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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Die zwölf Nächte

Freilich lag das Gelingen seines fernern Anschlags in bezug auf Röberkarl und die
treue Minna noch im weiten Felde, denn Kegels, die'uicht unvermögend waren, hatten
für ihre Tochter andre Pläne und würden, wenn sie von deren Absicht, sich mit
dem schönen Karl zu vermählen, etwas gewußt hätten, damit keineswegs einverstanden
gewesen sein. Denn gegen diesen sprach, abgesehen von den Fahrten, für die er
bekannt war, das viel wichtigere Bedenken, daß er nur zwei Hemden und auch für
die Zukunft keine Aussicht auf liegendes oder schwimmendes Eigentum hatte, denn
seine Eltern waren kleine und nicht gerade musterhaft ordentliche Leute, und auch
an Oheimen und Tanten, die er hätte beerben können, fehlte es ihm. Dafür war
Minna -- Kegels hatten nur diese eine Tochter -- nicht ans den Kopf gefallen,
und wenn sie sich etwas in diesen gesetzt hatte, so hätte es sonderbar kommen müssen,
daß sie davon anders abgestanden hätte, als nachdem sie alles versucht hatte, zum
Ziele zu kommen. Die Wahl Röberkarls zum Ehemann würde so leicht niemand
von ihr vermutet haben, weil sie in erster Reihe ein verständiges, Geld und Gut
schätzcudes und auch sonst mit dem Urteile ihrer Umgebung rechnendes Mädchen
war. Ja, sie würde sich noch vor acht Tagen den Entschluß, Röberkarl zum Manne
zu nehmen, selbst nicht zugetraut haben. Und wie es gekommen war, daß er es ihr
angetan hatte, hätte sie selbst nicht sagen können. Daß er leicht und ein Fahrten¬
macher war, wußte sie; auch über die von ihm verlassenen beiden Elviren und deren
Schicksale hatte sie alles bis aufs dz erfahren. Und doch hätte sie keinen andern
haben mögen als ihn. Denn sie war, wenn man das von einem jungen Mädchen
sagen darf, bis über die Ohren in ihn verliebt, und da sie ihre Eltern schon seit
mehreren Jahren link und recht machte und auch sonst ihre Freundinnen, Heimchen
an der Spitze, sanft zu tyrannisieren gewohnt war, so hatte sie sich eingeredet, sie
werde Karl, wenn er einmal mit ihr verheiratet sei, ohne große Mühe uuter den
Pantoffel bringen, und von ihrem dann erwarteten Einfluß, von ihrer "erhofften
Machtstellung wollte sie nur den allerbesten Gebrauch machen: sie wollte Röberkarl
auf bessere, solidere Wege bringen und für ihn gleich als erstes ein halbes Dutzend
Hemden zuschneiden und nähen, deren sich der bemittelte Löseremil nicht zu schämen
^braucht hätte.

Eine Schwierigkeit, die ihren Plänen im Wege stand, daß Röberkarl der Ver¬
ehrer ihrer Freundin Helene und also nicht roh nullius, sondern in festen Händen
war, wollte sie vor allen Dingen in vorsichtigster Weise beiseite zu schieben suchen,
und sie begab sich denn mich gleich am dritten Feiertage früh zu Heimchen, die
lie in bester Stimmung faud, und die sie sofort aus dem Ban zu räuchern be¬
schloß. Ganz leicht war das nicht, und es mußte mit einiger Vorsicht gemacht werden,
weil sie Röberkarl ihrer Freundin verleiden mußte, ohne Schlechtes von ihm zu
sagen, denn da sie ihn für sich selbst haben wollte, durste sie ihn nicht entwerten;
auch wäre Heimchen, so harmlos sie war, doch hinter ihre Schliche gekommen, wenn
!le dieser gegenüber Röberkarl erst schlecht gemacht und dann ihn doch für sich gut
genug befunden hätte.

