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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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von der Spree zur Dder

Aber die Charakterfehler Augusts des Starken waren es doch nicht allein, die den
Erfolg seiner Politik verhinderten: auch das Glück hat ihm gefehlt. Es war sein
Unglück, daß er vor Kaiser Karl dem Sechsten sterben mußte. Hätte er dessen
Tod erlebt, wäre der letzte Habsburger statt 1740 etwa 1730 gestorben, wer will
sagen, ob da nicht August die Rolle gespielt hätte, die später Friedrich der Große
spielte, oder aber, wenn August das Jahr 1740 erlebt hätte, ob da uicht der
doppelte Einsatz, den er zu bieten hatte, sein vortreffliches Heer und eine Teilung
Polens zwischen Sachsen und Preußen, die er schon Friedrich Wilhelm dem Ersten
angeboten hatte, Friedrich den Zweiten zu einem Abkommen mit Sachsen bewogen
hätte, das den südlichen Streifen Schlesiens, etwa gemäß einer Linie von Lauban
nach Myslowitz oder Mähren und ein entsprechendes Verbindungsstück den Wettinern
als Landbrücke nach Polen überließ? So aber trat, gerade als er im Begriff
stand, die Maschen des zwischen ihm, Bayern, Preußen und Frankreich wegen der
Habsburgischen Erbschaft bestehenden Einvernehmens fester anzuziehn, der Tod an
den noch nicht Dreiundsechzigjährigcn heran. Als er während seiner letzten Krank¬
heit -- "Jnflammntion im Fuß," verbunden mit tiefen Ohnmachten -- in Warschau
am 30. Januar 1733 von den Ministern gefragt wurde, ob er uicht noch vor
seinem Ende der zum Reichstag versammelten Republik seinen Prinzen zum successor
antragen lassen wolle, hat der König geantwortet: er habe eine Dornenkrone ge¬
tragen, stelle seinem Prinzen frei, ob er solche annehme" wolle, wolle ihm die
Krone zwar gönnen, aber auch dabei mehr Glück als er gehabt wünschen. Die
"Dornenkrone" wurde August dem Dritten 1735 zuteil, aber statt des Glücks er¬
wählte er den Grafen Brühl zum Minister, der durch seine ränkevolle, mit den
kleinlichsten Mitteln arbeitende Politik das noch verdarb, was aus dem Schiffbruche
größerer Hoffnungen hätte gerettet werden können. Es kam der große Moment,
der sogar Friedrich dem Großen für einen Augenblick die Wange bleichte: der Tod
Kaiser Karls des Sechsten am 20. Oktober 1740. Für jeden weitblickenden Staats¬
mann gab es, um die ersehnte Landverbindung mit Polen zu gewinnen, nur einen
Weg: offnen Anschluß an Friedrich den Großen, dem Sachsen bei seinem kühnen
Angriffe auf Schlesien ein wertvoller Bundesgenosse hätte sein können. Statt dessen
begann Brühl eine Schaukelpolitik zwischen Preußen und Osterreich, die nur verlust¬
reich sein konnte. Sächsische Bataillone hätten mit den preußischen Schulter an
Schulter in Schlesien einrücken müssen; da das nicht geschah, ging auch die letzte
Hoffnung auf eine größere Machtstellung der Wettiner im Osten verloren. Denn
nachdem Preußen fast ganz Schlesien gewonnen hatte, aber erst dann, war das
Königreich Polen für Sachsen ein Verlorner Posten. Der so gewaltig vergrößerte
Nachbar wollte und konnte den Wettinern die Landverbindung mit Polen nicht be¬
willigen, und im Osten stieg Rußland dominierend herauf. Die polnische Frage
war für Sachsen mit dem Breslauer Frieden von 1742 und mit dessen Bestätigung
in den Jahren 1745 und 1763 zu Ende; alle spätern Versuche, diese Frage wieder
aufs Tapet zu bringen, waren aussichtslose Träumereien.

