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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seelen

our unter ihnen auch nicht eine Spur von Neid und Mißgunst zu merken. Wenigstens
jetzt noch nicht, wo die Geschäfte blühten und nirgends ein Wölkchen an Himmel
stand. Als später das Unglück über sie kam, und ihr Kartenhaus in alle Winde
geblasen wurde, da zerstreuten sie sich auch ohne eine Spur von Teilnahme und
Anhänglichkeit.

Die Kartenspielerei war jedoch in der Tat nnr eine Spielerei und gleichsam
eine Vorbereitungsschnle für wichtigere Dinge, für die der alte Gauner uns aus¬
zubilden beabsichtigte. Während wir miteinander spielten, mochte er meinen Charakter
studiert und meine Fähigkeiten beobachtet haben, nud erst als er meiner sicher zu
sein glaubte, weihte er mich in einen andern verborgnen Zweig seines betriebsamen
Lebens ein. Wir fingen an, die Magazine der Kvlvnialwarenhändler anszuranben,
auch die Eisenbahn suchten wir zu bestehlen. Was uns dabei in die Hände fiel,
das nahm uns ein Spezereihändler willig ab und bezahlte es mit ziemlichem Preise.
Dieser Händler war ein stiller Mann, der es eigentlich nicht nötig hatte, den Hehler
zu machen. Er hatte ein gutgehendes Geschäft und fast gar keine Bedürfnisse. Er
war schon lange Witwer und hatte nur erwachsene Kinder, die gut verheiratet waren,
und so ist es mir heute unverständlich, was den Mann in dieses dunkle Geschäft
hineingetrieben hatte. Ich nehme an, daß er in frühern Jahren einmal in Schönes
Hände geraten war und sich um nicht wieder von ihm losmachen konnte. Da
wir den Erlös für die gestohlnen Güter immer redlich teilten, freilich so, daß unser
Meister den Löwenanteil vorweg nahm, so hatte ich jetzt Geld die Hülle und Fülle und
legte mir schon hinter unserm Hause eine kleine Schatzkammer an. Ich gewann auch die
Mittel, mich von den mir längst lästig gewordnen Hausiergängen möglichst frei zu
machen, indem ich einiges von dem Gelde meinem Onkel gab, die Körbe aber, die
ich nicht schnell verkaufen konnte, einfach wegwarf. Für meine nächtlichen Streifereien
aber gewann ich dadurch die nötige freie Zeit, daß ich mich auf eine Kegelbahn
engagieren ließ, auf der ich dann mich zuweilen erschien, häufiger jedoch Vertretung
schickte.

Meine Tante war mit meinem Nachtleben freilich sehr unzufrieden, aber
sie ließ, was mich betraf, längst gehn, wie es gehn wollte. Auch die Zerrüttung
ihres Hausstandes und den Verlust ihres guten Namens ertrug sie mit wachsender
Gleichgiltigkeit, nur die kleine Martha, die inzwischen zu einem freundlichen, feinen
Kinde heranwuchs, hütete sie wie ihren Augapfel, und sie wandte an das Kind alles,
was in ihrem Herzen noch von Mut und Liebe Porhanden war.

Eins ist mir auch heute noch unerklärlich, daß ich mich nämlich so ohne alles
Sträuben von Schöne für seine Zwecke ausbilden ließ. Ich glaube, es war das
Romantische, was mich anzog. Mein Gewissen hat in dieser Angelegenheit nicht
angesprochen, es wurde durch die Autorität des ältern Mannes, der uns anführte,
in Schach gehalten, wie sich ja manchmal verständige Leute nicht mit ihrer Rede
hervorwagen, wenn ein Maulheld das Wort führt. Schöne tat im übrigen alles
mögliche, unser Gewissen, wenn es sich wider Erwarten doch einmal bemerkbar
machen sollte, bei uns um alles Ansehen zu bringen. Er ist eigentlich der einzige
gewesen, der außer denen, die von Amts wegen darüber zu sprechen hatten, mit mir
von Religion geredet hat. Sein Bemühen ging dahin, uns zu zeigen, daß der
Mensch ohne Seele, die Welt ohne Gott sei, und er redete in derselben Art, wenn
auch in gröberer Weise darüber, wie ich es später in gelehrten Büchern gelesen
habe. Ich hatte noch nicht das Verständnis dafür, was es bedeutet, wenn sich
plötzlich das Auge, das über allem wacht, schließt, und die freundlichen Sterne, die
aus ewigen Höhen in das Dunkel des Lebens herunterleuchten, jählings erlöschen,
aber das weiß ich noch, daß es mich wie ein Schmerz durchfuhr, als ich um nicht
mehr an Gott glauben sollte.

