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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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davon bekommen sollten. Das war aber in den für die Jliaslcktüre bestimmten
lehrplanmäßigen zwei Stunden nicht möglich, um so weniger als wir bei dem alten
Professor Jhlefeldt in Sekunda zwar viel über die griechischen Partikeln geredet
hatten, aber sonst nur langsam vorwärts gekommen waren. Eines Tags machte
uns der Direktor den Vorschlag, Sonntags nach der Vormittagskirche freiwillig
eine Stunde Ilias zu lesen. Natürlich schloß sich keiner aus. Wir gingen vorher,
wie der Direktor gleichfalls vorgeschlagen hatte, zur Kirche; dann trafen wir uns
mit der Ilias in der Prima. Natürlich blieb das nicht unbemerkt. Manche Eltern
und Leute, die dem Direktor nicht recht grün waren, mochten wohl Anstoß daran
nehmen. Die Sache wurde auch heimlich dem Provinzialschulkollegium in Magde¬
burg angezeigt. Ich entsinne mich aber nicht, daß diese sonntäglichen Jliasstunden
inhibiert worden wären. An und für sich war die Sache wirklich nicht so schlimm.
Bon einer Sonntagsentheiligung konnte gar keine Rede sein, denn das Jliaslesen
war weit mehr Vergnügen als Arbeit, und jedenfalls doch ein edles Vergnügen,
gegen das um so weniger einzuwenden war, als ja die Kirche vorher besucht wurde.
Nur daß dieses freiwillige Lesen eines griechischen schönen Heldengedichts zugleich
in die Aufgaben der Schule fiel, und daß gerade der Direktor es einführte, dessen
Vorschlag ein einzelner Schüler nicht füglich widerstreben konnte, gab der Sache einen
wenigstens leicht mißzuverstehender Anstrich. Unser Direktor, der freilich nicht gerade
als kirchlich galt, behandelte diese Angelegenheit mit ungefärbter kindlicher Harm¬
losigkeit. Er hatte nicht entfernt daran gedacht, daß irgend ein Mensch darin etwas
finden könnte. Aber gerade diese Harmlosigkeit wurde ihm verübelt.

Während ich in Prima saß. kam eines Tags der Provinzialschulrat l>. Schaub
vom Schulkollegium in Magdeburg, um das Gymnasium zu revidieren. Diese Revi¬
sion nahm ihren geregelten Gang, wie alle Revisionen, und wir Schüler hatten
den Eindruck, daß der Schulrat zufrieden sei und auch allen Grund habe, zufrieden
zu sei". Da erzählten am dritten oder vierten Tage der Revision einzelne Schüler der
höhern Klassen, daß der Schulrat sie über Worte, die der Direktor gesprochen, oder
Handlungen, die er getan haben sollte, einzeln vernommen habe. Es hieß, daß ein
früherer Schüler der Anstalt, Dr. G., der sich inzwischen in Halle als Privat¬
dozent habilitiert habe, den Direktor Richter beim Schulkollegium oder Ministerium
denunziert habe, daß der Direktor namentlich auch der ungerechten Parteilichkeit gegen
Goßrau beschuldigt sei, und daß im Lehrerkollegium die unerquicklichsten Spaltungen
und gegenseitigen Anfeindungen bestünde". Glücklicherweise kam bei der Unter-
suchung nichts heraus. Der treffliche Goßrau wenigstens war an der Denunziation
gegen den Direktor völlig unschuldig. Aber die Autorität des Lehrerkollegiums hatte
in den Augen der Schüler durch diese Untersuchung stark gelitten. Nichtsdesto¬
weniger freuten wir uns, daß Franz (der Direktor) aus dieser gegen ihn ange¬
sponnenen Intrigue siegreich hervorging. Wir alle taxierten ihn als einen vornehm
denkenden Mann und wurden uns damals erst recht darüber klar, mit welcher
Dankbarkeit und Liebe wir an ihm hingen.

Der "Alte," Professor Jhlefeldt, gab in Prima nur zwei Stunden französischen
und ebensoviel Geschichtsunterricht. Beides war nicht mehr auf der Höhe. Im
Französischen wurde ein Abschnitt aus dem gar nicht Übeln Lesebuch von Ideler
und Rolle gelesen. Dabei hörte außer dem Schüler, der an der Reihe war, z"
übersetzen, und dem Nachbar, der demnächst folgte, niemand zu. Man machte ent¬
weder andre Schularbeiten oder las heimlich Romane unter der Tafel. Namentlich
die Geheimnisse von Paris von Eugene Sue, Dumas des Ältern Graf von Monte
Christo und einige Romane der George Sand waren damals unter den Schülern
su vog'nez. Wir lasen sie aber nicht französisch, sondern verschlangen sie in deutscheu
Übersetzungen. So gering dachten wir von dem französischen Unterricht des Alten,
daß uns der Gedanke, man könne darin Französisch lernen, ganz fern lag. Es kam
damals ein junger Franzose aus Genf nach Quedlinburg und erbot sich im amt¬
lichen Wochenblatt zur Erteilung französischer Konversationsstunden. Mein Vetter


