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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Leipziger Dramaturgie

daß sich nämlich das Publikum, dem das Interesse am Kunstwerk als Ganzem
und an der Harmonie des Zusammenspiels, dem sogenannten Ensemble fehlt, in
der Hauptsache während der Aufführung durch gegenseitige, mehr oder minder laut
geführte Konversation unterhält und nnr aufmerkt, wenn es sich um bekannte Pracht-
und Paradenummern, um sensationelle Bühnenvorgänge handelt? Das Publikum
ist in Leipzig sicher nicht auf einen" solchen Wege, denn es ist von Anfang bis
zu Ende ganz Auge und ganz Ohr für das, was auf der Bühne vorgeht. Ob
aber die Buhnenleitung nicht noch nach einigen weitern Abstrichen Gelüste tragen
sollte, für die sie ja auf den alles umfassenden "Text" verweisen könnte, möchte
ich nicht mit derselben Zuversicht behaupten. Wenn man ihr Kürzungen wie die
in der Wallensteinschen Trilogie verübten schweigend znlüßt, so könnte sie in dem
von ihr beliebten Vereinfachungsverfahreu auch noch weiter gehn und uns schlie߬
lich den Sinn und das Verständnis für das Kunstwerk als Ganzes, mit Gelenken
und allem, ganz abgewöhnen.

In bezug auf das Kostüm, das im allgemeinen durchaus geschmackvoll und
befriedigend ist, möchte ich nur eine Frage aufwerfen. Wie steht es eigentlich mit
den Feldbinden der Wallensteinschen Generale und Obersten? Ist die Feldbinde
nicht schon zu der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Erkennungszeichen? Und wenn
sie es ist, wie kann sie dann bei ein und derselben Armee bald von der einen,
bald von der andern Farbe sein? Soviel mir bekannt ist, war zu der Zeit des Dreißig¬
jährigen Krieges die Farbe der kaiserlichen Feldbiudeu hochrot. Das stimmt auch
mit den in Wien, Prag, Friedland und mehreren andern Orten vorhandnen Wallen-
steinschen Porträts, auf denen er mit einer rotseidnen, an der Kante eine leichte
eingewirkte oder eingestickte Goldverzierung zeigenden Feldbiude umgürtet ist. Wie
hat man sich nun die himmelblauen Feldbinden zu erklären, mit denen in Leipzig
Terzky und Octavio geschmückt sind? Sind sie durch ästhetische Rücksichten veranlaßt,
weil diese Herren in rotbraunen mit Gold verbrämten Sammet gekleidet sind, zu
dem sich allerdings Himmelblau besser aufnimmt als Hochrot? Und was kann
Max veranlaßt haben, die bahrischen Farben blau und weiß, die im Wallensteinschen
Lager die verhaßtesten waren, in Gestalt von Federn ans dem Hut zu tragen,
während man doch ebenfalls Not oder die kaiserliche Doppelfarbe Not und Weiß
erwartet hätte? Seine Thekla sieht in einem blau und weißen Kostüm sehr reizend
aus: sollte ihn vielleicht der Wunsch, die Lieblingsfarben seines Engels zu tragen,
verleitet haben? Aber auch die schwarz und goldnen Schärpen, mit denen wir
einzelne Generale umgürtet sehen, dürften, da sie einer spätern Zeit angehören, als
Anachronismen zu vermeide" sein. Wallenstein aber sollte, sobald er im Fürsten-
mnntel erscheint, jedesmal much den dazu gehörenden sehr kleidsamen, mit Hermelin
verbrämten rotsmnmetnen Fnrstenhut tragen, nicht den schwarzen spitzen hispanischen
Hut, der ja bei andern Gelegenheiten als Zubehör zum spanischen Mantel ganz
am Platze ist. Der Fürstenmantel und das schwarze Hütchen sind eine Zusammen-
stellung, die einem ungefähr denselben Eindruck macht, als wenn einer unsrer
heutigen Monarchen den Kvlpak zu einer Kürassieruniform aufsetzen wollte.

Die Szenen, in denen uns die Gespräche Gvrdvns mit Buttler und später
mit Wallenstein vorgeführt werden, sind darum so besonders merkwürdig, weil wir
in den letzten Augenblicken eines Dramas selten solchen reifen, geläuterten Rück¬
blicken des Dichters auf die Laufbahn seines Helden begegnen. Mir ist die Samm¬
lung und die Ruhe, mit denen Schiller so kurz vor der blutigen Katastrophe das
Vorleben des Herzogs nochmals vor uns aufrollt, immer ganz besonders be¬
wunderungswürdig erschienen, und der Schauspieler, der den Gordon gibt, hat an
dem Gelingen der letzten beiden Akte einen größern Anteil, als das Publikum wohl
in der Regel anzunehmen geneigt ist. Schiller hat es nämlich so einzurichten ge-
wußt, daß er Gordon alles das in den Mund legt, was im Herzen des recht¬
schaffnen, aber dabei menschlich fühlenden Zuschauers zu Wallensteins Gunsten
spricht, und ich würde nicht raten, die Rolle gar zu weich und an das Tränen-


