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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei ^l^lau

Loch in den Kopf geschlagen. Meine Mutter war Aufwärterin. Wenn sie zu
den Leuten ging, so wanderte ich immer mit. Vor den Türen auf und ab.
Manchmal durfte ich mich in die Küche setzen oder auf der Treppe warten, meist
mußte ich auf der Straße bleiben. Daun lief ich hin und her, rieb mir die Hände
und Ohren und hielt den Blick sehnsüchtig ans die Treppe gerichtet, ob nicht die
Mutter käme. Wen" nur nicht jeder mit mir angebunden hätte, aber kein Hund
lief vorüber, ohne nach mir zu schnappen, und jeder große Schlingel rieb sich an
mir. Manchmal schlug auch ein Herr nach mir, wenn ich ihm in den Weg lief.

Damals machte meine Schwester die Bekanntschaft ihres Kaufmanns. Nun
kam manches Gute an uns. Einige mal durfte ich die Schwester besuchen, und
sie hatte dann ihr Getue mit mir. Ich erhielt einen Soldatenanzug, Küraß und
Säbel, und galoppierte damit glückselig im Zimmer herum. Mein Schmerz war
nur, daß ich das Zeug uicht mit nach Hause nehmen durfte. Als ich das wieder
einmal vergeblich verlangt hatte, geriet ich in Wut und trat darauf herum, bis es
aus dem Leime ging, denn ich konnte leicht zornig werden und hatte Courage, zu¬
mal wenn ich was vor mir hatte, das sich nicht zur Wehr setzen konnte. Nachher
weinte ich Tränen. Vogel tröstete mich und versprach mir eine neue Rüstung,
denn er war sehr freundlich mit mir. Nur hatte er immer seine" Scherz mit mir.
Er gab mir manchen guten Bissen und schenkte mir wohl auch ein Glas Wein ein.
Einmal machte er mich auch betrunken, sodaß mir einen ganzen Tag elend war,
aber ich rechnete es ihm doch nicht an, sondern hatte ihn gern und sehnte mich
nach ihm. Wie lange das gedauert haben mag, weiß ich nicht; eines Tags war
die Mutter gestorben, und ich kam ins Waisenhaus.

So vergingen die Jahre. Es war im Waisenhaus auch ein Mädchen, das
nur von Anfang an gefiel und immer besser. Sie hatte rote Bäckchen nud Ver-
gißmeinuichtaugen, aber keinen Charakter. Sie war mit jedermann gut und folgte
jedem wie ein Hündchen.

Weißt dn, Sklaveublut, Vater und Mutter waren die meiste Zeit im Zucht¬
haus, aber das Kind war ehrlich. Als wir aus dem Waisenhaus heraus mußten,
gaben wir uns die Hand darauf, daß wir nicht voneinander lassen würden, und
daß wir uns heiraten wollten. Ich wurde dann Seemann, wonach ich immer ver¬
langt hatte, und fuhr weit herum, bis Singapore und uoch weiter, und dann nach
Hause. Nachdem ich mir die Welt angesehen hatte, wollte ich lieber daheim bleiben
und wurde Schiffer im Lande, fuhr also durch die Wiesen und Wälder, statt auf
dem Meere. Meine Marianne war indessen ein Dienstmädchen geworden, und wir
schrieben uns Brief auf Brief. Zuweilen sahen wir uns auch, und wie ich dann
Soldat wurde, sahen wir uns alle Tage. Das gefiel mir so wohl, daß ich auch
nicht mehr auf dem Lande herumfahren wollte, sondern mir eine Stelle als Haus¬
knecht suchte.

Damals passierte folgendes: Marianne war in einem Laden und machte Ein¬
käufe. Während sie noch mit dem Lehrling verhandelte, trat ein Herr herein,
der etwas taufte nud dann mit der Marianne scherzte und sie mit ihm. Darüber
vergaß er nach dem Gelde zu sehen, das der Kaufmann zurückgegeben hatte, und
als er sich endlich darum bekümmerte, fehlte ein Goldstück. Nun fing man an zu
suche", auf dem Ladentisch, auf der Erde, zwischen herumstehenden Säcken, alles
nichts! Marianne hatte zuerst suchen helfen, plötzlich entfernte sie sich eilig, sie
hatte schon zu lauge geschwatzt. Schließlich sagte jemand, das Mädchen hätte sich
so schnell davon gemacht, ob es das Geld nicht am Ende gefunden und eingesteckt
hätte? Nein, sagte der Kaufmann, es ist ein ehrliches Mädchen, aber immerhin,
man kann nicht wissen. Gelegenheit macht Diebe. Unglücklicherweise geriet auch
ein Polizeibeamter dazwischen, und die Sache wurde amtlich. Als man bei Mariannes
Herrschaft klingelte, bekam das Mädchen ein blutrotes Gesicht und fuhr heraus:
Ich habe das Geld uicht genommen! Das war nun sehr verdächtig, und schließlich
mußte sie mit zur Polizei gehn. Auch der Herr ging mit und war sehr verdrießlich,


