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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Servis und Wohnungsgeldzuschuß

kann die Größe der Wohnungen nicht als der richtige Ausdruck für das
Wohnungsbedürfnis einer Beamtenklasse angesehen werden, ebenso können die
dafür gezählten Mietpreise nicht die sichre Grundlage für die Berechnung des
Einheitmietpreises der Orte und für die Feststellung der Ortsklassen bilden.
In Anerkennung dieser Sachlage hat die badische Regierung, die eine be¬
sonders warme Fürsorge für ihre Beamten an den Tag legt, die Angaben
der Beamten durch Erhebungen bei den Gemeinden ergänzt und die be¬
rechneten Durchschnittspreise der Wohnungen für jede Beamtenkategorie auf
Grund der Gemeindeangaben zum Teil nicht unwesentlich erhöht, um die
Mittel zur Beschaffung einer standesgemäßen Wohnung zu gewähren.

Wenn die Regelung der Wohnungsgeldzuschüsse für die Offiziere und die
Beamten auf einer richtigen Grundlage erfolgen soll, bleibt nichts andres
übrig, als durch statistische Aufnahmen in den einzelnen Gemeinden die
durchschnittlichen Preise für Mietwohnungen verschiedner Größen festzustellen
und nach den sich ergebenden Einheitpreisen für ein Zimmer die Ortsklassen
zu bilden. Durch solche allgemeine Erhebungen allein kann ein objektives
Urteil über die Mietverhältnisse der in Frage kommenden Orte gewonnen
werden.

Da aber der Wohnungsgeldzuschuß nicht nur einen Zuschuß zur Wohuungs-
miete, sondern auch einen Ausgleich der sonstigen Preisverhältnisse zu bieten
bestimmt ist, so kommen neben den Mietpreisen der Orte nötigenfalls auch
ihre Teuerungsverhältnisse in Betracht. In dieser Beziehung hat man bisher
eingenommen, daß sich die Preise für Lebensmittel im allgemeinen ausgleichen,
und daß sie im Osten des Reichs am niedrigsten stehn und sich nach dem
Westen zu steigern. Tatsächlich weichen sie aber schon in kleinern Bezirken
bedeutend voneinander ab, wie die diesbezüglichen Feststellungen im Königreich
Sachsen beweisen. Nach der sächsischen Regierungsvorlage vom Jahre 1901
ist durch eine Erhebung in 400 Orten mit mehr als 1500 Einwohnern er¬
mittelt worden, daß sich die Preise für bestimmte Mengen Kohlen und Lebens¬
mittel (mittlerer Qualität) in den billigsten Orten zu denen in den teuersten
wie 100 : 145 verhalten, und daß sich das Preisniveau in den größern
Städten durchweg über dem Durchschnitt hält. Man wird deshalb einen Zu¬
sammenhang der Wohnungsmieten und der Lebensmittelpreise gelten lassen
können und nur bei Badeorten und sonstigen notorisch teuern Ortschaften die
Einheitszimmerpreise entsprechend zu erhöhen brauchen, sodaß besondre Er¬
mittlungen in dieser Richtung nicht nötig sein werden. Außerdem müssen aber
außergewöhnlich hohe Kommunalabgaben sowie Kirchen- und Schullasten
Berücksichtigung finden, da es sich hier um Ausgaben handelt, denen sich der
Beamte nicht entziehn kann. Zu den berechneten Durchschnittspreisen für ein
Zimmer würden also in einzelnen Fällen noch kleinere oder größere Zuschlage
zu machen sein, zum Beispiel auch für Beschaffung von eignen Öfen usw.,
wie es in den westlichen Orten (Köln usw.) nötig ist.