So kam der Tag meiner Konfirmation heran. Man kaun sich denken, daß die
Belehrungen der Schule und der Kirche uuter deu Aufklärungen Schönes nicht eben
zu gedeihen vermochten, doch hielten mich die beiden Alten an, meine Gedanken


Zwei Seelen

our unter ihnen auch nicht eine Spur von Neid und Mißgunst zu merken. Wenigstens
jetzt noch nicht, wo die Geschäfte blühten und nirgends ein Wölkchen an Himmel
stand. Als später das Unglück über sie kam, und ihr Kartenhaus in alle Winde
geblasen wurde, da zerstreuten sie sich auch ohne eine Spur von Teilnahme und
Anhänglichkeit.

Die Kartenspielerei war jedoch in der Tat nnr eine Spielerei und gleichsam
eine Vorbereitungsschnle für wichtigere Dinge, für die der alte Gauner uns aus¬
zubilden beabsichtigte. Während wir miteinander spielten, mochte er meinen Charakter
studiert und meine Fähigkeiten beobachtet haben, nud erst als er meiner sicher zu
sein glaubte, weihte er mich in einen andern verborgnen Zweig seines betriebsamen
Lebens ein. Wir fingen an, die Magazine der Kvlvnialwarenhändler anszuranben,
auch die Eisenbahn suchten wir zu bestehlen. Was uns dabei in die Hände fiel,
das nahm uns ein Spezereihändler willig ab und bezahlte es mit ziemlichem Preise.
Dieser Händler war ein stiller Mann, der es eigentlich nicht nötig hatte, den Hehler
zu machen. Er hatte ein gutgehendes Geschäft und fast gar keine Bedürfnisse. Er
war schon lange Witwer und hatte nur erwachsene Kinder, die gut verheiratet waren,
und so ist es mir heute unverständlich, was den Mann in dieses dunkle Geschäft
hineingetrieben hatte. Ich nehme an, daß er in frühern Jahren einmal in Schönes
Hände geraten war und sich um nicht wieder von ihm losmachen konnte. Da
wir den Erlös für die gestohlnen Güter immer redlich teilten, freilich so, daß unser
Meister den Löwenanteil vorweg nahm, so hatte ich jetzt Geld die Hülle und Fülle und
legte mir schon hinter unserm Hause eine kleine Schatzkammer an. Ich gewann auch die
Mittel, mich von den mir längst lästig gewordnen Hausiergängen möglichst frei zu
machen, indem ich einiges von dem Gelde meinem Onkel gab, die Körbe aber, die
ich nicht schnell verkaufen konnte, einfach wegwarf. Für meine nächtlichen Streifereien
aber gewann ich dadurch die nötige freie Zeit, daß ich mich auf eine Kegelbahn
engagieren ließ, auf der ich dann mich zuweilen erschien, häufiger jedoch Vertretung
schickte.

Meine Tante war mit meinem Nachtleben freilich sehr unzufrieden, aber
sie ließ, was mich betraf, längst gehn, wie es gehn wollte. Auch die Zerrüttung
ihres Hausstandes und den Verlust ihres guten Namens ertrug sie mit wachsender
Gleichgiltigkeit, nur die kleine Martha, die inzwischen zu einem freundlichen, feinen
Kinde heranwuchs, hütete sie wie ihren Augapfel, und sie wandte an das Kind alles,
was in ihrem Herzen noch von Mut und Liebe Porhanden war.

Eins ist mir auch heute noch unerklärlich, daß ich mich nämlich so ohne alles
Sträuben von Schöne für seine Zwecke ausbilden ließ. Ich glaube, es war das
Romantische, was mich anzog. Mein Gewissen hat in dieser Angelegenheit nicht
angesprochen, es wurde durch die Autorität des ältern Mannes, der uns anführte,
in Schach gehalten, wie sich ja manchmal verständige Leute nicht mit ihrer Rede
hervorwagen, wenn ein Maulheld das Wort führt. Schöne tat im übrigen alles
mögliche, unser Gewissen, wenn es sich wider Erwarten doch einmal bemerkbar
machen sollte, bei uns um alles Ansehen zu bringen. Er ist eigentlich der einzige
gewesen, der außer denen, die von Amts wegen darüber zu sprechen hatten, mit mir
von Religion geredet hat. Sein Bemühen ging dahin, uns zu zeigen, daß der
Mensch ohne Seele, die Welt ohne Gott sei, und er redete in derselben Art, wenn
auch in gröberer Weise darüber, wie ich es später in gelehrten Büchern gelesen
habe. Ich hatte noch nicht das Verständnis dafür, was es bedeutet, wenn sich
plötzlich das Auge, das über allem wacht, schließt, und die freundlichen Sterne, die
aus ewigen Höhen in das Dunkel des Lebens herunterleuchten, jählings erlöschen,
aber das weiß ich noch, daß es mich wie ein Schmerz durchfuhr, als ich um nicht
mehr an Gott glauben sollte.

