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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Anwesenden in sein Kabinett und las ihnen die von ihm ausgeschriebne Antwort
vor, "sie war unbeschreiblich schön und ergreifend." Dann erzählt Gerlach weiter:
"Unser ganzer Angriff konzentrierte sich nur gegen eine Stelle in dem Entwurf.
In derselben erklärte der König, er würde, ganz abgesehen von seiner Person,
nur eine Wahl anerkennen, die von einem ordentlichen Fürstentage unter der Leitung
der mächtigsten Fürsten Deutschlands, also auch mit Zuziehung seiner selbst und
mit Zustimmung deutscher Nation vollbracht worden sei, nach tausendjährigem Rechte."
Bei der Diskussion kam heraus, daß der König keineswegs den Fürstentag einfach
nach der Kopfzahl abstimmen lassen wollte, wo Österreich und Liechtenstein gleichgestellt
wären, "die größern Fürsten, die acht Kurfürsten voran." Er erwiderte Gerlach:
"Tausendjährig ist Ihnen zu apokalyptisch, obschon nach dem Buchstaben wahr."
An die Stelle des Volkes, das der Fürstenwahl zuzustimmen hatte, sollte die Frank¬
furter Versammlung treten. Der König war entschlossen, abzudanken, falls seine
Minister ihn zur Annahme drängen würden, so hatte die Königin mitgeteilt, Bodel-
schwingh, Vincke hatten zur Annahme geraten, ebenso Prinz und Prinzessin von
Preußen. Schließlich notiert Gerlach von der Rede des Königs an die Frank¬
furter Deputation: "Ein neuer wichtiger und sehr guter Passus über die Revision
der Verfassung war durch Alvensleben hineingekommen, und wie der Erfolg zeigt,
der wesentlichste." Der Prinz von Preußen hat um Abend dieses Tages, als Simson
ihm gegenüber die Unvermeidlichkeit "eines Tropfens demokratischen Oich" in der
Reichsverfassung betonte, geäußert: "Das glaube ich auch, mit einem Tropfen, hier
aber haben wir davon eine ganze Flasche." Friedrich Wilhelm der Vierte hat später
ohne sein Wissen die Bezeichnung "Erwählter deutscher Kaiser" in seinen Epaulettes
getragen. Als sie nach seinem Tode seinem Kammerdiener zufielen, und dieser sie auf¬
trennte, fand er auf einer im Innern enthaltnen Platte die Worte eingestickt. Die
Nachfrage ergab, daß sie von der Hand der Stickerin herrührten, die mit der Arbeit
an diesen Epaulettes betraut gewesen war. So trug der König bis zum Ende seiner
Regierung "das Anrecht," das er demi Frankfurter Antrag zuerkannt hatte, mit
sich herum. Es zu verwirklichen blieb seinem Nachfolger vorbehalten. Aber in
seiner Stellung zur Frankfurter Kaiserwnhl ist vom ersten Auftauchen dieses Ge¬
dankens an Friedrich Wilhelm sich allezeit gleich geblieben, auch der von ihm an¬
erkannten glühenden Vaterlandsliebe in den Vorstellungen Arndts und Beckeraths
gegenüber.