Über die Höhe der Mietpreise liegen für eine Anzahl der größten Städte,
und zwar von denen mit eignen statistischen Behörden, jetzt schon ausführliche
Angaben in dem "Statistischen Jahrbuch deutscher Städte" vor. Schon in


Servis und Wohnungsgeldzuschuß

kann die Größe der Wohnungen nicht als der richtige Ausdruck für das
Wohnungsbedürfnis einer Beamtenklasse angesehen werden, ebenso können die
dafür gezählten Mietpreise nicht die sichre Grundlage für die Berechnung des
Einheitmietpreises der Orte und für die Feststellung der Ortsklassen bilden.
In Anerkennung dieser Sachlage hat die badische Regierung, die eine be¬
sonders warme Fürsorge für ihre Beamten an den Tag legt, die Angaben
der Beamten durch Erhebungen bei den Gemeinden ergänzt und die be¬
rechneten Durchschnittspreise der Wohnungen für jede Beamtenkategorie auf
Grund der Gemeindeangaben zum Teil nicht unwesentlich erhöht, um die
Mittel zur Beschaffung einer standesgemäßen Wohnung zu gewähren.

Wenn die Regelung der Wohnungsgeldzuschüsse für die Offiziere und die
Beamten auf einer richtigen Grundlage erfolgen soll, bleibt nichts andres
übrig, als durch statistische Aufnahmen in den einzelnen Gemeinden die
durchschnittlichen Preise für Mietwohnungen verschiedner Größen festzustellen
und nach den sich ergebenden Einheitpreisen für ein Zimmer die Ortsklassen
zu bilden. Durch solche allgemeine Erhebungen allein kann ein objektives
Urteil über die Mietverhältnisse der in Frage kommenden Orte gewonnen
werden.

Da aber der Wohnungsgeldzuschuß nicht nur einen Zuschuß zur Wohuungs-
miete, sondern auch einen Ausgleich der sonstigen Preisverhältnisse zu bieten
bestimmt ist, so kommen neben den Mietpreisen der Orte nötigenfalls auch
ihre Teuerungsverhältnisse in Betracht. In dieser Beziehung hat man bisher
eingenommen, daß sich die Preise für Lebensmittel im allgemeinen ausgleichen,
und daß sie im Osten des Reichs am niedrigsten stehn und sich nach dem
Westen zu steigern. Tatsächlich weichen sie aber schon in kleinern Bezirken
bedeutend voneinander ab, wie die diesbezüglichen Feststellungen im Königreich
Sachsen beweisen. Nach der sächsischen Regierungsvorlage vom Jahre 1901
ist durch eine Erhebung in 400 Orten mit mehr als 1500 Einwohnern er¬
mittelt worden, daß sich die Preise für bestimmte Mengen Kohlen und Lebens¬
mittel (mittlerer Qualität) in den billigsten Orten zu denen in den teuersten
wie 100 : 145 verhalten, und daß sich das Preisniveau in den größern
Städten durchweg über dem Durchschnitt hält. Man wird deshalb einen Zu¬
sammenhang der Wohnungsmieten und der Lebensmittelpreise gelten lassen
können und nur bei Badeorten und sonstigen notorisch teuern Ortschaften die
Einheitszimmerpreise entsprechend zu erhöhen brauchen, sodaß besondre Er¬
mittlungen in dieser Richtung nicht nötig sein werden. Außerdem müssen aber
außergewöhnlich hohe Kommunalabgaben sowie Kirchen- und Schullasten
Berücksichtigung finden, da es sich hier um Ausgaben handelt, denen sich der
Beamte nicht entziehn kann. Zu den berechneten Durchschnittspreisen für ein
Zimmer würden also in einzelnen Fällen noch kleinere oder größere Zuschlage
zu machen sein, zum Beispiel auch für Beschaffung von eignen Öfen usw.,
wie es in den westlichen Orten (Köln usw.) nötig ist.

