Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Sie Herrschaft auf dein Großen Gzean sehr Viel billiger sein können als die Amerikaner. Eine gewisse Gefahr liegt Von den seefahrenden europäischen Großmächten wird England vor allen Was Deutschland in diesem Zukunftsbild? anbelangt, so ist es für unsre Sie Herrschaft auf dein Großen Gzean sehr Viel billiger sein können als die Amerikaner. Eine gewisse Gefahr liegt Von den seefahrenden europäischen Großmächten wird England vor allen Was Deutschland in diesem Zukunftsbild? anbelangt, so ist es für unsre <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242690"/> <fw type="header" place="top"> Sie Herrschaft auf dein Großen Gzean</fw><lb/> <p xml:id="ID_2276" prev="#ID_2275"> sehr Viel billiger sein können als die Amerikaner. Eine gewisse Gefahr liegt<lb/> freilich darin, daß sich Japan und die chinesischen Küstenprovinzen in Zukunft<lb/> mehr amerikanisieren als europäisieren werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2277"> Von den seefahrenden europäischen Großmächten wird England vor allen<lb/> andern imstande sein, sich einer solchen Verschiebung der Weltinteressen anzu¬<lb/> passen, ihm zunächst Frankreich, das überdem seinen Hauptkolonialbesitz in Afrika<lb/> hat und sich gegenwärtig bereit macht, rechtzeitig auf das von ihm beanspruchte<lb/> syrische Erbe die Hand zu legen. Daher der starke Widerstand, den die deutschen<lb/> Pläne in Nnntolien auf selten Frankreichs finden, dem die deutsche Nachbar¬<lb/> schaft, wenigstens die eiues zunehmenden deutschen Einflusses in Kleinasien und<lb/> damit auch in Syrien unheimlich ist. In Asien liegen Frankreichs Interessen<lb/> in Siam, das wir uns leider haben entgehn lassen, in Hinterindien und in<lb/> Südchina; im Norden nur insofern, als Frankreich nnter den Mächten, die einen<lb/> unmittelbaren Druck auf deu Hof in Peking ausüben, nicht fehlen will. Ru߬<lb/> lands ostasiatische Interessen gipfeln im Norden, wo sein Gegensatz zu Japan<lb/> eines Tages auch Amerika in Mitleidenschaft ziehen und es nötigen konnte, für<lb/> einen der beiden Gegner Partei zu ergreifen. Da sich Rußland aber durchaus<lb/> von seinen Landgrenzen aus vorwärts bewegt, so würde eine amerikanische Gegner¬<lb/> schaft allein ihm kaum Gefahr bringen, so lange seine Schienenwege nach<lb/> Europa leistungsfähig sind. England hat in Hongkong einen starken Schlüssel<lb/> zu seiner ostasiatischen Stellung und wird, wenn sich die Amerikaner dort ein¬<lb/> mal breit machen, alles tun, sie an seiner Seite zu erhalten und zu verhindern,<lb/> daß sie nicht etwa ihre Interessen an die deutschen anlehnen und mit diesen gehen.<lb/> Und wir Deutschen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2278" next="#ID_2279"> Was Deutschland in diesem Zukunftsbild? anbelangt, so ist es für unsre<lb/> Interessen einstweilen nützlicher, zu schweigen. Mag Deutschland immerhin in<lb/> Europa der „saturierte" Staat bleiben, wie ihn die Bismarckische Zeit uns<lb/> hinterlassen hat, es wird um so mehr darauf bedacht sein müssen, jenseits der<lb/> Meere Bürgschaften für die Existenzmöglichkeit eines jährlichen Menschen-<lb/> zuwachscs von 800000 Seelen zu gewinnen. Wächst unsre Nation in diesem<lb/> Tempo weiter, so wird sie bei der Volkszählung von 1925 die Höhe von<lb/> 80 Millionen erreicht, sich mithin gegen die Seelenzahl von 1870 verdoppelt<lb/> haben, an Menschen nicht nur gesättigt, sondern übersättigt sein. Diese ein¬<lb/> fache Tatsache muß maßgebend bleiben für die gesamte Richtung<lb/> unsrer Politik, und namentlich unsrer Handelspolitik. Unser Agrnricr-<lb/> tnm wird entweder seine Leistungsfähigkeit für die deutsche Volksernährung ge¬<lb/> waltig steigern müssen — und diese Leistungsfähigkeit ist noch sehr steigerungs¬<lb/> fähig - - , oder die Wogen einer unaufhaltsamen Entwicklung werden darüber<lb/> hinweggehn. Aber Getreide und Fleisch für 80 Millionen Menschen auf¬<lb/> zubringen, wird die deutsche Landwirtschaft im Jahre 1925 auch beim besten<lb/> Willen voraussichtlich nicht imstande sein; sie kann es bei großem Fleiß und<lb/> rationellen Betriebe vielleicht dcchiu bringen, daß wir 60 Millionen aus eigner<lb/> Produktion ernähren, dann bleibt für 20 Millionen entweder der Import von<lb/> Getreide und Fleisch aus dem Auslande oder der Export dieser 20 Millionen<lb/> Menschen in überseeische Gebiete übrig, wenn man sie nicht auswandern lassen<lb/> und fremden Nationen wiederum wie früher den deutschen Kulturdünger liefern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0620]
Sie Herrschaft auf dein Großen Gzean
sehr Viel billiger sein können als die Amerikaner. Eine gewisse Gefahr liegt
freilich darin, daß sich Japan und die chinesischen Küstenprovinzen in Zukunft
mehr amerikanisieren als europäisieren werden.
