Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der kleine Livio

zum Verkauf zu tragen ging. Wenn die Leute vor den Häusern kaufen wollten,
mußten sie den Weißen Fisch solange halten, bis die Mutter den Korb vom Kopfe
gehoben und die Fische abgewogen hatte; er wußte das von den Brüdern.

Jetzt, wenn sie das kleine Leinwandpolster auf deu Kopf gelegt und den Korb
hinaufgehoben hatte, auf dem zu oberst die kupferne Wagschale mit ihren Ketten
lag, wandte sie sich auf der Schwelle um und rief seinen Namen. Dann kam er
auf den nackten Füßen herbet und faßte ihre Hand. Erst hatte er sich tüchtig
recken müssen, um sie zu erreichen, und es war ein schwieriges Rutschen und Tasten
gewesen mit den kleinen Füßen über alle die Stufen hinab.

Jetzt aber war Sicherheit und Würde in seinen Bewegungen, trotz des be¬
schwerlichen Weges. Von den Felsen, zu denen die Straßen in Fels- und Stein¬
stufen emporführten, stieg das Städtchen in der Farbe des Gesteins herab zu der
einzigen Uferstraße, ans der sich alles Leben sammelte. An ihre Mauern klopfte
Tag und Nacht das Meer, manchmal spielend, als wäre es belustigt über das
Hindernis, das die kleinen Menschen ihm gebant hatten; manchmal im Unwillen,
daß es sich sollte hindern lassen, bis an die Hansschwellen heranzuspringen und die
Fundamente zittern zu machen, wie es früher getan hatte. An solchen Tagen
mußten die Menschen auf der Uferstraße ihre Stimmen erheben, um sich zu ver¬
ständige", denn die Stimme des Meeres übertönte den Lärm der Straße.

Livio freute sich an dem Gewühl. Da gab es Maulesel mit Schellen und
das kleine graue Eselchen der Brüder Azzarini, das wie eine Maus vor dem großen
Karren herlief und doch feste Beinchen und gute Kräfte hatte, zwei große Menschen
und ein Trüppchen Kinder zu ziehen. Es gab die Post, die dreispännig angefahren
kam, weil sie den steilen Weg über die Berge zu machen hatte. Die fuhr im
Trabe ein, daß die Glocken klangen, und der Behang mit den roten Quasten flog.
Es gab Frauen mit Grünzeug in den Körben, die sie auf dem Kopf trugen, und
welche mit Früchten. Es gab auch den alten, weißhaarigen Sor Severino, der die
Beine nicht mehr heben konnte und mit schlürfenden Schritten, auf einen Stock
gestützt, ging und beständig vor sich hin schalt. Manchmal war er von einer Herde
von Kindern verfolgt, die nach seinem Stock griffen, ihn am Bart zu zupfen suchten,
und wenn er in laute" Zorn ausbrach, kreischend auseinauderstoben. -- Ja, Kinder
gab es auf der Uferstraße mehr, als man zählen konnte, und diese alle, Menschen
und Tiere und Kinder trachteten die Stimme des Meeres zu übertönen. Aber
niemand konnte es so siegreich wie seine Mutter. Er spürte den Ruck in ihrer
Hand, wenn sie zum Ruf ansetzte, und gleich darauf kam es hell und scharf: ?Wol,
?sscz1 -- aoli! -- Fische, Fische, ho! Livio machte einen Sprung, als wollte er
dem Ton nach, der hell und triumphierend über das Getöse des Meeres und der
Straße hinfuhr.