Schiedlo wurde nach dem ersten Schlesischen Kriege der Gegenstand einer
Politik der Nadelstiche zwischen Sachsen und Preußen. In einem am 25. April 1792
auf dem herrschaftlichen Hause in Schiedlo niedergeschriebnen Altum wird uns
erzählt, wie ein alter Grenzstreit der Schiedloer mit dem östlich davon gelegnen
preußischen Dorf Schönfeld immer wieder ausgelebt sei, bis Anno 1752 "unter
höchster Genehmigung Seiner Königlichen Majestät in Preußen und Seiner Kur¬
fürstlichen Durchlaucht zu Sachsen ein intgiiroistieum wegen der Nutzungsgrenzc
salvo ,juro tsrritoriali zustande gebracht, und diese Grenze durch den Ingenieur
Kossert mit 23 Säulen kcnntbar gemacht worden." Aber Friedrich der Große
empfand diesen Brückenkopf sächsischen Landes auf dem rechten Oderufer wie einen
Pfahl im eignen Fleische; deshalb wurde gleich bei Beginn des siebenjährigen
Krieges "auf Königlich preußischen Befehl diese Grenze einseitig aufgehoben und
zum Vorteile der Schönfelder in das Schiedloische herein erweitert, mit Feldjägern
besetzt und andre Pfähle eingeschlagen." Schiedlo erschien dem preußischen Könige


von der Spree zur Dder

Aber die Charakterfehler Augusts des Starken waren es doch nicht allein, die den
Erfolg seiner Politik verhinderten: auch das Glück hat ihm gefehlt. Es war sein
Unglück, daß er vor Kaiser Karl dem Sechsten sterben mußte. Hätte er dessen
Tod erlebt, wäre der letzte Habsburger statt 1740 etwa 1730 gestorben, wer will
sagen, ob da nicht August die Rolle gespielt hätte, die später Friedrich der Große
spielte, oder aber, wenn August das Jahr 1740 erlebt hätte, ob da uicht der
doppelte Einsatz, den er zu bieten hatte, sein vortreffliches Heer und eine Teilung
Polens zwischen Sachsen und Preußen, die er schon Friedrich Wilhelm dem Ersten
angeboten hatte, Friedrich den Zweiten zu einem Abkommen mit Sachsen bewogen
hätte, das den südlichen Streifen Schlesiens, etwa gemäß einer Linie von Lauban
nach Myslowitz oder Mähren und ein entsprechendes Verbindungsstück den Wettinern
als Landbrücke nach Polen überließ? So aber trat, gerade als er im Begriff
stand, die Maschen des zwischen ihm, Bayern, Preußen und Frankreich wegen der
Habsburgischen Erbschaft bestehenden Einvernehmens fester anzuziehn, der Tod an
den noch nicht Dreiundsechzigjährigcn heran. Als er während seiner letzten Krank¬
heit — „Jnflammntion im Fuß," verbunden mit tiefen Ohnmachten — in Warschau
am 30. Januar 1733 von den Ministern gefragt wurde, ob er uicht noch vor
seinem Ende der zum Reichstag versammelten Republik seinen Prinzen zum successor
antragen lassen wolle, hat der König geantwortet: er habe eine Dornenkrone ge¬
tragen, stelle seinem Prinzen frei, ob er solche annehme» wolle, wolle ihm die
Krone zwar gönnen, aber auch dabei mehr Glück als er gehabt wünschen. Die
„Dornenkrone" wurde August dem Dritten 1735 zuteil, aber statt des Glücks er¬
wählte er den Grafen Brühl zum Minister, der durch seine ränkevolle, mit den
kleinlichsten Mitteln arbeitende Politik das noch verdarb, was aus dem Schiffbruche
größerer Hoffnungen hätte gerettet werden können. Es kam der große Moment,
der sogar Friedrich dem Großen für einen Augenblick die Wange bleichte: der Tod
Kaiser Karls des Sechsten am 20. Oktober 1740. Für jeden weitblickenden Staats¬
mann gab es, um die ersehnte Landverbindung mit Polen zu gewinnen, nur einen
