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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Der Ehrgeiz und der Wunsch, den Beifall jedermanns zu gewinnen, haben ihn oft
dazu gebracht, auch mit der Kenntnis der unbedeutendsten Dinge glänzen zu wollen,
deshalb hat er oft sehr ernste und wichtige Dinge durch seine Einmischung auf¬
gehalten.

Unter den Vergnügungen war für ihn die hauptsächlichste die Liebe; doch hat
er darin nicht soviel Befriedigung wirklich gefunden, wie er andre hat glauben
machen wollen; ein Liebesverhältnis mußte,' wenn es nach seinem Geschmacke sein
sollte, Aufsehen erregen, er umkleidete es gern mit dem Schimmer des Geheimnis¬
voller; er hat sich oft selbst Schwierigkeiten geschaffen, um das Verhältnis romantisch
erscheinen zu lassen.

Nach der Galanterie ist das Bauwesen, und zwar das militärische wie das
nichtmilitärische, eine seiner größten Freuden gewesen, und alle Welt ist darüber
eung, daß er von beiden viel versteht . . . aber der Wunsch, den Beifall aller
Welt zu finden, läßt ihn oft einen Plan ändern, sodaß er viele Sachen anfängt,
über keine vollendet. ... Er liebt es, wenn man ihm die Wahrheit sagt, aber
es darf nicht vor Zeugen und nicht in lehrhaften Tone geschehn. ... Er ist zart¬
fühlend, ohne es scheinen zu wollen ... er ist eifersüchtig auf alle, die Ruhm haben,
er vergißt nicht leicht eine Beleidigung, aber er verzeiht sie. ... Er hat danach
gestrebt, ein zweiter Alcibiades zu sein, indem er sich durch Tugenden und Laster
gleichermaßen berühmt machte. ... Er schickte viele Minister an fremde Höfe, denen
man Instruktionen gegeben hatte, die mit den Meinungen andrer unter sich zwie¬
spältiger Minister übereinstimmten, sodaß sich in der Geschäftsführung seiner Minister
oft Widersprüche fanden. Aber seit der Einrichtung des Geheimen Conseils hat
er dies Verfahren aufgegeben."

Sehr interessant in diesem Charakterbilde ist der romantische Zug, der durch das
Wesen des Fürsten geht und uns seine Liebschaften wenigstens zum Teil im Lichte einer
spätritterlichen Minne erscheinen läßt; sehr interessant ist auch der immer wieder
betonte Wissenstrieb, sein Streben nach Ruhm und Unsterblichkeit, das ihn als den
Sohn einer späten Renaissance zur Nachfolge Alexanders des Großen treibt. Man
rechne dazu sein Verständnis und seine Fürsorge für Kunst und Technik jeder Art,
für die Verbesserung der Rechtspflege und der Verwaltung, für die wirtschaftliche
Hebung seiner Länder durch Abschluß günstiger Handelsverträge, dnrch Einführung
neuer Industrien wie der Glashütte" des Barons Tschirnhaus und der gleichfalls
auf Tschirnhaus Erfindung beruhenden Pvrzellanmanufaktur in Meißen: und man
wird von ihm den Eindruck eines trotz seiner Schwächen überaus regsamen und
bedeutenden Mannes haben. Das sächsische Volk befand sich unter seinem Regimente,
nachdem einmal die Lasten des Nordischen Krieges abgeworfen waren, Verhältnis-
mäßig wohl, trotz der Verschwendung des Hofes, die ihm ja großenteils wieder zu¬
gute kam; gegen das Ende seiner Regierung stieß man fast überall auf Kennzeichen
eines blühenden Wohlstandes und eines frohen Genießens. Nur gerade in seiner
groß angelegten äußern Politik blieb dem Könige jede Frucht versagt Die Gründe
lagen teils in ihm selbst, teils außer ihm.

fürstliche Pflichtgefühl, das persönliche Neigungen und augenblickliche Ein¬
falle im Zaume halt das seinem weit schwächer beanlagten Nachbar Friedrich Wilhelm
dem Ersten in s° hohem Grade eigen war. war bei August dem Starken nur un¬
genügend entwiMt; bei der Fülle seiner sich überstürzenden, teilweise sogar einander
widerstrebenden ProMe entbehrte sein Handeln zu sehr jeder geruhigen Stetigkeit;
im falschen vertrauen auf die Unerschöpflichkeit seiner Kraft hatte er immer so viele
Eisen zu gleicher Zeit im Feuer, daß er keins recht schmieden konnte. So ver¬
puffte denn schließlich die herrliche Mitgabe, die die Vorsehung den Wettinern in
seinen reichen Talenten verliehen hatte, nutzlos, wie eine der glänzenden Leucht¬
kugeln seiner unzähligen Feuerwerke. Und dabei fühlte er sich auch selbst nicht
einmal glücklich. Dem Rausche folgte ebenso oft die Ernüchterung, und Flemmings
Charakterzeichnung beweist, daß dieser bet seinem Herrn Stunden der Niederge¬
schlagenheit, des Weltschmerzes und der Sorge um die Zukunft sehr wohl kannte.


von der Spree zur Vber

Der Ehrgeiz und der Wunsch, den Beifall jedermanns zu gewinnen, haben ihn oft
dazu gebracht, auch mit der Kenntnis der unbedeutendsten Dinge glänzen zu wollen,
deshalb hat er oft sehr ernste und wichtige Dinge durch seine Einmischung auf¬
gehalten.