Seine Mutter war schöner und aufrechter als der Glockeuturm in Lerici, sie
konnte lauter rufen als die Glocke, die die Mittagsstunde schlug, und ihre Fische
waren die schönsten, niemand konnte so schöne im Korbe haben. Livio in seinem
verschossenen Kittel stand stolz daneben, wenn die Mutter abwog. Wenn er
nur erst groß wäre und selber hinausfahren könnte ins Meer, wo sie wuchsen!
Es gab eine Stelle, gegenüber dem Haus der Azzariui, da war ein Einschnitt in
der Mauer für die, die hinabsteigen wollten, dort konnte Livio das Meer sehen
bis an den dunkelblauen Rand. Dort lehnte er sich hinaus, wenn die Mutter
drüben an der Hausschwelle den Korb absetzte. Er sah die bunten Segel der
Barken wie rote, gelbe und orangefarbne Falter auf dem Wasser sitzen, er konnte
die Felsen sehen, an denen die kleinern Brüder Muscheln pflückte", die vmissoii,
die wie feste Schuppenpanzer angeklammert saßen und wuchsen, bis sie zur Ernte
reif wurden. Er sah auch die hohen Wellen heranreiten und die verwitterten
Felsen übergießen. Es sah aus, als duckten die sich, um sich die alten Köpfe ab¬
kühlen zu lassen, und sie sahen wohlig aus, wenn das Wasser in zartem Schaum-
geriesel von ihrem braunen Rücken abfloß. Aber einmal, als sich Livio auf beide


Der kleine Livio

zum Verkauf zu tragen ging. Wenn die Leute vor den Häusern kaufen wollten,
mußten sie den Weißen Fisch solange halten, bis die Mutter den Korb vom Kopfe
gehoben und die Fische abgewogen hatte; er wußte das von den Brüdern.

Jetzt, wenn sie das kleine Leinwandpolster auf deu Kopf gelegt und den Korb
hinaufgehoben hatte, auf dem zu oberst die kupferne Wagschale mit ihren Ketten
lag, wandte sie sich auf der Schwelle um und rief seinen Namen. Dann kam er
auf den nackten Füßen herbet und faßte ihre Hand. Erst hatte er sich tüchtig
recken müssen, um sie zu erreichen, und es war ein schwieriges Rutschen und Tasten
gewesen mit den kleinen Füßen über alle die Stufen hinab.

Jetzt aber war Sicherheit und Würde in seinen Bewegungen, trotz des be¬
schwerlichen Weges. Von den Felsen, zu denen die Straßen in Fels- und Stein¬
stufen emporführten, stieg das Städtchen in der Farbe des Gesteins herab zu der
einzigen Uferstraße, ans der sich alles Leben sammelte. An ihre Mauern klopfte
Tag und Nacht das Meer, manchmal spielend, als wäre es belustigt über das
Hindernis, das die kleinen Menschen ihm gebant hatten; manchmal im Unwillen,
daß es sich sollte hindern lassen, bis an die Hansschwellen heranzuspringen und die
Fundamente zittern zu machen, wie es früher getan hatte. An solchen Tagen
mußten die Menschen auf der Uferstraße ihre Stimmen erheben, um sich zu ver¬
ständige», denn die Stimme des Meeres übertönte den Lärm der Straße.

Livio freute sich an dem Gewühl. Da gab es Maulesel mit Schellen und
das kleine graue Eselchen der Brüder Azzarini, das wie eine Maus vor dem großen
Karren herlief und doch feste Beinchen und gute Kräfte hatte, zwei große Menschen
und ein Trüppchen Kinder zu ziehen. Es gab die Post, die dreispännig angefahren
kam, weil sie den steilen Weg über die Berge zu machen hatte. Die fuhr im
Trabe ein, daß die Glocken klangen, und der Behang mit den roten Quasten flog.
Es gab Frauen mit Grünzeug in den Körben, die sie auf dem Kopf trugen, und
welche mit Früchten. Es gab auch den alten, weißhaarigen Sor Severino, der die
Beine nicht mehr heben konnte und mit schlürfenden Schritten, auf einen Stock
gestützt, ging und beständig vor sich hin schalt. Manchmal war er von einer Herde
von Kindern verfolgt, die nach seinem Stock griffen, ihn am Bart zu zupfen suchten,
und wenn er in laute» Zorn ausbrach, kreischend auseinauderstoben. — Ja, Kinder
gab es auf der Uferstraße mehr, als man zählen konnte, und diese alle, Menschen
und Tiere und Kinder trachteten die Stimme des Meeres zu übertönen. Aber
niemand konnte es so siegreich wie seine Mutter. Er spürte den Ruck in ihrer
Hand, wenn sie zum Ruf ansetzte, und gleich darauf kam es hell und scharf: ?Wol,
?sscz1 — aoli! — Fische, Fische, ho! Livio machte einen Sprung, als wollte er
dem Ton nach, der hell und triumphierend über das Getöse des Meeres und der
Straße hinfuhr.

