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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

der Jahreszahl 1755 Joseph Krinner, ein mir sonst unbekannter Künstler. Sehr
schön, in Correggios Manier, ist das bunte Deckcnbild im Treppenhause, eine Dar¬
stellung der Nacht, die durch eine große, von einem fliegenden Kindengel gehaltne
Laterne erhellt wird.

Beleuchtungseffekte gehören zu den Lieblingsmotiven der damaligen Malerei.
Falls das Bild nicht von dem obskuren Joseph Krinner herrührt, möchte ich es
am liebsten dem Stephan Torelli zuschreiben, der ja, wie wir vorhin gesehen haben,
in Altdöbern gemalt hat. Das Speisezimmer im Erdgeschoß enthält reizende Bilder
in Watteaus Geschmack, das Vorzimmer im ersten Stock in bunten Fresken liebliche
Szenen aus dem Gesellschaftsleben der Rokokozeit: ein vorlesendes Mädchen, eine
Klavierspielerin, der ein Jüngling zuhört, und ähnliches. Der Salon zeigt noch
Reste des kostbaren, aus den edelsten Materialien gefertigten Mobiliars Heinekens
und unter einer einfachen Stuckdecke zahlreiche Konsolen an den Wänden, auf denen
ursprünglich die zierlichen Meißner Porzellangruppen des Meisters Kandler ge¬
standen haben. Die Hauptzierde des Salons aber sind eine Reihe dekorativer
Ölbilder, die über den Türen und an den Wänden in teilweise herrlichen Rahmen
angebracht sind. Namentlich das Bild einer Wahrsagerin ist von ausgezeichneter
Arbeit. Irgendwelche Kunde von dem Maler dieser Bilder ist in Altdöbern nicht
mehr vorhanden, aber ich wußte, daß der berühmte Hofmaler Augusts des Dritten,
Ernst Dietrich (geboren zu Weimar 1712, gestorben 1774 in Dresden) vom Kur¬
fürsten auf Heinekens Rat zu seiner Ausbildung nach Italien geschickt worden war.
Sollte Heineken nicht auch in diesem Falle eine künstlerische Gegenleistung erhalten
haben? Und wirklich schreibt dieser in seinen "Neuen Nachrichten von Künstlern"
(1786) Seite 14: "Man findet auch ein ganzes Zimmer von sechs Feldern und
drey Thürenstücken zu Altdöbern, einem Landgute in der Niederlausitz, welches er
aus Freundschaft in seiner besten Zeit gemalt hat." Dietrichs Stärke beruhte in
der Darstellung idyllischer Landschaften, in denen aber schon etwas Romantisches
vorspukt. Übrigens galt er mit Recht für einen Proteus, "der sich nach Belieben
in Rembrandt und Poelenburg, in Teniers und Watteau, in Elzheimer und du
Jardin usw. verwandeln könne." In der Tat war ich, ehe ich die vorhin zitierte
Stelle fand, versucht, die Altdöberner Snlonbilder für Erzeugnisse eines Franzosen
zu halten -- nun müssen sie aber unzweifelhaft als Werke Dietrichs gelten.

