Zwei Seelen Mitbeten Speck Lin Lebensbild von (Fvrtseizung)
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es hatte inzwischen in aller Stille eine Bekanntschaft gemacht, die für mein späteres Leben van einschneidender Bedeutung war. Bei meinen Hausiergängcu hatte ich zuweilen die Gesellschaft zweier muntrer Knaben gehabt, von denen ich zuletzt auch in das Hans ihrer Eltern geladen wurde. Die Leute hießen Schöne, und man nannte sie alle zusammen die schöne Familie, weil ihr Name in einem schlimmen Widerspruch zu ihrem Aussehen stand, Schöne war von Beruf ein Schmied, er übte aber sein Handwerk schon längst nicht mehr aus, weil er das Hämmern nicht vertragen konnte, dagegen gab er sich mit allerlei Basteleien ab, kurierte beschädigte Nähmaschinen, brachte ausgeleierte Schwarzwälder Uhren wieder leidlich in Ordnung oder machte einen musikalischen Marterkasten wieder lebendig. Die meiste Zeit jedoch spintisierte er über eine Erfindung, die er zu machen erschlossen war. Denn was andern gelang, glaubte er sich ebenfalls zutrauen zu dürfen, und er meinte, etwas neues zu entdecken, dazu gehöre kein besondres Wissen, das einem vielmehr dabei hinderlich sein könne, sondern nur etwas Glück. Wenn einer in einen großen dunkeln Raum eingeschlossen zufällig eine Türklinke ergreife, so werde er anch die Mittel finden, sie zu öffnen und sich ins Freie zu bringen. Aber diesen Türgriff zu fassen, dazu gehöre Glück, und ans Glück dürfe jeder rechnen, da es noch immer nicht in festen Händen wäre. Frau Schöne hatte, als sie wirklich noch schön war, in der Zeit, wo sie noch Rapholz gerufen wurde, die Stelle einer Hebe in einer Spielhölle versehen. Als dann ihre Schönheit verblichen war, hatte sie sich auf eine andre Art von Gaunerei gelegt, die Kartenlegerci, zu der ihr Äußeres trefflich paßte. Ein dunkler Kopf wie aus gebräuntem Holz geformt, schwarze brennende Augen und eine geheimnisvolle Stimme machten sie zu einem Menschen¬ wesen, dem man eine Verbindung mit überirdischen Gewalten wohl zutrauen konnte, Sie hatte denn anch eine ausgebreitete Kundschaft, arme Dienstmädchen, denen eine dumme Liebesgeschichte den Kopf verrückt hatte, aber auch begüterte Leute und Menschen, die sich zu den Gebildeten rechneten, liefen abends bei ihr vor und be¬ traten mit einem Lächeln, unter dem sich ein heimliches Grausen verbergen ließ, die geheimnisvolle Zauberstube,
Bei diesen Leuten brachte ich viel Zeit zu und lernte mit allem Eifer, was sich da lernen ließ. Schöne unterrichtete uns in allerlei Kartenspielen, sodaß wir bald imstande waren, jedem, der sein Geld los werden wollte, dazu die Gelegenheit zu bieten. Vorläufig waren wir freilich für die Ausübung dieser freien Kunst noch zu jung, wir konnten uns nach unsers Meisters Wort eben nur für die Zukunft rüsten, die dereinst alle Mühe reichlich lohnen werde. Mit der Zeit brachten wir es denn auch dahin, daß wir unsern Lehrer selbst über¬ listeten oder seinen Schlichen auf die Spur kamen, worauf ihn wohl einer seiner Söhne mit dem Titel Lump traktierte. Das nahm er um gar nicht übel, vielmehr herrschte in dieser Familie die größte Eintracht und Gleichheit, Alt und Jung lebte auf völlig gleichem Fuße miteinander, und da alle von demselben Eifer beseelt waren, möglichst viele Menschen zu betrügen und die Beute gemeinsam zu verbrauchen, so
