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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

der Zeit auf dem Gebiete italienischer Musik und italienischer Malerei und der
davon abhängigen Kupferstichkunst ein wirklicher Kenner. Er selbst hat im Verein
mit Heineken die Dresdner Kupferstichsammlung geordnet, und die wenigen kleinen
Geschichten von ihm, in denen wir individuelles Leben einer Persönlichkeit spüren,
beziehen sich auf sein Verhältnis zur Kunst. Als 1753 die Sixtinische Madonna
im Thronsaal des Königlichen Schlosses zu Dresden aufgestellt wurde und sich die
passende Beleuchtung nicht finden ließ, rückte er mit eigner Hand den Thronsessel
zur Seite und rief: "Platz da für den großen Raffael!" Graf Pietro Rotari ans
Verona glaubte einst mit dem größten Meister der Beleuchtung, mit Correggio,
wetteifern zu können, indem er in seiner "Ruhe auf der Flucht" '(Dresdner Galerie
Ur. 596) das Christuskind zum Träger der Lichtquelle machte. Er hatte, um
dem König den Vergleich nahe zu legen, sein Bild hinter die auf einer Staffelei
stehende "Heilige Nacht" Correggios gehängt. Der König kam, sah es und wandte
sich spöttisch ab mit den Worten: v'est von xour Is ÄLirisre "Zu LorröM. Aber
er vermochte auch anzuerkennen und zu helfen, sogar wenn eine künstlerische Richtung
der seinigen nicht ganz entsprach. Als er Winkelmanns ihm gewidmete Schrift
"Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke" gelesen hatte, äußerte er:
"Dieser Fisch soll in sein rechtes Wasser kommen" und setzte ihm eine Pension
von zweihundert Tälern jährlich aus, damit er nach Rom reisen könne. Am inter¬
essantesten sind Augusts des Dritten Gedanken über die Errichtung einer Kunst¬
akademie in Dresden. Heineken (Neue Nachrichten Seite 11 f.) hat den König eines
Tages geradezu gefragt, warum er bei seiner ausgesprochnen Liebe zur Kunst in
Dresden keine Kunstakademie errichte. Der König erwiderte mit der Gegenfrage, wen
Heineken zum Direktor vorschlagen wolle, und als dieser auf Silvestri, Groni, Torelli
oder Raphael Mengs hinwies, antwortete der König: "Das wird also eine französische
oder italienische Akademie werden. Wir müssen warten, bis wir einen Deutschen
bekommen," ein interessantes Zeugnis dafür, daß August der Dritte seine Aus-
lttnderei in Sachen der Kunst doch nur als einen Notbehelf ansah. Es hat nach
dem Tode des Königs wirklich noch ein halbes Jahrhundert gedauert, ehe man
von einer deutschen Malerei reden konnte.

Auch Heineken, der erst im Jahre 1791 starb, hat den Anbruch des Morgens
der deutschen Malerei nicht mehr erlebt. Er hätte auch schwerlich Verständnis
dafür gehabt. Die gelehrten Werke, die er in seiner jahrzehntelange" Muße in
Altdöbern, unterstützt von einer herrlichen Bibliothek und reichhaltigen Sammlungen,
verfaßt hat, z. B. die 1768 und 1769 herausgegebnen "Nachrichten von Künstlern,"
sind zwar Zeugnisse eines eisernen Fleißes und enthalten ebenso wie die fünfund¬
dreißig von ihm herrührenden handschriftlichen Foliobände der Dresdner Bibliothek
eine Fülle wertvollen historischen Materials, aber es fehlt darin der lebenweckende
Strom fruchtbarer Ideen.

Ein Beispiel für viele. Heineken hat zwar in der Abhandlung "Das Leben
des Marc Antonio von Bologna" (Nachrichten I, Seite 273 f.) lang und breit
mich von Dürers Kupferstichen und Holzschnitten gehandelt, aber immer nur über
Äußerlichkeiten: das Wesen der Kunst Dürers blieb ihm und seinem ganzen Zeit¬
alter ein Buch mit sieben Siegeln. Erst vor den erstaunten Angen der Bürger
des neuen Deutschen Reiches hat der große Nürnberger Meister seine Wiederauf¬
erstehung gefeiert. Wie wenig Heineken gerade die deutsche Kunst des Jahrhunderts
der Reformation schätzte, geht auch daraus hervor, daß er den von dem Finster-
walder Maler Samuel secher 1575 hergestellten, mit "wohlgemalten" Tafelbildern
gezierten Sänleualtar der Altdöberner Kirche 1751 herausreißen und durch einen
"iter Innigkeit entbehrenden Rokokoaltar ersetzen ließ. Der damalige Pfarrer
Lehmann war damit gewiß nicht einverstanden; denn er hat eine genaue und
lobende Beschreibung des alten Kunstwerks seinem Kirchenbuche einverleibt und auch
ausdrücklich bemerkt, daß der alte Altar nach Burgk im Brandenburgischen verkauft
wurde; er war also keineswegs unbrauchbar geworden. Aber der Pfarrer mußte


