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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

infolge des großen Anwachsens beider Verwaltungen wieder getrennt; die Kolonien
bilden ein eignes Ministerialressort, doch stehn die Kolvnialtruppen unter dem
Kriegsministerium.

Es wäre kaum ganz richtig, von Kiautschou auf die andern Kolonien zu schließen.
Kiautschou haben wir von der Regierung eines zivilisierten Landes, zu der Deutsch¬
land in regelmäßigem diplomatischem Verkehr steht, auf dem Wege des Vertrages
erworben zum Stützpunkt für unsern Handel in Ostasien sowohl als für unsre
maritime Stellung dort. Unser dortiges Gebiet stoßt an ein reich bevölkertes,
unter einem geordneten Verwaltungsorganismus stehendes Hinterland, wir mußten
angesichts dieser Umstände sowohl als auch im Hinblick auf die in China vor-
handnen englischen, französischen, russischen Besitzungen, ans die Nähe von Japan usw.
in Kiautschou ganz anders organisieren als in Afrika. Der Marinestützpunkt wies
von vornherein darauf hin, das neue Gebiet unter die Marine und ihren Schutz
zu stellen. Eine Marinebehörde neben einer vou der Kolonialabteilung rcssorticrenden
Verwaltung wäre dort nicht möglich gewesen; es konnte zumal bis zum beendeten
Ausbau dort nur eine leitende Hand geben, und die Marine hatte in dem leider
so früh dahingerafften Kapitän zur See Jäschke eine vorzügliche Kraft. In Kiautschou
kommen zu allererst maritime Interessen in Betracht, die Nähe Schanghais und
andrer Punkte mit reich entwickeltem deutschem Handel lassen darüber keinen Zweifel,
Tsingtau ist als Aus- und Einfuhrhafen der Provinz Schankung gedacht. Für diese
Kolonie, die von vornherein als xrovineia impviii, nicht als rätselhaftes "Schutzgebiet"
behandelt wurde, hat denn auch der Reichstag nicht gekargt; daher die blühende
Entwicklung, wie sie durch die den jährlichen Denkschriften beigefügten Photographien
so erfreulich veranschaulicht wird. Hätte der Reichstag eine ebenso freigebige Hand
für Ost- und Südwestafrika sowie für Kamerun gehabt, so würden wir zweifellos
auch dort viel weiter sein, wenn auch natürlich nicht so weit wie mit einer Kolonie
auf chinesischem Boden, inmitten eines im Vergleich zum nackten und bedürfuislosen
Neger hoch entwickelten Kulturvolkes. Also nicht das Ressort, sondern die geo¬
graphischen und ethnographischen Verhältnisse, sowie die finanziellen Aufwendungen
geben hier den Ausschlag. Dar es Salair zum Beispiel hat einen prächtigen Hafen,
der eine ganze Flotte aufnehmen kann, aber der Hafen von Tsingtau wird längst
fertig, mit Docks und allen Einrichtungen, mit starken Befestigungen versehen sein,
bevor wir in Dar es Salam auch nur das notwendigste geleistet haben, was es
uns zu einem Stützpunkt machen soll. In China bauen Wir Vollbahnen, in Afrika
dürftige Schmalspurbahnen. Trotz diesem allem mag aber zugegeben werden, daß
unsre Kolonialverwaltung auf ein höheres Niveau gehoben werden muß. Mit einer
Verordnung, durch die die jetzige Kolonialabteilnng unter das Reichsmarineamt
gestellt wird, ist aber die Sache nicht gemacht. Die Marine konnte in Kiautschou
mit alterfahrnen und geschulten Kräften vorgehn, sie verfügte über eine hinreichende
Zahl von Offizieren, Ärzten, Beamten, die Ostasien, speziell China, aus längeren
und wiederholtem Aufenthalt vorzüglich kannten. Jeder junge Offizier kommt nach
Ostasien. Die Kolonialverwaltung dagegen, die man besser in ein Kolonialamt mit
einem Staatssekretär an der Spitze ausgestalten sollte, muß sich ihre Leute erst
mühsam suchen und erziehen. Jeder Beamte, jeder junge Offizier, der hinausgeht,
ist Neuling und muß sich draußen seine Sporen erst verdienen; nicht besser sieht
es mit der Zentralstelle aus. Wie viele von den Räten kennen überhaupt irgend
eins der Schutzgebiete, geschweige das, worüber sie referieren und entscheiden oder
doch Entscheidungen vorbereiten sollen. Die Marine könnte in China noch ein
halbes Dutzend Punkte wie Kiautschou mit sachkundigen Offizieren besetzen; dort
liegt der Schwerpunkt immer an der Küste, in Afrika aber liegt er tief im Innern.
Trotzdem sind unsre Marineoffiziere für überseeische Verhältnisse, für das Leben in
den Tropen, auch für die Behandlung der Eingebornen entschieden praktischer vor¬
gebildet als der junge Landoffizier, der sich mit vieler Begeisterung, etwas Abenteurer¬
lust und starker Sehnsucht, aus dem Einerlei des Garnisondienstes wegzukommen,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

infolge des großen Anwachsens beider Verwaltungen wieder getrennt; die Kolonien
bilden ein eignes Ministerialressort, doch stehn die Kolvnialtruppen unter dem
Kriegsministerium.