So kam der Tag meiner Konfirmation heran. Man kaun sich denken, daß die
Belehrungen der Schule und der Kirche uuter deu Aufklärungen Schönes nicht eben
zu gedeihen vermochten, doch hielten mich die beiden Alten an, meine Gedanken


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[0132] Zwei Seelen our unter ihnen auch nicht eine Spur von Neid und Mißgunst zu merken. Wenigstens jetzt noch nicht, wo die Geschäfte blühten und nirgends ein Wölkchen an Himmel stand. Als später das Unglück über sie kam, und ihr Kartenhaus in alle Winde geblasen wurde, da zerstreuten sie sich auch ohne eine Spur von Teilnahme und Anhänglichkeit. Die Kartenspielerei war jedoch in der Tat nnr eine Spielerei und gleichsam eine Vorbereitungsschnle für wichtigere Dinge, für die der alte Gauner uns aus¬ zubilden beabsichtigte. Während wir miteinander spielten, mochte er meinen Charakter studiert und meine Fähigkeiten beobachtet haben, nud erst als er meiner sicher zu sein glaubte, weihte er mich in einen andern verborgnen Zweig seines betriebsamen Lebens ein. Wir fingen an, die Magazine der Kvlvnialwarenhändler anszuranben, auch die Eisenbahn suchten wir zu bestehlen. Was uns dabei in die Hände fiel, das nahm uns ein Spezereihändler willig ab und bezahlte es mit ziemlichem Preise. Dieser Händler war ein stiller Mann, der es eigentlich nicht nötig hatte, den Hehler zu machen. Er hatte ein gutgehendes Geschäft und fast gar keine Bedürfnisse. Er war schon lange Witwer und hatte nur erwachsene Kinder, die gut verheiratet waren, und so ist es mir heute unverständlich, was den Mann in dieses dunkle Geschäft hineingetrieben hatte. Ich nehme an, daß er in frühern Jahren einmal in Schönes Hände geraten war und sich um nicht wieder von ihm losmachen konnte. Da wir den Erlös für die gestohlnen Güter immer redlich teilten, freilich so, daß unser Meister den Löwenanteil vorweg nahm, so hatte ich jetzt Geld die Hülle und Fülle und legte mir schon hinter unserm Hause eine kleine Schatzkammer an. Ich gewann auch die Mittel, mich von den mir längst lästig gewordnen Hausiergängen möglichst frei zu machen, indem ich einiges von dem Gelde meinem Onkel gab, die Körbe aber, die ich nicht schnell verkaufen konnte, einfach wegwarf. Für meine nächtlichen Streifereien aber gewann ich dadurch die nötige freie Zeit, daß ich mich auf eine Kegelbahn engagieren ließ, auf der ich dann mich zuweilen erschien, häufiger jedoch Vertretung schickte. Meine Tante war mit meinem Nachtleben freilich sehr unzufrieden, aber sie ließ, was mich betraf, längst gehn, wie es gehn wollte. Auch die Zerrüttung ihres Hausstandes und den Verlust ihres guten Namens ertrug sie mit wachsender Gleichgiltigkeit, nur die kleine Martha, die inzwischen zu einem freundlichen, feinen Kinde heranwuchs, hütete sie wie ihren Augapfel, und sie wandte an das Kind alles, was in ihrem Herzen noch von Mut und Liebe Porhanden war. Eins ist mir auch heute noch unerklärlich, daß ich mich nämlich so ohne alles Sträuben von Schöne für seine Zwecke ausbilden ließ. Ich glaube, es war das Romantische, was mich anzog. Mein Gewissen hat in dieser Angelegenheit nicht angesprochen, es wurde durch die Autorität des ältern Mannes, der uns anführte, in Schach gehalten, wie sich ja manchmal verständige Leute nicht mit ihrer Rede hervorwagen, wenn ein Maulheld das Wort führt. Schöne tat im übrigen alles mögliche, unser Gewissen, wenn es sich wider Erwarten doch einmal bemerkbar machen sollte, bei uns um alles Ansehen zu bringen. Er ist eigentlich der einzige gewesen, der außer denen, die von Amts wegen darüber zu sprechen hatten, mit mir von Religion geredet hat. Sein Bemühen ging dahin, uns zu zeigen, daß der Mensch ohne Seele, die Welt ohne Gott sei, und er redete in derselben Art, wenn auch in gröberer Weise darüber, wie ich es später in gelehrten Büchern gelesen habe. Ich hatte noch nicht das Verständnis dafür, was es bedeutet, wenn sich plötzlich das Auge, das über allem wacht, schließt, und die freundlichen Sterne, die aus ewigen Höhen in das Dunkel des Lebens herunterleuchten, jählings erlöschen, aber das weiß ich noch, daß es mich wie ein Schmerz durchfuhr, als ich um nicht mehr an Gott glauben sollte. So kam der Tag meiner Konfirmation heran. Man kaun sich denken, daß die Belehrungen der Schule und der Kirche uuter deu Aufklärungen Schönes nicht eben zu gedeihen vermochten, doch hielten mich die beiden Alten an, meine Gedanken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/132>, abgerufen am 01.07.2024.