davon bekommen sollten. Das war aber in den für die Jliaslcktüre bestimmten
lehrplanmäßigen zwei Stunden nicht möglich, um so weniger als wir bei dem alten
Professor Jhlefeldt in Sekunda zwar viel über die griechischen Partikeln geredet
hatten, aber sonst nur langsam vorwärts gekommen waren. Eines Tags machte
uns der Direktor den Vorschlag, Sonntags nach der Vormittagskirche freiwillig
eine Stunde Ilias zu lesen. Natürlich schloß sich keiner aus. Wir gingen vorher,
wie der Direktor gleichfalls vorgeschlagen hatte, zur Kirche; dann trafen wir uns
mit der Ilias in der Prima. Natürlich blieb das nicht unbemerkt. Manche Eltern
und Leute, die dem Direktor nicht recht grün waren, mochten wohl Anstoß daran
nehmen. Die Sache wurde auch heimlich dem Provinzialschulkollegium in Magde¬
burg angezeigt. Ich entsinne mich aber nicht, daß diese sonntäglichen Jliasstunden
inhibiert worden wären. An und für sich war die Sache wirklich nicht so schlimm.
Bon einer Sonntagsentheiligung konnte gar keine Rede sein, denn das Jliaslesen
war weit mehr Vergnügen als Arbeit, und jedenfalls doch ein edles Vergnügen,
gegen das um so weniger einzuwenden war, als ja die Kirche vorher besucht wurde.
Nur daß dieses freiwillige Lesen eines griechischen schönen Heldengedichts zugleich
in die Aufgaben der Schule fiel, und daß gerade der Direktor es einführte, dessen
Vorschlag ein einzelner Schüler nicht füglich widerstreben konnte, gab der Sache einen
wenigstens leicht mißzuverstehender Anstrich. Unser Direktor, der freilich nicht gerade
als kirchlich galt, behandelte diese Angelegenheit mit ungefärbter kindlicher Harm¬
losigkeit. Er hatte nicht entfernt daran gedacht, daß irgend ein Mensch darin etwas
finden könnte. Aber gerade diese Harmlosigkeit wurde ihm verübelt.

Während ich in Prima saß. kam eines Tags der Provinzialschulrat l>. Schaub
vom Schulkollegium in Magdeburg, um das Gymnasium zu revidieren. Diese Revi¬
sion nahm ihren geregelten Gang, wie alle Revisionen, und wir Schüler hatten
den Eindruck, daß der Schulrat zufrieden sei und auch allen Grund habe, zufrieden
zu sei». Da erzählten am dritten oder vierten Tage der Revision einzelne Schüler der
höhern Klassen, daß der Schulrat sie über Worte, die der Direktor gesprochen, oder
Handlungen, die er getan haben sollte, einzeln vernommen habe. Es hieß, daß ein
früherer Schüler der Anstalt, Dr. G., der sich inzwischen in Halle als Privat¬
dozent habilitiert habe, den Direktor Richter beim Schulkollegium oder Ministerium
denunziert habe, daß der Direktor namentlich auch der ungerechten Parteilichkeit gegen
Goßrau beschuldigt sei, und daß im Lehrerkollegium die unerquicklichsten Spaltungen
und gegenseitigen Anfeindungen bestünde». Glücklicherweise kam bei der Unter-
suchung nichts heraus. Der treffliche Goßrau wenigstens war an der Denunziation
gegen den Direktor völlig unschuldig. Aber die Autorität des Lehrerkollegiums hatte
in den Augen der Schüler durch diese Untersuchung stark gelitten. Nichtsdesto¬
weniger freuten wir uns, daß Franz (der Direktor) aus dieser gegen ihn ange¬
sponnenen Intrigue siegreich hervorging. Wir alle taxierten ihn als einen vornehm
denkenden Mann und wurden uns damals erst recht darüber klar, mit welcher
Dankbarkeit und Liebe wir an ihm hingen.

Der „Alte," Professor Jhlefeldt, gab in Prima nur zwei Stunden französischen
und ebensoviel Geschichtsunterricht. Beides war nicht mehr auf der Höhe. Im
Französischen wurde ein Abschnitt aus dem gar nicht Übeln Lesebuch von Ideler
und Rolle gelesen. Dabei hörte außer dem Schüler, der an der Reihe war, z"
übersetzen, und dem Nachbar, der demnächst folgte, niemand zu. Man machte ent¬
weder andre Schularbeiten oder las heimlich Romane unter der Tafel. Namentlich
die Geheimnisse von Paris von Eugene Sue, Dumas des Ältern Graf von Monte
Christo und einige Romane der George Sand waren damals unter den Schülern
su vog'nez. Wir lasen sie aber nicht französisch, sondern verschlangen sie in deutscheu
Übersetzungen. So gering dachten wir von dem französischen Unterricht des Alten,
daß uns der Gedanke, man könne darin Französisch lernen, ganz fern lag. Es kam
damals ein junger Franzose aus Genf nach Quedlinburg und erbot sich im amt¬
lichen Wochenblatt zur Erteilung französischer Konversationsstunden. Mein Vetter