Für den schönsten Raum des Schlosses halte ich den Tanz- und Theatersaal,
der in seinen ganzen Verhältnissen wie in seiner Ausschmückung eine edle Einfach¬
heit offenbart: man sieht, Heineken hat doch von Winkelmann gelernt, so gehässig
er sich auch in seinen Werken (z. B. in der Vorrede zu den "Neuen Nachrichten
von Künstlern") über ihn ausspricht. Die Wände bestehn ans Marmorstuck, sie
finde" ihren obern Abschluß in einem friesartigen Reliefband, das in sehr feiner
Arbeit Musikinstrumente und die Geräte der dramatischen Kunst darstellt. Keinerlei
Mobiliar beeinträchtigt die Wirkung des Raumes, nnr ein großes Ölbild König
Augusts des Dritten hängt an der Wand. Lange haftet unser Blick auf dem gut¬
mütigen, runden Antlitz, aus dem ein Paar großer schöner Augen, das Erbteil
seiner edeln Mutter Christine Eberhardine, auf uns herunterschauen. Hier, im
Schlosse Heinekens, ist man am ehesten in der Lage, den rätselhaften Mann, den
die Natur zu einer bessern und glücklichern Rolle bestimmt zu haben schien, zu ver¬
steh". Sucht man sein Wesen auf deu wichtigsten Feldern fürstlicher Tätigkeit, in der
äußern oder innern Politik, auf dem Gebiete des Kriegswesens oder der Volks¬
wirtschaft zu erfassen, so greift man in die leere Luft, und statt seiner stößt man
auf Brühl und immer wieder auf Vrühl. Aber in seinen Beziehungen zu Heineken,
der auch sein Berater und Agent in Dingen der Kunst war, finden wir ihn selbst.
Seine Geschmacksrichtung war ihm in der Jugend durch die italienischen Reisen,
die mit der Konvertieruug des schon protestantisch konfirmierten Kurprinzen im
engsten Zusammenhang stehn, unauslöschlich eingeprägt worden. Er hat am Dresdner
Hofe den französischen Geschmack durch den italienischen ersetzt und wurde im Laufe


Wanderungen in der Niederlausitz

der Jahreszahl 1755 Joseph Krinner, ein mir sonst unbekannter Künstler. Sehr
schön, in Correggios Manier, ist das bunte Deckcnbild im Treppenhause, eine Dar¬
stellung der Nacht, die durch eine große, von einem fliegenden Kindengel gehaltne
Laterne erhellt wird.

Beleuchtungseffekte gehören zu den Lieblingsmotiven der damaligen Malerei.
Falls das Bild nicht von dem obskuren Joseph Krinner herrührt, möchte ich es
am liebsten dem Stephan Torelli zuschreiben, der ja, wie wir vorhin gesehen haben,
in Altdöbern gemalt hat. Das Speisezimmer im Erdgeschoß enthält reizende Bilder
in Watteaus Geschmack, das Vorzimmer im ersten Stock in bunten Fresken liebliche
Szenen aus dem Gesellschaftsleben der Rokokozeit: ein vorlesendes Mädchen, eine
Klavierspielerin, der ein Jüngling zuhört, und ähnliches. Der Salon zeigt noch
Reste des kostbaren, aus den edelsten Materialien gefertigten Mobiliars Heinekens
und unter einer einfachen Stuckdecke zahlreiche Konsolen an den Wänden, auf denen
ursprünglich die zierlichen Meißner Porzellangruppen des Meisters Kandler ge¬
standen haben. Die Hauptzierde des Salons aber sind eine Reihe dekorativer
Ölbilder, die über den Türen und an den Wänden in teilweise herrlichen Rahmen
angebracht sind. Namentlich das Bild einer Wahrsagerin ist von ausgezeichneter
Arbeit. Irgendwelche Kunde von dem Maler dieser Bilder ist in Altdöbern nicht
mehr vorhanden, aber ich wußte, daß der berühmte Hofmaler Augusts des Dritten,
Ernst Dietrich (geboren zu Weimar 1712, gestorben 1774 in Dresden) vom Kur¬
fürsten auf Heinekens Rat zu seiner Ausbildung nach Italien geschickt worden war.
Sollte Heineken nicht auch in diesem Falle eine künstlerische Gegenleistung erhalten
haben? Und wirklich schreibt dieser in seinen „Neuen Nachrichten von Künstlern"
(1786) Seite 14: „Man findet auch ein ganzes Zimmer von sechs Feldern und
drey Thürenstücken zu Altdöbern, einem Landgute in der Niederlausitz, welches er
aus Freundschaft in seiner besten Zeit gemalt hat." Dietrichs Stärke beruhte in
der Darstellung idyllischer Landschaften, in denen aber schon etwas Romantisches
vorspukt. Übrigens galt er mit Recht für einen Proteus, „der sich nach Belieben
in Rembrandt und Poelenburg, in Teniers und Watteau, in Elzheimer und du
Jardin usw. verwandeln könne." In der Tat war ich, ehe ich die vorhin zitierte
Stelle fand, versucht, die Altdöberner Snlonbilder für Erzeugnisse eines Franzosen
zu halten — nun müssen sie aber unzweifelhaft als Werke Dietrichs gelten.