Sie zog es deshalb vor, nach moderner Diplomatenart mit einem gewissen
6reimute zu Verfahren, und sie glaubte, Heimchen durch die Mitteilung einer durch¬
aus unerwarteten Tatsache zu verblüffen, indem, sie ihr sagte, im Grunde genommen
Mse Röberkarl besser für sie, Minna, als für ihre Freuudi", da er eine feste Hand
"rauche, und es sei ihr vorgekommen, als habe er neulich, als sie mit ihm wegen
Heimchen gesprochen habe, keine recht ernste Absicht an den Tag gelegt, für diese
ourch dick und dünn zu gehn.

Durch dick und dünn geht Karl überhaupt für niemand, sagte Heimchen
^es^ud. Beharrlichkeit liegt uicht in seiner Natur, und bis man nicht vor dein
^Jar wirklich die Ringe mit ihm gewechselt hat, kann man nicht sagen, daß er
unen gehört.

Tüchtig dahinter her wird man bei ihm sein müssen, bemerkte Minna bedenklich,
"Ub ich weiß nicht, ob du das fertig bringen wirst, Lenchen.

Heimchen war keine neunmal Gemahle wie Minna, und in der Regel ließ sie
d s<^" patrvnisiereu, kommandieren und belämmern. Aber dumm war sie
veshalb nicht, und über das eine war sie gewissermaßen instinktiv mit sich im reinen,
"I; sie uuter allen Umständen Minna nicht in die Lage bringe" wollte, ihr Max,
>um^" ^' ^ p^tzlich gefiele, wie ihr Karl urplötzlich gefallen hatte, abspenstig zu
""M. Da Minna auch sonst gern für sich nahm, was ihr gerade gefiel, so konnte


Die zwölf Nächte

Freilich lag das Gelingen seines fernern Anschlags in bezug auf Röberkarl und die
treue Minna noch im weiten Felde, denn Kegels, die'uicht unvermögend waren, hatten
für ihre Tochter andre Pläne und würden, wenn sie von deren Absicht, sich mit
dem schönen Karl zu vermählen, etwas gewußt hätten, damit keineswegs einverstanden
gewesen sein. Denn gegen diesen sprach, abgesehen von den Fahrten, für die er
bekannt war, das viel wichtigere Bedenken, daß er nur zwei Hemden und auch für
die Zukunft keine Aussicht auf liegendes oder schwimmendes Eigentum hatte, denn
seine Eltern waren kleine und nicht gerade musterhaft ordentliche Leute, und auch
an Oheimen und Tanten, die er hätte beerben können, fehlte es ihm. Dafür war
Minna — Kegels hatten nur diese eine Tochter — nicht ans den Kopf gefallen,
und wenn sie sich etwas in diesen gesetzt hatte, so hätte es sonderbar kommen müssen,
daß sie davon anders abgestanden hätte, als nachdem sie alles versucht hatte, zum
Ziele zu kommen. Die Wahl Röberkarls zum Ehemann würde so leicht niemand
von ihr vermutet haben, weil sie in erster Reihe ein verständiges, Geld und Gut
schätzcudes und auch sonst mit dem Urteile ihrer Umgebung rechnendes Mädchen
war. Ja, sie würde sich noch vor acht Tagen den Entschluß, Röberkarl zum Manne
zu nehmen, selbst nicht zugetraut haben. Und wie es gekommen war, daß er es ihr
angetan hatte, hätte sie selbst nicht sagen können. Daß er leicht und ein Fahrten¬
macher war, wußte sie; auch über die von ihm verlassenen beiden Elviren und deren
Schicksale hatte sie alles bis aufs dz erfahren. Und doch hätte sie keinen andern
haben mögen als ihn. Denn sie war, wenn man das von einem jungen Mädchen
sagen darf, bis über die Ohren in ihn verliebt, und da sie ihre Eltern schon seit
mehreren Jahren link und recht machte und auch sonst ihre Freundinnen, Heimchen
an der Spitze, sanft zu tyrannisieren gewohnt war, so hatte sie sich eingeredet, sie
werde Karl, wenn er einmal mit ihr verheiratet sei, ohne große Mühe uuter den
Pantoffel bringen, und von ihrem dann erwarteten Einfluß, von ihrer »erhofften
Machtstellung wollte sie nur den allerbesten Gebrauch machen: sie wollte Röberkarl
auf bessere, solidere Wege bringen und für ihn gleich als erstes ein halbes Dutzend
Hemden zuschneiden und nähen, deren sich der bemittelte Löseremil nicht zu schämen
^braucht hätte.