Weg: offnen Anschluß an Friedrich den Großen, dem Sachsen bei seinem kühnen
Angriffe auf Schlesien ein wertvoller Bundesgenosse hätte sein können. Statt dessen
begann Brühl eine Schaukelpolitik zwischen Preußen und Osterreich, die nur verlust¬
reich sein konnte. Sächsische Bataillone hätten mit den preußischen Schulter an
Schulter in Schlesien einrücken müssen; da das nicht geschah, ging auch die letzte
Hoffnung auf eine größere Machtstellung der Wettiner im Osten verloren. Denn
nachdem Preußen fast ganz Schlesien gewonnen hatte, aber erst dann, war das
Königreich Polen für Sachsen ein Verlorner Posten. Der so gewaltig vergrößerte
Nachbar wollte und konnte den Wettinern die Landverbindung mit Polen nicht be¬
willigen, und im Osten stieg Rußland dominierend herauf. Die polnische Frage
war für Sachsen mit dem Breslauer Frieden von 1742 und mit dessen Bestätigung
in den Jahren 1745 und 1763 zu Ende; alle spätern Versuche, diese Frage wieder
aufs Tapet zu bringen, waren aussichtslose Träumereien.

Schiedlo wurde nach dem ersten Schlesischen Kriege der Gegenstand einer
Politik der Nadelstiche zwischen Sachsen und Preußen. In einem am 25. April 1792
auf dem herrschaftlichen Hause in Schiedlo niedergeschriebnen Altum wird uns
erzählt, wie ein alter Grenzstreit der Schiedloer mit dem östlich davon gelegnen
preußischen Dorf Schönfeld immer wieder ausgelebt sei, bis Anno 1752 „unter
höchster Genehmigung Seiner Königlichen Majestät in Preußen und Seiner Kur¬
fürstlichen Durchlaucht zu Sachsen ein intgiiroistieum wegen der Nutzungsgrenzc
salvo ,juro tsrritoriali zustande gebracht, und diese Grenze durch den Ingenieur
Kossert mit 23 Säulen kcnntbar gemacht worden." Aber Friedrich der Große
empfand diesen Brückenkopf sächsischen Landes auf dem rechten Oderufer wie einen
Pfahl im eignen Fleische; deshalb wurde gleich bei Beginn des siebenjährigen
Krieges „auf Königlich preußischen Befehl diese Grenze einseitig aufgehoben und
zum Vorteile der Schönfelder in das Schiedloische herein erweitert, mit Feldjägern
besetzt und andre Pfähle eingeschlagen." Schiedlo erschien dem preußischen Könige


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[0426] von der Spree zur Dder Aber die Charakterfehler Augusts des Starken waren es doch nicht allein, die den Erfolg seiner Politik verhinderten: auch das Glück hat ihm gefehlt. Es war sein Unglück, daß er vor Kaiser Karl dem Sechsten sterben mußte. Hätte er dessen Tod erlebt, wäre der letzte Habsburger statt 1740 etwa 1730 gestorben, wer will sagen, ob da nicht August die Rolle gespielt hätte, die später Friedrich der Große spielte, oder aber, wenn August das Jahr 1740 erlebt hätte, ob da uicht der doppelte Einsatz, den er zu bieten hatte, sein vortreffliches Heer und eine Teilung Polens zwischen Sachsen und Preußen, die er schon Friedrich Wilhelm dem Ersten angeboten hatte, Friedrich den Zweiten zu einem Abkommen mit Sachsen bewogen hätte, das den südlichen Streifen Schlesiens, etwa gemäß einer Linie von Lauban nach Myslowitz oder Mähren und ein entsprechendes Verbindungsstück den Wettinern als Landbrücke nach Polen überließ? So aber trat, gerade als er im Begriff stand, die Maschen des zwischen ihm, Bayern, Preußen und Frankreich wegen der Habsburgischen Erbschaft bestehenden Einvernehmens fester