Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Feldmarschall Graf waldersee stand er unter den Eindrücken, die nach den beiden bewegten Revolutionsjahren Die ihm gestellte Aufgabe gab ihm zugleich vielfach Gelegenheit zum Ein¬ Feldmarschall Graf waldersee stand er unter den Eindrücken, die nach den beiden bewegten Revolutionsjahren Die ihm gestellte Aufgabe gab ihm zugleich vielfach Gelegenheit zum Ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0628" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293425"/> <fw type="header" place="top"> Feldmarschall Graf waldersee</fw><lb/> <p xml:id="ID_3603" prev="#ID_3602"> stand er unter den Eindrücken, die nach den beiden bewegten Revolutionsjahren<lb/> die ganze Armee, zumal aber die Berliner Garnison, erfüllten, und die uns<lb/> General Prinz Kraft tzohenlohc in seinen vom General von Teichmann heraus¬<lb/> gegebnen Aufzeichnungen, deren weitere Veröffentlichung leider unterbrochen worden<lb/> ist, so überaus fesselnd geschildert hat. Prinz Kraft Hohenlohe war fünf Jahre<lb/> zuvor in das Regiment getreten; die für heutige Anschauungen zum Teil un¬<lb/> glaublichen dienstlichen Verhältnisse, in denen sich der Prinz zu bewegen hatte,<lb/> werden für den jungen Grafen Waldersee nahezu dieselben gewesen sein. Er¬<lb/> wähnt sei hierbei noch, daß Prinz Kraft Hohenlohe und Graf Waldersee die<lb/> ersten und bis heute die einzigen diensttuenden Flügeladjutanten waren, die aus<lb/> der Artillerie hervorgegangen sind, der erste von Friedrich Wilhelm dem Vierten,<lb/> der andre von König Wilhelm ernannt. Beiden Männern war es vergönnt, in<lb/> den verschiedensten Stellungen dem Vaterlande große und wichtige Dienste zu<lb/> leisten. Den Grafen Waldersee finden wir dann im Jahre 1866 als Adjutanten<lb/> des Prinzen Karl im Gefolge des Königs bei Königgrütz. Zehn Tage später wird<lb/> er als Hauptmann in den Generalstab versetzt, noch vor Ablauf des Monats<lb/> zum Major befördert und dem General von Moltke beigegeben. Nach sechzehn¬<lb/> jähriger Dienstzeit Major im Generalstabe — das darf für damalige Verhält¬<lb/> nisse als eine ganz außerordentliche Auszeichnung angesehen werden. Nach dem<lb/> Kriege wurde Graf Waldersee zum Gouvernement in Hannover kommandiert,<lb/> um die Angelegenheiten der ehemaligen hannoverischen Offiziere zu ordnen. Daß<lb/> der damals vierunddreißigjährige Major mit dieser schwierigen Aufgabe, die ein<lb/> hohes Maß von Takt und Gewandtheit forderte, betraut wurde, zeugt ebenso für<lb/> die außerordentliche Befähigung des also Ausgezeichneten, für seine Umsicht, seinen<lb/> Charakter, für seine Fähigkeit, Menschen zu beurteilen und zu behandeln, wie<lb/> auch für die großartige Eigenschaft des Königs, sich für jede Aufgabe den richtigen<lb/> Mann herauszusuchen. Auf jener damaligen Dienstleistung des Grafen Waldersee<lb/> in Hannover, die ihn mit so vielen Menschen in Berührung gebracht hatte, auf<lb/> seinem dabei bekundeten Billigkeitssinn, seiner vornehmen Denkungsart und seiner<lb/> Geschicklichkeit beruhen zum nicht geringen Teile das Ansehen und die Popu¬<lb/> larität, deren er sich in Hannover sein Leben lang erfreut hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_3604" next="#ID_3605"> Die ihm gestellte Aufgabe gab ihm zugleich vielfach Gelegenheit zum Ein¬<lb/> blick in die Zivilverwaltung, wie sie ihn auch mit den: Ministerpräsidenten<lb/> Grafen Vismarck in Verbindung setzte. Im Stäbe des zehnten Armeekorps<lb/> tätig, erwarb er sich die hohe Anerkennung seines sonst so gefürchteten Komman¬<lb/> dierenden Generals von Voigts-Nheetz, der vor der Berufung Moltkes all¬<lb/> gemein als der künftige Chef des Generalstabs der Armee gegolten hatte. Seine<lb/> warme Empfehlung führte wohl ebenso wie die Bekanntschaft mit Bismcirck<lb/> dazu, daß Graf Waldersee zu Anfang des Jahres 1870 als Militärattache zur<lb/> Botschaft nach Paris kommandiert wurde, eine Stellung, in der er unter dem<lb/> 2. Mai auch zum Flügeladjutanten des Königs vorrückte. Graf Waldersee<lb/> machte sich sehr schnell mit den Aufgaben seines neuen Postens vertraut, seine<lb/> Berichte über das französische Heer und die militärischen Hilfsmittel Frankreichs<lb/> sind für die deutsche Heeresleitung vom höchsten Werte gewesen. Eine populäre<lb/> Zusammenstellung über die Marsch- und Gefechtsweise der französischen Armee,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0628]