Zwei Seelen Mitbeten Speck Lin Lebensbild von (Fvrtseizung)
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es hatte inzwischen in aller Stille eine Bekanntschaft gemacht, die für mein späteres Leben van einschneidender Bedeutung war. Bei meinen Hausiergängcu hatte ich zuweilen die Gesellschaft zweier muntrer Knaben gehabt, von denen ich zuletzt auch in das Hans ihrer Eltern geladen wurde. Die Leute hießen Schöne, und man nannte sie alle zusammen die schöne Familie, weil ihr Name in einem schlimmen Widerspruch zu ihrem Aussehen stand, Schöne war von Beruf ein Schmied, er übte aber sein Handwerk schon längst nicht mehr aus, weil er das Hämmern nicht vertragen konnte, dagegen gab er sich mit allerlei Basteleien ab, kurierte beschädigte Nähmaschinen, brachte ausgeleierte Schwarzwälder Uhren wieder leidlich in Ordnung oder machte einen musikalischen Marterkasten wieder lebendig. Die meiste Zeit jedoch spintisierte er über eine Erfindung, die er zu machen erschlossen war. Denn was andern gelang, glaubte er sich ebenfalls zutrauen zu dürfen, und er meinte, etwas neues zu entdecken, dazu gehöre kein besondres Wissen, das einem vielmehr dabei hinderlich sein könne, sondern nur etwas Glück. Wenn einer in einen großen dunkeln Raum eingeschlossen zufällig eine Türklinke ergreife, so werde er anch die Mittel finden, sie zu öffnen und sich ins Freie zu bringen. Aber diesen Türgriff zu fassen, dazu gehöre Glück, und ans Glück dürfe jeder rechnen, da es noch immer nicht in festen Händen wäre. Frau Schöne hatte, als sie wirklich noch schön war, in der Zeit, wo sie noch Rapholz gerufen wurde, die Stelle einer Hebe in einer Spielhölle versehen. Als dann ihre Schönheit verblichen war, hatte sie sich auf eine andre Art von Gaunerei gelegt, die Kartenlegerci, zu der ihr Äußeres trefflich paßte. Ein dunkler Kopf wie aus gebräuntem Holz geformt, schwarze brennende Augen und eine geheimnisvolle Stimme machten sie zu einem Menschen¬ wesen, dem man eine Verbindung mit überirdischen Gewalten wohl zutrauen konnte, Sie hatte denn anch eine ausgebreitete Kundschaft, arme Dienstmädchen, denen eine dumme Liebesgeschichte den Kopf verrückt hatte, aber auch begüterte Leute und Menschen, die sich zu den Gebildeten rechneten, liefen abends bei ihr vor und be¬ traten mit einem Lächeln, unter dem sich ein heimliches Grausen verbergen ließ, die geheimnisvolle Zauberstube,
Bei diesen Leuten brachte ich viel Zeit zu und lernte mit allem Eifer, was sich da lernen ließ. Schöne unterrichtete uns in allerlei Kartenspielen, sodaß wir bald imstande waren, jedem, der sein Geld los werden wollte, dazu die Gelegenheit zu bieten. Vorläufig waren wir freilich für die Ausübung dieser freien Kunst noch zu jung, wir konnten uns nach unsers Meisters Wort eben nur für die Zukunft rüsten, die dereinst alle Mühe reichlich lohnen werde. Mit der Zeit brachten wir es denn auch dahin, daß wir unsern Lehrer selbst über¬ listeten oder seinen Schlichen auf die Spur kamen, worauf ihn wohl einer seiner Söhne mit dem Titel Lump traktierte. Das nahm er um gar nicht übel, vielmehr herrschte in dieser Familie die größte Eintracht und Gleichheit, Alt und Jung lebte auf völlig gleichem Fuße miteinander, und da alle von demselben Eifer beseelt waren, möglichst viele Menschen zu betrügen und die Beute gemeinsam zu verbrauchen, so
