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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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seien auf dein Kirchhofe in der Gruft des Mergnerscheu Erbbegräbnisses verschwunden.
Es sind zwei Frauen gewesen, fügte Heimchen hinzu, denn sie haben Mühen mit
langen Schleierbändern aufgehabt, nud Krügerhans hat auch gesehen, das; sie über¬
laufende Tränenkrüglein im Arme getragen haben.

Dem alten Mergner, der zwei Gattinnen überlebt hatte, denn er hatte nach
dem Tode der schon erwähnten ersten eine zweite geheiratet, war diese Nachricht
ziemlich unheimlich: wenn es seine Anna und seine Luise waren, die mit Tränen-
krügen umherzogen, so hatte das vielleicht seinen baldigen Tod zu bedeuten, und vor
dein Tode fürchtete er sich. Recht hell und freudeureich war ja sein Leben in den
letzten Jahren nicht gewesen, aber doch auch nicht unbehaglich: seine Schwester, die
ein paar Jahre älter war als er, führte ihm die Wirtschaft, und wenn er seine
Launen, mit denen er bei ihr nicht ankam, durchaus an jemand auslassen mußte,
war August, der Bootsjuuge, da, der sich so ziemlich alles gefallen ließ und ihn aus
angeborner Gutmütigkeit wie ein Sohn pflegte. Ja, Augusts Anhänglichkeit an
den "Meester" ging so weit, daß er ein für allemal dessen Partei dem alten Fräu-
lein gegenüber ergriffen hatte und diese Parteinahme in mancherlei Weise entgelten
mußte; namentlich strafte ihn die alte, von Charakter nicht sehr bequeme Jungfer
für jede Rebellion durch irgend eine Kvstentziehung.

Wo will en denn Krügerhans begegnet sein? fragte der alte Mergner etwas
kleinlaut.

Das ist ja eben das närrische: er will gesehen haben, daß sie bei dir aus dem
Gehöfte gekommen sind, Pate Mergner, und von da sind sie direkt in ihre Grust
zurückgeflattert.

Geflattert? fragte der alte Herr entsetzt.

Geschwebt, heißt das. Johannes Krüger hat gesehen, daß sie den Boden nur
mit der äußersten Schleppe ihrer weißen Gewänder berührt haben, nicht mit den
Füßen.

Der alte Mergner hätte nicht der alte Mergner sein müssen, wenn er sich hätte
enthalten sollen, zu fragen: Wie sollen denn die Fiße ausgesehen Hain, mit denen
se den Erdboden nich beriehren taten?"

Nu doch ganz wahrscheinlich weiß, wie Knochen "sehn. Gerippe sinds gewesen,
sagt Johannes Krüger: an denen ist nichts übrig als die Knochen, die bei jeder
Bewegung ein unheimliches Geräusch machen.

Das war zuviel für den alten Mergner: er konnte seinen Kaffee nicht aus-
trinken, wurde schwiemlig, mußte mit einem größern Glase Wacholderschnaps auf¬
gerichtet werden und gewann seine Fassung erst nach einiger Zeit und da nur in
sehr unvollständiger Weise wieder.

Was Heimchen, die von Johann Krüger wie von einem Fremden sprach, mit
ihm aber als Maxens Intimus auf ganz vertrautem Fuße stand, nicht gesagt hatte,
war, daß dieser tags zuvor, am ersten Feiertag, keine Gespenster gesehen, sondern
den Abend ruhig bei Max Hvdewitschs Eltern verbracht hatte. Von den beiden Ge¬
spenstern, auf deren Erscheinen es Helenchens Eltern und den alten Mergner vor¬
zubereiten galt, wollte er das eine selbst vorstellen, und eine der Mägde des Lvserschen
Guts, die er schon vor seiner Einziehung zum Militär gekannt hatte, lind der er
womöglich noch besser gefiel, seitdem er die grüne und rote Uniform trug, sollte das
andre Gespenst "machen." Ein recht solides Gespenst, wie es sich für eine ehrbare
Grenzbotengeschichte eignet, war das zweite Gespenst allerdings nicht, denn die Magd,
die mit dem Urlauber wieder angebandelt hatte, hatte ohnehin einen Verehrer, dessen
Eifersucht, wenn er sie zu zweit mit Krügerhaus gesehen hätte, sie mit Recht fürchtete.
In der Verkleidung glaubte sie nach dieser Richtung hin so ziemlich sicher zu sein,
und das Erscheinen der beiden Gespenster war nicht bloß ein loser Streich, mit dem
man den alten Mergner ins Bockshorn jagen wollte, sondern man hatte damit eine
iveitere Absicht, die, wenn es gelang, Max Hodewitsch und Heimchen zugute komme"
sollte. Wenn nämlich alles so ging, wie niam hoffte, so würde der alte Hodewitsch
mit dem alten Mergner den Gespenstern auflauern gehn, und da Helenchens Mutter
einen gesegneten Schlaf hatte, und wo sie auch sein mochte, von sieben Uhr Abends
an sofort vom Schlummer überwältigt wurde, sobald sie das letzte Stück Arbeit
im Stall und im Hause hinter sich hatte, so hatte dann Max freies Feld und konnte
mit Heimchen besprechen, was noch zu besprechen war. Und wie jedermann weist,
ist unter solchen Umstciudeu immer soviel zu besprechen, daß man damit auch nicht


seien auf dein Kirchhofe in der Gruft des Mergnerscheu Erbbegräbnisses verschwunden.
Es sind zwei Frauen gewesen, fügte Heimchen hinzu, denn sie haben Mühen mit
langen Schleierbändern aufgehabt, nud Krügerhans hat auch gesehen, das; sie über¬
laufende Tränenkrüglein im Arme getragen haben.