Über die Höhe der Mietpreise liegen für eine Anzahl der größten Städte,
und zwar von denen mit eignen statistischen Behörden, jetzt schon ausführliche
Angaben in dem „Statistischen Jahrbuch deutscher Städte" vor. Schon in


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[0340] Servis und Wohnungsgeldzuschuß kann die Größe der Wohnungen nicht als der richtige Ausdruck für das Wohnungsbedürfnis einer Beamtenklasse angesehen werden, ebenso können die dafür gezählten Mietpreise nicht die sichre Grundlage für die Berechnung des Einheitmietpreises der Orte und für die Feststellung der Ortsklassen bilden. In Anerkennung dieser Sachlage hat die badische Regierung, die eine be¬ sonders warme Fürsorge für ihre Beamten an den Tag legt, die Angaben der Beamten durch Erhebungen bei den Gemeinden ergänzt und die be¬ rechneten Durchschnittspreise der Wohnungen für jede Beamtenkategorie auf Grund der Gemeindeangaben zum Teil nicht unwesentlich erhöht, um die Mittel zur Beschaffung einer standesgemäßen Wohnung zu gewähren. Wenn die Regelung der Wohnungsgeldzuschüsse für die Offiziere und die Beamten auf einer richtigen Grundlage erfolgen soll, bleibt nichts andres übrig, als durch statistische Aufnahmen in den einzelnen Gemeinden die durchschnittlichen Preise für Mietwohnungen verschiedner Größen festzustellen und nach den sich ergebenden Einheitpreisen für ein Zimmer die Ortsklassen zu bilden. Durch solche allgemeine Erhebungen allein kann ein objektives Urteil über die Mietverhältnisse der in Frage kommenden Orte gewonnen werden. Da aber der Wohnungsgeldzuschuß nicht nur einen Zuschuß zur Wohuungs- miete, sondern auch einen Ausgleich der sonstigen Preisverhältnisse zu bieten bestimmt ist, so kommen neben den Mietpreisen der Orte nötigenfalls auch ihre Teuerungsverhältnisse in Betracht. In dieser Beziehung hat man bisher eingenommen, daß sich die Preise für Lebensmittel im allgemeinen ausgleichen, und daß sie im Osten des Reichs am niedrigsten stehn und sich nach dem Westen zu steigern. Tatsächlich weichen sie aber schon in kleinern Bezirken bedeutend voneinander ab, wie die diesbezüglichen Feststellungen im Königreich Sachsen beweisen. Nach der sächsischen Regierungsvorlage vom Jahre 1901 ist durch eine Erhebung in 400 Orten mit mehr als 1500 Einwohnern er¬ mittelt worden, daß sich die Preise für bestimmte Mengen Kohlen und Lebens¬ mittel (mittlerer Qualität) in den billigsten Orten zu denen in den teuersten wie 100 : 145 verhalten, und daß sich das Preisniveau in den größern Städten durchweg über dem Durchschnitt hält. Man wird deshalb einen Zu¬ sammenhang der Wohnungsmieten und der Lebensmittelpreise gelten lassen können und nur bei Badeorten und sonstigen notorisch teuern Ortschaften die Einheitszimmerpreise entsprechend zu erhöhen brauchen, sodaß besondre Er¬ mittlungen in dieser Richtung nicht nötig sein werden. Außerdem müssen aber außergewöhnlich hohe Kommunalabgaben sowie Kirchen- und Schullasten Berücksichtigung finden, da es sich hier um Ausgaben handelt, denen sich der Beamte nicht entziehn kann. Zu den berechneten Durchschnittspreisen für ein Zimmer würden also in einzelnen Fällen noch kleinere oder größere Zuschlage zu machen sein, zum Beispiel auch für Beschaffung von eignen Öfen usw., wie es in den westlichen Orten (Köln usw.) nötig ist. Über die Höhe der Mietpreise liegen für eine Anzahl der größten Städte, und zwar von denen mit eignen statistischen Behörden, jetzt schon ausführliche Angaben in dem „Statistischen Jahrbuch deutscher Städte" vor. Schon in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/340>, abgerufen am 23.07.2024.