der polnischen Sprache durch den Kläger dieser gemäß Paragraph 146 durch seine Wahl über das anzuwendende Idiom entscheiden sollte. Die aus warm¬ herzigem, der juristischen Technik, der "ledernen Schreiberei," abholden, ihr auch das sachliche Vollwort verschränkendem Empfinden entkeimte, offenbar durch persönliche Einflüsse des polnischen Hofadels gezeitigte Verordnung ist, wenn sie natürlich auch nicht gleich wieder widerrufen werden konnte, von einem kalten, ihre propolnische Ausbeutung dampfenden Wasserstrahle gefolgt worden. Schon am 6. August 1841 hat der König im Landtagsabschiede für Posen den politisch nationalen Sondertreibereien der Polen eine scharfe Verwarnung erteilt. Die 1832 aufgenommene Sprachenpolitik hat dann wieder mit dem Gesetz vom 1. Mai 1843 einen weitern Schritt auf dem eingeschlagnen Wege getan. Damit wurde zunächst Paragraph 422 des Anhangs zur Allgemeinen Gerichtsordnung aufgehoben. Während dieser für die Aufnahme wendischer, laut Vorschrift deutsch niederzuschreibender Testamente die Zuziehung national wendischer Schulze" oder Gerichtsmünner und die Abhörung des Testcitors durch sie angeordnet hatte, beseitigte das Gesetz das schwerfällige Verfahren und erklärte die Zuziehung von zwei nur des Wendischen mächtigen Urlunds- zeugeu für genügend. Daneben ordnete es noch an, daß bei Zivilverhandlnngen mit Wenden die Zuziehung nur eines Dolmetschers und deutsche Protokollierung genügen sollten, während sonst laut Gerichtsordnung bei Verhandlungen mit Fremdsprachigen zwei Dolmetscher und zwei Protokolle nötig waren. In dem¬ selben Jahre erklärte dann noch der auf polnische Dreistigkeiten antwortende Landtagsabschied für Posen vom 20. Dezember 1843 kurz heraus, daß die deutsche Sprache allgemeine Geschüftssprache in der Monarchie sei. Wenig Jahre später bestimmte das Gesetz vom 3. Mai 1852, das Zusatzgesetz zur Schwur¬ gerichtseinrichtung vom 3. Januar 1849, daß bei Verhandlungen vor den Geschwornen, falls einer von ihnen, ein Angeklagter oder ein Zeuge, des Deutschen nicht mächtig sei, ein Dolmetscher zugezogen werden müßte; es erklärte sogar in Übertretungssachen die Zuziehung eines Dolmetschers für überflüssig, wenn der Richter oder der Gerichtsschreiber die fremde Sprache beherrschte. Das waren Vorschriften von einschneidender Bedeutung. Schon das wäre, wenn weiter nichts geschehen wäre, von Belang gewesen, daß mit dem ganzen frühern schwerfälligen Verhcmdlungsgefüge von zwei Dolmetschern und zwei Protokollen aufgeräumt wurde. Es fand damit, besonders mit der Zulassung nur eines Protokolls, natürlich des deutschen, ideell die Überzeugung Ausdruck, daß vor preußischen Gerichten die maßgebende Sprache allein die deutsche, ihr gegenüber aber jede andre nebensächlich sein sollte. Das war jedoch nicht alles und nicht einmal das wichtigste. Sprach es das Gesetz auch nicht mit klaren Worten aus, so ergab doch seine Fassung ohne Zweifel, daß in den Hauptverhcmdluugen vor den Geschwornen und in Übertretungssachen die Verhandlungssprache allein die deutsche sein durfte. Damit war, wenn auch erst ohne positive, in zwingenden Worten ausgeprägte Verlautbarung und in beschränktem Umfange, die vollkommne Abkehr von der einstigen Gleich- giltigkeit des Staats gegen die Sprachenfrage grundsätzlich vollzogen und gesetzlich festgestellt. Ein seltsames Zusammentreffen: zu derselben Zeit, wo
Zur preußisch-polnischen Sprachenfrage