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es hatte inzwischen in aller Stille eine Bekanntschaft gemacht, die
für mein späteres Leben van einschneidender Bedeutung war. Bei
meinen Hausiergängcu hatte ich zuweilen die Gesellschaft zweier muntrer
Knaben gehabt, von denen ich zuletzt auch in das Hans ihrer Eltern
geladen wurde. Die Leute hießen Schöne, und man nannte sie alle
zusammen die schöne Familie, weil ihr Name in einem schlimmen
Widerspruch zu ihrem Aussehen stand, Schöne war von Beruf ein Schmied, er
übte aber sein Handwerk schon längst nicht mehr aus, weil er das Hämmern
nicht vertragen konnte, dagegen gab er sich mit allerlei Basteleien ab, kurierte
beschädigte Nähmaschinen, brachte ausgeleierte Schwarzwälder Uhren wieder leidlich
in Ordnung oder machte einen musikalischen Marterkasten wieder lebendig. Die
meiste Zeit jedoch spintisierte er über eine Erfindung, die er zu machen erschlossen
war. Denn was andern gelang, glaubte er sich ebenfalls zutrauen zu dürfen, und
er meinte, etwas neues zu entdecken, dazu gehöre kein besondres Wissen, das einem
vielmehr dabei hinderlich sein könne, sondern nur etwas Glück. Wenn einer in einen
großen dunkeln Raum eingeschlossen zufällig eine Türklinke ergreife, so werde er
anch die Mittel finden, sie zu öffnen und sich ins Freie zu bringen. Aber diesen
Türgriff zu fassen, dazu gehöre Glück, und ans Glück dürfe jeder rechnen, da es
noch immer nicht in festen Händen wäre. Frau Schöne hatte, als sie wirklich noch
schön war, in der Zeit, wo sie noch Rapholz gerufen wurde, die Stelle einer Hebe
in einer Spielhölle versehen. Als dann ihre Schönheit verblichen war, hatte
sie sich auf eine andre Art von Gaunerei gelegt, die Kartenlegerci, zu der ihr Äußeres
trefflich paßte. Ein dunkler Kopf wie aus gebräuntem Holz geformt, schwarze
brennende Augen und eine geheimnisvolle Stimme machten sie zu einem Menschen¬
wesen, dem man eine Verbindung mit überirdischen Gewalten wohl zutrauen konnte,
Sie hatte denn anch eine ausgebreitete Kundschaft, arme Dienstmädchen, denen eine
dumme Liebesgeschichte den Kopf verrückt hatte, aber auch begüterte Leute und
Menschen, die sich zu den Gebildeten rechneten, liefen abends bei ihr vor und be¬
traten mit einem Lächeln, unter dem sich ein heimliches Grausen verbergen ließ, die
geheimnisvolle Zauberstube,
Bei diesen Leuten brachte ich viel Zeit zu und lernte mit allem Eifer, was
sich da lernen ließ. Schöne unterrichtete uns in allerlei Kartenspielen, sodaß
wir bald imstande waren, jedem, der sein Geld los werden wollte, dazu die
Gelegenheit zu bieten. Vorläufig waren wir freilich für die Ausübung dieser
freien Kunst noch zu jung, wir konnten uns nach unsers Meisters Wort eben
nur für die Zukunft rüsten, die dereinst alle Mühe reichlich lohnen werde. Mit
der Zeit brachten wir es denn auch dahin, daß wir unsern Lehrer selbst über¬
listeten oder seinen Schlichen auf die Spur kamen, worauf ihn wohl einer seiner
Söhne mit dem Titel Lump traktierte. Das nahm er um gar nicht übel, vielmehr
herrschte in dieser Familie die größte Eintracht und Gleichheit, Alt und Jung lebte
auf völlig gleichem Fuße miteinander, und da alle von demselben Eifer beseelt waren,
möglichst viele Menschen zu betrügen und die Beute gemeinsam zu verbrauchen, so
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/131>, abgerufen am 01.07.2024.
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