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der Zeit auf dem Gebiete italienischer Musik und italienischer Malerei und der
davon abhängigen Kupferstichkunst ein wirklicher Kenner. Er selbst hat im Verein
mit Heineken die Dresdner Kupferstichsammlung geordnet, und die wenigen kleinen
Geschichten von ihm, in denen wir individuelles Leben einer Persönlichkeit spüren,
beziehen sich auf sein Verhältnis zur Kunst. Als 1753 die Sixtinische Madonna
im Thronsaal des Königlichen Schlosses zu Dresden aufgestellt wurde und sich die
passende Beleuchtung nicht finden ließ, rückte er mit eigner Hand den Thronsessel
zur Seite und rief: „Platz da für den großen Raffael!" Graf Pietro Rotari ans
Verona glaubte einst mit dem größten Meister der Beleuchtung, mit Correggio,
wetteifern zu können, indem er in seiner „Ruhe auf der Flucht" '(Dresdner Galerie
Ur. 596) das Christuskind zum Träger der Lichtquelle machte. Er hatte, um
dem König den Vergleich nahe zu legen, sein Bild hinter die auf einer Staffelei
stehende „Heilige Nacht" Correggios gehängt. Der König kam, sah es und wandte
sich spöttisch ab mit den Worten: v'est von xour Is ÄLirisre «Zu LorröM. Aber
er vermochte auch anzuerkennen und zu helfen, sogar wenn eine künstlerische Richtung
der seinigen nicht ganz entsprach. Als er Winkelmanns ihm gewidmete Schrift
„Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke" gelesen hatte, äußerte er:
„Dieser Fisch soll in sein rechtes Wasser kommen" und setzte ihm eine Pension
von zweihundert Tälern jährlich aus, damit er nach Rom reisen könne. Am inter¬
essantesten sind Augusts des Dritten Gedanken über die Errichtung einer Kunst¬
akademie in Dresden. Heineken (Neue Nachrichten Seite 11 f.) hat den König eines
Tages geradezu gefragt, warum er bei seiner ausgesprochnen Liebe zur Kunst in
Dresden keine Kunstakademie errichte. Der König erwiderte mit der Gegenfrage, wen
Heineken zum Direktor vorschlagen wolle, und als dieser auf Silvestri, Groni, Torelli
oder Raphael Mengs hinwies, antwortete der König: „Das wird also eine französische
oder italienische Akademie werden. Wir müssen warten, bis wir einen Deutschen
bekommen," ein interessantes Zeugnis dafür, daß August der Dritte seine Aus-
lttnderei in Sachen der Kunst doch nur als einen Notbehelf ansah. Es hat nach
dem Tode des Königs wirklich noch ein halbes Jahrhundert gedauert, ehe man
von einer deutschen Malerei reden konnte.

Auch Heineken, der erst im Jahre 1791 starb, hat den Anbruch des Morgens
der deutschen Malerei nicht mehr erlebt. Er hätte auch schwerlich Verständnis
dafür gehabt. Die gelehrten Werke, die er in seiner jahrzehntelange« Muße in
Altdöbern, unterstützt von einer herrlichen Bibliothek und reichhaltigen Sammlungen,
verfaßt hat, z. B. die 1768 und 1769 herausgegebnen „Nachrichten von Künstlern,"
sind zwar Zeugnisse eines eisernen Fleißes und enthalten ebenso wie die fünfund¬
dreißig von ihm herrührenden handschriftlichen Foliobände der Dresdner Bibliothek
eine Fülle wertvollen historischen Materials, aber es fehlt darin der lebenweckende
Strom fruchtbarer Ideen.

Ein Beispiel für viele. Heineken hat zwar in der Abhandlung „Das Leben
des Marc Antonio von Bologna" (Nachrichten I, Seite 273 f.) lang und breit
mich von Dürers Kupferstichen und Holzschnitten gehandelt, aber immer nur über
Äußerlichkeiten: das Wesen der Kunst Dürers blieb ihm und seinem ganzen Zeit¬
alter ein Buch mit sieben Siegeln. Erst vor den erstaunten Angen der Bürger
des neuen Deutschen Reiches hat der große Nürnberger Meister seine Wiederauf¬
erstehung gefeiert. Wie wenig Heineken gerade die deutsche Kunst des Jahrhunderts
der Reformation schätzte, geht auch daraus hervor, daß er den von dem Finster-
walder Maler Samuel secher 1575 hergestellten, mit „wohlgemalten" Tafelbildern
gezierten Sänleualtar der Altdöberner Kirche 1751 herausreißen und durch einen
"iter Innigkeit entbehrenden Rokokoaltar ersetzen ließ. Der damalige Pfarrer
Lehmann war damit gewiß nicht einverstanden; denn er hat eine genaue und
lobende Beschreibung des alten Kunstwerks seinem Kirchenbuche einverleibt und auch
ausdrücklich bemerkt, daß der alte Altar nach Burgk im Brandenburgischen verkauft
wurde; er war also keineswegs unbrauchbar geworden. Aber der Pfarrer mußte