Dem alten Mergner, der zwei Gattinnen überlebt hatte, denn er hatte nach
dem Tode der schon erwähnten ersten eine zweite geheiratet, war diese Nachricht
ziemlich unheimlich: wenn es seine Anna und seine Luise waren, die mit Tränen-
krügen umherzogen, so hatte das vielleicht seinen baldigen Tod zu bedeuten, und vor
dein Tode fürchtete er sich. Recht hell und freudeureich war ja sein Leben in den
letzten Jahren nicht gewesen, aber doch auch nicht unbehaglich: seine Schwester, die
ein paar Jahre älter war als er, führte ihm die Wirtschaft, und wenn er seine
Launen, mit denen er bei ihr nicht ankam, durchaus an jemand auslassen mußte,
war August, der Bootsjuuge, da, der sich so ziemlich alles gefallen ließ und ihn aus
angeborner Gutmütigkeit wie ein Sohn pflegte. Ja, Augusts Anhänglichkeit an
den „Meester" ging so weit, daß er ein für allemal dessen Partei dem alten Fräu-
lein gegenüber ergriffen hatte und diese Parteinahme in mancherlei Weise entgelten
mußte; namentlich strafte ihn die alte, von Charakter nicht sehr bequeme Jungfer
für jede Rebellion durch irgend eine Kvstentziehung.

Wo will en denn Krügerhans begegnet sein? fragte der alte Mergner etwas
kleinlaut.

Das ist ja eben das närrische: er will gesehen haben, daß sie bei dir aus dem
Gehöfte gekommen sind, Pate Mergner, und von da sind sie direkt in ihre Grust
zurückgeflattert.

Geflattert? fragte der alte Herr entsetzt.

Geschwebt, heißt das. Johannes Krüger hat gesehen, daß sie den Boden nur
mit der äußersten Schleppe ihrer weißen Gewänder berührt haben, nicht mit den
Füßen.

Der alte Mergner hätte nicht der alte Mergner sein müssen, wenn er sich hätte
enthalten sollen, zu fragen: Wie sollen denn die Fiße ausgesehen Hain, mit denen
se den Erdboden nich beriehren taten?"

Nu doch ganz wahrscheinlich weiß, wie Knochen „sehn. Gerippe sinds gewesen,
sagt Johannes Krüger: an denen ist nichts übrig als die Knochen, die bei jeder
Bewegung ein unheimliches Geräusch machen.

Das war zuviel für den alten Mergner: er konnte seinen Kaffee nicht aus-
trinken, wurde schwiemlig, mußte mit einem größern Glase Wacholderschnaps auf¬
gerichtet werden und gewann seine Fassung erst nach einiger Zeit und da nur in
sehr unvollständiger Weise wieder.

Was Heimchen, die von Johann Krüger wie von einem Fremden sprach, mit
ihm aber als Maxens Intimus auf ganz vertrautem Fuße stand, nicht gesagt hatte,
war, daß dieser tags zuvor, am ersten Feiertag, keine Gespenster gesehen, sondern
den Abend ruhig bei Max Hvdewitschs Eltern verbracht hatte. Von den beiden Ge¬
spenstern, auf deren Erscheinen es Helenchens Eltern und den alten Mergner vor¬
zubereiten galt, wollte er das eine selbst vorstellen, und eine der Mägde des Lvserschen
Guts, die er schon vor seiner Einziehung zum Militär gekannt hatte, lind der er
womöglich noch besser gefiel, seitdem er die grüne und rote Uniform trug, sollte das
andre Gespenst „machen." Ein recht solides Gespenst, wie es sich für eine ehrbare
Grenzbotengeschichte eignet, war das zweite Gespenst allerdings nicht, denn die Magd,
die mit dem Urlauber wieder angebandelt hatte, hatte ohnehin einen Verehrer, dessen
Eifersucht, wenn er sie zu zweit mit Krügerhaus gesehen hätte, sie mit Recht fürchtete.
In der Verkleidung glaubte sie nach dieser Richtung hin so ziemlich sicher zu sein,
und das Erscheinen der beiden Gespenster war nicht bloß ein loser Streich, mit dem
man den alten Mergner ins Bockshorn jagen wollte, sondern man hatte damit eine
iveitere Absicht, die, wenn es gelang, Max Hodewitsch und Heimchen zugute komme»
sollte. Wenn nämlich alles so ging, wie niam hoffte, so würde der alte Hodewitsch
mit dem alten Mergner den Gespenstern auflauern gehn, und da Helenchens Mutter
einen gesegneten Schlaf hatte, und wo sie auch sein mochte, von sieben Uhr Abends
an sofort vom Schlummer überwältigt wurde, sobald sie das letzte Stück Arbeit
im Stall und im Hause hinter sich hatte, so hatte dann Max freies Feld und konnte
mit Heimchen besprechen, was noch zu besprechen war. Und wie jedermann weist,
ist unter solchen Umstciudeu immer soviel zu besprechen, daß man damit auch nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/818>, abgerufen am 22.07.2024.