Unter den Vergnügungen war für ihn die hauptsächlichste die Liebe; doch hat
er darin nicht soviel Befriedigung wirklich gefunden, wie er andre hat glauben
machen wollen; ein Liebesverhältnis mußte,' wenn es nach seinem Geschmacke sein
sollte, Aufsehen erregen, er umkleidete es gern mit dem Schimmer des Geheimnis¬
voller; er hat sich oft selbst Schwierigkeiten geschaffen, um das Verhältnis romantisch
erscheinen zu lassen.

Nach der Galanterie ist das Bauwesen, und zwar das militärische wie das
nichtmilitärische, eine seiner größten Freuden gewesen, und alle Welt ist darüber
eung, daß er von beiden viel versteht . . . aber der Wunsch, den Beifall aller
Welt zu finden, läßt ihn oft einen Plan ändern, sodaß er viele Sachen anfängt,
über keine vollendet. ... Er liebt es, wenn man ihm die Wahrheit sagt, aber
es darf nicht vor Zeugen und nicht in lehrhaften Tone geschehn. ... Er ist zart¬
fühlend, ohne es scheinen zu wollen ... er ist eifersüchtig auf alle, die Ruhm haben,
er vergißt nicht leicht eine Beleidigung, aber er verzeiht sie. ... Er hat danach
gestrebt, ein zweiter Alcibiades zu sein, indem er sich durch Tugenden und Laster
gleichermaßen berühmt machte. ... Er schickte viele Minister an fremde Höfe, denen
man Instruktionen gegeben hatte, die mit den Meinungen andrer unter sich zwie¬
spältiger Minister übereinstimmten, sodaß sich in der Geschäftsführung seiner Minister
oft Widersprüche fanden. Aber seit der Einrichtung des Geheimen Conseils hat
er dies Verfahren aufgegeben."

Sehr interessant in diesem Charakterbilde ist der romantische Zug, der durch das
Wesen des Fürsten geht und uns seine Liebschaften wenigstens zum Teil im Lichte einer
spätritterlichen Minne erscheinen läßt; sehr interessant ist auch der immer wieder
betonte Wissenstrieb, sein Streben nach Ruhm und Unsterblichkeit, das ihn als den
Sohn einer späten Renaissance zur Nachfolge Alexanders des Großen treibt. Man
rechne dazu sein Verständnis und seine Fürsorge für Kunst und Technik jeder Art,
für die Verbesserung der Rechtspflege und der Verwaltung, für die wirtschaftliche
Hebung seiner Länder durch Abschluß günstiger Handelsverträge, dnrch Einführung
neuer Industrien wie der Glashütte» des Barons Tschirnhaus und der gleichfalls
auf Tschirnhaus Erfindung beruhenden Pvrzellanmanufaktur in Meißen: und man
wird von ihm den Eindruck eines trotz seiner Schwächen überaus regsamen und
bedeutenden Mannes haben. Das sächsische Volk befand sich unter seinem Regimente,
nachdem einmal die Lasten des Nordischen Krieges abgeworfen waren, Verhältnis-
mäßig wohl, trotz der Verschwendung des Hofes, die ihm ja großenteils wieder zu¬
gute kam; gegen das Ende seiner Regierung stieß man fast überall auf Kennzeichen
eines blühenden Wohlstandes und eines frohen Genießens. Nur gerade in seiner
groß angelegten äußern Politik blieb dem Könige jede Frucht versagt Die Gründe
lagen teils in ihm selbst, teils außer ihm.

fürstliche Pflichtgefühl, das persönliche Neigungen und augenblickliche Ein¬
falle im Zaume halt das seinem weit schwächer beanlagten Nachbar Friedrich Wilhelm
dem Ersten in s° hohem Grade eigen war. war bei August dem Starken nur un¬
genügend entwiMt; bei der Fülle seiner sich überstürzenden, teilweise sogar einander
widerstrebenden ProMe entbehrte sein Handeln zu sehr jeder geruhigen Stetigkeit;
im falschen vertrauen auf die Unerschöpflichkeit seiner Kraft hatte er immer so viele
Eisen zu gleicher Zeit im Feuer, daß er keins recht schmieden konnte. So ver¬
puffte denn schließlich die herrliche Mitgabe, die die Vorsehung den Wettinern in
seinen reichen Talenten verliehen hatte, nutzlos, wie eine der glänzenden Leucht¬
kugeln seiner unzähligen Feuerwerke. Und dabei fühlte er sich auch selbst nicht
einmal glücklich. Dem Rausche folgte ebenso oft die Ernüchterung, und Flemmings
Charakterzeichnung beweist, daß dieser bet seinem Herrn Stunden der Niederge¬
schlagenheit, des Weltschmerzes und der Sorge um die Zukunft sehr wohl kannte.


