Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Joseph Sarto Das Priestcrseminar mit seiner schönen Bibliothek und dem meteorologischen Seine soziale Tätigkeit trat in Venedig fast noch mehr hervor als in Die katholische Presse, namentlich ihr Hauptorgan, I^i. vikssa, unterstützte er Als der Kardinal Sarto um 26. Juli Nachmittags zum Konklave nach Joseph Sarto Das Priestcrseminar mit seiner schönen Bibliothek und dem meteorologischen Seine soziale Tätigkeit trat in Venedig fast noch mehr hervor als in Die katholische Presse, namentlich ihr Hauptorgan, I^i. vikssa, unterstützte er Als der Kardinal Sarto um 26. Juli Nachmittags zum Konklave nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242428"/> <fw type="header" place="top"> Joseph Sarto</fw><lb/> <p xml:id="ID_1247" prev="#ID_1246"> Das Priestcrseminar mit seiner schönen Bibliothek und dem meteorologischen<lb/> Observatorium erfreute sich seiner ganz besondern Fürsorge; für die Leitung<lb/> des Kirchengesanges in San Marco berief er Perosi nach Venedig, und wissen¬<lb/> schaftliche Studien unterstützte er mit hilfsbereitein Verständnis und fast väter¬<lb/> lichem Wohlwollen. Um auch Gebildete für kirchliche Interessen mehr zu ge¬<lb/> winnen, ließ er monatlich von Priestern öffentliche Vortrüge halten, bei denen<lb/> die freieste Aussprache erlaubt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1248"> Seine soziale Tätigkeit trat in Venedig fast noch mehr hervor als in<lb/> Mantua. Seine Mildtätigkeit überstieg auch hier oft so sehr seine Mittel, daß er<lb/> nicht selten bei einem jüdischen Bankier, der sich eine Ehre daraus machte, ihm<lb/> zu dienen, kleine Anleihen aufnehmen mußte. Indem er sich eine Anzahl einflu߬<lb/> reicher Freunde gewann, gelang es ihm, das katholische Vereinswesen aufs<lb/> kräftigste zu fördern, ihm in einem Diözcsanausschuß eine einheitliche Leitung<lb/> zu geben und ein Netz von ländlichen Darlehnslassen zu gründen. Er genoß<lb/> deshalb solches Vertrauen bei allen Parteien, daß man bei Streitigkeiten zwischen<lb/> Unternehmern und Arbeitern gern seine Vermittlung anrief.</p><lb/> <p xml:id="ID_1249"> Die katholische Presse, namentlich ihr Hauptorgan, I^i. vikssa, unterstützte er<lb/> energisch, auch finanziell, und er erlangte schließlich solchen Einfluß, daß bei den<lb/> letzten Wahlen zum Mnnizipalrat im Dezember 1901 die „katholische" Partei<lb/> in Verbindung mit den gemäßigten Liberalen die bisher herrschenden Radikalen<lb/> gänzlich aus dem Felde schlug und die Stadtverwaltung in ihre Hände brachte,<lb/> ein Sieg auch des monarchischen Gedankens über die in Italien bekanntlich<lb/> starken republikanischen Tendenzen. Zu den königlichen Behörden bestand das<lb/> beste Verhältnis. Gegen den Wunsch des Vatikans stattete er dem König<lb/> Humbert bei dessen letzter Anwesenheit in Venedig im Oktober 1898 seinen<lb/> Besuch ab, und bei der Grundsteinlegung für den Neubau des am 14. Juli<lb/> 1902 zusammengestürzten Marknstnrmes im Mai 1903 sprach er in Gegen¬<lb/> wart des Grafen von Turin freundliche Worte über das Königshaus. „Er<lb/> ist ein Politiker ersten Ranges — schrieb die römische (liberale) Tribuna von<lb/> ihm —, der es wunderbar verstanden hat, die klerikale Partei in Venedig zu<lb/> organisieren und mit ihr die städtische Behörde, das öffentliche Leben und die<lb/> Stadt zu beherrschen." Die größte Popularität, eine wahrhafte Verehrung<lb/> war ihm zuteil geworden, und bei seiner Krönungsfeier am 9. August be¬<lb/> deutete mehr als der prunkvolle Gottesdienst in San Marco für die Spitzen<lb/> der Behörden und der Bevölkerung der bescheidne Schmuck, den im Westen<lb/> und im Norden der Stadt, in den armen Stadtteilen fast jedes Hans an¬<lb/> gelegt hatte, und wenn es (nach der Mitteilung eines Augenzeugen) auch nur<lb/> ein Teppich mit dem Bilde des neuen Papstes aus irgend einer illustrierten<lb/> Zeitung womöglich zwischen den Porträts von Garibaldi und König Humbert<lb/> war, und am Abend war dort kein Hans, das nicht illnminiert hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1250" next="#ID_1251"> Als der Kardinal Sarto um 26. Juli Nachmittags zum Konklave nach<lb/> Rom abreiste, da haben schon viele seiner Venezianer gefürchtet, daß er für<lb/> immer von ihnen scheide; er selbst ahnte in seiner tiefen Bescheidenheit nichts<lb/> von dem, was ihm bevorstand. Er hatte schon die Stelle seines Grabes be¬<lb/> stimmt, denn in Venedig gedachte.er zu sterben. Für sich und seine Begleiter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
Joseph Sarto
Das Priestcrseminar mit seiner schönen Bibliothek und dem meteorologischen
Observatorium erfreute sich seiner ganz besondern Fürsorge; für die Leitung
des Kirchengesanges in San Marco berief er Perosi nach Venedig, und wissen¬
schaftliche Studien unterstützte er mit hilfsbereitein Verständnis und fast väter¬
lichem Wohlwollen. Um auch Gebildete für kirchliche Interessen mehr zu ge¬
winnen, ließ er monatlich von Priestern öffentliche Vortrüge halten, bei denen
die freieste Aussprache erlaubt war.