Seine Mutter war schöner und aufrechter als der Glockeuturm in Lerici, sie
konnte lauter rufen als die Glocke, die die Mittagsstunde schlug, und ihre Fische
waren die schönsten, niemand konnte so schöne im Korbe haben. Livio in seinem
verschossenen Kittel stand stolz daneben, wenn die Mutter abwog. Wenn er
nur erst groß wäre und selber hinausfahren könnte ins Meer, wo sie wuchsen!
Es gab eine Stelle, gegenüber dem Haus der Azzariui, da war ein Einschnitt in
der Mauer für die, die hinabsteigen wollten, dort konnte Livio das Meer sehen
bis an den dunkelblauen Rand. Dort lehnte er sich hinaus, wenn die Mutter
drüben an der Hausschwelle den Korb absetzte. Er sah die bunten Segel der
Barken wie rote, gelbe und orangefarbne Falter auf dem Wasser sitzen, er konnte
die Felsen sehen, an denen die kleinern Brüder Muscheln pflückte», die vmissoii,
die wie feste Schuppenpanzer angeklammert saßen und wuchsen, bis sie zur Ernte
reif wurden. Er sah auch die hohen Wellen heranreiten und die verwitterten
Felsen übergießen. Es sah aus, als duckten die sich, um sich die alten Köpfe ab¬
kühlen zu lassen, und sie sahen wohlig aus, wenn das Wasser in zartem Schaum-
geriesel von ihrem braunen Rücken abfloß. Aber einmal, als sich Livio auf beide