Leipziger Dramaturgie

daß sich nämlich das Publikum, dem das Interesse am Kunstwerk als Ganzem
und an der Harmonie des Zusammenspiels, dem sogenannten Ensemble fehlt, in
der Hauptsache während der Aufführung durch gegenseitige, mehr oder minder laut
geführte Konversation unterhält und nnr aufmerkt, wenn es sich um bekannte Pracht-
und Paradenummern, um sensationelle Bühnenvorgänge handelt? Das Publikum
ist in Leipzig sicher nicht auf einen« solchen Wege, denn es ist von Anfang bis
zu Ende ganz Auge und ganz Ohr für das, was auf der Bühne vorgeht. Ob
aber die Buhnenleitung nicht noch nach einigen weitern Abstrichen Gelüste tragen
sollte, für die sie ja auf den alles umfassenden „Text" verweisen könnte, möchte
ich nicht mit derselben Zuversicht behaupten. Wenn man ihr Kürzungen wie die
in der Wallensteinschen Trilogie verübten schweigend znlüßt, so könnte sie in dem
von ihr beliebten Vereinfachungsverfahreu auch noch weiter gehn und uns schlie߬
lich den Sinn und das Verständnis für das Kunstwerk als Ganzes, mit Gelenken
und allem, ganz abgewöhnen.

In bezug auf das Kostüm, das im allgemeinen durchaus geschmackvoll und
befriedigend ist, möchte ich nur eine Frage aufwerfen. Wie steht es eigentlich mit
den Feldbinden der Wallensteinschen Generale und Obersten? Ist die Feldbinde
nicht schon zu der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Erkennungszeichen? Und wenn
sie es ist, wie kann sie dann bei ein und derselben Armee bald von der einen,
bald von der andern Farbe sein? Soviel mir bekannt ist, war zu der Zeit des Dreißig¬
jährigen Krieges die Farbe der kaiserlichen Feldbiudeu hochrot. Das stimmt auch
mit den in Wien, Prag, Friedland und mehreren andern Orten vorhandnen Wallen-
steinschen Porträts, auf denen er mit einer rotseidnen, an der Kante eine leichte
eingewirkte oder eingestickte Goldverzierung zeigenden Feldbiude umgürtet ist. Wie
hat man sich nun die himmelblauen Feldbinden zu erklären, mit denen in Leipzig
Terzky und Octavio geschmückt sind? Sind sie durch ästhetische Rücksichten veranlaßt,
weil diese Herren in rotbraunen mit Gold verbrämten Sammet gekleidet sind, zu
dem sich allerdings Himmelblau besser aufnimmt als Hochrot? Und was kann
Max veranlaßt haben, die bahrischen Farben blau und weiß, die im Wallensteinschen
Lager die verhaßtesten waren, in Gestalt von Federn ans dem Hut zu tragen,
während man doch ebenfalls Not oder die kaiserliche Doppelfarbe Not und Weiß
erwartet hätte? Seine Thekla sieht in einem blau und weißen Kostüm sehr reizend
aus: sollte ihn vielleicht der Wunsch, die Lieblingsfarben seines Engels zu tragen,
verleitet haben? Aber auch die schwarz und goldnen Schärpen, mit denen wir
einzelne Generale umgürtet sehen, dürften, da sie einer spätern Zeit angehören, als
Anachronismen zu vermeide» sein. Wallenstein aber sollte, sobald er im Fürsten-
mnntel erscheint, jedesmal much den dazu gehörenden sehr kleidsamen, mit Hermelin
verbrämten rotsmnmetnen Fnrstenhut tragen, nicht den schwarzen spitzen hispanischen
Hut, der ja bei andern Gelegenheiten als Zubehör zum spanischen Mantel ganz
am Platze ist. Der Fürstenmantel und das schwarze Hütchen sind eine Zusammen-
stellung, die einem ungefähr denselben Eindruck macht, als wenn einer unsrer
heutigen Monarchen den Kvlpak zu einer Kürassieruniform aufsetzen wollte.

Die Szenen, in denen uns die Gespräche Gvrdvns mit Buttler und später
mit Wallenstein vorgeführt werden, sind darum so besonders merkwürdig, weil wir
in den letzten Augenblicken eines Dramas selten solchen reifen, geläuterten Rück¬
blicken des Dichters auf die Laufbahn seines Helden begegnen. Mir ist die Samm¬
lung und die Ruhe, mit denen Schiller so kurz vor der blutigen Katastrophe das
Vorleben des Herzogs nochmals vor uns aufrollt, immer ganz besonders be¬
wunderungswürdig erschienen, und der Schauspieler, der den Gordon gibt, hat an
dem Gelingen der letzten beiden Akte einen größern Anteil, als das Publikum wohl
in der Regel anzunehmen geneigt ist. Schiller hat es nämlich so einzurichten ge-
wußt, daß er Gordon alles das in den Mund legt, was im Herzen des recht¬
schaffnen, aber dabei menschlich fühlenden Zuschauers zu Wallensteins Gunsten
spricht, und ich würde nicht raten, die Rolle gar zu weich und an das Tränen-