Eine Schwierigkeit, die ihren Plänen im Wege stand, daß Röberkarl der Ver¬
ehrer ihrer Freundin Helene und also nicht roh nullius, sondern in festen Händen
war, wollte sie vor allen Dingen in vorsichtigster Weise beiseite zu schieben suchen,
und sie begab sich denn mich gleich am dritten Feiertage früh zu Heimchen, die
lie in bester Stimmung faud, und die sie sofort aus dem Ban zu räuchern be¬
schloß. Ganz leicht war das nicht, und es mußte mit einiger Vorsicht gemacht werden,
weil sie Röberkarl ihrer Freundin verleiden mußte, ohne Schlechtes von ihm zu
sagen, denn da sie ihn für sich selbst haben wollte, durste sie ihn nicht entwerten;
auch wäre Heimchen, so harmlos sie war, doch hinter ihre Schliche gekommen, wenn
!le dieser gegenüber Röberkarl erst schlecht gemacht und dann ihn doch für sich gut
genug befunden hätte.

Sie zog es deshalb vor, nach moderner Diplomatenart mit einem gewissen
6reimute zu Verfahren, und sie glaubte, Heimchen durch die Mitteilung einer durch¬
aus unerwarteten Tatsache zu verblüffen, indem, sie ihr sagte, im Grunde genommen
Mse Röberkarl besser für sie, Minna, als für ihre Freuudi«, da er eine feste Hand
»rauche, und es sei ihr vorgekommen, als habe er neulich, als sie mit ihm wegen
Heimchen gesprochen habe, keine recht ernste Absicht an den Tag gelegt, für diese
ourch dick und dünn zu gehn.

Durch dick und dünn geht Karl überhaupt für niemand, sagte Heimchen
^es^ud. Beharrlichkeit liegt uicht in seiner Natur, und bis man nicht vor dein
^Jar wirklich die Ringe mit ihm gewechselt hat, kann man nicht sagen, daß er
unen gehört.

Tüchtig dahinter her wird man bei ihm sein müssen, bemerkte Minna bedenklich,
"Ub ich weiß nicht, ob du das fertig bringen wirst, Lenchen.

Heimchen war keine neunmal Gemahle wie Minna, und in der Regel ließ sie
d s<^" patrvnisiereu, kommandieren und belämmern. Aber dumm war sie
veshalb nicht, und über das eine war sie gewissermaßen instinktiv mit sich im reinen,
"I; sie uuter allen Umständen Minna nicht in die Lage bringe» wollte, ihr Max,
>um^" ^' ^ p^tzlich gefiele, wie ihr Karl urplötzlich gefallen hatte, abspenstig zu
""M. Da Minna auch sonst gern für sich nahm, was ihr gerade gefiel, so konnte


