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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

seinem Briefe vom 3. Juli 1848 an den Erzherzog Johann die diesem durch die
Nationalversammlung übertrague Reichsverweserschaft "für völlig uugiltig, null und
nichtig" erklärt, weil die Versammlung dazu nicht autorisiert sei, um wieviel weniger
konnte er ihr das Recht zuerkennen, eine Krone anzubieten! Die Ablehnung war
die Konsequenz seiner ganzen Auffassung seiner Stellung.

Inzwischen hatten die Vorgänge in Berlin einen seltsamen Verlauf genommen.
Am 2. April hatte Ministerpräsident Graf Brandenburg in der Ersten Kammer
eine Erklärung verlesen, die nur im Sinne einer wenn auch bedingten Annahme
des Frankfurter Antrags gedenket werden konnte. Die Zweite Kammer, der dieselbe
Mitteilung gemacht wurde, beschloß eine Adresse an den König, worin er dringend
gebeten wurde, sich dein Rufe der Nationalversammlung nicht zu entziehen. Für
diese Adresse stimmten nicht nur namhafte Abgeordnete der Rechten, wie Bismarck,
Arnim-Boytzenburg, Kleist-Retzow, sondern auch die der Kammer angehörenden
Minister Manteuffel und v. d. Heydt. Trotzdem war in einem Ministerrat an
demselben Tage unter Vorsitz des Königs festgestellt worden, daß der König die
Annahme des Kaisertitels unter allen Umständen für unangemessen und die Bildung
eines Bundesstaats im Sinne der Reichsverfassung nur dünn für ausführbar halte,
wenn sich ihm nicht nur die Kleinstaaten, sondern auch die Königreiche anschlössen.
Damit war der Stab gebrochen! Aber immerhin war die Antwort des Königs
in der Form scheinbar so entgegenkommend, daß am Abend aus der Soiree beim
Prinzen von Preußen sowohl dieser als auch die Prinzessin und ihre Schwester,
die Prinzessin Karl, die Antwort nicht als eine endgiltig ablehnende gelten lassen
wollten, eher das Gegenteil. War doch in jenen Tagen sogar der hochkonservative
Prinz Karl für die Annahme. -- Der entscheidende Punkt in der Antwort, daß
die von der Nationalversammlung beschlossene und verkündete Reichsverfnssung erst
noch "von den Regierungen in gemeinsamer Beratung geprüft werden müsse," stand
nicht in dem vom Ministerium aufgesetzten und genehmigten Entwurf der Antwort.
Es war das der Passus, den Graf Albrecht Alvensleben hineingebracht hatte, und
der das Schiff im Hafen scheitern machte; es war die tatsächliche Nullifizierung
der Nationalversammlung. Sechs Tage später hat Manteuffel denselben Stand-
Punkt in der Kammer zu vertreten versucht, obwohl er am 2. April für die An-
nahme-Adresse gestimmt hatte. Die Königliche Familie, richtiger die des Prinzen
von Preußen, mag in jenen Tagen noch eine Zeit lang absichtlich die Annahme der
Krone für möglich erachtet haben, weil die schwankenden Anschauungen des Königs
diese Möglichkeit zuließen: auf der einen Seite sein Wunsch nach Macht in Deutsch¬
land, auf der andern seine Scheu vor Österreich und die Abneigung, Macht durch
Macht zu erringen. Der König selbst war über den Sinn und die Tragweite
seiner Antwort jedenfalls nicht im unklaren. Sein Osterbrief an Bunsen über die
"geradezu inqualifiable Deputation der Paulskirche" sprach es mit nackten Worten
aus, daß er seiner Antwort "nur ein Hofkleid angezogen habe," die Nationalver¬
sammlung habe nichts zu bieten, das könne er nur mit seinesgleichen abmachen.
Mit einem Wort: König Friedrich Wilhelm der Vierte wollte für sich, sein Hans
und sein Land größere Machtstellung in Deutschland erringen, aber er fürchtete sich
vor den Wegen, die einzig dazu führen konnten, und war innerlich befriedigt, daß
Österreichs von ihm als legitim anerkannte Stellung ihn daran hinderte. Die An¬
nahme, daß nach dem allem der Brief der Bayern noch in die Wage gefallen sei,
ist schwerlich zulässig.

Der König hatte das richtige Gefühl, daß die Kaiserkrone erkämpft werden
'Nüsse, und daß er dazu nicht die geeignete Persönlichkeit sei. Auch ist kaum
anzunehmen, daß diese Kämpfe nach Annahme der Krone so ausgegangen sein
würden, wie die Kriege, die uuter seinem Nachfolger der Einigung der Deutschen
vorangingen und die Kaiserkrone zur reifen Frucht dieser Siege und der sie
vorbereitenden und ausnutzenden großen Politik machten. So erfüllte sich, was
Dahlmann nach der Ablehnung im April 1849 geschrieben hatte: "Die Hallen der
Paulskirche können zur öden Stätte werden, aber das Werk der Einheit, das hier
angefangen, geht so wenig zurück, wie einst das Werk des Rettungsjnhres 1813.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

seinem Briefe vom 3. Juli 1848 an den Erzherzog Johann die diesem durch die
Nationalversammlung übertrague Reichsverweserschaft „für völlig uugiltig, null und
nichtig" erklärt, weil die Versammlung dazu nicht autorisiert sei, um wieviel weniger
konnte er ihr das Recht zuerkennen, eine Krone anzubieten! Die Ablehnung war
die Konsequenz seiner ganzen Auffassung seiner Stellung.