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[0128] Leipziger Dramaturgie daß sich nämlich das Publikum, dem das Interesse am Kunstwerk als Ganzem und an der Harmonie des Zusammenspiels, dem sogenannten Ensemble fehlt, in der Hauptsache während der Aufführung durch gegenseitige, mehr oder minder laut geführte Konversation unterhält und nnr aufmerkt, wenn es sich um bekannte Pracht- und Paradenummern, um sensationelle Bühnenvorgänge handelt? Das Publikum ist in Leipzig sicher nicht auf einen« solchen Wege, denn es ist von Anfang bis zu Ende ganz Auge und ganz Ohr für das, was auf der Bühne vorgeht. Ob aber die Buhnenleitung nicht noch nach einigen weitern Abstrichen Gelüste tragen sollte, für die sie ja auf den alles umfassenden „Text" verweisen könnte, möchte ich nicht mit derselben Zuversicht behaupten. Wenn man ihr Kürzungen wie die in der Wallensteinschen Trilogie verübten schweigend znlüßt, so könnte sie in dem von ihr beliebten Vereinfachungsverfahreu auch noch weiter gehn und uns schlie߬ lich den Sinn und das Verständnis für das Kunstwerk als Ganzes, mit Gelenken und allem, ganz abgewöhnen. In bezug auf das Kostüm, das im allgemeinen durchaus geschmackvoll und befriedigend ist, möchte ich nur eine Frage aufwerfen. Wie steht es eigentlich mit den Feldbinden der Wallensteinschen Generale und Obersten? Ist die Feldbinde nicht schon zu der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Erkennungszeichen? Und wenn sie es ist, wie kann sie dann bei ein und derselben Armee bald von der einen, bald von der andern Farbe sein? Soviel mir bekannt ist, war zu der Zeit des Dreißig¬ jährigen Krieges die Farbe der kaiserlichen Feldbiudeu hochrot. Das stimmt auch mit den in Wien, Prag, Friedland und mehreren andern Orten vorhandnen Wallen- steinschen Porträts, auf denen er mit einer rotseidnen, an der Kante eine leichte eingewirkte oder eingestickte Goldverzierung zeigenden Feldbiude umgürtet ist. Wie hat man sich nun die himmelblauen Feldbinden zu erklären, mit denen in Leipzig Terzky und Octavio geschmückt sind? Sind sie durch ästhetische Rücksichten veranlaßt, weil diese Herren in rotbraunen mit Gold verbrämten Sammet gekleidet sind, zu dem sich allerdings Himmelblau besser aufnimmt als Hochrot? Und was kann Max veranlaßt haben, die bahrischen Farben blau und weiß, die im Wallensteinschen Lager die verhaßtesten waren, in Gestalt von Federn ans dem Hut zu tragen, während man doch ebenfalls Not oder die kaiserliche Doppelfarbe Not und Weiß erwartet hätte? Seine Thekla sieht in einem blau und weißen Kostüm sehr reizend aus: sollte ihn vielleicht der Wunsch, die Lieblingsfarben seines Engels zu tragen, verleitet haben? Aber auch die schwarz und goldnen Schärpen, mit denen wir einzelne Generale umgürtet sehen, dürften, da sie einer spätern Zeit angehören, als Anachronismen zu vermeide» sein. Wallenstein aber sollte, sobald er im Fürsten- mnntel erscheint, jedesmal much den dazu gehörenden sehr kleidsamen, mit Hermelin verbrämten rotsmnmetnen Fnrstenhut tragen, nicht den schwarzen spitzen hispanischen Hut, der ja bei andern Gelegenheiten als Zubehör zum spanischen Mantel ganz am Platze ist. Der Fürstenmantel und das schwarze Hütchen sind eine Zusammen- stellung, die einem ungefähr denselben Eindruck macht, als wenn einer unsrer heutigen Monarchen den Kvlpak zu einer Kürassieruniform aufsetzen wollte. Die Szenen, in denen uns die Gespräche Gvrdvns mit Buttler und später mit Wallenstein vorgeführt werden, sind darum so besonders merkwürdig, weil wir in den letzten Augenblicken eines Dramas selten solchen reifen, geläuterten Rück¬ blicken des Dichters auf die Laufbahn seines Helden begegnen. Mir ist die Samm¬ lung und die Ruhe, mit denen Schiller so kurz vor der blutigen Katastrophe das Vorleben des Herzogs nochmals vor uns aufrollt, immer ganz besonders be¬ wunderungswürdig erschienen, und der Schauspieler, der den Gordon gibt, hat an dem Gelingen der letzten beiden Akte einen größern Anteil, als das Publikum wohl in der Regel anzunehmen geneigt ist. Schiller hat es nämlich so einzurichten ge- wußt, daß er Gordon alles das in den Mund legt, was im Herzen des recht¬ schaffnen, aber dabei menschlich fühlenden Zuschauers zu Wallensteins Gunsten spricht, und ich würde nicht raten, die Rolle gar zu weich und an das Tränen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/128>, abgerufen am 22.07.2024.