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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nur die nachträgliche Zustimmung einholen muß, während der Reichstag diese Be¬
fugnis selbstverständlich nicht hat. Der Kaiser hat den Mitgliedern des Bundesrath
den diplomatischen Schutz zu gewähren (Artikel 10), er kann ohne Zustimmung des
Reichstags, aber nicht ohne Zustimmung des Bundesrath Krieg erklären (Artikel 11,
Absatz 2). Also von einer absoluten Gleichstellung der "beiden gesetzgebenden Faktoren"
ist in der Verfassung keine Rede. Die Oberhansidee ist 1867 und 1870 an dem
ganz bestimmten "Nein" des Fürsten Bismarck gescheitert, der hierfür eine ganze
Reihe in den damaligen Verhältnissen wurzelnder, durchaus berechtigter Gründe
hatte. Aber diese sind zum großen Teil weggefallen. Ein entscheidender Umstand,
der heute noch gegen ein Oberhaus spräche, würde uur der sein, den ja Fürst
Bismarck seinerzeit auch geltend gemacht hat, daß dadurch der Gesetzgebungsapparat
zu kompliziert würde. Wäre es bei der unermeßlichen Gesetzfabrikation, die wir
heutzutage leisten, wirklich ein Unglück, wenn diese ganze Gesetzgebung noch durch
den Filtrierapparat eines Oberhauses zu gehn hätte? Wir glauben entschieden,
daß das nicht nur kein Unglück, sondern ein Segen sein würde. Freilich häugt
viel davon ab, wie dieses Oberhaus zusammengesetzt sein soll, diese Frage liegt
aber heute anders, als sie 1870 gelegen hätte.

Will man durchaus Diäten haben, und soll das allgemeine, geheime und direkte
Wahlrecht dabei unangetastet bleiben, so gibt es als Gegengewicht nur zweierlei:
entweder die Errichtung eines aus lebenskräftigen Elementen zusammengesetzten Ober¬
hauses, oder die Verleihung von wenigstens hundert Virilstimmen für den Reichs¬
tag an die großen Städte, die Hochschulen, die großen Korporationen des Reichs.
Vielleicht Wäre dieser letzte Modus, der dem Reichstag eine starke Schar tüchtiger
Männer zuführte, vorzuziehen, weil er das legislative Räderwerk nicht vergrößern
würde. Wirkungsvoller, zumal in kritischen Zeiten, wäre das Oberhaus, allerdings
nur bei entsprechenden Befugnissen. Will der Reichstag durchaus die Verfassung
durch Einführung von Diäten ändern, so wird er jene weitere Verfassungsänderung,
die das Gleichgewicht wieder herstellt, mit in den Kauf nehmen müssen. Der Um¬
stand, daß die Mitglieder des Bundesrath, soweit sie nicht in Berlin ansässig sind, Tage¬
gelder und Reisekosten beziehen, kann nicht in Betracht kommen, weil diese Mitglieder
nicht freiwillig nach Berlin gehn, nicht für ihre Entsendung einen großen Wahl¬
kampf entfachen, sondern als Beamte einer Anordnung ihrer Regierung oder ihres
Landesherrn Folge zu leisten haben, während der Entschluß der Abgeordneten, ein
diätenloses Mandat anzunehmen, durchaus freiwillig ist.

Auch Freifahrkarteu durch ganz Deutschland sind für die Reichstagsmitglieder
verlangt und beschlossen worden. Der Andrang zu den Mandaten ist, wie die letzten
Wahlen wiederum erwiesen haben, trotz den damit verbundnen Zeit- und Geld-
vpfern und mitunter recht bedeutenden körperlichen Anstrengungen, doch so groß,
daß er einer künstlichen Unterstützung auf öffentliche Kosten wahrlich nicht bedarf.


Marine und Kolonien.

Herr Eugen Richter hat bei der Besprechung der
jüngst veröffentlichten diesjährigen Kiantschoudenkschrift trotz aller Bemängelungen
schließlich doch anerkannt, daß diese von der Marine verwaltete Kolonie die einzige
sei, die tatsächlich vorwärts komme, und daß es deshalb richtiger sein möge, sämt¬
liche Kolonien unter die Marine zu stellen. Wie aus parlamentarischen Kreisen
verlautet, begegnen sich in dieser Beziehung Herrn Richters Gedanken mit denen
des Kaisers, der die Vereinigung der Marine- und der Kolonialverwnltung längst
gewünscht habe. Staatssekretär von Tirpitz soll sich jedoch ablehnend Verhalten,
weil nach seiner Ansicht die ganze Tätigkeit der Marineverwaltuug für den Ausbau
der Flotte eingesetzt werden müsse, und diese Lebensaufgabe durch Belastung mit
der Kolonialverwaltung leicht Schaden leiden würde, namentlich auch dem Reichs¬
tage gegenüber, der seine geringe Bewilligungsfreudigkeit für Kolonialzwecke auch
auf die Marine übertragen könnte. In Frankreich sind Marine und Kolonien
längere Zeit in ein Ressort vereinigt gewesen, seit einigen Jahren hat man sie