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[0595] Wanderungen in der Niederlausitz der Zeit auf dem Gebiete italienischer Musik und italienischer Malerei und der davon abhängigen Kupferstichkunst ein wirklicher Kenner. Er selbst hat im Verein mit Heineken die Dresdner Kupferstichsammlung geordnet, und die wenigen kleinen Geschichten von ihm, in denen wir individuelles Leben einer Persönlichkeit spüren, beziehen sich auf sein Verhältnis zur Kunst. Als 1753 die Sixtinische Madonna im Thronsaal des Königlichen Schlosses zu Dresden aufgestellt wurde und sich die passende Beleuchtung nicht finden ließ, rückte er mit eigner Hand den Thronsessel zur Seite und rief: „Platz da für den großen Raffael!" Graf Pietro Rotari ans Verona glaubte einst mit dem größten Meister der Beleuchtung, mit Correggio, wetteifern zu können, indem er in seiner „Ruhe auf der Flucht" '(Dresdner Galerie Ur. 596) das Christuskind zum Träger der Lichtquelle machte. Er hatte, um dem König den Vergleich nahe zu legen, sein Bild hinter die auf einer Staffelei stehende „Heilige Nacht" Correggios gehängt. Der König kam, sah es und wandte sich spöttisch ab mit den Worten: v'est von xour Is ÄLirisre «Zu LorröM. Aber er vermochte auch anzuerkennen und zu helfen, sogar wenn eine künstlerische Richtung der seinigen nicht ganz entsprach. Als er Winkelmanns ihm gewidmete Schrift „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke" gelesen hatte, äußerte er: „Dieser Fisch soll in sein rechtes Wasser kommen" und setzte ihm eine Pension von zweihundert Tälern jährlich aus, damit er nach Rom reisen könne. Am inter¬ essantesten sind Augusts des Dritten Gedanken über die Errichtung einer Kunst¬ akademie in Dresden. Heineken (Neue Nachrichten Seite 11 f.) hat den König eines Tages geradezu gefragt, warum er bei seiner ausgesprochnen Liebe zur Kunst in Dresden keine Kunstakademie errichte. Der König erwiderte mit der Gegenfrage, wen Heineken zum Direktor vorschlagen wolle, und als dieser auf Silvestri, Groni, Torelli oder Raphael Mengs hinwies, antwortete der König: „Das wird also eine französische oder italienische Akademie werden. Wir müssen warten, bis wir einen Deutschen bekommen," ein interessantes Zeugnis dafür, daß August der Dritte seine Aus- lttnderei in Sachen der Kunst doch nur als einen Notbehelf ansah. Es hat nach dem Tode des Königs wirklich noch ein halbes Jahrhundert gedauert, ehe man von einer deutschen Malerei reden konnte. Auch Heineken, der erst im Jahre 1791 starb, hat den Anbruch des Morgens der deutschen Malerei nicht mehr erlebt. Er hätte auch schwerlich Verständnis dafür gehabt. Die gelehrten Werke, die er in seiner jahrzehntelange« Muße in Altdöbern, unterstützt von einer herrlichen Bibliothek und reichhaltigen Sammlungen, verfaßt hat, z. B. die 1768 und 1769 herausgegebnen „Nachrichten von Künstlern," sind zwar Zeugnisse eines eisernen Fleißes und enthalten ebenso wie die fünfund¬ dreißig von ihm herrührenden handschriftlichen Foliobände der Dresdner Bibliothek eine Fülle wertvollen historischen Materials, aber es fehlt darin der lebenweckende Strom fruchtbarer Ideen. Ein Beispiel für viele. Heineken hat zwar in der Abhandlung „Das Leben des Marc Antonio von Bologna" (Nachrichten I, Seite 273 f.) lang und breit mich von Dürers Kupferstichen und Holzschnitten gehandelt, aber immer nur über Äußerlichkeiten: das Wesen der Kunst Dürers blieb ihm und seinem ganzen Zeit¬ alter ein Buch mit sieben Siegeln. Erst vor den erstaunten Angen der Bürger des neuen Deutschen Reiches hat der große Nürnberger Meister seine Wiederauf¬ erstehung gefeiert. Wie wenig Heineken gerade die deutsche Kunst des Jahrhunderts der Reformation schätzte, geht auch daraus hervor, daß er den von dem Finster- walder Maler Samuel secher 1575 hergestellten, mit „wohlgemalten" Tafelbildern gezierten Sänleualtar der Altdöberner Kirche 1751 herausreißen und durch einen "iter Innigkeit entbehrenden Rokokoaltar ersetzen ließ. Der damalige Pfarrer Lehmann war damit gewiß nicht einverstanden; denn er hat eine genaue und lobende Beschreibung des alten Kunstwerks seinem Kirchenbuche einverleibt und auch ausdrücklich bemerkt, daß der alte Altar nach Burgk im Brandenburgischen verkauft wurde; er war also keineswegs unbrauchbar geworden. Aber der Pfarrer mußte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/595>, abgerufen am 29.06.2024.