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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Alabnnkerstraße

Ich seh nach dein klein Schwester, und du kommst in mein Laden. Das hab
ich dein Mama versprochen. Und wenn einer was kaufen will, dann sag man:
Bitte gedulden Sie sich einen Momang; Madame Heinemann kommt gleich retour.

Wo ist Onkel Louis? fragte Jetta, die das Rüschen in den dumpfigen kleinen
Laden steckte und dann in die Sonne sah, die so warm in die Straße schien.

Madame Heinemann seufzte. Ja, wo is er, klein Deern? Irgendwo auf"
Boot, weil er Wasser malen will, oder ein paar Schiffers, oder ein paar Menschens.
Das bringt kein Geld und kostet bloß Farbe. Wersten er is ein guten Jung.

Mich soll er auch malen I rief die Kleine, aber Madame Heinemann versuchte
streng zu werden.

Nu denk man nich an Unsinn, klein Deern. Stell dir hinter den Ladentisch,
und wenn einer was kaufen will, dann sagst -- --

Gedulden Sie sich einen Momang! fiel Jetta ihr ins Wort. Madame Heine¬
mann kommt gleich -- sie zögerte.

Kommt gleich retour! setzte die gute Frau hinzu, und dann lachten sie beide.

Elisabeth von Wolffenradt las dem langweiligen Herrn Müller die Zeitung
vor. Er wohnte auch in der Klabunkerstraße, aber dort, wo die Häuser etwas
größer waren. Er war ein verdrießlicher Mann, ohne Freunde und ohne Anhang,
und seinen Beinamen hatte er nur erhalten, weil ehemals in demselben Hause mit
ihm ein andrer Herr Müller wohnte, der immer lustig und freundlich war, und
der deswegen der nette Herr Müller genannt wurde. Dieser gute und lustige
Namensvetter war seit einigen Jahren tot, und der langweilige Herr Müller hatte
keinen Beinamen mehr nötig. Er war ihm aber doch aus alter Gewohnheit ge¬
blieben.

Elisabeth fand die Bezeichnung nicht passend. Ihr erschien Herr Müller nicht
langweilig, aber sehr unliebenswürdig, und das ist noch unangenehmer.

Er war klein, hatte ein lederfarbnes, verkniffnes Gesicht, eine knarrige
Stimme, und Augen, die durch blaue Brillengläser verdeckt wurden. Er sagte
niemals etwas Gütiges, aber mit Vorliebe Unfreundlichkeiten. Wenn seine Vor¬
leserin die Stimme erhob, hieß es: Schreien Sie nicht so, taub bin ich noch nicht.

Ließ sie dann die Stimme sinken, knurrte er: Glauben Sie, daß ich das Gras
wachsen hören kann?

Wenn Elisabeth täglich diese Fragen ertragen und sich damit abmühen mußte,
dem alten Manne, der in seiner dunkeln Sofaecke saß, und dessen Gesicht sich nie
aufhellte, die Lokalnachrichten der großen Stadt vorzulesen, dann mußte sie an
Madame Heinemann denken, die schon manchmal gesagt hatte: Na, mein Beste,
mir soll wundern, wie lange Sie es bei den langweiligen Müller aushalten. Ich
for meine Person könnt es nich. Denn wenn die Mannsleute nich ein büschen
Gemüt haben, denn mag ich ihnen nich. Heincmann hatte Gemüt: darum denk ich
noch immer an ihm, wenn er mir auch in Schulden sitzen gelassen hat.

Mit ruhiger, möglichst gleichmütiger Stimme las die junge Frau vor; aber
ihre Gedanken wanderten; zuerst zu Madame Heinemann und dann in die Zeit,
wo sie noch nicht gewußt hatte, daß es eine Madame Heinemann und eine Kla¬
bunkerstraße gab; wo sie und Wolf Wolffenradt sich über alle Maßen liebten und
heirateten, wo ihre Mutter noch lebte, und sie nichts andres kannte, als eine ge¬
borgne, wenn auch bescheidne Häuslichkeit in einer kleinen Provinzialstadt. Wie
lange war es her, daß das Leben vor ihr gelegen hatte wie ein Garten voll
Blumen und Sonnenschein; dasselbe Leben, das jetzt ein fahles, hartes Gesicht
zeigte und so viel Kälte, daß es sie oft fror?

Baron Wolffenradt war ein sehr eleganter Offizier gewesen, hatte aber schon
vor seiner Hochzeit den Abschied genommen, weil er im Pferderennen, im Spiel
Unglück gehabt hatte, und weil er, wie er behauptete, keine Lust mehr hatte zu
dienen. Nun suchte er sein Glück bei Elisabeth und fand es auch. Die zwei
Menschen waren im ersten Jahre ihrer Ehe so selig gewesen, daß ihnen die Sorge


Die Alabnnkerstraße

Ich seh nach dein klein Schwester, und du kommst in mein Laden. Das hab
ich dein Mama versprochen. Und wenn einer was kaufen will, dann sag man:
Bitte gedulden Sie sich einen Momang; Madame Heinemann kommt gleich retour.