Maßgebliches und Unmaßgebliches

nur die nachträgliche Zustimmung einholen muß, während der Reichstag diese Be¬
fugnis selbstverständlich nicht hat. Der Kaiser hat den Mitgliedern des Bundesrath
den diplomatischen Schutz zu gewähren (Artikel 10), er kann ohne Zustimmung des
Reichstags, aber nicht ohne Zustimmung des Bundesrath Krieg erklären (Artikel 11,
Absatz 2). Also von einer absoluten Gleichstellung der „beiden gesetzgebenden Faktoren"
ist in der Verfassung keine Rede. Die Oberhansidee ist 1867 und 1870 an dem
ganz bestimmten „Nein" des Fürsten Bismarck gescheitert, der hierfür eine ganze
Reihe in den damaligen Verhältnissen wurzelnder, durchaus berechtigter Gründe
hatte. Aber diese sind zum großen Teil weggefallen. Ein entscheidender Umstand,
der heute noch gegen ein Oberhaus spräche, würde uur der sein, den ja Fürst
Bismarck seinerzeit auch geltend gemacht hat, daß dadurch der Gesetzgebungsapparat
zu kompliziert würde. Wäre es bei der unermeßlichen Gesetzfabrikation, die wir
heutzutage leisten, wirklich ein Unglück, wenn diese ganze Gesetzgebung noch durch
den Filtrierapparat eines Oberhauses zu gehn hätte? Wir glauben entschieden,
daß das nicht nur kein Unglück, sondern ein Segen sein würde. Freilich häugt
viel davon ab, wie dieses Oberhaus zusammengesetzt sein soll, diese Frage liegt
aber heute anders, als sie 1870 gelegen hätte.

Will man durchaus Diäten haben, und soll das allgemeine, geheime und direkte
Wahlrecht dabei unangetastet bleiben, so gibt es als Gegengewicht nur zweierlei:
entweder die Errichtung eines aus lebenskräftigen Elementen zusammengesetzten Ober¬
hauses, oder die Verleihung von wenigstens hundert Virilstimmen für den Reichs¬
tag an die großen Städte, die Hochschulen, die großen Korporationen des Reichs.
Vielleicht Wäre dieser letzte Modus, der dem Reichstag eine starke Schar tüchtiger
Männer zuführte, vorzuziehen, weil er das legislative Räderwerk nicht vergrößern
würde. Wirkungsvoller, zumal in kritischen Zeiten, wäre das Oberhaus, allerdings
nur bei entsprechenden Befugnissen. Will der Reichstag durchaus die Verfassung
durch Einführung von Diäten ändern, so wird er jene weitere Verfassungsänderung,
die das Gleichgewicht wieder herstellt, mit in den Kauf nehmen müssen. Der Um¬
stand, daß die Mitglieder des Bundesrath, soweit sie nicht in Berlin ansässig sind, Tage¬
gelder und Reisekosten beziehen, kann nicht in Betracht kommen, weil diese Mitglieder
nicht freiwillig nach Berlin gehn, nicht für ihre Entsendung einen großen Wahl¬
kampf entfachen, sondern als Beamte einer Anordnung ihrer Regierung oder ihres
Landesherrn Folge zu leisten haben, während der Entschluß der Abgeordneten, ein
diätenloses Mandat anzunehmen, durchaus freiwillig ist.

Auch Freifahrkarteu durch ganz Deutschland sind für die Reichstagsmitglieder
verlangt und beschlossen worden. Der Andrang zu den Mandaten ist, wie die letzten
Wahlen wiederum erwiesen haben, trotz den damit verbundnen Zeit- und Geld-
vpfern und mitunter recht bedeutenden körperlichen Anstrengungen, doch so groß,
daß er einer künstlichen Unterstützung auf öffentliche Kosten wahrlich nicht bedarf.


Marine und Kolonien.

Herr Eugen Richter hat bei der Besprechung der
jüngst veröffentlichten diesjährigen Kiantschoudenkschrift trotz aller Bemängelungen
schließlich doch anerkannt, daß diese von der Marine verwaltete Kolonie die einzige
sei, die tatsächlich vorwärts komme, und daß es deshalb richtiger sein möge, sämt¬
liche Kolonien unter die Marine zu stellen. Wie aus parlamentarischen Kreisen
verlautet, begegnen sich in dieser Beziehung Herrn Richters Gedanken mit denen
des Kaisers, der die Vereinigung der Marine- und der Kolonialverwnltung längst
gewünscht habe. Staatssekretär von Tirpitz soll sich jedoch ablehnend Verhalten,
weil nach seiner Ansicht die ganze Tätigkeit der Marineverwaltuug für den Ausbau
der Flotte eingesetzt werden müsse, und diese Lebensaufgabe durch Belastung mit
der Kolonialverwaltung leicht Schaden leiden würde, namentlich auch dem Reichs¬
tage gegenüber, der seine geringe Bewilligungsfreudigkeit für Kolonialzwecke auch
auf die Marine übertragen könnte. In Frankreich sind Marine und Kolonien
längere Zeit in ein Ressort vereinigt gewesen, seit einigen Jahren hat man sie