Vielleicht aber hat der Brief der Bayern die Intrigue unterstützen sollen,
die in jenen Tagen von österreichischer Seite gesponnen wurde. Fürst Schwarzen¬
berg hatte den Frhrn. v. Prokesch-Osten nach Berlin gesandt, um hier die Annahme
der Kaiserkrone zu hintertreiben. Offenbar war man in Wien durch den Welckerschen
Antrag aufgeschreckt, worin dieser seitherige Gegner Preußens in Erkenntnis der
österreichischen Politik den Abschluß der Verfassungsberatung und die Übertragung
der Kaiserwürde auf den König von Preußen verlangte. In Wien hatte man den
Reichsverweser, Erzherzog Johann, nur als Verhinderer einer Kaiserwahl und als
Platzhalter für den jungen Franz Joseph gelten lassen, dessen Thronbesteigung Wohl
auch aus diesem Grunde beschleunigt worden war, und den man den Deutschen
als ihren Kaiser präsentieren wollte, genau wie es fünfzehn Jahre später auf dem
Frankfurter Fürflentnge noch einmal ernstlich versucht wurde. Prokesch-Osten, der ja
allerdings in seinen Mitteilungen als wenig glaubwürdig gilt, hatte in Berlin leichtes
Spiel. Einer Einwirkung auf den König bedürfte es erst gar nicht, der hatte ihm
schon in der ersten Unteredung am 29. März erklärt, daß die Annahme der Krone
aus dieser Hand "eine Abscheulichkeit" sein, und Österreich gerechten Grund zum
Kriege bieten werde, zu dem Österreich freilich im Frühjahr 1849 so wenig in der
Lage war wie im Winter 1850. Auch der Einfluß der Königin darf wohl nicht
unbeachtet bleiben, die einer Politik, die zur Entzweiung mit Wien und München
führen mußte, nach Kräften entgegenwirkte/") Hatte Friedrich Wilhelm schon in



Auch gegen Prokesch hatte der König mehrmals wiederholt, daß er abdanken werde,
wenn ihm kein andrer Weg bleibe, seine Ehre zu retten.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Anwesenden in sein Kabinett und las ihnen die von ihm ausgeschriebne Antwort
vor, „sie war unbeschreiblich schön und ergreifend." Dann erzählt Gerlach weiter:
„Unser ganzer Angriff konzentrierte sich nur gegen eine Stelle in dem Entwurf.
In derselben erklärte der König, er würde, ganz abgesehen von seiner Person,
nur eine Wahl anerkennen, die von einem ordentlichen Fürstentage unter der Leitung
der mächtigsten Fürsten Deutschlands, also auch mit Zuziehung seiner selbst und
mit Zustimmung deutscher Nation vollbracht worden sei, nach tausendjährigem Rechte."
Bei der Diskussion kam heraus, daß der König keineswegs den Fürstentag einfach
nach der Kopfzahl abstimmen lassen wollte, wo Österreich und Liechtenstein gleichgestellt
wären, „die größern Fürsten, die acht Kurfürsten voran." Er erwiderte Gerlach:
„Tausendjährig ist Ihnen zu apokalyptisch, obschon nach dem Buchstaben wahr."
An die Stelle des Volkes, das der Fürstenwahl zuzustimmen hatte, sollte die Frank¬
furter Versammlung treten. Der König war entschlossen, abzudanken, falls seine
Minister ihn zur Annahme drängen würden, so hatte die Königin mitgeteilt, Bodel-
schwingh, Vincke hatten zur Annahme geraten, ebenso Prinz und Prinzessin von
Preußen. Schließlich notiert Gerlach von der Rede des Königs an die Frank¬
furter Deputation: „Ein neuer wichtiger und sehr guter Passus über die Revision
der Verfassung war durch Alvensleben hineingekommen, und wie der Erfolg zeigt,
der wesentlichste." Der Prinz von Preußen hat um Abend dieses Tages, als Simson
ihm gegenüber die Unvermeidlichkeit „eines Tropfens demokratischen Oich" in der
Reichsverfassung betonte, geäußert: „Das glaube ich auch, mit einem Tropfen, hier
aber haben wir davon eine ganze Flasche." Friedrich Wilhelm der Vierte hat später
ohne sein Wissen die Bezeichnung „Erwählter deutscher Kaiser" in seinen Epaulettes
getragen. Als sie nach seinem Tode seinem Kammerdiener zufielen, und dieser sie auf¬
trennte, fand er auf einer im Innern enthaltnen Platte die Worte eingestickt. Die
Nachfrage ergab, daß sie von der Hand der Stickerin herrührten, die mit der Arbeit
an diesen Epaulettes betraut gewesen war. So trug der König bis zum Ende seiner
Regierung „das Anrecht," das er demi Frankfurter Antrag zuerkannt hatte, mit
sich herum. Es zu verwirklichen blieb seinem Nachfolger vorbehalten. Aber in
seiner Stellung zur Frankfurter Kaiserwnhl ist vom ersten Auftauchen dieses Ge¬
dankens an Friedrich Wilhelm sich allezeit gleich geblieben, auch der von ihm an¬
erkannten glühenden Vaterlandsliebe in den Vorstellungen Arndts und Beckeraths
gegenüber.