Wo ist Onkel Louis? fragte Jetta, die das Rüschen in den dumpfigen kleinen
Laden steckte und dann in die Sonne sah, die so warm in die Straße schien.

Madame Heinemann seufzte. Ja, wo is er, klein Deern? Irgendwo auf»
Boot, weil er Wasser malen will, oder ein paar Schiffers, oder ein paar Menschens.
Das bringt kein Geld und kostet bloß Farbe. Wersten er is ein guten Jung.

Mich soll er auch malen I rief die Kleine, aber Madame Heinemann versuchte
streng zu werden.

Nu denk man nich an Unsinn, klein Deern. Stell dir hinter den Ladentisch,
und wenn einer was kaufen will, dann sagst — —

Gedulden Sie sich einen Momang! fiel Jetta ihr ins Wort. Madame Heine¬
mann kommt gleich — sie zögerte.

Kommt gleich retour! setzte die gute Frau hinzu, und dann lachten sie beide.

Elisabeth von Wolffenradt las dem langweiligen Herrn Müller die Zeitung
vor. Er wohnte auch in der Klabunkerstraße, aber dort, wo die Häuser etwas
größer waren. Er war ein verdrießlicher Mann, ohne Freunde und ohne Anhang,
und seinen Beinamen hatte er nur erhalten, weil ehemals in demselben Hause mit
ihm ein andrer Herr Müller wohnte, der immer lustig und freundlich war, und
der deswegen der nette Herr Müller genannt wurde. Dieser gute und lustige
Namensvetter war seit einigen Jahren tot, und der langweilige Herr Müller hatte
keinen Beinamen mehr nötig. Er war ihm aber doch aus alter Gewohnheit ge¬
blieben.

Elisabeth fand die Bezeichnung nicht passend. Ihr erschien Herr Müller nicht
langweilig, aber sehr unliebenswürdig, und das ist noch unangenehmer.

Er war klein, hatte ein lederfarbnes, verkniffnes Gesicht, eine knarrige
Stimme, und Augen, die durch blaue Brillengläser verdeckt wurden. Er sagte
niemals etwas Gütiges, aber mit Vorliebe Unfreundlichkeiten. Wenn seine Vor¬
leserin die Stimme erhob, hieß es: Schreien Sie nicht so, taub bin ich noch nicht.

Ließ sie dann die Stimme sinken, knurrte er: Glauben Sie, daß ich das Gras
wachsen hören kann?

Wenn Elisabeth täglich diese Fragen ertragen und sich damit abmühen mußte,
dem alten Manne, der in seiner dunkeln Sofaecke saß, und dessen Gesicht sich nie
aufhellte, die Lokalnachrichten der großen Stadt vorzulesen, dann mußte sie an
Madame Heinemann denken, die schon manchmal gesagt hatte: Na, mein Beste,
mir soll wundern, wie lange Sie es bei den langweiligen Müller aushalten. Ich
for meine Person könnt es nich. Denn wenn die Mannsleute nich ein büschen
Gemüt haben, denn mag ich ihnen nich. Heincmann hatte Gemüt: darum denk ich
noch immer an ihm, wenn er mir auch in Schulden sitzen gelassen hat.

Mit ruhiger, möglichst gleichmütiger Stimme las die junge Frau vor; aber
ihre Gedanken wanderten; zuerst zu Madame Heinemann und dann in die Zeit,
wo sie noch nicht gewußt hatte, daß es eine Madame Heinemann und eine Kla¬
bunkerstraße gab; wo sie und Wolf Wolffenradt sich über alle Maßen liebten und
heirateten, wo ihre Mutter noch lebte, und sie nichts andres kannte, als eine ge¬
borgne, wenn auch bescheidne Häuslichkeit in einer kleinen Provinzialstadt. Wie
lange war es her, daß das Leben vor ihr gelegen hatte wie ein Garten voll
Blumen und Sonnenschein; dasselbe Leben, das jetzt ein fahles, hartes Gesicht
zeigte und so viel Kälte, daß es sie oft fror?