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[0315] Maßgebliches und Unmaßgebliches nur die nachträgliche Zustimmung einholen muß, während der Reichstag diese Be¬ fugnis selbstverständlich nicht hat. Der Kaiser hat den Mitgliedern des Bundesrath den diplomatischen Schutz zu gewähren (Artikel 10), er kann ohne Zustimmung des Reichstags, aber nicht ohne Zustimmung des Bundesrath Krieg erklären (Artikel 11, Absatz 2). Also von einer absoluten Gleichstellung der „beiden gesetzgebenden Faktoren" ist in der Verfassung keine Rede. Die Oberhansidee ist 1867 und 1870 an dem ganz bestimmten „Nein" des Fürsten Bismarck gescheitert, der hierfür eine ganze Reihe in den damaligen Verhältnissen wurzelnder, durchaus berechtigter Gründe hatte. Aber diese sind zum großen Teil weggefallen. Ein entscheidender Umstand, der heute noch gegen ein Oberhaus spräche, würde uur der sein, den ja Fürst Bismarck seinerzeit auch geltend gemacht hat, daß dadurch der Gesetzgebungsapparat zu kompliziert würde. Wäre es bei der unermeßlichen Gesetzfabrikation, die wir heutzutage leisten, wirklich ein Unglück, wenn diese ganze Gesetzgebung noch durch den Filtrierapparat eines Oberhauses zu gehn hätte? Wir glauben entschieden, daß das nicht nur kein Unglück, sondern ein Segen sein würde. Freilich häugt viel davon ab, wie dieses Oberhaus zusammengesetzt sein soll, diese Frage liegt aber heute anders, als sie 1870 gelegen hätte. Will man durchaus Diäten haben, und soll das allgemeine, geheime und direkte Wahlrecht dabei unangetastet bleiben, so gibt es als Gegengewicht nur zweierlei: entweder die Errichtung eines aus lebenskräftigen Elementen zusammengesetzten Ober¬ hauses, oder die Verleihung von wenigstens hundert Virilstimmen für den Reichs¬ tag an die großen Städte, die Hochschulen, die großen Korporationen des Reichs. Vielleicht Wäre dieser letzte Modus, der dem Reichstag eine starke Schar tüchtiger Männer zuführte, vorzuziehen, weil er das legislative Räderwerk nicht vergrößern würde. Wirkungsvoller, zumal in kritischen Zeiten, wäre das Oberhaus, allerdings nur bei entsprechenden Befugnissen. Will der Reichstag durchaus die Verfassung durch Einführung von Diäten ändern, so wird er jene weitere Verfassungsänderung, die das Gleichgewicht wieder herstellt, mit in den Kauf nehmen müssen. Der Um¬ stand, daß die Mitglieder des Bundesrath, soweit sie nicht in Berlin ansässig sind, Tage¬ gelder und Reisekosten beziehen, kann nicht in Betracht kommen, weil diese Mitglieder nicht freiwillig nach Berlin gehn, nicht für ihre Entsendung einen großen Wahl¬ kampf entfachen, sondern als Beamte einer Anordnung ihrer Regierung oder ihres Landesherrn Folge zu leisten haben, während der Entschluß der Abgeordneten, ein diätenloses Mandat anzunehmen, durchaus freiwillig ist. Auch Freifahrkarteu durch ganz Deutschland sind für die Reichstagsmitglieder verlangt und beschlossen worden. Der Andrang zu den Mandaten ist, wie die letzten Wahlen wiederum erwiesen haben, trotz den damit verbundnen Zeit- und Geld- vpfern und mitunter recht bedeutenden körperlichen Anstrengungen, doch so groß, daß er einer künstlichen Unterstützung auf öffentliche Kosten wahrlich nicht bedarf. Marine und Kolonien. Herr Eugen Richter hat bei der Besprechung der jüngst veröffentlichten diesjährigen Kiantschoudenkschrift trotz aller Bemängelungen schließlich doch anerkannt, daß diese von der Marine verwaltete Kolonie die einzige sei, die tatsächlich vorwärts komme, und daß es deshalb richtiger sein möge, sämt¬ liche Kolonien unter die Marine zu stellen. Wie aus parlamentarischen Kreisen verlautet, begegnen sich in dieser Beziehung Herrn Richters Gedanken mit denen des Kaisers, der die Vereinigung der Marine- und der Kolonialverwnltung längst gewünscht habe. Staatssekretär von Tirpitz soll sich jedoch ablehnend Verhalten, weil nach seiner Ansicht die ganze Tätigkeit der Marineverwaltuug für den Ausbau der Flotte eingesetzt werden müsse, und diese Lebensaufgabe durch Belastung mit der Kolonialverwaltung leicht Schaden leiden würde, namentlich auch dem Reichs¬ tage gegenüber, der seine geringe Bewilligungsfreudigkeit für Kolonialzwecke auch auf die Marine übertragen könnte. In Frankreich sind Marine und Kolonien längere Zeit in ein Ressort vereinigt gewesen, seit einigen Jahren hat man sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/315>, abgerufen am 03.07.2024.