Feldmarschall Graf waldersee
stand er unter den Eindrücken, die nach den beiden bewegten Revolutionsjahren
die ganze Armee, zumal aber die Berliner Garnison, erfüllten, und die uns
General Prinz Kraft tzohenlohc in seinen vom General von Teichmann heraus¬
gegebnen Aufzeichnungen, deren weitere Veröffentlichung leider unterbrochen worden
ist, so überaus fesselnd geschildert hat. Prinz Kraft Hohenlohe war fünf Jahre
zuvor in das Regiment getreten; die für heutige Anschauungen zum Teil un¬
glaublichen dienstlichen Verhältnisse, in denen sich der Prinz zu bewegen hatte,
werden für den jungen Grafen Waldersee nahezu dieselben gewesen sein. Er¬
wähnt sei hierbei noch, daß Prinz Kraft Hohenlohe und Graf Waldersee die
ersten und bis heute die einzigen diensttuenden Flügeladjutanten waren, die aus
der Artillerie hervorgegangen sind, der erste von Friedrich Wilhelm dem Vierten,
der andre von König Wilhelm ernannt. Beiden Männern war es vergönnt, in
den verschiedensten Stellungen dem Vaterlande große und wichtige Dienste zu
leisten. Den Grafen Waldersee finden wir dann im Jahre 1866 als Adjutanten
des Prinzen Karl im Gefolge des Königs bei Königgrütz. Zehn Tage später wird
er als Hauptmann in den Generalstab versetzt, noch vor Ablauf des Monats
zum Major befördert und dem General von Moltke beigegeben. Nach sechzehn¬
jähriger Dienstzeit Major im Generalstabe — das darf für damalige Verhält¬
nisse als eine ganz außerordentliche Auszeichnung angesehen werden. Nach dem
Kriege wurde Graf Waldersee zum Gouvernement in Hannover kommandiert,
um die Angelegenheiten der ehemaligen hannoverischen Offiziere zu ordnen. Daß
der damals vierunddreißigjährige Major mit dieser schwierigen Aufgabe, die ein
hohes Maß von Takt und Gewandtheit forderte, betraut wurde, zeugt ebenso für
die außerordentliche Befähigung des also Ausgezeichneten, für seine Umsicht, seinen
Charakter, für seine Fähigkeit, Menschen zu beurteilen und zu behandeln, wie
auch für die großartige Eigenschaft des Königs, sich für jede Aufgabe den richtigen
Mann herauszusuchen. Auf jener damaligen Dienstleistung des Grafen Waldersee
in Hannover, die ihn mit so vielen Menschen in Berührung gebracht hatte, auf
seinem dabei bekundeten Billigkeitssinn, seiner vornehmen Denkungsart und seiner
Geschicklichkeit beruhen zum nicht geringen Teile das Ansehen und die Popu¬
larität, deren er sich in Hannover sein Leben lang erfreut hat.
Die ihm gestellte Aufgabe gab ihm zugleich vielfach Gelegenheit zum Ein¬
blick in die Zivilverwaltung, wie sie ihn auch mit den: Ministerpräsidenten
Grafen Vismarck in Verbindung setzte. Im Stäbe des zehnten Armeekorps
tätig, erwarb er sich die hohe Anerkennung seines sonst so gefürchteten Komman¬
dierenden Generals von Voigts-Nheetz, der vor der Berufung Moltkes all¬
gemein als der künftige Chef des Generalstabs der Armee gegolten hatte. Seine
warme Empfehlung führte wohl ebenso wie die Bekanntschaft mit Bismcirck
dazu, daß Graf Waldersee zu Anfang des Jahres 1870 als Militärattache zur
Botschaft nach Paris kommandiert wurde, eine Stellung, in der er unter dem
2. Mai auch zum Flügeladjutanten des Königs vorrückte. Graf Waldersee
machte sich sehr schnell mit den Aufgaben seines neuen Postens vertraut, seine
Berichte über das französische Heer und die militärischen Hilfsmittel Frankreichs
sind für die deutsche Heeresleitung vom höchsten Werte gewesen. Eine populäre
Zusammenstellung über die Marsch- und Gefechtsweise der französischen Armee,
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