Zwei ^l^lau

Loch in den Kopf geschlagen. Meine Mutter war Aufwärterin. Wenn sie zu
den Leuten ging, so wanderte ich immer mit. Vor den Türen auf und ab.
Manchmal durfte ich mich in die Küche setzen oder auf der Treppe warten, meist
mußte ich auf der Straße bleiben. Daun lief ich hin und her, rieb mir die Hände
und Ohren und hielt den Blick sehnsüchtig ans die Treppe gerichtet, ob nicht die
Mutter käme. Wen» nur nicht jeder mit mir angebunden hätte, aber kein Hund
lief vorüber, ohne nach mir zu schnappen, und jeder große Schlingel rieb sich an
mir. Manchmal schlug auch ein Herr nach mir, wenn ich ihm in den Weg lief.

Damals machte meine Schwester die Bekanntschaft ihres Kaufmanns. Nun
kam manches Gute an uns. Einige mal durfte ich die Schwester besuchen, und
sie hatte dann ihr Getue mit mir. Ich erhielt einen Soldatenanzug, Küraß und
Säbel, und galoppierte damit glückselig im Zimmer herum. Mein Schmerz war
nur, daß ich das Zeug uicht mit nach Hause nehmen durfte. Als ich das wieder
einmal vergeblich verlangt hatte, geriet ich in Wut und trat darauf herum, bis es
aus dem Leime ging, denn ich konnte leicht zornig werden und hatte Courage, zu¬
mal wenn ich was vor mir hatte, das sich nicht zur Wehr setzen konnte. Nachher
weinte ich Tränen. Vogel tröstete mich und versprach mir eine neue Rüstung,
denn er war sehr freundlich mit mir. Nur hatte er immer seine» Scherz mit mir.
Er gab mir manchen guten Bissen und schenkte mir wohl auch ein Glas Wein ein.
Einmal machte er mich auch betrunken, sodaß mir einen ganzen Tag elend war,
aber ich rechnete es ihm doch nicht an, sondern hatte ihn gern und sehnte mich
nach ihm. Wie lange das gedauert haben mag, weiß ich nicht; eines Tags war
die Mutter gestorben, und ich kam ins Waisenhaus.

So vergingen die Jahre. Es war im Waisenhaus auch ein Mädchen, das
nur von Anfang an gefiel und immer besser. Sie hatte rote Bäckchen nud Ver-
gißmeinuichtaugen, aber keinen Charakter. Sie war mit jedermann gut und folgte
jedem wie ein Hündchen.

Weißt dn, Sklaveublut, Vater und Mutter waren die meiste Zeit im Zucht¬
haus, aber das Kind war ehrlich. Als wir aus dem Waisenhaus heraus mußten,
gaben wir uns die Hand darauf, daß wir nicht voneinander lassen würden, und
daß wir uns heiraten wollten. Ich wurde dann Seemann, wonach ich immer ver¬
langt hatte, und fuhr weit herum, bis Singapore und uoch weiter, und dann nach
Hause. Nachdem ich mir die Welt angesehen hatte, wollte ich lieber daheim bleiben
und wurde Schiffer im Lande, fuhr also durch die Wiesen und Wälder, statt auf
dem Meere. Meine Marianne war indessen ein Dienstmädchen geworden, und wir
schrieben uns Brief auf Brief. Zuweilen sahen wir uns auch, und wie ich dann
Soldat wurde, sahen wir uns alle Tage. Das gefiel mir so wohl, daß ich auch
nicht mehr auf dem Lande herumfahren wollte, sondern mir eine Stelle als Haus¬
knecht suchte.

Damals passierte folgendes: Marianne war in einem Laden und machte Ein¬
käufe. Während sie noch mit dem Lehrling verhandelte, trat ein Herr herein,
der etwas taufte nud dann mit der Marianne scherzte und sie mit ihm. Darüber
vergaß er nach dem Gelde zu sehen, das der Kaufmann zurückgegeben hatte, und
als er sich endlich darum bekümmerte, fehlte ein Goldstück. Nun fing man an zu
suche», auf dem Ladentisch, auf der Erde, zwischen herumstehenden Säcken, alles
nichts! Marianne hatte zuerst suchen helfen, plötzlich entfernte sie sich eilig, sie
hatte schon zu lauge geschwatzt. Schließlich sagte jemand, das Mädchen hätte sich
so schnell davon gemacht, ob es das Geld nicht am Ende gefunden und eingesteckt
hätte? Nein, sagte der Kaufmann, es ist ein ehrliches Mädchen, aber immerhin,
man kann nicht wissen. Gelegenheit macht Diebe. Unglücklicherweise geriet auch
ein Polizeibeamter dazwischen, und die Sache wurde amtlich. Als man bei Mariannes
Herrschaft klingelte, bekam das Mädchen ein blutrotes Gesicht und fuhr heraus:
Ich habe das Geld uicht genommen! Das war nun sehr verdächtig, und schließlich
mußte sie mit zur Polizei gehn. Auch der Herr ging mit und war sehr verdrießlich,


