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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Feldmarschall Graf lvaldersee

> s war ein reiches Soldatenleben, das der Tod am 5. März dieses
Jahres ausgelöscht hat. Wie die Laufbahn so vieler bedeutender
Generale des preußischen Heeres hat auch die des Grafen Alfred
Waldersce im Kadettenhause begonnen. Er durfte bis zum Alter
> von zweiundsicbzig Jahren in fast ungebrochner Kraft dem Heere
aktiv angehören, erst der Tod nahm ihm den Marschallstab aus der Hand.
Aber im übrigen unterscheidet sich sein Lebensgang recht wesentlich von dem
der meisten preußischen Heerführer. Der hervorragend begabte Soldat hat dem
Frontdienst nur kurze Zeit, von den vierundfünfzig Jahren seines Dienstlebens
wohl keine fünfzehn Jahre lang angehört. Vom Kadettenhaus trat er mit
achtzehn Jahren als Leutnant in die Gardeartillerie, in deren Reihen er
-- abgesehen vom Besuch der Artillerie- und Ingenieurschule und mehreren
andern teils kürzern, teils langem Unterbrechungen -- bis zum Hauptmann
vorrückte. Im Jahre 1865 wurde er als solcher zum Adjutanten beim General¬
feldzeugmeister, dem Prinzen Karl von Preußen, dem Bruder des Königs,
berufen, von da ab ist er nur noch auf zwei an Unterbrechungen ebenso
reiche Jahre als Kommandeur des 13. Ulanenregiments vorübergehend in den
Frontdienst zurückgekehrt. Er ist niemals Brigndckommandeur und niemals
Divisionskommandeur gewesen, aber dennoch hatte er einen klaren Blick für
die Bedürfnisse wie für die Leistungen der einzelnen Waffen. Als er dann
im Jahre 1891 wider sein Erwarten, nachdem er schon seit drei Jahren den
Rang als Kommandierender General hatte, noch zur Führung eines Armee¬
korps berufen wurde, hat sich sicherlich keiner der seinem Korps angehörenden
Truppenteile über Vernachlässigung durch den Kommandierenden zu beklagen ge¬
habt. In dieser seiner Stellung als Kommandeur des 9. Armeekorps (Schleswig-
Holstein) war er anch der Marine näher getreten, war ihrer Entwicklung
und ihren Aufgaben mit Interesse gefolgt. Als er sich bei seiner Abberufung,
nach siebenjähriger Kommandoführnng in Altona, von der Kieler Station
verabschiedete, ahnte er nicht, daß er nach zwei Jahren unter einzigartigen
Verhältnissen auch einen großen Teil der Flotte unter seinem Oberbefehl
haben sollte.

Als Graf Waldersee am 27. April 1850 bei der Gardeartillerie eintrat,


Grenzboten I 1904 81


Feldmarschall Graf lvaldersee

> s war ein reiches Soldatenleben, das der Tod am 5. März dieses
Jahres ausgelöscht hat. Wie die Laufbahn so vieler bedeutender
Generale des preußischen Heeres hat auch die des Grafen Alfred
Waldersce im Kadettenhause begonnen. Er durfte bis zum Alter
> von zweiundsicbzig Jahren in fast ungebrochner Kraft dem Heere
aktiv angehören, erst der Tod nahm ihm den Marschallstab aus der Hand.
Aber im übrigen unterscheidet sich sein Lebensgang recht wesentlich von dem
der meisten preußischen Heerführer. Der hervorragend begabte Soldat hat dem
Frontdienst nur kurze Zeit, von den vierundfünfzig Jahren seines Dienstlebens
wohl keine fünfzehn Jahre lang angehört. Vom Kadettenhaus trat er mit
achtzehn Jahren als Leutnant in die Gardeartillerie, in deren Reihen er
— abgesehen vom Besuch der Artillerie- und Ingenieurschule und mehreren
andern teils kürzern, teils langem Unterbrechungen — bis zum Hauptmann
vorrückte. Im Jahre 1865 wurde er als solcher zum Adjutanten beim General¬
feldzeugmeister, dem Prinzen Karl von Preußen, dem Bruder des Königs,
berufen, von da ab ist er nur noch auf zwei an Unterbrechungen ebenso
reiche Jahre als Kommandeur des 13. Ulanenregiments vorübergehend in den
Frontdienst zurückgekehrt. Er ist niemals Brigndckommandeur und niemals
Divisionskommandeur gewesen, aber dennoch hatte er einen klaren Blick für
die Bedürfnisse wie für die Leistungen der einzelnen Waffen. Als er dann
im Jahre 1891 wider sein Erwarten, nachdem er schon seit drei Jahren den
Rang als Kommandierender General hatte, noch zur Führung eines Armee¬
korps berufen wurde, hat sich sicherlich keiner der seinem Korps angehörenden
Truppenteile über Vernachlässigung durch den Kommandierenden zu beklagen ge¬
habt. In dieser seiner Stellung als Kommandeur des 9. Armeekorps (Schleswig-
Holstein) war er anch der Marine näher getreten, war ihrer Entwicklung
und ihren Aufgaben mit Interesse gefolgt. Als er sich bei seiner Abberufung,
nach siebenjähriger Kommandoführnng in Altona, von der Kieler Station
verabschiedete, ahnte er nicht, daß er nach zwei Jahren unter einzigartigen
Verhältnissen auch einen großen Teil der Flotte unter seinem Oberbefehl
haben sollte.