Für den schönsten Raum des Schlosses halte ich den Tanz- und Theatersaal,
der in seinen ganzen Verhältnissen wie in seiner Ausschmückung eine edle Einfach¬
heit offenbart: man sieht, Heineken hat doch von Winkelmann gelernt, so gehässig
er sich auch in seinen Werken (z. B. in der Vorrede zu den „Neuen Nachrichten
von Künstlern") über ihn ausspricht. Die Wände bestehn ans Marmorstuck, sie
finde» ihren obern Abschluß in einem friesartigen Reliefband, das in sehr feiner
Arbeit Musikinstrumente und die Geräte der dramatischen Kunst darstellt. Keinerlei
Mobiliar beeinträchtigt die Wirkung des Raumes, nnr ein großes Ölbild König
Augusts des Dritten hängt an der Wand. Lange haftet unser Blick auf dem gut¬
mütigen, runden Antlitz, aus dem ein Paar großer schöner Augen, das Erbteil
seiner edeln Mutter Christine Eberhardine, auf uns herunterschauen. Hier, im
Schlosse Heinekens, ist man am ehesten in der Lage, den rätselhaften Mann, den
die Natur zu einer bessern und glücklichern Rolle bestimmt zu haben schien, zu ver¬
steh». Sucht man sein Wesen auf deu wichtigsten Feldern fürstlicher Tätigkeit, in der
äußern oder innern Politik, auf dem Gebiete des Kriegswesens oder der Volks¬
wirtschaft zu erfassen, so greift man in die leere Luft, und statt seiner stößt man
auf Brühl und immer wieder auf Vrühl. Aber in seinen Beziehungen zu Heineken,
der auch sein Berater und Agent in Dingen der Kunst war, finden wir ihn selbst.
Seine Geschmacksrichtung war ihm in der Jugend durch die italienischen Reisen,
die mit der Konvertieruug des schon protestantisch konfirmierten Kurprinzen im
engsten Zusammenhang stehn, unauslöschlich eingeprägt worden. Er hat am Dresdner
Hofe den französischen Geschmack durch den italienischen ersetzt und wurde im Laufe