Es wäre kaum ganz richtig, von Kiautschou auf die andern Kolonien zu schließen.
Kiautschou haben wir von der Regierung eines zivilisierten Landes, zu der Deutsch¬
land in regelmäßigem diplomatischem Verkehr steht, auf dem Wege des Vertrages
erworben zum Stützpunkt für unsern Handel in Ostasien sowohl als für unsre
maritime Stellung dort. Unser dortiges Gebiet stoßt an ein reich bevölkertes,
unter einem geordneten Verwaltungsorganismus stehendes Hinterland, wir mußten
angesichts dieser Umstände sowohl als auch im Hinblick auf die in China vor-
handnen englischen, französischen, russischen Besitzungen, ans die Nähe von Japan usw.
in Kiautschou ganz anders organisieren als in Afrika. Der Marinestützpunkt wies
von vornherein darauf hin, das neue Gebiet unter die Marine und ihren Schutz
zu stellen. Eine Marinebehörde neben einer vou der Kolonialabteilung rcssorticrenden
Verwaltung wäre dort nicht möglich gewesen; es konnte zumal bis zum beendeten
Ausbau dort nur eine leitende Hand geben, und die Marine hatte in dem leider
so früh dahingerafften Kapitän zur See Jäschke eine vorzügliche Kraft. In Kiautschou
kommen zu allererst maritime Interessen in Betracht, die Nähe Schanghais und
andrer Punkte mit reich entwickeltem deutschem Handel lassen darüber keinen Zweifel,
Tsingtau ist als Aus- und Einfuhrhafen der Provinz Schankung gedacht. Für diese
Kolonie, die von vornherein als xrovineia impviii, nicht als rätselhaftes „Schutzgebiet"
behandelt wurde, hat denn auch der Reichstag nicht gekargt; daher die blühende
Entwicklung, wie sie durch die den jährlichen Denkschriften beigefügten Photographien
so erfreulich veranschaulicht wird. Hätte der Reichstag eine ebenso freigebige Hand
für Ost- und Südwestafrika sowie für Kamerun gehabt, so würden wir zweifellos
auch dort viel weiter sein, wenn auch natürlich nicht so weit wie mit einer Kolonie
auf chinesischem Boden, inmitten eines im Vergleich zum nackten und bedürfuislosen
Neger hoch entwickelten Kulturvolkes. Also nicht das Ressort, sondern die geo¬
graphischen und ethnographischen Verhältnisse, sowie die finanziellen Aufwendungen
geben hier den Ausschlag. Dar es Salair zum Beispiel hat einen prächtigen Hafen,
der eine ganze Flotte aufnehmen kann, aber der Hafen von Tsingtau wird längst
fertig, mit Docks und allen Einrichtungen, mit starken Befestigungen versehen sein,
bevor wir in Dar es Salam auch nur das notwendigste geleistet haben, was es
uns zu einem Stützpunkt machen soll. In China bauen Wir Vollbahnen, in Afrika
dürftige Schmalspurbahnen. Trotz diesem allem mag aber zugegeben werden, daß
unsre Kolonialverwaltung auf ein höheres Niveau gehoben werden muß. Mit einer
Verordnung, durch die die jetzige Kolonialabteilnng unter das Reichsmarineamt
gestellt wird, ist aber die Sache nicht gemacht. Die Marine konnte in Kiautschou
mit alterfahrnen und geschulten Kräften vorgehn, sie verfügte über eine hinreichende
Zahl von Offizieren, Ärzten, Beamten, die Ostasien, speziell China, aus längeren
und wiederholtem Aufenthalt vorzüglich kannten. Jeder junge Offizier kommt nach
Ostasien. Die Kolonialverwaltung dagegen, die man besser in ein Kolonialamt mit
einem Staatssekretär an der Spitze ausgestalten sollte, muß sich ihre Leute erst
mühsam suchen und erziehen. Jeder Beamte, jeder junge Offizier, der hinausgeht,
ist Neuling und muß sich draußen seine Sporen erst verdienen; nicht besser sieht
es mit der Zentralstelle aus. Wie viele von den Räten kennen überhaupt irgend
eins der Schutzgebiete, geschweige das, worüber sie referieren und entscheiden oder
doch Entscheidungen vorbereiten sollen. Die Marine könnte in China noch ein
halbes Dutzend Punkte wie Kiautschou mit sachkundigen Offizieren besetzen; dort
liegt der Schwerpunkt immer an der Küste, in Afrika aber liegt er tief im Innern.
Trotzdem sind unsre Marineoffiziere für überseeische Verhältnisse, für das Leben in
den Tropen, auch für die Behandlung der Eingebornen entschieden praktischer vor¬
gebildet als der junge Landoffizier, der sich mit vieler Begeisterung, etwas Abenteurer¬
lust und starker Sehnsucht, aus dem Einerlei des Garnisondienstes wegzukommen,