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242592"/>
          <fw type="header" place="top"> Der kleine Livio</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1830" prev="#ID_1829"> zum Verkauf zu tragen ging. Wenn die Leute vor den Häusern kaufen wollten,<lb/>
mußten sie den Weißen Fisch solange halten, bis die Mutter den Korb vom Kopfe<lb/>
gehoben und die Fische abgewogen hatte; er wußte das von den Brüdern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1831"> Jetzt, wenn sie das kleine Leinwandpolster auf deu Kopf gelegt und den Korb<lb/>
hinaufgehoben hatte, auf dem zu oberst die kupferne Wagschale mit ihren Ketten<lb/>
lag, wandte sie sich auf der Schwelle um und rief seinen Namen. Dann kam er<lb/>
auf den nackten Füßen herbet und faßte ihre Hand. Erst hatte er sich tüchtig<lb/>
recken müssen, um sie zu erreichen, und es war ein schwieriges Rutschen und Tasten<lb/>
gewesen mit den kleinen Füßen über alle die Stufen hinab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1832"> Jetzt aber war Sicherheit und Würde in seinen Bewegungen, trotz des be¬<lb/>
schwerlichen Weges. Von den Felsen, zu denen die Straßen in Fels- und Stein¬<lb/>
stufen emporführten, stieg das Städtchen in der Farbe des Gesteins herab zu der<lb/>
einzigen Uferstraße, ans der sich alles Leben sammelte. An ihre Mauern klopfte<lb/>
Tag und Nacht das Meer, manchmal spielend, als wäre es belustigt über das<lb/>
Hindernis, das die kleinen Menschen ihm gebant hatten; manchmal im Unwillen,<lb/>
daß es sich sollte hindern lassen, bis an die Hansschwellen heranzuspringen und die<lb/>
Fundamente zittern zu machen, wie es früher getan hatte. An solchen Tagen<lb/>
mußten die Menschen auf der Uferstraße ihre Stimmen erheben, um sich zu ver¬<lb/>
ständige», denn die Stimme des Meeres übertönte den Lärm der Straße.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1833"> Livio freute sich an dem Gewühl. Da gab es Maulesel mit Schellen und<lb/>
das kleine graue Eselchen der Brüder Azzarini, das wie eine Maus vor dem großen<lb/>
Karren herlief und doch feste Beinchen und gute Kräfte hatte, zwei große Menschen<lb/>
und ein Trüppchen Kinder zu ziehen. Es gab die Post, die dreispännig angefahren<lb/>
kam, weil sie den steilen Weg über die Berge zu machen hatte. Die fuhr im<lb/>
Trabe ein, daß die Glocken klangen, und der Behang mit den roten Quasten flog.<lb/>
Es gab Frauen mit Grünzeug in den Körben, die sie auf dem Kopf trugen, und<lb/>
welche mit Früchten. Es gab auch den alten, weißhaarigen Sor Severino, der die<lb/>
Beine nicht mehr heben konnte und mit schlürfenden Schritten, auf einen Stock<lb/>
gestützt, ging und beständig vor sich hin schalt. Manchmal war er von einer Herde<lb/>
von Kindern verfolgt, die nach seinem Stock griffen, ihn am Bart zu zupfen suchten,<lb/>
und wenn er in laute» Zorn ausbrach, kreischend auseinauderstoben. &#x2014; Ja, Kinder<lb/>
gab es auf der Uferstraße mehr, als man zählen konnte, und diese alle, Menschen<lb/>
und Tiere und Kinder trachteten die Stimme des Meeres zu übertönen. Aber<lb/>
niemand konnte es so siegreich wie seine Mutter. Er spürte den Ruck in ihrer<lb/>
Hand, wenn sie zum Ruf ansetzte, und gleich darauf kam es hell und scharf: ?Wol,<lb/>
?sscz1 &#x2014; aoli! &#x2014; Fische, Fische, ho! Livio machte einen Sprung, als wollte er<lb/>
dem Ton nach, der hell und triumphierend über das Getöse des Meeres und der<lb/>
Straße hinfuhr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1834" next="#ID_1835"> Seine Mutter war schöner und aufrechter als der Glockeuturm in Lerici, sie<lb/>
konnte lauter rufen als die Glocke, die die Mittagsstunde schlug, und ihre Fische<lb/>
waren die schönsten, niemand konnte so schöne im Korbe haben. Livio in seinem<lb/>
verschossenen Kittel stand stolz daneben, wenn die Mutter abwog. Wenn er<lb/>
nur erst groß wäre und selber hinausfahren könnte ins Meer, wo sie wuchsen!<lb/>
Es gab eine Stelle, gegenüber dem Haus der Azzariui, da war ein Einschnitt in<lb/>
der Mauer für die, die hinabsteigen wollten, dort konnte Livio das Meer sehen<lb/>
bis an den dunkelblauen Rand. Dort lehnte er sich hinaus, wenn die Mutter<lb/>
drüben an der Hausschwelle den Korb absetzte. Er sah die bunten Segel der<lb/>
Barken wie rote, gelbe und orangefarbne Falter auf dem Wasser sitzen, er konnte<lb/>
die Felsen sehen, an denen die kleinern Brüder Muscheln pflückte», die vmissoii,<lb/>
die wie feste Schuppenpanzer angeklammert saßen und wuchsen, bis sie zur Ernte<lb/>
reif wurden. Er sah auch die hohen Wellen heranreiten und die verwitterten<lb/>