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[0664] Zwei ^l^lau Loch in den Kopf geschlagen. Meine Mutter war Aufwärterin. Wenn sie zu den Leuten ging, so wanderte ich immer mit. Vor den Türen auf und ab. Manchmal durfte ich mich in die Küche setzen oder auf der Treppe warten, meist mußte ich auf der Straße bleiben. Daun lief ich hin und her, rieb mir die Hände und Ohren und hielt den Blick sehnsüchtig ans die Treppe gerichtet, ob nicht die Mutter käme. Wen» nur nicht jeder mit mir angebunden hätte, aber kein Hund lief vorüber, ohne nach mir zu schnappen, und jeder große Schlingel rieb sich an mir. Manchmal schlug auch ein Herr nach mir, wenn ich ihm in den Weg lief. Damals machte meine Schwester die Bekanntschaft ihres Kaufmanns. Nun kam manches Gute an uns. Einige mal durfte ich die Schwester besuchen, und sie hatte dann ihr Getue mit mir. Ich erhielt einen Soldatenanzug, Küraß und Säbel, und galoppierte damit glückselig im Zimmer herum. Mein Schmerz war nur, daß ich das Zeug uicht mit nach Hause nehmen durfte. Als ich das wieder einmal vergeblich verlangt hatte, geriet ich in Wut und trat darauf herum, bis es aus dem Leime ging, denn ich konnte leicht zornig werden und hatte Courage, zu¬ mal wenn ich was vor mir hatte, das sich nicht zur Wehr setzen konnte. Nachher weinte ich Tränen. Vogel tröstete mich und versprach mir eine neue Rüstung, denn er war sehr freundlich mit mir. Nur hatte er immer seine» Scherz mit mir. Er gab mir manchen guten Bissen und schenkte mir wohl auch ein Glas Wein ein. Einmal machte er mich auch betrunken, sodaß mir einen ganzen Tag elend war, aber ich rechnete es ihm doch nicht an, sondern hatte ihn gern und sehnte mich nach ihm. Wie lange das gedauert haben mag, weiß ich nicht; eines Tags war die Mutter gestorben, und ich kam ins Waisenhaus. So vergingen die Jahre. Es war im Waisenhaus auch ein Mädchen, das nur von Anfang an gefiel und immer besser. Sie hatte rote Bäckchen nud Ver- gißmeinuichtaugen, aber keinen Charakter. Sie war mit jedermann gut und folgte jedem wie ein Hündchen. Weißt dn, Sklaveublut, Vater und Mutter waren die meiste Zeit im Zucht¬ haus, aber das Kind war ehrlich. Als wir aus dem Waisenhaus heraus mußten, gaben wir uns die Hand darauf, daß wir nicht voneinander lassen würden, und daß wir uns heiraten wollten. Ich wurde dann Seemann, wonach ich immer ver¬ langt hatte, und fuhr weit herum, bis Singapore und uoch weiter, und dann nach Hause. Nachdem ich mir die Welt angesehen hatte, wollte ich lieber daheim bleiben und wurde Schiffer im Lande, fuhr also durch die Wiesen und Wälder, statt auf dem Meere. Meine Marianne war indessen ein Dienstmädchen geworden, und wir schrieben uns Brief auf Brief. Zuweilen sahen wir uns auch, und wie ich dann Soldat wurde, sahen wir uns alle Tage. Das gefiel mir so wohl, daß ich auch nicht mehr auf dem Lande herumfahren wollte, sondern mir eine Stelle als Haus¬ knecht suchte. Damals passierte folgendes: Marianne war in einem Laden und machte Ein¬ käufe. Während sie noch mit dem Lehrling verhandelte, trat ein Herr herein, der etwas taufte nud dann mit der Marianne scherzte und sie mit ihm. Darüber vergaß er nach dem Gelde zu sehen, das der Kaufmann zurückgegeben hatte, und als er sich endlich darum bekümmerte, fehlte ein Goldstück. Nun fing man an zu suche», auf dem Ladentisch, auf der Erde, zwischen herumstehenden Säcken, alles nichts! Marianne hatte zuerst suchen helfen, plötzlich entfernte sie sich eilig, sie hatte schon zu lauge geschwatzt. Schließlich sagte jemand, das Mädchen hätte sich so schnell davon gemacht, ob es das Geld nicht am Ende gefunden und eingesteckt hätte? Nein, sagte der Kaufmann, es ist ein ehrliches Mädchen, aber immerhin, man kann nicht wissen. Gelegenheit macht Diebe. Unglücklicherweise geriet auch ein Polizeibeamter dazwischen, und die Sache wurde amtlich. Als man bei Mariannes Herrschaft klingelte, bekam das Mädchen ein blutrotes Gesicht und fuhr heraus: Ich habe das Geld uicht genommen! Das war nun sehr verdächtig, und schließlich mußte sie mit zur Polizei gehn. Auch der Herr ging mit und war sehr verdrießlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/664>, abgerufen am 03.07.2024.