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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seelen

daran gedacht hatte, mein Schifflein an dieses grobe Fahrzeug anzubinden und es
von ihn: weiterschleppen zu lassen.

Mariechen sah den Mädchen noch immer nach und sagte: Mich wundert nnr,
daß auch des Stadtmüllers Anna diesen Unfug mitmacht.

Der Meister richtete sich auf. Die Anna aus der Mühle? War die auch
dabei? Laß sehen. Das muß die Große sein mit dem bunten Blumenhut. Sie
ist also wieder aus der Pension zurück?

Mariechen nickte und sagte mit einem spöttischen Blick auf mich- Das wäre
etwas für den Heinrich. Er wirft seine Angel ja nach allen Seiten aus, da sollte
er sie auch einmal in den Mühlenteich werfen.

Ich fuhr empor und wollte etwas unsanftes erwidern, aber der Meister hatte
sie schon mit einem Blicke hinausgeschickt und sagte nun unmutig: Laß dich nicht
auf einen Holzweg schicken, Heinrich. Du hast dich alle die Jahre brav gehalten,
recht brav. Nun bleib nnr noch eine kleine Zeit vernünftig und laß dich nur jetzt
uicht von den Weibern in die Nesseln locken. Die Müllerin ist nichts für dich,
und nachdem sie in der Pension gewesen und ein vornehmes Fräulein geworden
ist, taugt sie dir erst recht nichts. Laß die andern Herzen brechen und halte du
dich sein zurück. Denn dn hast noch viel Zeit vor dir, deine Liebste liegt wohl
noch in der Wiege oder spielt mit der Puppe. Wenn aber einmal deine Zeit
gekommen ist, dann schau dich nur ja nicht nach dem Gelde um, nimm ein armes
Mädchen mit gesunden Armen, einem frischen, natürlichen Herzen und einem ein¬
fachem, dankbaren Sinn, das wird dir tausendmal besser anschlagen als ein weit¬
läufiger Geldsack.

Eine so lange Rede hatte der Meister noch nie in einem Zuge geholten. Ich
sah ihn deshalb auch mißtrauisch an und dachte: Wunderlich, daß die begüterten
Leute so leicht über Geld und Gut absprechen, als wäre es lauter Gift und Ver¬
derben. Und wie sie, wenn es gilt, einen armen Teufel zurückzuhalten, von
Tüchtigkeit, Einfachheit, Gesundheit und Natürlichkeit reden, als ob ein reiches
Mädchen allemal ein Jammerlappen und ein Unausstehlich sein müsse und nicht
die gerühmten Dinge neben einem behaglichen Besitz auch noch haben könne. Wie
ich dies bedachte und heimlich mit dein Meister haderte, sprach plötzlich jemand in
meine Seele hinein: Ans, Meister Heinrich! Das ist eine Aufgabe für dich. Nun
zeige einmal, was du kannst. Die Aufgabe lohnte sich allerdings. Der Müller
war ein vermögender Manu. Seine Wagen rollten uach allen Himmelsrichtungen
und mehrten täglich seinen Besitz. Da er Witwer war und außer dem schonen
Ankleben nur uoch eine kränkliche, schon längst dem Tode vermählte Tochter hatte,
so waren die Aussichten, die Anna einem glücklichen Freier eröffnete, wirklich von
einer herzerfreuenden Art. Jedoch, um gerecht gegen mich selber zu sein, das
Geld war bei dieser kühnen Unternehmung nur der goldne Hintergrund, im Vorder¬
grund meines Verlangens stand denn doch das schöne warme Menschenbild selber.

Nachdem der Plan bei mir feststand, aller Welt zum Trotz deu Versuch zu
machen, ob ich die schöne Müllerin nicht für mich gewinnen könne, galt' es zunächst
eine Anknüpfung zu finden. Und hier kam mir nun das Schicksal in einer wunder¬
baren Weise entgegen, sodaß ich von vornherein nicht mehr an dem Gelingen des
kühnen Plans zweifelte und darum mit dem guten Gewissen und der ruhigen
Sicherheit eines von der Vorsehung geleiteten Menschen in das schöne Sonnenland
der Liebe hineinwandelte. Die Anknüpfung aber ergab sich auf folgende Weise:
Meine Mutter half zuweilen in der Mühle beim Reinigen. So war sie denn
auch gerade an dem Tage, wo ich meine Absichten auf das Müllermädchen gerichtet
hatte, dort beschäftigt, und zwar hatte sie in dem Zimmer des Fräuleins aufzu¬
räumen. Da waren nun auch eine Anzahl aus der Pension mitgebrachte Kisten
auszupacken, deren Inhalt meiner Mutter einen freudigen Schreck einjagte, da sie
wieder einmal einem himmlischen Orakelspiel ans die Fährte gekommen zu sein
glaubte: Schmetterlinge aller Art nämlich breiteten ihre schillernden Flügel aus,


Zwei Seelen

daran gedacht hatte, mein Schifflein an dieses grobe Fahrzeug anzubinden und es
von ihn: weiterschleppen zu lassen.