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[0594] Wanderungen in der Niederlausitz der Jahreszahl 1755 Joseph Krinner, ein mir sonst unbekannter Künstler. Sehr schön, in Correggios Manier, ist das bunte Deckcnbild im Treppenhause, eine Dar¬ stellung der Nacht, die durch eine große, von einem fliegenden Kindengel gehaltne Laterne erhellt wird. Beleuchtungseffekte gehören zu den Lieblingsmotiven der damaligen Malerei. Falls das Bild nicht von dem obskuren Joseph Krinner herrührt, möchte ich es am liebsten dem Stephan Torelli zuschreiben, der ja, wie wir vorhin gesehen haben, in Altdöbern gemalt hat. Das Speisezimmer im Erdgeschoß enthält reizende Bilder in Watteaus Geschmack, das Vorzimmer im ersten Stock in bunten Fresken liebliche Szenen aus dem Gesellschaftsleben der Rokokozeit: ein vorlesendes Mädchen, eine Klavierspielerin, der ein Jüngling zuhört, und ähnliches. Der Salon zeigt noch Reste des kostbaren, aus den edelsten Materialien gefertigten Mobiliars Heinekens und unter einer einfachen Stuckdecke zahlreiche Konsolen an den Wänden, auf denen ursprünglich die zierlichen Meißner Porzellangruppen des Meisters Kandler ge¬ standen haben. Die Hauptzierde des Salons aber sind eine Reihe dekorativer Ölbilder, die über den Türen und an den Wänden in teilweise herrlichen Rahmen angebracht sind. Namentlich das Bild einer Wahrsagerin ist von ausgezeichneter Arbeit. Irgendwelche Kunde von dem Maler dieser Bilder ist in Altdöbern nicht mehr vorhanden, aber ich wußte, daß der berühmte Hofmaler Augusts des Dritten, Ernst Dietrich (geboren zu Weimar 1712, gestorben 1774 in Dresden) vom Kur¬ fürsten auf Heinekens Rat zu seiner Ausbildung nach Italien geschickt worden war. Sollte Heineken nicht auch in diesem Falle eine künstlerische Gegenleistung erhalten haben? Und wirklich schreibt dieser in seinen „Neuen Nachrichten von Künstlern" (1786) Seite 14: „Man findet auch ein ganzes Zimmer von sechs Feldern und drey Thürenstücken zu Altdöbern, einem Landgute in der Niederlausitz, welches er aus Freundschaft in seiner besten Zeit gemalt hat." Dietrichs Stärke beruhte in der Darstellung idyllischer Landschaften, in denen aber schon etwas Romantisches vorspukt. Übrigens galt er mit Recht für einen Proteus, „der sich nach Belieben in Rembrandt und Poelenburg, in Teniers und Watteau, in Elzheimer und du Jardin usw. verwandeln könne." In der Tat war ich, ehe ich die vorhin zitierte Stelle fand, versucht, die Altdöberner Snlonbilder für Erzeugnisse eines Franzosen zu halten — nun müssen sie aber unzweifelhaft als Werke Dietrichs gelten. Für den schönsten Raum des Schlosses halte ich den Tanz- und Theatersaal, der in seinen ganzen Verhältnissen wie in seiner Ausschmückung eine edle Einfach¬ heit offenbart: man sieht, Heineken hat doch von Winkelmann gelernt, so gehässig er sich auch in seinen Werken (z. B. in der Vorrede zu den „Neuen Nachrichten von Künstlern") über ihn ausspricht. Die Wände bestehn ans Marmorstuck, sie finde» ihren obern Abschluß in einem friesartigen Reliefband, das in sehr feiner Arbeit Musikinstrumente und die Geräte der dramatischen Kunst darstellt. Keinerlei Mobiliar beeinträchtigt die Wirkung des Raumes, nnr ein großes Ölbild König Augusts des Dritten hängt an der Wand. Lange haftet unser Blick auf dem gut¬ mütigen, runden Antlitz, aus dem ein Paar großer schöner Augen, das Erbteil seiner edeln Mutter Christine Eberhardine, auf uns herunterschauen. Hier, im Schlosse Heinekens, ist man am ehesten in der Lage, den rätselhaften Mann, den die Natur zu einer bessern und glücklichern Rolle bestimmt zu haben schien, zu ver¬ steh». Sucht man sein Wesen auf deu wichtigsten Feldern fürstlicher Tätigkeit, in der äußern oder innern Politik, auf dem Gebiete des Kriegswesens oder der Volks¬ wirtschaft zu erfassen, so greift man in die leere Luft, und statt seiner stößt man auf Brühl und immer wieder auf Vrühl. Aber in seinen Beziehungen zu Heineken, der auch sein Berater und Agent in Dingen der Kunst war, finden wir ihn selbst. Seine Geschmacksrichtung war ihm in der Jugend durch die italienischen Reisen, die mit der Konvertieruug des schon protestantisch konfirmierten Kurprinzen im engsten Zusammenhang stehn, unauslöschlich eingeprägt worden. Er hat am Dresdner Hofe den französischen Geschmack durch den italienischen ersetzt und wurde im Laufe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/594>, abgerufen am 01.07.2024.