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[0425] von der Spree zur Vber Der Ehrgeiz und der Wunsch, den Beifall jedermanns zu gewinnen, haben ihn oft dazu gebracht, auch mit der Kenntnis der unbedeutendsten Dinge glänzen zu wollen, deshalb hat er oft sehr ernste und wichtige Dinge durch seine Einmischung auf¬ gehalten. Unter den Vergnügungen war für ihn die hauptsächlichste die Liebe; doch hat er darin nicht soviel Befriedigung wirklich gefunden, wie er andre hat glauben machen wollen; ein Liebesverhältnis mußte,' wenn es nach seinem Geschmacke sein sollte, Aufsehen erregen, er umkleidete es gern mit dem Schimmer des Geheimnis¬ voller; er hat sich oft selbst Schwierigkeiten geschaffen, um das Verhältnis romantisch erscheinen zu lassen. Nach der Galanterie ist das Bauwesen, und zwar das militärische wie das nichtmilitärische, eine seiner größten Freuden gewesen, und alle Welt ist darüber eung, daß er von beiden viel versteht . . . aber der Wunsch, den Beifall aller Welt zu finden, läßt ihn oft einen Plan ändern, sodaß er viele Sachen anfängt, über keine vollendet. ... Er liebt es, wenn man ihm die Wahrheit sagt, aber es darf nicht vor Zeugen und nicht in lehrhaften Tone geschehn. ... Er ist zart¬ fühlend, ohne es scheinen zu wollen ... er ist eifersüchtig auf alle, die Ruhm haben, er vergißt nicht leicht eine Beleidigung, aber er verzeiht sie. ... Er hat danach gestrebt, ein zweiter Alcibiades zu sein, indem er sich durch Tugenden und Laster gleichermaßen berühmt machte. ... Er schickte viele Minister an fremde Höfe, denen man Instruktionen gegeben hatte, die mit den Meinungen andrer unter sich zwie¬ spältiger Minister übereinstimmten, sodaß sich in der Geschäftsführung seiner Minister oft Widersprüche fanden. Aber seit der Einrichtung des Geheimen Conseils hat er dies Verfahren aufgegeben." Sehr interessant in diesem Charakterbilde ist der romantische Zug, der durch das Wesen des Fürsten geht und uns seine Liebschaften wenigstens zum Teil im Lichte einer spätritterlichen Minne erscheinen läßt; sehr interessant ist auch der immer wieder betonte Wissenstrieb, sein Streben nach Ruhm und Unsterblichkeit, das ihn als den Sohn einer späten Renaissance zur Nachfolge Alexanders des Großen treibt. Man rechne dazu sein Verständnis und seine Fürsorge für Kunst und Technik jeder Art, für die Verbesserung der Rechtspflege und der Verwaltung, für die wirtschaftliche Hebung seiner Länder durch Abschluß günstiger Handelsverträge, dnrch Einführung neuer Industrien wie der Glashütte» des Barons Tschirnhaus und der gleichfalls auf Tschirnhaus Erfindung beruhenden Pvrzellanmanufaktur in Meißen: und man wird von ihm den Eindruck eines trotz seiner Schwächen überaus regsamen und bedeutenden Mannes haben. Das sächsische Volk befand sich unter seinem Regimente, nachdem einmal die Lasten des Nordischen Krieges abgeworfen waren, Verhältnis- mäßig wohl, trotz der Verschwendung des Hofes, die ihm ja großenteils wieder zu¬ gute kam; gegen das Ende seiner Regierung stieß man fast überall auf Kennzeichen eines blühenden Wohlstandes und eines frohen Genießens. Nur gerade in seiner groß angelegten äußern Politik blieb dem Könige jede Frucht versagt Die Gründe lagen teils in ihm selbst, teils außer ihm. fürstliche Pflichtgefühl, das persönliche Neigungen und augenblickliche Ein¬ falle im Zaume halt das seinem weit schwächer beanlagten Nachbar Friedrich Wilhelm dem Ersten in s° hohem Grade eigen war. war bei August dem Starken nur un¬ genügend entwiMt; bei der Fülle seiner sich überstürzenden, teilweise sogar einander widerstrebenden ProMe entbehrte sein Handeln zu sehr jeder geruhigen Stetigkeit; im falschen vertrauen auf die Unerschöpflichkeit seiner Kraft hatte er immer so viele Eisen zu gleicher Zeit im Feuer, daß er keins recht schmieden konnte. So ver¬ puffte denn schließlich die herrliche Mitgabe, die die Vorsehung den Wettinern in seinen reichen Talenten verliehen hatte, nutzlos, wie eine der glänzenden Leucht¬ kugeln seiner unzähligen Feuerwerke. Und dabei fühlte er sich auch selbst nicht einmal glücklich. Dem Rausche folgte ebenso oft die Ernüchterung, und Flemmings Charakterzeichnung beweist, daß dieser bet seinem Herrn Stunden der Niederge¬ schlagenheit, des Weltschmerzes und der Sorge um die Zukunft sehr wohl kannte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/425>, abgerufen am 03.07.2024.