Mariechen sah den Mädchen noch immer nach und sagte: Mich wundert nnr,
daß auch des Stadtmüllers Anna diesen Unfug mitmacht.

Der Meister richtete sich auf. Die Anna aus der Mühle? War die auch
dabei? Laß sehen. Das muß die Große sein mit dem bunten Blumenhut. Sie
ist also wieder aus der Pension zurück?

Mariechen nickte und sagte mit einem spöttischen Blick auf mich- Das wäre
etwas für den Heinrich. Er wirft seine Angel ja nach allen Seiten aus, da sollte
er sie auch einmal in den Mühlenteich werfen.

Ich fuhr empor und wollte etwas unsanftes erwidern, aber der Meister hatte
sie schon mit einem Blicke hinausgeschickt und sagte nun unmutig: Laß dich nicht
auf einen Holzweg schicken, Heinrich. Du hast dich alle die Jahre brav gehalten,
recht brav. Nun bleib nnr noch eine kleine Zeit vernünftig und laß dich nur jetzt
uicht von den Weibern in die Nesseln locken. Die Müllerin ist nichts für dich,
und nachdem sie in der Pension gewesen und ein vornehmes Fräulein geworden
ist, taugt sie dir erst recht nichts. Laß die andern Herzen brechen und halte du
dich sein zurück. Denn dn hast noch viel Zeit vor dir, deine Liebste liegt wohl
noch in der Wiege oder spielt mit der Puppe. Wenn aber einmal deine Zeit
gekommen ist, dann schau dich nur ja nicht nach dem Gelde um, nimm ein armes
Mädchen mit gesunden Armen, einem frischen, natürlichen Herzen und einem ein¬
fachem, dankbaren Sinn, das wird dir tausendmal besser anschlagen als ein weit¬
läufiger Geldsack.

Eine so lange Rede hatte der Meister noch nie in einem Zuge geholten. Ich
sah ihn deshalb auch mißtrauisch an und dachte: Wunderlich, daß die begüterten
Leute so leicht über Geld und Gut absprechen, als wäre es lauter Gift und Ver¬
derben. Und wie sie, wenn es gilt, einen armen Teufel zurückzuhalten, von
Tüchtigkeit, Einfachheit, Gesundheit und Natürlichkeit reden, als ob ein reiches
Mädchen allemal ein Jammerlappen und ein Unausstehlich sein müsse und nicht
die gerühmten Dinge neben einem behaglichen Besitz auch noch haben könne. Wie
ich dies bedachte und heimlich mit dein Meister haderte, sprach plötzlich jemand in
meine Seele hinein: Ans, Meister Heinrich! Das ist eine Aufgabe für dich. Nun
zeige einmal, was du kannst. Die Aufgabe lohnte sich allerdings. Der Müller
war ein vermögender Manu. Seine Wagen rollten uach allen Himmelsrichtungen
und mehrten täglich seinen Besitz. Da er Witwer war und außer dem schonen
Ankleben nur uoch eine kränkliche, schon längst dem Tode vermählte Tochter hatte,
so waren die Aussichten, die Anna einem glücklichen Freier eröffnete, wirklich von
einer herzerfreuenden Art. Jedoch, um gerecht gegen mich selber zu sein, das
Geld war bei dieser kühnen Unternehmung nur der goldne Hintergrund, im Vorder¬
grund meines Verlangens stand denn doch das schöne warme Menschenbild selber.

Nachdem der Plan bei mir feststand, aller Welt zum Trotz deu Versuch zu
machen, ob ich die schöne Müllerin nicht für mich gewinnen könne, galt' es zunächst
eine Anknüpfung zu finden. Und hier kam mir nun das Schicksal in einer wunder¬
baren Weise entgegen, sodaß ich von vornherein nicht mehr an dem Gelingen des
kühnen Plans zweifelte und darum mit dem guten Gewissen und der ruhigen
Sicherheit eines von der Vorsehung geleiteten Menschen in das schöne Sonnenland
der Liebe hineinwandelte. Die Anknüpfung aber ergab sich auf folgende Weise:
Meine Mutter half zuweilen in der Mühle beim Reinigen. So war sie denn
auch gerade an dem Tage, wo ich meine Absichten auf das Müllermädchen gerichtet
hatte, dort beschäftigt, und zwar hatte sie in dem Zimmer des Fräuleins aufzu¬
räumen. Da waren nun auch eine Anzahl aus der Pension mitgebrachte Kisten
auszupacken, deren Inhalt meiner Mutter einen freudigen Schreck einjagte, da sie
wieder einmal einem himmlischen Orakelspiel ans die Fährte gekommen zu sein
glaubte: Schmetterlinge aller Art nämlich breiteten ihre schillernden Flügel aus,


