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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Hammurabis Gesetzeskodex
<Lin Beitrag zu seiner geschichtlichen Würdigung
Ld. König vonin

UAUjährend die Deutsche Orientgcsellschaft in den Ruinen Babylons
eifrig nach Denkmälern der Vergangenheit sucht, ist der franzö¬
sischen Expedition, die den heutigen Ort Schuschtür zu ihrer
Operationsbasis gemacht hat, ein großartiger Erfolg beschieden
! gewesen. Es ist wieder einmal gegangen, wie es öfter zu
geschehn pflegt: da, wo sie nicht direkt gesucht wurde, hat sich eine neue Licht¬
quelle für die babylonische Altertumskunde geöffnet. Im Anfang des vorigen
Jahres wurden nämlich in dem erwähnten Orte unter der Leitung von
I, de Morgan mehrere größere Monumente ausgegraben, die von siegreichen
Königen der Elamiter nach ihrer Residenz Susa als Siegestrophäen gebracht
worden waren. Das wichtigste von diesen Denkmälern ist eine schwarze, un¬
gefähr acht Fuß hohe Dioritstele, die Hammurabi, der Hauptvertreter der ersten
babylonischen Dynastie (um 2250 v. Chr,), aufgestellt hatte. Eine Abbildung
dieses Monuments mitsamt dein Text der Inschrift darauf und eine Ent¬
zifferung wurde mit rühmenswerter Schnelligkeit im Oktober vorigen Jahres
von Professor V. Scheik in den Nömoirss as ig. DslöZMon "n ?si8e ver¬
öffentlicht floms IV: löxtös IÄÄinitös-Kömitiau<Z8). Eine Verdeutschung der
Inschrift wurde dann im Dezember vorigen Jahres von H. Winckler unter¬
nommen und unter dem Titel "Die Gesetze Hammurabis" bei Hinrichs in
Leipzig herausgegeben. Jetzt (im März) ist aber auch eine englische Über¬
setzung des Textes erschienen, die unabhängig von Winckler durch den
besten englischen Kenner babylonischer Texte, den Professor C. H. W. Johns
in Cambridge hergestellt worden ist. Sie ist unter dem Titel Ms Olclsst
Ovals c>k I^g.v?8 in ins V/orta bei T. 6- T. Clark in Edinburgh erschienen und
hat nicht nur eine längere Einleitung, sondern hauptsächlich einen ganz detail¬
lierten Index der Gegenstände, die in diesem Gesetzeskodex behandelt sind.

Diese Inschrift verdient aus verschiednen Gründen gar wohl den Namen
eines Gesetzeskodex. Das ist scholl wegen ihrer Eingangspartie der Fall. Denn
darin heißt es z.B.: Mich, Hammurabi, den hohen Fürsten, der Gott fürchtet,
um dem Recht im Lande Geltung zu verschaffen, den Schlechten und Bösen
zu vernichten, damit der Starke dem Schwachen nicht schade, damit ich wie
Schamasch (der Sonnengott) das Land erleuchte, haben Ann (der Gott der
Oberwelt) und Bel (-^ "Herr", einer der obersten Götter), um das Wohl¬
befinden der Menschen zu fördern, mit Namen berufen." Also danach soll
diese Inschrift eine grundlegende Gesetzgebung für den von Hammurabi beherrschten




Hammurabis Gesetzeskodex
<Lin Beitrag zu seiner geschichtlichen Würdigung
Ld. König vonin