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[0881] Die zwölf Nächte Freilich lag das Gelingen seines fernern Anschlags in bezug auf Röberkarl und die treue Minna noch im weiten Felde, denn Kegels, die'uicht unvermögend waren, hatten für ihre Tochter andre Pläne und würden, wenn sie von deren Absicht, sich mit dem schönen Karl zu vermählen, etwas gewußt hätten, damit keineswegs einverstanden gewesen sein. Denn gegen diesen sprach, abgesehen von den Fahrten, für die er bekannt war, das viel wichtigere Bedenken, daß er nur zwei Hemden und auch für die Zukunft keine Aussicht auf liegendes oder schwimmendes Eigentum hatte, denn seine Eltern waren kleine und nicht gerade musterhaft ordentliche Leute, und auch an Oheimen und Tanten, die er hätte beerben können, fehlte es ihm. Dafür war Minna — Kegels hatten nur diese eine Tochter — nicht ans den Kopf gefallen, und wenn sie sich etwas in diesen gesetzt hatte, so hätte es sonderbar kommen müssen, daß sie davon anders abgestanden hätte, als nachdem sie alles versucht hatte, zum Ziele zu kommen. Die Wahl Röberkarls zum Ehemann würde so leicht niemand von ihr vermutet haben, weil sie in erster Reihe ein verständiges, Geld und Gut schätzcudes und auch sonst mit dem Urteile ihrer Umgebung rechnendes Mädchen war. Ja, sie würde sich noch vor acht Tagen den Entschluß, Röberkarl zum Manne zu nehmen, selbst nicht zugetraut haben. Und wie es gekommen war, daß er es ihr angetan hatte, hätte sie selbst nicht sagen können. Daß er leicht und ein Fahrten¬ macher war, wußte sie; auch über die von ihm verlassenen beiden Elviren und deren Schicksale hatte sie alles bis aufs dz erfahren. Und doch hätte sie keinen andern haben mögen als ihn. Denn sie war, wenn man das von einem jungen Mädchen sagen darf, bis über die Ohren in ihn verliebt, und da sie ihre Eltern schon seit mehreren Jahren link und recht machte und auch sonst ihre Freundinnen, Heimchen an der Spitze, sanft zu tyrannisieren gewohnt war, so hatte sie sich eingeredet, sie werde Karl, wenn er einmal mit ihr verheiratet sei, ohne große Mühe uuter den Pantoffel bringen, und von ihrem dann erwarteten Einfluß, von ihrer »erhofften Machtstellung wollte sie nur den allerbesten Gebrauch machen: sie wollte Röberkarl auf bessere, solidere Wege bringen und für ihn gleich als erstes ein halbes Dutzend Hemden zuschneiden und nähen, deren sich der bemittelte Löseremil nicht zu schämen ^braucht hätte. Eine Schwierigkeit, die ihren Plänen im Wege stand, daß Röberkarl der Ver¬ ehrer ihrer Freundin Helene und also nicht roh nullius, sondern in festen Händen war, wollte sie vor allen Dingen in vorsichtigster Weise beiseite zu schieben suchen, und sie begab sich denn mich gleich am dritten Feiertage früh zu Heimchen, die lie in bester Stimmung faud, und die sie sofort aus dem Ban zu räuchern be¬ schloß. Ganz leicht war das nicht, und es mußte mit einiger Vorsicht gemacht werden, weil sie Röberkarl ihrer Freundin verleiden mußte, ohne Schlechtes von ihm zu sagen, denn da sie ihn für sich selbst haben wollte, durste sie ihn nicht entwerten; auch wäre Heimchen, so harmlos sie war, doch hinter ihre Schliche gekommen, wenn !le dieser gegenüber Röberkarl erst schlecht gemacht und dann ihn doch für sich gut genug befunden hätte. Sie zog es deshalb vor, nach moderner Diplomatenart mit einem gewissen 6reimute zu Verfahren, und sie glaubte, Heimchen durch die Mitteilung einer durch¬ aus unerwarteten Tatsache zu verblüffen, indem, sie ihr sagte, im Grunde genommen Mse Röberkarl besser für sie, Minna, als für ihre Freuudi«, da er eine feste Hand »rauche, und es sei ihr vorgekommen, als habe er neulich, als sie mit ihm wegen Heimchen gesprochen habe, keine recht ernste Absicht an den Tag gelegt, für diese ourch dick und dünn zu gehn. Durch dick und dünn geht Karl überhaupt für niemand, sagte Heimchen ^es^ud. Beharrlichkeit liegt uicht in seiner Natur, und bis man nicht vor dein ^Jar wirklich die Ringe mit ihm gewechselt hat, kann man nicht sagen, daß er unen gehört. Tüchtig dahinter her wird man bei ihm sein müssen, bemerkte Minna bedenklich, "Ub ich weiß nicht, ob du das fertig bringen wirst, Lenchen. Heimchen war keine neunmal Gemahle wie Minna, und in der Regel ließ sie d s<^" patrvnisiereu, kommandieren und belämmern. Aber dumm war sie veshalb nicht, und über das eine war sie gewissermaßen instinktiv mit sich im reinen, "I; sie uuter allen Umständen Minna nicht in die Lage bringe» wollte, ihr Max, >um^" ^' ^ p^tzlich gefiele, wie ihr Karl urplötzlich gefallen hatte, abspenstig zu ""M. Da Minna auch sonst gern für sich nahm, was ihr gerade gefiel, so konnte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/881>, abgerufen am 22.07.2024.