anzuziehn, der Tod an den noch nicht Dreiundsechzigjährigcn heran. Als er während seiner letzten Krank¬ heit — „Jnflammntion im Fuß," verbunden mit tiefen Ohnmachten — in Warschau am 30. Januar 1733 von den Ministern gefragt wurde, ob er uicht noch vor seinem Ende der zum Reichstag versammelten Republik seinen Prinzen zum successor antragen lassen wolle, hat der König geantwortet: er habe eine Dornenkrone ge¬ tragen, stelle seinem Prinzen frei, ob er solche annehme» wolle, wolle ihm die Krone zwar gönnen, aber auch dabei mehr Glück als er gehabt wünschen. Die „Dornenkrone" wurde August dem Dritten 1735 zuteil, aber statt des Glücks er¬ wählte er den Grafen Brühl zum Minister, der durch seine ränkevolle, mit den kleinlichsten Mitteln arbeitende Politik das noch verdarb, was aus dem Schiffbruche größerer Hoffnungen hätte gerettet werden können. Es kam der große Moment, der sogar Friedrich dem Großen für einen Augenblick die Wange bleichte: der Tod Kaiser Karls des Sechsten am 20. Oktober 1740. Für jeden weitblickenden Staats¬ mann gab es, um die ersehnte Landverbindung mit Polen zu gewinnen, nur einen Weg: offnen Anschluß an Friedrich den Großen, dem Sachsen bei seinem kühnen Angriffe auf Schlesien ein wertvoller Bundesgenosse hätte sein können. Statt dessen begann Brühl eine Schaukelpolitik zwischen Preußen und Osterreich, die nur verlust¬ reich sein konnte. Sächsische Bataillone hätten mit den preußischen Schulter an Schulter in Schlesien einrücken müssen; da das nicht geschah, ging auch die letzte Hoffnung auf eine größere Machtstellung der Wettiner im Osten verloren. Denn nachdem Preußen fast ganz Schlesien gewonnen hatte, aber erst dann, war das Königreich Polen für Sachsen ein Verlorner Posten. Der so gewaltig vergrößerte Nachbar wollte und konnte den Wettinern die Landverbindung mit Polen nicht be¬ willigen, und im Osten stieg Rußland dominierend herauf. Die polnische Frage war für Sachsen mit dem Breslauer Frieden von 1742 und mit dessen Bestätigung in den Jahren 1745 und 1763 zu Ende; alle spätern Versuche, diese Frage wieder aufs Tapet zu bringen, waren aussichtslose Träumereien. Schiedlo wurde nach dem ersten Schlesischen Kriege der Gegenstand einer Politik der Nadelstiche zwischen Sachsen und Preußen. In einem am 25. April 1792 auf dem herrschaftlichen Hause in Schiedlo niedergeschriebnen Altum wird uns erzählt, wie ein alter Grenzstreit der Schiedloer mit dem östlich davon gelegnen preußischen Dorf Schönfeld immer wieder ausgelebt sei, bis Anno 1752 „unter höchster Genehmigung Seiner Königlichen Majestät in Preußen und Seiner Kur¬ fürstlichen Durchlaucht zu Sachsen ein intgiiroistieum wegen der Nutzungsgrenzc salvo ,juro tsrritoriali zustande gebracht, und diese Grenze durch den Ingenieur Kossert mit 23 Säulen kcnntbar gemacht worden." Aber Friedrich der Große empfand diesen Brückenkopf sächsischen Landes auf dem rechten Oderufer wie einen Pfahl im eignen Fleische; deshalb wurde gleich bei Beginn des siebenjährigen Krieges „auf Königlich preußischen Befehl diese Grenze einseitig aufgehoben und zum Vorteile der Schönfelder in das Schiedloische herein erweitert, mit Feldjägern besetzt und andre Pfähle eingeschlagen." Schiedlo erschien dem preußischen Könige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/426>, abgerufen am 01.07.2024.