Seine soziale Tätigkeit trat in Venedig fast noch mehr hervor als in
Mantua. Seine Mildtätigkeit überstieg auch hier oft so sehr seine Mittel, daß er
nicht selten bei einem jüdischen Bankier, der sich eine Ehre daraus machte, ihm
zu dienen, kleine Anleihen aufnehmen mußte. Indem er sich eine Anzahl einflu߬
reicher Freunde gewann, gelang es ihm, das katholische Vereinswesen aufs
kräftigste zu fördern, ihm in einem Diözcsanausschuß eine einheitliche Leitung
zu geben und ein Netz von ländlichen Darlehnslassen zu gründen. Er genoß
deshalb solches Vertrauen bei allen Parteien, daß man bei Streitigkeiten zwischen
Unternehmern und Arbeitern gern seine Vermittlung anrief.
Die katholische Presse, namentlich ihr Hauptorgan, I^i. vikssa, unterstützte er
energisch, auch finanziell, und er erlangte schließlich solchen Einfluß, daß bei den
letzten Wahlen zum Mnnizipalrat im Dezember 1901 die „katholische" Partei
in Verbindung mit den gemäßigten Liberalen die bisher herrschenden Radikalen
gänzlich aus dem Felde schlug und die Stadtverwaltung in ihre Hände brachte,
ein Sieg auch des monarchischen Gedankens über die in Italien bekanntlich
starken republikanischen Tendenzen. Zu den königlichen Behörden bestand das
beste Verhältnis. Gegen den Wunsch des Vatikans stattete er dem König
Humbert bei dessen letzter Anwesenheit in Venedig im Oktober 1898 seinen
Besuch ab, und bei der Grundsteinlegung für den Neubau des am 14. Juli
1902 zusammengestürzten Marknstnrmes im Mai 1903 sprach er in Gegen¬
wart des Grafen von Turin freundliche Worte über das Königshaus. „Er
ist ein Politiker ersten Ranges — schrieb die römische (liberale) Tribuna von
ihm —, der es wunderbar verstanden hat, die klerikale Partei in Venedig zu
organisieren und mit ihr die städtische Behörde, das öffentliche Leben und die
Stadt zu beherrschen." Die größte Popularität, eine wahrhafte Verehrung
war ihm zuteil geworden, und bei seiner Krönungsfeier am 9. August be¬
deutete mehr als der prunkvolle Gottesdienst in San Marco für die Spitzen
der Behörden und der Bevölkerung der bescheidne Schmuck, den im Westen
und im Norden der Stadt, in den armen Stadtteilen fast jedes Hans an¬
gelegt hatte, und wenn es (nach der Mitteilung eines Augenzeugen) auch nur
ein Teppich mit dem Bilde des neuen Papstes aus irgend einer illustrierten
Zeitung womöglich zwischen den Porträts von Garibaldi und König Humbert
war, und am Abend war dort kein Hans, das nicht illnminiert hätte.
Als der Kardinal Sarto um 26. Juli Nachmittags zum Konklave nach
Rom abreiste, da haben schon viele seiner Venezianer gefürchtet, daß er für
immer von ihnen scheide; er selbst ahnte in seiner tiefen Bescheidenheit nichts
von dem, was ihm bevorstand. Er hatte schon die Stelle seines Grabes be¬
stimmt, denn in Venedig gedachte.er zu sterben. Für sich und seine Begleiter
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