Als Graf Waldersee am 27. April 1850 bei der Gardeartillerie eintrat,


Grenzboten I 1904 81
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[0627] [Abbildung] Feldmarschall Graf lvaldersee > s war ein reiches Soldatenleben, das der Tod am 5. März dieses Jahres ausgelöscht hat. Wie die Laufbahn so vieler bedeutender Generale des preußischen Heeres hat auch die des Grafen Alfred Waldersce im Kadettenhause begonnen. Er durfte bis zum Alter > von zweiundsicbzig Jahren in fast ungebrochner Kraft dem Heere aktiv angehören, erst der Tod nahm ihm den Marschallstab aus der Hand. Aber im übrigen unterscheidet sich sein Lebensgang recht wesentlich von dem der meisten preußischen Heerführer. Der hervorragend begabte Soldat hat dem Frontdienst nur kurze Zeit, von den vierundfünfzig Jahren seines Dienstlebens wohl keine fünfzehn Jahre lang angehört. Vom Kadettenhaus trat er mit achtzehn Jahren als Leutnant in die Gardeartillerie, in deren Reihen er — abgesehen vom Besuch der Artillerie- und Ingenieurschule und mehreren andern teils kürzern, teils langem Unterbrechungen — bis zum Hauptmann vorrückte. Im Jahre 1865 wurde er als solcher zum Adjutanten beim General¬ feldzeugmeister, dem Prinzen Karl von Preußen, dem Bruder des Königs, berufen, von da ab ist er nur noch auf zwei an Unterbrechungen ebenso reiche Jahre als Kommandeur des 13. Ulanenregiments vorübergehend in den Frontdienst zurückgekehrt. Er ist niemals Brigndckommandeur und niemals Divisionskommandeur gewesen, aber dennoch hatte er einen klaren Blick für die Bedürfnisse wie für die Leistungen der einzelnen Waffen. Als er dann im Jahre 1891 wider sein Erwarten, nachdem er schon seit drei Jahren den Rang als Kommandierender General hatte, noch zur Führung eines Armee¬ korps berufen wurde, hat sich sicherlich keiner der seinem Korps angehörenden Truppenteile über Vernachlässigung durch den Kommandierenden zu beklagen ge¬ habt. In dieser seiner Stellung als Kommandeur des 9. Armeekorps (Schleswig- Holstein) war er anch der Marine näher getreten, war ihrer Entwicklung und ihren Aufgaben mit Interesse gefolgt. Als er sich bei seiner Abberufung, nach siebenjähriger Kommandoführnng in Altona, von der Kieler Station verabschiedete, ahnte er nicht, daß er nach zwei Jahren unter einzigartigen Verhältnissen auch einen großen Teil der Flotte unter seinem Oberbefehl haben sollte. Als Graf Waldersee am 27. April 1850 bei der Gardeartillerie eintrat, Grenzboten I 1904 81

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/627>, abgerufen am 23.07.2024.