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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Sprachen- und Beamtensrage in Böhmen

des Fideikommisses kann durch den Familienschluß ohne Beitritt der Fidei-
kommißbehörde erfolgen; es kann jedoch in der Stiftungsurkunde ausdrücklich
bestimmt werden, daß die Aufhebung der Stiftung von der Genehmigung des
Königs oder der zuständigen Minister abhängig sein soll.

Der Familienschluß muß mit einer Mehrheit von drei Vierteln der anwart¬
schaftsfähigen Familienmitglieder gefaßt werden. Er bedarf der Zustimmung des
Familienrats, die einstimmig erteilt sein muß, wenn es sich um die Aufhebung
des Familienfideitommisses handelt.

Das Gesagte wird genügen, den Lesern der Grenzboten, denen an einer
geordneten und stetigen Entwicklung unsrer staatlichen Verhältnisse gelegen ist,
den beruhigenden Eindruck zu geben, daß der besprochne Entwurf uicht unter
dem Einflüsse feudaler Mächte zustande gekommen ist, sondern daß er fort¬
schrittlichen Grundsätzen huldigt, ohne dabei das Wohl des Staates außer acht
zu lassen, das nicht ausschließlich auf Freiheit und Gleichheit, sondern eben¬
sosehr auf williger Unterordnung und angemessener Gliederung beruht. Wenn
die hier ausgesprochnen Bedenken wegen zu häufigen bureaukratischen Ein¬
greifens der Behörde anch von andern Seiten empfunden werden sollten, so
wird es leicht sein, den Entwurf im Laufe der Beratung von solchen leichten
Schlacken zu befreien, ohne dadurch das Wesen der beabsichtigten Einrichtung,
der man nor Glück und Gedeihen wünschen kann, zu beeinträchtigen.




Die sprachen- und Beamtenfrage in Böhmen
(Schluß)

> bgesehen von dem Kardinalfehler, daß sich die Deutschliberaleu
unter der Führung des Deutschböhmen Herbst wegen ihres un-
fruchtbaren doktrinären Liberalismus um die Herrschaft bringen
ließen, liegt ihr Hauptmißgriff namentlich für die Sndetenländer
I darin, daß sie von der bewährten Methode Bachs, der Zwei¬
sprachigkeit der Beamten, abgingen und den deutschen Charakter des Beamten¬
tums dadurch wahren zu können meinten, daß sie sich ausschließlich auf die
Pflege der deutschen Sprache zurückzogen. Die Polen und die Magyaren
machen es bei sich wohl ebenso, aber sie haben sich in der Herrschaft erhalten,
während es mit den Dcutschliberalen aus war, gerade nach einem Jahrzehnt,
seitdem die neue Einrichtung getroffen worden war, lind die ersten danach ge¬
bildeten Beamten zum Vorschein kamen. Von dieser Zeit an datiert nun auch
das Eindringen und das Aufsteigen des Tschechentums in der Beamtenschaft.
Anfangs machte sich das nicht so sehr bemerkbar, weil noch genug Beamte
aus der Bachschen Zeit da waren, auch aus Galizien und Ungarn zurück¬
kehrten, wo man sie nicht mehr leiden mochte. Die waren alle gut deutsch.
Aber nach und nach verschwanden aus deu tschechischen Bezirken die deutschen
Beamten vollständig, weil dem jünger" Nachwuchs die Kenntnis des Tschechischen


Die Sprachen- und Beamtensrage in Böhmen

des Fideikommisses kann durch den Familienschluß ohne Beitritt der Fidei-
kommißbehörde erfolgen; es kann jedoch in der Stiftungsurkunde ausdrücklich
bestimmt werden, daß die Aufhebung der Stiftung von der Genehmigung des
Königs oder der zuständigen Minister abhängig sein soll.

Der Familienschluß muß mit einer Mehrheit von drei Vierteln der anwart¬
schaftsfähigen Familienmitglieder gefaßt werden. Er bedarf der Zustimmung des
Familienrats, die einstimmig erteilt sein muß, wenn es sich um die Aufhebung
des Familienfideitommisses handelt.

Das Gesagte wird genügen, den Lesern der Grenzboten, denen an einer
geordneten und stetigen Entwicklung unsrer staatlichen Verhältnisse gelegen ist,
den beruhigenden Eindruck zu geben, daß der besprochne Entwurf uicht unter
dem Einflüsse feudaler Mächte zustande gekommen ist, sondern daß er fort¬
schrittlichen Grundsätzen huldigt, ohne dabei das Wohl des Staates außer acht
zu lassen, das nicht ausschließlich auf Freiheit und Gleichheit, sondern eben¬
sosehr auf williger Unterordnung und angemessener Gliederung beruht. Wenn
die hier ausgesprochnen Bedenken wegen zu häufigen bureaukratischen Ein¬
greifens der Behörde anch von andern Seiten empfunden werden sollten, so
wird es leicht sein, den Entwurf im Laufe der Beratung von solchen leichten
Schlacken zu befreien, ohne dadurch das Wesen der beabsichtigten Einrichtung,
der man nor Glück und Gedeihen wünschen kann, zu beeinträchtigen.