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[0198] Zwei Seelen daran gedacht hatte, mein Schifflein an dieses grobe Fahrzeug anzubinden und es von ihn: weiterschleppen zu lassen. Mariechen sah den Mädchen noch immer nach und sagte: Mich wundert nnr, daß auch des Stadtmüllers Anna diesen Unfug mitmacht. Der Meister richtete sich auf. Die Anna aus der Mühle? War die auch dabei? Laß sehen. Das muß die Große sein mit dem bunten Blumenhut. Sie ist also wieder aus der Pension zurück? Mariechen nickte und sagte mit einem spöttischen Blick auf mich- Das wäre etwas für den Heinrich. Er wirft seine Angel ja nach allen Seiten aus, da sollte er sie auch einmal in den Mühlenteich werfen. Ich fuhr empor und wollte etwas unsanftes erwidern, aber der Meister hatte sie schon mit einem Blicke hinausgeschickt und sagte nun unmutig: Laß dich nicht auf einen Holzweg schicken, Heinrich. Du hast dich alle die Jahre brav gehalten, recht brav. Nun bleib nnr noch eine kleine Zeit vernünftig und laß dich nur jetzt uicht von den Weibern in die Nesseln locken. Die Müllerin ist nichts für dich, und nachdem sie in der Pension gewesen und ein vornehmes Fräulein geworden ist, taugt sie dir erst recht nichts. Laß die andern Herzen brechen und halte du dich sein zurück. Denn dn hast noch viel Zeit vor dir, deine Liebste liegt wohl noch in der Wiege oder spielt mit der Puppe. Wenn aber einmal deine Zeit gekommen ist, dann schau dich nur ja nicht nach dem Gelde um, nimm ein armes Mädchen mit gesunden Armen, einem frischen, natürlichen Herzen und einem ein¬ fachem, dankbaren Sinn, das wird dir tausendmal besser anschlagen als ein weit¬ läufiger Geldsack. Eine so lange Rede hatte der Meister noch nie in einem Zuge geholten. Ich sah ihn deshalb auch mißtrauisch an und dachte: Wunderlich, daß die begüterten Leute so leicht über Geld und Gut absprechen, als wäre es lauter Gift und Ver¬ derben. Und wie sie, wenn es gilt, einen armen Teufel zurückzuhalten, von Tüchtigkeit, Einfachheit, Gesundheit und Natürlichkeit reden, als ob ein reiches Mädchen allemal ein Jammerlappen und ein Unausstehlich sein müsse und nicht die gerühmten Dinge neben einem behaglichen Besitz auch noch haben könne. Wie ich dies bedachte und heimlich mit dein Meister haderte, sprach plötzlich jemand in meine Seele hinein: Ans, Meister Heinrich! Das ist eine Aufgabe für dich. Nun zeige einmal, was du kannst. Die Aufgabe lohnte sich allerdings. Der Müller war ein vermögender Manu. Seine Wagen rollten uach allen Himmelsrichtungen und mehrten täglich seinen Besitz. Da er Witwer war und außer dem schonen Ankleben nur uoch eine kränkliche, schon längst dem Tode vermählte Tochter hatte, so waren die Aussichten, die Anna einem glücklichen Freier eröffnete, wirklich von einer herzerfreuenden Art. Jedoch, um gerecht gegen mich selber zu sein, das Geld war bei dieser kühnen Unternehmung nur der goldne Hintergrund, im Vorder¬ grund meines Verlangens stand denn doch das schöne warme Menschenbild selber. Nachdem der Plan bei mir feststand, aller Welt zum Trotz deu Versuch zu machen, ob ich die schöne Müllerin nicht für mich gewinnen könne, galt' es zunächst eine Anknüpfung zu finden. Und hier kam mir nun das Schicksal in einer wunder¬ baren Weise entgegen, sodaß ich von vornherein nicht mehr an dem Gelingen des kühnen Plans zweifelte und darum mit dem guten Gewissen und der ruhigen Sicherheit eines von der Vorsehung geleiteten Menschen in das schöne Sonnenland der Liebe hineinwandelte. Die Anknüpfung aber ergab sich auf folgende Weise: Meine Mutter half zuweilen in der Mühle beim Reinigen. So war sie denn auch gerade an dem Tage, wo ich meine Absichten auf das Müllermädchen gerichtet hatte, dort beschäftigt, und zwar hatte sie in dem Zimmer des Fräuleins aufzu¬ räumen. Da waren nun auch eine Anzahl aus der Pension mitgebrachte Kisten auszupacken, deren Inhalt meiner Mutter einen freudigen Schreck einjagte, da sie wieder einmal einem himmlischen Orakelspiel ans die Fährte gekommen zu sein glaubte: Schmetterlinge aller Art nämlich breiteten ihre schillernden Flügel aus,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/198>, abgerufen am 03.07.2024.