Vielleicht aber hat der Brief der Bayern die Intrigue unterstützen sollen,
die in jenen Tagen von österreichischer Seite gesponnen wurde. Fürst Schwarzen¬
berg hatte den Frhrn. v. Prokesch-Osten nach Berlin gesandt, um hier die Annahme
der Kaiserkrone zu hintertreiben. Offenbar war man in Wien durch den Welckerschen
Antrag aufgeschreckt, worin dieser seitherige Gegner Preußens in Erkenntnis der
österreichischen Politik den Abschluß der Verfassungsberatung und die Übertragung
der Kaiserwürde auf den König von Preußen verlangte. In Wien hatte man den
Reichsverweser, Erzherzog Johann, nur als Verhinderer einer Kaiserwahl und als
Platzhalter für den jungen Franz Joseph gelten lassen, dessen Thronbesteigung Wohl
auch aus diesem Grunde beschleunigt worden war, und den man den Deutschen
als ihren Kaiser präsentieren wollte, genau wie es fünfzehn Jahre später auf dem
Frankfurter Fürflentnge noch einmal ernstlich versucht wurde. Prokesch-Osten, der ja
allerdings in seinen Mitteilungen als wenig glaubwürdig gilt, hatte in Berlin leichtes
Spiel. Einer Einwirkung auf den König bedürfte es erst gar nicht, der hatte ihm
schon in der ersten Unteredung am 29. März erklärt, daß die Annahme der Krone
aus dieser Hand „eine Abscheulichkeit" sein, und Österreich gerechten Grund zum
Kriege bieten werde, zu dem Österreich freilich im Frühjahr 1849 so wenig in der
Lage war wie im Winter 1850. Auch der Einfluß der Königin darf wohl nicht
unbeachtet bleiben, die einer Politik, die zur Entzweiung mit Wien und München
führen mußte, nach Kräften entgegenwirkte/") Hatte Friedrich Wilhelm schon in



Auch gegen Prokesch hatte der König mehrmals wiederholt, daß er abdanken werde,
wenn ihm kein andrer Weg bleibe, seine Ehre zu retten.
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[0206] Maßgebliches und Unmaßgebliches Anwesenden in sein Kabinett und las ihnen die von ihm ausgeschriebne Antwort vor, „sie war unbeschreiblich schön und ergreifend." Dann erzählt Gerlach weiter: „Unser ganzer Angriff konzentrierte sich nur gegen eine Stelle in dem Entwurf. In derselben erklärte der König, er würde, ganz abgesehen von seiner Person, nur eine Wahl anerkennen, die von einem ordentlichen Fürstentage unter der Leitung der mächtigsten Fürsten Deutschlands, also auch mit Zuziehung seiner selbst und mit Zustimmung deutscher Nation vollbracht worden sei, nach tausendjährigem Rechte." Bei der Diskussion kam heraus, daß der König keineswegs den Fürstentag einfach nach der Kopfzahl abstimmen lassen wollte, wo Österreich und Liechtenstein gleichgestellt wären, „die größern Fürsten, die acht Kurfürsten voran." Er erwiderte Gerlach: „Tausendjährig ist Ihnen zu apokalyptisch, obschon nach dem Buchstaben wahr." An die Stelle des Volkes, das der Fürstenwahl zuzustimmen hatte, sollte die Frank¬ furter Versammlung treten. Der König war entschlossen, abzudanken, falls seine Minister ihn zur Annahme drängen würden, so hatte die Königin mitgeteilt, Bodel- schwingh, Vincke hatten zur Annahme geraten, ebenso Prinz und Prinzessin von Preußen. Schließlich notiert Gerlach von der Rede des Königs an die Frank¬ furter Deputation: „Ein neuer wichtiger und sehr guter Passus über die Revision der Verfassung war durch Alvensleben hineingekommen, und wie der Erfolg zeigt, der wesentlichste." Der Prinz von Preußen hat um Abend dieses Tages, als Simson ihm gegenüber die Unvermeidlichkeit „eines Tropfens demokratischen Oich" in der Reichsverfassung betonte, geäußert: „Das glaube ich auch, mit einem Tropfen, hier aber haben wir davon eine ganze Flasche." Friedrich Wilhelm der Vierte hat später ohne sein Wissen die Bezeichnung „Erwählter deutscher Kaiser" in seinen Epaulettes getragen. Als sie nach seinem Tode seinem Kammerdiener zufielen, und dieser sie auf¬ trennte, fand er auf einer im Innern enthaltnen Platte die Worte eingestickt. Die Nachfrage ergab, daß sie von der Hand der Stickerin herrührten, die mit der Arbeit an diesen Epaulettes betraut gewesen war. So trug der König bis zum Ende seiner Regierung „das Anrecht," das er demi Frankfurter Antrag zuerkannt hatte, mit sich herum. Es zu verwirklichen blieb seinem Nachfolger vorbehalten. Aber in seiner Stellung zur Frankfurter Kaiserwnhl ist vom ersten Auftauchen dieses Ge¬ dankens an Friedrich Wilhelm sich allezeit gleich geblieben, auch der von ihm an¬ erkannten glühenden Vaterlandsliebe in den Vorstellungen Arndts und Beckeraths gegenüber. Vielleicht aber hat der Brief der Bayern die Intrigue unterstützen sollen, die in jenen Tagen von österreichischer Seite gesponnen wurde. Fürst Schwarzen¬ berg hatte den Frhrn. v. Prokesch-Osten nach Berlin gesandt, um hier die Annahme der Kaiserkrone zu hintertreiben. Offenbar war man in Wien durch den Welckerschen Antrag aufgeschreckt, worin dieser seitherige Gegner Preußens in Erkenntnis der österreichischen Politik den Abschluß der Verfassungsberatung und die Übertragung der Kaiserwürde auf den König von Preußen verlangte. In Wien hatte man den Reichsverweser, Erzherzog Johann, nur als Verhinderer einer Kaiserwahl und als Platzhalter für den jungen Franz Joseph gelten lassen, dessen Thronbesteigung Wohl auch aus diesem Grunde beschleunigt worden war, und den man den Deutschen als ihren Kaiser präsentieren wollte, genau wie es fünfzehn Jahre später auf dem Frankfurter Fürflentnge noch einmal ernstlich versucht wurde. Prokesch-Osten, der ja allerdings in seinen Mitteilungen als wenig glaubwürdig gilt, hatte in Berlin leichtes Spiel. Einer Einwirkung auf den König bedürfte es erst gar nicht, der hatte ihm schon in der ersten Unteredung am 29. März erklärt, daß die Annahme der Krone aus dieser Hand „eine Abscheulichkeit" sein, und Österreich gerechten Grund zum Kriege bieten werde, zu dem Österreich freilich im Frühjahr 1849 so wenig in der Lage war wie im Winter 1850. Auch der Einfluß der Königin darf wohl nicht unbeachtet bleiben, die einer Politik, die zur Entzweiung mit Wien und München führen mußte, nach Kräften entgegenwirkte/") Hatte Friedrich Wilhelm schon in Auch gegen Prokesch hatte der König mehrmals wiederholt, daß er abdanken werde, wenn ihm kein andrer Weg bleibe, seine Ehre zu retten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/206>, abgerufen am 03.07.2024.