Inzwischen hatten die Vorgänge in Berlin einen seltsamen Verlauf genommen.
Am 2. April hatte Ministerpräsident Graf Brandenburg in der Ersten Kammer
eine Erklärung verlesen, die nur im Sinne einer wenn auch bedingten Annahme
des Frankfurter Antrags gedenket werden konnte. Die Zweite Kammer, der dieselbe
Mitteilung gemacht wurde, beschloß eine Adresse an den König, worin er dringend
gebeten wurde, sich dein Rufe der Nationalversammlung nicht zu entziehen. Für
diese Adresse stimmten nicht nur namhafte Abgeordnete der Rechten, wie Bismarck,
Arnim-Boytzenburg, Kleist-Retzow, sondern auch die der Kammer angehörenden
Minister Manteuffel und v. d. Heydt. Trotzdem war in einem Ministerrat an
demselben Tage unter Vorsitz des Königs festgestellt worden, daß der König die
Annahme des Kaisertitels unter allen Umständen für unangemessen und die Bildung
eines Bundesstaats im Sinne der Reichsverfassung nur dünn für ausführbar halte,
wenn sich ihm nicht nur die Kleinstaaten, sondern auch die Königreiche anschlössen.
Damit war der Stab gebrochen! Aber immerhin war die Antwort des Königs
in der Form scheinbar so entgegenkommend, daß am Abend aus der Soiree beim
Prinzen von Preußen sowohl dieser als auch die Prinzessin und ihre Schwester,
die Prinzessin Karl, die Antwort nicht als eine endgiltig ablehnende gelten lassen
wollten, eher das Gegenteil. War doch in jenen Tagen sogar der hochkonservative
Prinz Karl für die Annahme. — Der entscheidende Punkt in der Antwort, daß
die von der Nationalversammlung beschlossene und verkündete Reichsverfnssung erst
noch „von den Regierungen in gemeinsamer Beratung geprüft werden müsse," stand
nicht in dem vom Ministerium aufgesetzten und genehmigten Entwurf der Antwort.
Es war das der Passus, den Graf Albrecht Alvensleben hineingebracht hatte, und
der das Schiff im Hafen scheitern machte; es war die tatsächliche Nullifizierung
der Nationalversammlung. Sechs Tage später hat Manteuffel denselben Stand-
Punkt in der Kammer zu vertreten versucht, obwohl er am 2. April für die An-
nahme-Adresse gestimmt hatte. Die Königliche Familie, richtiger die des Prinzen
von Preußen, mag in jenen Tagen noch eine Zeit lang absichtlich die Annahme der
Krone für möglich erachtet haben, weil die schwankenden Anschauungen des Königs
diese Möglichkeit zuließen: auf der einen Seite sein Wunsch nach Macht in Deutsch¬
land, auf der andern seine Scheu vor Österreich und die Abneigung, Macht durch
Macht zu erringen. Der König selbst war über den Sinn und die Tragweite
seiner Antwort jedenfalls nicht im unklaren. Sein Osterbrief an Bunsen über die
»geradezu inqualifiable Deputation der Paulskirche" sprach es mit nackten Worten
aus, daß er seiner Antwort „nur ein Hofkleid angezogen habe," die Nationalver¬
sammlung habe nichts zu bieten, das könne er nur mit seinesgleichen abmachen.
Mit einem Wort: König Friedrich Wilhelm der Vierte wollte für sich, sein Hans
und sein Land größere Machtstellung in Deutschland erringen, aber er fürchtete sich
vor den Wegen, die einzig dazu führen konnten, und war innerlich befriedigt, daß
Österreichs von ihm als legitim anerkannte Stellung ihn daran hinderte. Die An¬
nahme, daß nach dem allem der Brief der Bayern noch in die Wage gefallen sei,
ist schwerlich zulässig.

Der König hatte das richtige Gefühl, daß die Kaiserkrone erkämpft werden
'Nüsse, und daß er dazu nicht die geeignete Persönlichkeit sei. Auch ist kaum
anzunehmen, daß diese Kämpfe nach Annahme der Krone so ausgegangen sein
würden, wie die Kriege, die uuter seinem Nachfolger der Einigung der Deutschen
vorangingen und die Kaiserkrone zur reifen Frucht dieser Siege und der sie
vorbereitenden und ausnutzenden großen Politik machten. So erfüllte sich, was
Dahlmann nach der Ablehnung im April 1849 geschrieben hatte: „Die Hallen der
Paulskirche können zur öden Stätte werden, aber das Werk der Einheit, das hier
angefangen, geht so wenig zurück, wie einst das Werk des Rettungsjnhres 1813.