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[0316] Maßgebliches und Unmaßgebliches infolge des großen Anwachsens beider Verwaltungen wieder getrennt; die Kolonien bilden ein eignes Ministerialressort, doch stehn die Kolvnialtruppen unter dem Kriegsministerium. Es wäre kaum ganz richtig, von Kiautschou auf die andern Kolonien zu schließen. Kiautschou haben wir von der Regierung eines zivilisierten Landes, zu der Deutsch¬ land in regelmäßigem diplomatischem Verkehr steht, auf dem Wege des Vertrages erworben zum Stützpunkt für unsern Handel in Ostasien sowohl als für unsre maritime Stellung dort. Unser dortiges Gebiet stoßt an ein reich bevölkertes, unter einem geordneten Verwaltungsorganismus stehendes Hinterland, wir mußten angesichts dieser Umstände sowohl als auch im Hinblick auf die in China vor- handnen englischen, französischen, russischen Besitzungen, ans die Nähe von Japan usw. in Kiautschou ganz anders organisieren als in Afrika. Der Marinestützpunkt wies von vornherein darauf hin, das neue Gebiet unter die Marine und ihren Schutz zu stellen. Eine Marinebehörde neben einer vou der Kolonialabteilung rcssorticrenden Verwaltung wäre dort nicht möglich gewesen; es konnte zumal bis zum beendeten Ausbau dort nur eine leitende Hand geben, und die Marine hatte in dem leider so früh dahingerafften Kapitän zur See Jäschke eine vorzügliche Kraft. In Kiautschou kommen zu allererst maritime Interessen in Betracht, die Nähe Schanghais und andrer Punkte mit reich entwickeltem deutschem Handel lassen darüber keinen Zweifel, Tsingtau ist als Aus- und Einfuhrhafen der Provinz Schankung gedacht. Für diese Kolonie, die von vornherein als xrovineia impviii, nicht als rätselhaftes „Schutzgebiet" behandelt wurde, hat denn auch der Reichstag nicht gekargt; daher die blühende Entwicklung, wie sie durch die den jährlichen Denkschriften beigefügten Photographien so erfreulich veranschaulicht wird. Hätte der Reichstag eine ebenso freigebige Hand für Ost- und Südwestafrika sowie für Kamerun gehabt, so würden wir zweifellos auch dort viel weiter sein, wenn auch natürlich nicht so weit wie mit einer Kolonie auf chinesischem Boden, inmitten eines im Vergleich zum nackten und bedürfuislosen Neger hoch entwickelten Kulturvolkes. Also nicht das Ressort, sondern die geo¬ graphischen und ethnographischen Verhältnisse, sowie die finanziellen Aufwendungen geben hier den Ausschlag. Dar es Salair zum Beispiel hat einen prächtigen Hafen, der eine ganze Flotte aufnehmen kann, aber der Hafen von Tsingtau wird längst fertig, mit Docks und allen Einrichtungen, mit starken Befestigungen versehen sein, bevor wir in Dar es Salam auch nur das notwendigste geleistet haben, was es uns zu einem Stützpunkt machen soll. In China bauen Wir Vollbahnen, in Afrika dürftige Schmalspurbahnen. Trotz diesem allem mag aber zugegeben werden, daß unsre Kolonialverwaltung auf ein höheres Niveau gehoben werden muß. Mit einer Verordnung, durch die die jetzige Kolonialabteilnng unter das Reichsmarineamt gestellt wird, ist aber die Sache nicht gemacht. Die Marine konnte in Kiautschou mit alterfahrnen und geschulten Kräften vorgehn, sie verfügte über eine hinreichende Zahl von Offizieren, Ärzten, Beamten, die Ostasien, speziell China, aus längeren und wiederholtem Aufenthalt vorzüglich kannten. Jeder junge Offizier kommt nach Ostasien. Die Kolonialverwaltung dagegen, die man besser in ein Kolonialamt mit einem Staatssekretär an der Spitze ausgestalten sollte, muß sich ihre Leute erst mühsam suchen und erziehen. Jeder Beamte, jeder junge Offizier, der hinausgeht, ist Neuling und muß sich draußen seine Sporen erst verdienen; nicht besser sieht es mit der Zentralstelle aus. Wie viele von den Räten kennen überhaupt irgend eins der Schutzgebiete, geschweige das, worüber sie referieren und entscheiden oder doch Entscheidungen vorbereiten sollen. Die Marine könnte in China noch ein halbes Dutzend Punkte wie Kiautschou mit sachkundigen Offizieren besetzen; dort liegt der Schwerpunkt immer an der Küste, in Afrika aber liegt er tief im Innern. Trotzdem sind unsre Marineoffiziere für überseeische Verhältnisse, für das Leben in den Tropen, auch für die Behandlung der Eingebornen entschieden praktischer vor¬ gebildet als der junge Landoffizier, der sich mit vieler Begeisterung, etwas Abenteurer¬ lust und starker Sehnsucht, aus dem Einerlei des Garnisondienstes wegzukommen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/316>, abgerufen am 01.07.2024.