der polnischen Sprache durch den Kläger dieser gemäß Paragraph 146 durch seine Wahl über das anzuwendende Idiom entscheiden sollte. Die aus warm¬ herzigem, der juristischen Technik, der „ledernen Schreiberei," abholden, ihr auch das sachliche Vollwort verschränkendem Empfinden entkeimte, offenbar durch persönliche Einflüsse des polnischen Hofadels gezeitigte Verordnung ist, wenn sie natürlich auch nicht gleich wieder widerrufen werden konnte, von einem kalten, ihre propolnische Ausbeutung dampfenden Wasserstrahle gefolgt worden. Schon am 6. August 1841 hat der König im Landtagsabschiede für Posen den politisch nationalen Sondertreibereien der Polen eine scharfe Verwarnung erteilt. Die 1832 aufgenommene Sprachenpolitik hat dann wieder mit dem Gesetz vom 1. Mai 1843 einen weitern Schritt auf dem eingeschlagnen Wege getan. Damit wurde zunächst Paragraph 422 des Anhangs zur Allgemeinen Gerichtsordnung aufgehoben. Während dieser für die Aufnahme wendischer, laut Vorschrift deutsch niederzuschreibender Testamente die Zuziehung national wendischer Schulze» oder Gerichtsmünner und die Abhörung des Testcitors durch sie angeordnet hatte, beseitigte das Gesetz das schwerfällige Verfahren und erklärte die Zuziehung von zwei nur des Wendischen mächtigen Urlunds- zeugeu für genügend. Daneben ordnete es noch an, daß bei Zivilverhandlnngen mit Wenden die Zuziehung nur eines Dolmetschers und deutsche Protokollierung genügen sollten, während sonst laut Gerichtsordnung bei Verhandlungen mit Fremdsprachigen zwei Dolmetscher und zwei Protokolle nötig waren. In dem¬ selben Jahre erklärte dann noch der auf polnische Dreistigkeiten antwortende Landtagsabschied für Posen vom 20. Dezember 1843 kurz heraus, daß die deutsche Sprache allgemeine Geschüftssprache in der Monarchie sei. Wenig Jahre später bestimmte das Gesetz vom 3. Mai 1852, das Zusatzgesetz zur Schwur¬ gerichtseinrichtung vom 3. Januar 1849, daß bei Verhandlungen vor den Geschwornen, falls einer von ihnen, ein Angeklagter oder ein Zeuge, des Deutschen nicht mächtig sei, ein Dolmetscher zugezogen werden müßte; es erklärte sogar in Übertretungssachen die Zuziehung eines Dolmetschers für überflüssig, wenn der Richter oder der Gerichtsschreiber die fremde Sprache beherrschte. Das waren Vorschriften von einschneidender Bedeutung. Schon das wäre, wenn weiter nichts geschehen wäre, von Belang gewesen, daß mit dem ganzen frühern schwerfälligen Verhcmdlungsgefüge von zwei Dolmetschern und zwei Protokollen aufgeräumt wurde. Es fand damit, besonders mit der Zulassung nur eines Protokolls, natürlich des deutschen, ideell die Überzeugung Ausdruck, daß vor preußischen Gerichten die maßgebende Sprache allein die deutsche, ihr gegenüber aber jede andre nebensächlich sein sollte. Das war jedoch nicht alles und nicht einmal das wichtigste. Sprach es das Gesetz auch nicht mit klaren Worten aus, so ergab doch seine Fassung ohne Zweifel, daß in den Hauptverhcmdluugen vor den Geschwornen und in Übertretungssachen die Verhandlungssprache allein die deutsche sein durfte. Damit war, wenn auch erst ohne positive, in zwingenden Worten ausgeprägte Verlautbarung und in beschränktem Umfange, die vollkommne Abkehr von der einstigen Gleich- giltigkeit des Staats gegen die Sprachenfrage grundsätzlich vollzogen und gesetzlich festgestellt. Ein seltsames Zusammentreffen: zu derselben Zeit, wo
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Zur preußisch-polnischen Sprachenfrage
der polnischen Sprache durch den Kläger dieser gemäß Paragraph 146 durch
seine Wahl über das anzuwendende Idiom entscheiden sollte. Die aus warm¬
herzigem, der juristischen Technik, der „ledernen Schreiberei," abholden, ihr
auch das sachliche Vollwort verschränkendem Empfinden entkeimte, offenbar
durch persönliche Einflüsse des polnischen Hofadels gezeitigte Verordnung ist,
wenn sie natürlich auch nicht gleich wieder widerrufen werden konnte, von einem
kalten, ihre propolnische Ausbeutung dampfenden Wasserstrahle gefolgt worden.