Von den seefahrenden europäischen Großmächten wird England vor allen
andern imstande sein, sich einer solchen Verschiebung der Weltinteressen anzu¬
passen, ihm zunächst Frankreich, das überdem seinen Hauptkolonialbesitz in Afrika
hat und sich gegenwärtig bereit macht, rechtzeitig auf das von ihm beanspruchte
syrische Erbe die Hand zu legen. Daher der starke Widerstand, den die deutschen
Pläne in Nnntolien auf selten Frankreichs finden, dem die deutsche Nachbar¬
schaft, wenigstens die eiues zunehmenden deutschen Einflusses in Kleinasien und
damit auch in Syrien unheimlich ist. In Asien liegen Frankreichs Interessen
in Siam, das wir uns leider haben entgehn lassen, in Hinterindien und in
Südchina; im Norden nur insofern, als Frankreich nnter den Mächten, die einen
unmittelbaren Druck auf deu Hof in Peking ausüben, nicht fehlen will. Ru߬
lands ostasiatische Interessen gipfeln im Norden, wo sein Gegensatz zu Japan
eines Tages auch Amerika in Mitleidenschaft ziehen und es nötigen konnte, für
einen der beiden Gegner Partei zu ergreifen. Da sich Rußland aber durchaus
von seinen Landgrenzen aus vorwärts bewegt, so würde eine amerikanische Gegner¬
schaft allein ihm kaum Gefahr bringen, so lange seine Schienenwege nach
Europa leistungsfähig sind. England hat in Hongkong einen starken Schlüssel
zu seiner ostasiatischen Stellung und wird, wenn sich die Amerikaner dort ein¬
mal breit machen, alles tun, sie an seiner Seite zu erhalten und zu verhindern,
daß sie nicht etwa ihre Interessen an die deutschen anlehnen und mit diesen gehen.
Und wir Deutschen?
Was Deutschland in diesem Zukunftsbild? anbelangt, so ist es für unsre
Interessen einstweilen nützlicher, zu schweigen. Mag Deutschland immerhin in
Europa der „saturierte" Staat bleiben, wie ihn die Bismarckische Zeit uns
hinterlassen hat, es wird um so mehr darauf bedacht sein müssen, jenseits der
Meere Bürgschaften für die Existenzmöglichkeit eines jährlichen Menschen-
zuwachscs von 800000 Seelen zu gewinnen. Wächst unsre Nation in diesem
Tempo weiter, so wird sie bei der Volkszählung von 1925 die Höhe von
80 Millionen erreicht, sich mithin gegen die Seelenzahl von 1870 verdoppelt
haben, an Menschen nicht nur gesättigt, sondern übersättigt sein. Diese ein¬
fache Tatsache muß maßgebend bleiben für die gesamte Richtung
unsrer Politik, und namentlich unsrer Handelspolitik. Unser Agrnricr-
tnm wird entweder seine Leistungsfähigkeit für die deutsche Volksernährung ge¬
waltig steigern müssen — und diese Leistungsfähigkeit ist noch sehr steigerungs¬
fähig - - , oder die Wogen einer unaufhaltsamen Entwicklung werden darüber
hinweggehn. Aber Getreide und Fleisch für 80 Millionen Menschen auf¬
zubringen, wird die deutsche Landwirtschaft im Jahre 1925 auch beim besten
Willen voraussichtlich nicht imstande sein; sie kann es bei großem Fleiß und
rationellen Betriebe vielleicht dcchiu bringen, daß wir 60 Millionen aus eigner
Produktion ernähren, dann bleibt für 20 Millionen entweder der Import von
Getreide und Fleisch aus dem Auslande oder der Export dieser 20 Millionen
Menschen in überseeische Gebiete übrig, wenn man sie nicht auswandern lassen
und fremden Nationen wiederum wie früher den deutschen Kulturdünger liefern
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