Baron Wolffenradt war ein sehr eleganter Offizier gewesen, hatte aber schon
vor seiner Hochzeit den Abschied genommen, weil er im Pferderennen, im Spiel
Unglück gehabt hatte, und weil er, wie er behauptete, keine Lust mehr hatte zu
dienen. Nun suchte er sein Glück bei Elisabeth und fand es auch. Die zwei
Menschen waren im ersten Jahre ihrer Ehe so selig gewesen, daß ihnen die Sorge


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[0052] Die Alabnnkerstraße Ich seh nach dein klein Schwester, und du kommst in mein Laden. Das hab ich dein Mama versprochen. Und wenn einer was kaufen will, dann sag man: Bitte gedulden Sie sich einen Momang; Madame Heinemann kommt gleich retour. Wo ist Onkel Louis? fragte Jetta, die das Rüschen in den dumpfigen kleinen Laden steckte und dann in die Sonne sah, die so warm in die Straße schien. Madame Heinemann seufzte. Ja, wo is er, klein Deern? Irgendwo auf» Boot, weil er Wasser malen will, oder ein paar Schiffers, oder ein paar Menschens. Das bringt kein Geld und kostet bloß Farbe. Wersten er is ein guten Jung. Mich soll er auch malen I rief die Kleine, aber Madame Heinemann versuchte streng zu werden. Nu denk man nich an Unsinn, klein Deern. Stell dir hinter den Ladentisch, und wenn einer was kaufen will, dann sagst — — Gedulden Sie sich einen Momang! fiel Jetta ihr ins Wort. Madame Heine¬ mann kommt gleich — sie zögerte. Kommt gleich retour! setzte die gute Frau hinzu, und dann lachten sie beide. Elisabeth von Wolffenradt las dem langweiligen Herrn Müller die Zeitung vor. Er wohnte auch in der Klabunkerstraße, aber dort, wo die Häuser etwas größer waren. Er war ein verdrießlicher Mann, ohne Freunde und ohne Anhang, und seinen Beinamen hatte er nur erhalten, weil ehemals in demselben Hause mit ihm ein andrer Herr Müller wohnte, der immer lustig und freundlich war, und der deswegen der nette Herr Müller genannt wurde. Dieser gute und lustige Namensvetter war seit einigen Jahren tot, und der langweilige Herr Müller hatte keinen Beinamen mehr nötig. Er war ihm aber doch aus alter Gewohnheit ge¬ blieben. Elisabeth fand die Bezeichnung nicht passend. Ihr erschien Herr Müller nicht langweilig, aber sehr unliebenswürdig, und das ist noch unangenehmer. Er war klein, hatte ein lederfarbnes, verkniffnes Gesicht, eine knarrige Stimme, und Augen, die durch blaue Brillengläser verdeckt wurden. Er sagte niemals etwas Gütiges, aber mit Vorliebe Unfreundlichkeiten. Wenn seine Vor¬ leserin die Stimme erhob, hieß es: Schreien Sie nicht so, taub bin ich noch nicht. Ließ sie dann die Stimme sinken, knurrte er: Glauben Sie, daß ich das Gras wachsen hören kann? Wenn Elisabeth täglich diese Fragen ertragen und sich damit abmühen mußte, dem alten Manne, der in seiner dunkeln Sofaecke saß, und dessen Gesicht sich nie aufhellte, die Lokalnachrichten der großen Stadt vorzulesen, dann mußte sie an Madame Heinemann denken, die schon manchmal gesagt hatte: Na, mein Beste, mir soll wundern, wie lange Sie es bei den langweiligen Müller aushalten. Ich for meine Person könnt es nich. Denn wenn die Mannsleute nich ein büschen Gemüt haben, denn mag ich ihnen nich. Heincmann hatte Gemüt: darum denk ich noch immer an ihm, wenn er mir auch in Schulden sitzen gelassen hat. Mit ruhiger, möglichst gleichmütiger Stimme las die junge Frau vor; aber ihre Gedanken wanderten; zuerst zu Madame Heinemann und dann in die Zeit, wo sie noch nicht gewußt hatte, daß es eine Madame Heinemann und eine Kla¬ bunkerstraße gab; wo sie und Wolf Wolffenradt sich über alle Maßen liebten und heirateten, wo ihre Mutter noch lebte, und sie nichts andres kannte, als eine ge¬ borgne, wenn auch bescheidne Häuslichkeit in einer kleinen Provinzialstadt. Wie lange war es her, daß das Leben vor ihr gelegen hatte wie ein Garten voll Blumen und Sonnenschein; dasselbe Leben, das jetzt ein fahles, hartes Gesicht zeigte und so viel Kälte, daß es sie oft fror? Baron Wolffenradt war ein sehr eleganter Offizier gewesen, hatte aber schon vor seiner Hochzeit den Abschied genommen, weil er im Pferderennen, im Spiel Unglück gehabt hatte, und weil er, wie er behauptete, keine Lust mehr hatte zu dienen. Nun suchte er sein Glück bei Elisabeth und fand es auch. Die zwei Menschen waren im ersten Jahre ihrer Ehe so selig gewesen, daß ihnen die Sorge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/52>, abgerufen am 03.07.2024.