Die sprachen- und Beamtenfrage in Böhmen
(Schluß)

> bgesehen von dem Kardinalfehler, daß sich die Deutschliberaleu
unter der Führung des Deutschböhmen Herbst wegen ihres un-
fruchtbaren doktrinären Liberalismus um die Herrschaft bringen
ließen, liegt ihr Hauptmißgriff namentlich für die Sndetenländer
I darin, daß sie von der bewährten Methode Bachs, der Zwei¬
sprachigkeit der Beamten, abgingen und den deutschen Charakter des Beamten¬
tums dadurch wahren zu können meinten, daß sie sich ausschließlich auf die
Pflege der deutschen Sprache zurückzogen. Die Polen und die Magyaren
machen es bei sich wohl ebenso, aber sie haben sich in der Herrschaft erhalten,
während es mit den Dcutschliberalen aus war, gerade nach einem Jahrzehnt,
seitdem die neue Einrichtung getroffen worden war, lind die ersten danach ge¬
bildeten Beamten zum Vorschein kamen. Von dieser Zeit an datiert nun auch
das Eindringen und das Aufsteigen des Tschechentums in der Beamtenschaft.
Anfangs machte sich das nicht so sehr bemerkbar, weil noch genug Beamte
aus der Bachschen Zeit da waren, auch aus Galizien und Ungarn zurück¬
kehrten, wo man sie nicht mehr leiden mochte. Die waren alle gut deutsch.
Aber nach und nach verschwanden aus deu tschechischen Bezirken die deutschen
Beamten vollständig, weil dem jünger» Nachwuchs die Kenntnis des Tschechischen


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[0788] Die Sprachen- und Beamtensrage in Böhmen des Fideikommisses kann durch den Familienschluß ohne Beitritt der Fidei- kommißbehörde erfolgen; es kann jedoch in der Stiftungsurkunde ausdrücklich bestimmt werden, daß die Aufhebung der Stiftung von der Genehmigung des Königs oder der zuständigen Minister abhängig sein soll. Der Familienschluß muß mit einer Mehrheit von drei Vierteln der anwart¬ schaftsfähigen Familienmitglieder gefaßt werden. Er bedarf der Zustimmung des Familienrats, die einstimmig erteilt sein muß, wenn es sich um die Aufhebung des Familienfideitommisses handelt. Das Gesagte wird genügen, den Lesern der Grenzboten, denen an einer geordneten und stetigen Entwicklung unsrer staatlichen Verhältnisse gelegen ist, den beruhigenden Eindruck zu geben, daß der besprochne Entwurf uicht unter dem Einflüsse feudaler Mächte zustande gekommen ist, sondern daß er fort¬ schrittlichen Grundsätzen huldigt, ohne dabei das Wohl des Staates außer acht zu lassen, das nicht ausschließlich auf Freiheit und Gleichheit, sondern eben¬ sosehr auf williger Unterordnung und angemessener Gliederung beruht. Wenn die hier ausgesprochnen Bedenken wegen zu häufigen bureaukratischen Ein¬ greifens der Behörde anch von andern Seiten empfunden werden sollten, so wird es leicht sein, den Entwurf im Laufe der Beratung von solchen leichten Schlacken zu befreien, ohne dadurch das Wesen der beabsichtigten Einrichtung, der man nor Glück und Gedeihen wünschen kann, zu beeinträchtigen. Die sprachen- und Beamtenfrage in Böhmen (Schluß) > bgesehen von dem Kardinalfehler, daß sich die Deutschliberaleu unter der Führung des Deutschböhmen Herbst wegen ihres un- fruchtbaren doktrinären Liberalismus um die Herrschaft bringen ließen, liegt ihr Hauptmißgriff namentlich für die Sndetenländer I darin, daß sie von der bewährten Methode Bachs, der Zwei¬ sprachigkeit der Beamten, abgingen und den deutschen Charakter des Beamten¬ tums dadurch wahren zu können meinten, daß sie sich ausschließlich auf die Pflege der deutschen Sprache zurückzogen. Die Polen und die Magyaren machen es bei sich wohl ebenso, aber sie haben sich in der Herrschaft erhalten, während es mit den Dcutschliberalen aus war, gerade nach einem Jahrzehnt, seitdem die neue Einrichtung getroffen worden war, lind die ersten danach ge¬ bildeten Beamten zum Vorschein kamen. Von dieser Zeit an datiert nun auch das Eindringen und das Aufsteigen des Tschechentums in der Beamtenschaft. Anfangs machte sich das nicht so sehr bemerkbar, weil noch genug Beamte aus der Bachschen Zeit da waren, auch aus Galizien und Ungarn zurück¬ kehrten, wo man sie nicht mehr leiden mochte. Die waren alle gut deutsch. Aber nach und nach verschwanden aus deu tschechischen Bezirken die deutschen Beamten vollständig, weil dem jünger» Nachwuchs die Kenntnis des Tschechischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/788>, abgerufen am 26.11.2024.