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[0207] Maßgebliches und Unmaßgebliches seinem Briefe vom 3. Juli 1848 an den Erzherzog Johann die diesem durch die Nationalversammlung übertrague Reichsverweserschaft „für völlig uugiltig, null und nichtig" erklärt, weil die Versammlung dazu nicht autorisiert sei, um wieviel weniger konnte er ihr das Recht zuerkennen, eine Krone anzubieten! Die Ablehnung war die Konsequenz seiner ganzen Auffassung seiner Stellung. Inzwischen hatten die Vorgänge in Berlin einen seltsamen Verlauf genommen. Am 2. April hatte Ministerpräsident Graf Brandenburg in der Ersten Kammer eine Erklärung verlesen, die nur im Sinne einer wenn auch bedingten Annahme des Frankfurter Antrags gedenket werden konnte. Die Zweite Kammer, der dieselbe Mitteilung gemacht wurde, beschloß eine Adresse an den König, worin er dringend gebeten wurde, sich dein Rufe der Nationalversammlung nicht zu entziehen. Für diese Adresse stimmten nicht nur namhafte Abgeordnete der Rechten, wie Bismarck, Arnim-Boytzenburg, Kleist-Retzow, sondern auch die der Kammer angehörenden Minister Manteuffel und v. d. Heydt. Trotzdem war in einem Ministerrat an demselben Tage unter Vorsitz des Königs festgestellt worden, daß der König die Annahme des Kaisertitels unter allen Umständen für unangemessen und die Bildung eines Bundesstaats im Sinne der Reichsverfassung nur dünn für ausführbar halte, wenn sich ihm nicht nur die Kleinstaaten, sondern auch die Königreiche anschlössen. Damit war der Stab gebrochen! Aber immerhin war die Antwort des Königs in der Form scheinbar so entgegenkommend, daß am Abend aus der Soiree beim Prinzen von Preußen sowohl dieser als auch die Prinzessin und ihre Schwester, die Prinzessin Karl, die Antwort nicht als eine endgiltig ablehnende gelten lassen wollten, eher das Gegenteil. War doch in jenen Tagen sogar der hochkonservative Prinz Karl für die Annahme. — Der entscheidende Punkt in der Antwort, daß die von der Nationalversammlung beschlossene und verkündete Reichsverfnssung erst noch „von den Regierungen in gemeinsamer Beratung geprüft werden müsse," stand nicht in dem vom Ministerium aufgesetzten und genehmigten Entwurf der Antwort. Es war das der Passus, den Graf Albrecht Alvensleben hineingebracht hatte, und der das Schiff im Hafen scheitern machte; es war die tatsächliche Nullifizierung der Nationalversammlung. Sechs Tage später hat Manteuffel denselben Stand- Punkt in der Kammer zu vertreten versucht, obwohl er am 2. April für die An- nahme-Adresse gestimmt hatte. Die Königliche Familie, richtiger die des Prinzen von Preußen, mag in jenen Tagen noch eine Zeit lang absichtlich die Annahme der Krone für möglich erachtet haben, weil die schwankenden Anschauungen des Königs diese Möglichkeit zuließen: auf der einen Seite sein Wunsch nach Macht in Deutsch¬ land, auf der andern seine Scheu vor Österreich und die Abneigung, Macht durch Macht zu erringen. Der König selbst war über den Sinn und die Tragweite seiner Antwort jedenfalls nicht im unklaren. Sein Osterbrief an Bunsen über die »geradezu inqualifiable Deputation der Paulskirche" sprach es mit nackten Worten aus, daß er seiner Antwort „nur ein Hofkleid angezogen habe," die Nationalver¬ sammlung habe nichts zu bieten, das könne er nur mit seinesgleichen abmachen. Mit einem Wort: König Friedrich Wilhelm der Vierte wollte für sich, sein Hans und sein Land größere Machtstellung in Deutschland erringen, aber er fürchtete sich vor den Wegen, die einzig dazu führen konnten, und war innerlich befriedigt, daß Österreichs von ihm als legitim anerkannte Stellung ihn daran hinderte. Die An¬ nahme, daß nach dem allem der Brief der Bayern noch in die Wage gefallen sei, ist schwerlich zulässig. Der König hatte das richtige Gefühl, daß die Kaiserkrone erkämpft werden 'Nüsse, und daß er dazu nicht die geeignete Persönlichkeit sei. Auch ist kaum anzunehmen, daß diese Kämpfe nach Annahme der Krone so ausgegangen sein würden, wie die Kriege, die uuter seinem Nachfolger der Einigung der Deutschen vorangingen und die Kaiserkrone zur reifen Frucht dieser Siege und der sie vorbereitenden und ausnutzenden großen Politik machten. So erfüllte sich, was Dahlmann nach der Ablehnung im April 1849 geschrieben hatte: „Die Hallen der Paulskirche können zur öden Stätte werden, aber das Werk der Einheit, das hier angefangen, geht so wenig zurück, wie einst das Werk des Rettungsjnhres 1813.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/207>, abgerufen am 01.07.2024.