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[0792] davon bekommen sollten. Das war aber in den für die Jliaslcktüre bestimmten lehrplanmäßigen zwei Stunden nicht möglich, um so weniger als wir bei dem alten Professor Jhlefeldt in Sekunda zwar viel über die griechischen Partikeln geredet hatten, aber sonst nur langsam vorwärts gekommen waren. Eines Tags machte uns der Direktor den Vorschlag, Sonntags nach der Vormittagskirche freiwillig eine Stunde Ilias zu lesen. Natürlich schloß sich keiner aus. Wir gingen vorher, wie der Direktor gleichfalls vorgeschlagen hatte, zur Kirche; dann trafen wir uns mit der Ilias in der Prima. Natürlich blieb das nicht unbemerkt. Manche Eltern und Leute, die dem Direktor nicht recht grün waren, mochten wohl Anstoß daran nehmen. Die Sache wurde auch heimlich dem Provinzialschulkollegium in Magde¬ burg angezeigt. Ich entsinne mich aber nicht, daß diese sonntäglichen Jliasstunden inhibiert worden wären. An und für sich war die Sache wirklich nicht so schlimm. Bon einer Sonntagsentheiligung konnte gar keine Rede sein, denn das Jliaslesen war weit mehr Vergnügen als Arbeit, und jedenfalls doch ein edles Vergnügen, gegen das um so weniger einzuwenden war, als ja die Kirche vorher besucht wurde. Nur daß dieses freiwillige Lesen eines griechischen schönen Heldengedichts zugleich in die Aufgaben der Schule fiel, und daß gerade der Direktor es einführte, dessen Vorschlag ein einzelner Schüler nicht füglich widerstreben konnte, gab der Sache einen wenigstens leicht mißzuverstehender Anstrich. Unser Direktor, der freilich nicht gerade als kirchlich galt, behandelte diese Angelegenheit mit ungefärbter kindlicher Harm¬ losigkeit. Er hatte nicht entfernt daran gedacht, daß irgend ein Mensch darin etwas finden könnte. Aber gerade diese Harmlosigkeit wurde ihm verübelt. Während ich in Prima saß. kam eines Tags der Provinzialschulrat l>. Schaub vom Schulkollegium in Magdeburg, um das Gymnasium zu revidieren. Diese Revi¬ sion nahm ihren geregelten Gang, wie alle Revisionen, und wir Schüler hatten den Eindruck, daß der Schulrat zufrieden sei und auch allen Grund habe, zufrieden zu sei». Da erzählten am dritten oder vierten Tage der Revision einzelne Schüler der höhern Klassen, daß der Schulrat sie über Worte, die der Direktor gesprochen, oder Handlungen, die er getan haben sollte, einzeln vernommen habe. Es hieß, daß ein früherer Schüler der Anstalt, Dr. G., der sich inzwischen in Halle als Privat¬ dozent habilitiert habe, den Direktor Richter beim Schulkollegium oder Ministerium denunziert habe, daß der Direktor namentlich auch der ungerechten Parteilichkeit gegen Goßrau beschuldigt sei, und daß im Lehrerkollegium die unerquicklichsten Spaltungen und gegenseitigen Anfeindungen bestünde». Glücklicherweise kam bei der Unter- suchung nichts heraus. Der treffliche Goßrau wenigstens war an der Denunziation gegen den Direktor völlig unschuldig. Aber die Autorität des Lehrerkollegiums hatte in den Augen der Schüler durch diese Untersuchung stark gelitten. Nichtsdesto¬ weniger freuten wir uns, daß Franz (der Direktor) aus dieser gegen ihn ange¬ sponnenen Intrigue siegreich hervorging. Wir alle taxierten ihn als einen vornehm denkenden Mann und wurden uns damals erst recht darüber klar, mit welcher Dankbarkeit und Liebe wir an ihm hingen. Der „Alte," Professor Jhlefeldt, gab in Prima nur zwei Stunden französischen und ebensoviel Geschichtsunterricht. Beides war nicht mehr auf der Höhe. Im Französischen wurde ein Abschnitt aus dem gar nicht Übeln Lesebuch von Ideler und Rolle gelesen. Dabei hörte außer dem Schüler, der an der Reihe war, z" übersetzen, und dem Nachbar, der demnächst folgte, niemand zu. Man machte ent¬ weder andre Schularbeiten oder las heimlich Romane unter der Tafel. Namentlich die Geheimnisse von Paris von Eugene Sue, Dumas des Ältern Graf von Monte Christo und einige Romane der George Sand waren damals unter den Schülern su vog'nez. Wir lasen sie aber nicht französisch, sondern verschlangen sie in deutscheu Übersetzungen. So gering dachten wir von dem französischen Unterricht des Alten, daß uns der Gedanke, man könne darin Französisch lernen, ganz fern lag. Es kam damals ein junger Franzose aus Genf nach Quedlinburg und erbot sich im amt¬ lichen Wochenblatt zur Erteilung französischer Konversationsstunden. Mein Vetter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/792>, abgerufen am 03.07.2024.