der Neugierde und wurden viel begafft, namentlich auch von jungen uniformierten Leuten, die sich sammelten, um in den Krieg zu ziehen; sonst verlief die Reise ohne irgendwelche bemerkenswerten Erlebnisse. An Stoff zur Unterhaltung fehlte es uns ja nicht, und das Bedürfnis zu schlafen stellte sich auch ein, sodaß die Stunden dahinflogen. Die beiden Gendarmen, das möchte ich noch hervorheben, erwiesen sich unterwegs als höchst anständige und ehrenwerte Soldaten; sie unterhielten sich sehr wenig mit uus und nahmen nichts von uns an, kein Gläschen Kognak, keine Zigarre! Am Abend des 4. Dezembers endete unsre Reise in Le Puy en Vetens, unserm Ziele, wo wir ungefähr um dieselbe Stunde eintrafen, in der sich die ersten deutschen Truppen der Stadt Orleans wieder siegreich bemächtigten, die wir vor reichlich vierundzwanzig Stunden als Kriegsgefnngne verlassen hatten! Bei unsrer Ankunft in Le Puy gegen neun Uhr Abends wurden wir auf dem Bahnhof von einem Kapitän der Gendarmerie sehr höflich empfangen und in Droschken ins HStel du Nord gebracht, wo wir zunächst logieren mußten, und wo, wie uns gleich erzählt wurde, schon mehrere gefangne deutsche Offiziere wohnten. Mit einigen von diesen, die auf ihren Zimmern zusammen saßen, machten wir uus noch am Abend bekannt und ließen uns einiges von dem Leben, das man dort führte, erzählen. Wir konnten damals natürlich noch nicht ahnen, daß uns nach Gottes Ratschluß ein fast dreimonatiger Aufenthalt hier bevorstand, wohl in äußerer Sicherheit und ohne Lebensgefahr, aber doch so fern von unsern Lieben daheim, fern von unsern Kameraden im Felde. Am nächsten Vormittag holte uns ein Gendarm ins Bureau des genannten Kapitäns, der uns die nötigen Verhaltungs¬ maßregeln gab. Zunächst mußten wir, wie es die bisher hier eingetroffnen Offiziere ebenfalls getan hatten, eine Erklärung unterzeichnen, durch die wir uns auf Ehrenwort verpflichteten, nicht zu entfliehen; da wir ja etwa zwanzig deutsche Meilen von der schweizerischen und der italienischen Grenze entfernt waren, brauchten wir kein Bedenken zu hegen, solche Verpflichtung auf uus zu nehmen. Danach erhielten wir die Erlaubnis, ganz nach unserm Belieben in einem Hotel oder in c-NNndrss Minieh zu wohnen und auch sonst unser Leben einzurichten, wie wir wollten; nicht nur in der Stadt, sondern auch in der nähern Umgegend durften wir frei umher¬ gehen. Einige Restaurants und zwei Cafe's wurden namhaft gemacht, die wir besuchen könnten, während uus empfohlen wurde, alle andern öffentlichen Lokale zu meiden. Wir erhielten ferner den Befehl, uns jeden Sonntag Mittag zu dem regelmäßigen „Appell" im Hotel de Ville einzufinden, bei dem festgestellt wurde, ob alle Gefangnen am Platze waren, und allgemein interessierende Dinge zur Mitteilung gelangten. Endlich gab uns der Kapitän den Rat, um die ssMrruznts der Bevölkerung zu schönen, uns möglichst wenig in Uniform zu zeigen, sondern recht schnell uns zu insttrs su KourA-sois. Hierauf waren wir schon am Abend vorher durch die erwähnten Kameraden vorbereitet worden, wußten aber auch schon, daß dieses nicht so einfach sei, da die Kaufleute und Handwerker in Le Puy den Gefangnen nichts auf Kredit gaben und deutsches Geld nicht annahmen; von diesem hatten wir aber auch nicht genug bei uns. So war unsre dringendste Sorge, Geld zu bekommen, und wir schrieben also sofort an die Unsern in der Heimat, damit diese uns durch einen Schweizer Bankier Geld anweisen ließen. Auf den Rat mehrerer von den schon hier lebenden Kameraden wandten wir uns auch mit einer Bitte um Geld um den preußischen Gesandten in Bern, und dieser sandte uns sehr rasch eine Summe Geldes, die uns im Laufe des nächsten Jahres nach unsrer Freilassung auf dem Instanzenwege wieder abgefordert worden ist. Ehe wir aber nicht genug Geld hatten, erhielten wir keinen Zivilanzug geliefert, wenn wir ihn uns auch anmessen lassen konnten- Ebenso fehlte es uns natürlich auch an Wäsche und Unterzeug, kurz an allem, da ja keiner davon mehr bei sich hatte, als was er auf dem Leibe oder in seinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/736>, abgerufen am 01.07.2024.