Schon am 6. August 1841 hat der König im Landtagsabschiede für Posen
den politisch nationalen Sondertreibereien der Polen eine scharfe Verwarnung
erteilt. Die 1832 aufgenommene Sprachenpolitik hat dann wieder mit dem
Gesetz vom 1. Mai 1843 einen weitern Schritt auf dem eingeschlagnen Wege
getan. Damit wurde zunächst Paragraph 422 des Anhangs zur Allgemeinen
Gerichtsordnung aufgehoben. Während dieser für die Aufnahme wendischer,
laut Vorschrift deutsch niederzuschreibender Testamente die Zuziehung national
wendischer Schulze» oder Gerichtsmünner und die Abhörung des Testcitors
durch sie angeordnet hatte, beseitigte das Gesetz das schwerfällige Verfahren
und erklärte die Zuziehung von zwei nur des Wendischen mächtigen Urlunds-
zeugeu für genügend. Daneben ordnete es noch an, daß bei Zivilverhandlnngen
mit Wenden die Zuziehung nur eines Dolmetschers und deutsche Protokollierung
genügen sollten, während sonst laut Gerichtsordnung bei Verhandlungen mit
Fremdsprachigen zwei Dolmetscher und zwei Protokolle nötig waren. In dem¬
selben Jahre erklärte dann noch der auf polnische Dreistigkeiten antwortende
Landtagsabschied für Posen vom 20. Dezember 1843 kurz heraus, daß die
deutsche Sprache allgemeine Geschüftssprache in der Monarchie sei. Wenig Jahre
später bestimmte das Gesetz vom 3. Mai 1852, das Zusatzgesetz zur Schwur¬
gerichtseinrichtung vom 3. Januar 1849, daß bei Verhandlungen vor den
Geschwornen, falls einer von ihnen, ein Angeklagter oder ein Zeuge, des
Deutschen nicht mächtig sei, ein Dolmetscher zugezogen werden müßte; es
erklärte sogar in Übertretungssachen die Zuziehung eines Dolmetschers für
überflüssig, wenn der Richter oder der Gerichtsschreiber die fremde Sprache
beherrschte. Das waren Vorschriften von einschneidender Bedeutung. Schon
das wäre, wenn weiter nichts geschehen wäre, von Belang gewesen, daß mit
dem ganzen frühern schwerfälligen Verhcmdlungsgefüge von zwei Dolmetschern
und zwei Protokollen aufgeräumt wurde. Es fand damit, besonders mit der
Zulassung nur eines Protokolls, natürlich des deutschen, ideell die Überzeugung
Ausdruck, daß vor preußischen Gerichten die maßgebende Sprache allein die
deutsche, ihr gegenüber aber jede andre nebensächlich sein sollte. Das war
jedoch nicht alles und nicht einmal das wichtigste. Sprach es das Gesetz auch
nicht mit klaren Worten aus, so ergab doch seine Fassung ohne Zweifel, daß
in den Hauptverhcmdluugen vor den Geschwornen und in Übertretungssachen
die Verhandlungssprache allein die deutsche sein durfte. Damit war, wenn
auch erst ohne positive, in zwingenden Worten ausgeprägte Verlautbarung
und in beschränktem Umfange, die vollkommne Abkehr von der einstigen Gleich-
giltigkeit des Staats gegen die Sprachenfrage grundsätzlich vollzogen und
gesetzlich festgestellt. Ein seltsames Zusammentreffen: zu derselben Zeit, wo
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/94>, abgerufen am 22.07.2024.
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