Felsen übergießen. Es sah aus, als duckten die sich, um sich die alten Köpfe ab¬<lb/>
kühlen zu lassen, und sie sahen wohlig aus, wenn das Wasser in zartem Schaum-<lb/>
geriesel von ihrem braunen Rücken abfloß.  Aber einmal, als sich Livio auf beide</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0522] Der kleine Livio zum Verkauf zu tragen ging. Wenn die Leute vor den Häusern kaufen wollten, mußten sie den Weißen Fisch solange halten, bis die Mutter den Korb vom Kopfe gehoben und die Fische abgewogen hatte; er wußte das von den Brüdern. Jetzt, wenn sie das kleine Leinwandpolster auf deu Kopf gelegt und den Korb hinaufgehoben hatte, auf dem zu oberst die kupferne Wagschale mit ihren Ketten lag, wandte sie sich auf der Schwelle um und rief seinen Namen. Dann kam er auf den nackten Füßen herbet und faßte ihre Hand. Erst hatte er sich tüchtig recken müssen, um sie zu erreichen, und es war ein schwieriges Rutschen und Tasten gewesen mit den kleinen Füßen über alle die Stufen hinab. Jetzt aber war Sicherheit und Würde in seinen Bewegungen, trotz des be¬ schwerlichen Weges. Von den Felsen, zu denen die Straßen in Fels- und Stein¬ stufen emporführten, stieg das Städtchen in der Farbe des Gesteins herab zu der einzigen Uferstraße, ans der sich alles Leben sammelte. An ihre Mauern klopfte Tag und Nacht das Meer, manchmal spielend, als wäre es belustigt über das Hindernis, das die kleinen Menschen ihm gebant hatten; manchmal im Unwillen, daß es sich sollte hindern lassen, bis an die Hansschwellen heranzuspringen und die Fundamente zittern zu machen, wie es früher getan hatte. An solchen Tagen mußten die Menschen auf der Uferstraße ihre Stimmen erheben, um sich zu ver¬ ständige», denn die Stimme des Meeres übertönte den Lärm der Straße. Livio freute sich an dem Gewühl. Da gab es Maulesel mit Schellen und das kleine graue Eselchen der Brüder Azzarini, das wie eine Maus vor dem großen Karren herlief und doch feste Beinchen und gute Kräfte hatte, zwei große Menschen und ein Trüppchen Kinder zu ziehen. Es gab die Post, die dreispännig angefahren kam, weil sie den steilen Weg über die Berge zu machen hatte. Die fuhr im Trabe ein, daß die Glocken klangen, und der Behang mit den roten Quasten flog. Es gab Frauen mit Grünzeug in den Körben, die sie auf dem Kopf trugen, und welche mit Früchten. Es gab auch den alten, weißhaarigen Sor Severino, der die Beine nicht mehr heben konnte und mit schlürfenden Schritten, auf einen Stock gestützt, ging und beständig vor sich hin schalt. Manchmal war er von einer Herde von Kindern verfolgt, die nach seinem Stock griffen, ihn am Bart zu zupfen suchten, und wenn er in laute» Zorn ausbrach, kreischend auseinauderstoben. — Ja, Kinder gab es auf der Uferstraße mehr, als man zählen konnte, und diese alle, Menschen und Tiere und Kinder trachteten die Stimme des Meeres zu übertönen. Aber niemand konnte es so siegreich wie seine Mutter. Er spürte den Ruck in ihrer Hand, wenn sie zum Ruf ansetzte, und gleich darauf kam es hell und scharf: ?Wol, ?sscz1 — aoli! — Fische, Fische, ho! Livio machte einen Sprung, als wollte er dem Ton nach, der hell und triumphierend über das Getöse des Meeres und der Straße hinfuhr. Seine Mutter war schöner und aufrechter als der Glockeuturm in Lerici, sie konnte lauter rufen als die Glocke, die die Mittagsstunde schlug, und ihre Fische waren die schönsten, niemand konnte so schöne im Korbe haben. Livio in seinem verschossenen Kittel stand stolz daneben, wenn die Mutter abwog. Wenn er nur erst groß wäre und selber hinausfahren könnte ins Meer, wo sie wuchsen! Es gab eine Stelle, gegenüber dem Haus der Azzariui, da war ein Einschnitt in der Mauer für die, die hinabsteigen wollten, dort konnte Livio das Meer sehen bis an den dunkelblauen Rand. Dort lehnte er sich hinaus, wenn die Mutter drüben an der Hausschwelle den Korb absetzte. Er sah die bunten Segel der Barken wie rote, gelbe und orangefarbne Falter auf dem Wasser sitzen, er konnte die Felsen sehen, an denen die kleinern Brüder Muscheln pflückte», die vmissoii, die wie feste Schuppenpanzer angeklammert saßen und wuchsen, bis sie zur Ernte reif wurden. Er sah auch die hohen Wellen heranreiten und die verwitterten Felsen übergießen. Es sah aus, als duckten die sich, um sich die alten Köpfe ab¬ kühlen zu lassen, und sie sahen wohlig aus, wenn das Wasser in zartem Schaum- geriesel von ihrem braunen Rücken abfloß. Aber einmal, als sich Livio auf beide

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/522
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/522>, abgerufen am 22.07.2024.