UAUjährend die Deutsche Orientgcsellschaft in den Ruinen Babylons
eifrig nach Denkmälern der Vergangenheit sucht, ist der franzö¬
sischen Expedition, die den heutigen Ort Schuschtür zu ihrer
Operationsbasis gemacht hat, ein großartiger Erfolg beschieden
! gewesen. Es ist wieder einmal gegangen, wie es öfter zu
geschehn pflegt: da, wo sie nicht direkt gesucht wurde, hat sich eine neue Licht¬
quelle für die babylonische Altertumskunde geöffnet. Im Anfang des vorigen
Jahres wurden nämlich in dem erwähnten Orte unter der Leitung von
I, de Morgan mehrere größere Monumente ausgegraben, die von siegreichen
Königen der Elamiter nach ihrer Residenz Susa als Siegestrophäen gebracht
worden waren. Das wichtigste von diesen Denkmälern ist eine schwarze, un¬
gefähr acht Fuß hohe Dioritstele, die Hammurabi, der Hauptvertreter der ersten
babylonischen Dynastie (um 2250 v. Chr,), aufgestellt hatte. Eine Abbildung
dieses Monuments mitsamt dein Text der Inschrift darauf und eine Ent¬
zifferung wurde mit rühmenswerter Schnelligkeit im Oktober vorigen Jahres
von Professor V. Scheik in den Nömoirss as ig. DslöZMon «n ?si8e ver¬
öffentlicht floms IV: löxtös IÄÄinitös-Kömitiau<Z8). Eine Verdeutschung der
Inschrift wurde dann im Dezember vorigen Jahres von H. Winckler unter¬
nommen und unter dem Titel „Die Gesetze Hammurabis" bei Hinrichs in
Leipzig herausgegeben. Jetzt (im März) ist aber auch eine englische Über¬
setzung des Textes erschienen, die unabhängig von Winckler durch den
besten englischen Kenner babylonischer Texte, den Professor C. H. W. Johns
in Cambridge hergestellt worden ist. Sie ist unter dem Titel Ms Olclsst
Ovals c>k I^g.v?8 in ins V/orta bei T. 6- T. Clark in Edinburgh erschienen und
hat nicht nur eine längere Einleitung, sondern hauptsächlich einen ganz detail¬
lierten Index der Gegenstände, die in diesem Gesetzeskodex behandelt sind.

Diese Inschrift verdient aus verschiednen Gründen gar wohl den Namen
eines Gesetzeskodex. Das ist scholl wegen ihrer Eingangspartie der Fall. Denn
darin heißt es z.B.: Mich, Hammurabi, den hohen Fürsten, der Gott fürchtet,
um dem Recht im Lande Geltung zu verschaffen, den Schlechten und Bösen
zu vernichten, damit der Starke dem Schwachen nicht schade, damit ich wie
Schamasch (der Sonnengott) das Land erleuchte, haben Ann (der Gott der
Oberwelt) und Bel (-^ »Herr«, einer der obersten Götter), um das Wohl¬
befinden der Menschen zu fördern, mit Namen berufen." Also danach soll
diese Inschrift eine grundlegende Gesetzgebung für den von Hammurabi beherrschten


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[0623] [Abbildung] Hammurabis Gesetzeskodex <Lin Beitrag zu seiner geschichtlichen Würdigung Ld. König vonin UAUjährend die Deutsche Orientgcsellschaft in den Ruinen Babylons eifrig nach Denkmälern der Vergangenheit sucht, ist der franzö¬ sischen Expedition, die den heutigen Ort Schuschtür zu ihrer Operationsbasis gemacht hat, ein großartiger Erfolg beschieden ! gewesen. Es ist wieder einmal gegangen, wie es öfter zu geschehn pflegt: da, wo sie nicht direkt gesucht wurde, hat sich eine neue Licht¬ quelle für die babylonische Altertumskunde geöffnet. Im Anfang des vorigen Jahres wurden nämlich in dem erwähnten Orte unter der Leitung von I, de Morgan mehrere größere Monumente ausgegraben, die von siegreichen Königen der Elamiter nach ihrer Residenz Susa als Siegestrophäen gebracht worden waren. Das wichtigste von diesen Denkmälern ist eine schwarze, un¬ gefähr acht Fuß hohe Dioritstele, die Hammurabi, der Hauptvertreter der ersten babylonischen Dynastie (um 2250 v. Chr,), aufgestellt hatte. Eine Abbildung dieses Monuments mitsamt dein Text der Inschrift darauf und eine Ent¬ zifferung wurde mit rühmenswerter Schnelligkeit im Oktober vorigen Jahres von Professor V. Scheik in den Nömoirss as ig. DslöZMon «n ?si8e ver¬ öffentlicht floms IV: löxtös IÄÄinitös-Kömitiau<Z8). Eine Verdeutschung der Inschrift wurde dann im Dezember vorigen Jahres von H. Winckler unter¬ nommen und unter dem Titel „Die Gesetze Hammurabis" bei Hinrichs in Leipzig herausgegeben. Jetzt (im März) ist aber auch eine englische Über¬ setzung des Textes erschienen, die unabhängig von Winckler durch den besten englischen Kenner babylonischer Texte, den Professor C. H. W. Johns in Cambridge hergestellt worden ist. Sie ist unter dem Titel Ms Olclsst Ovals c>k I^g.v?8 in ins V/orta bei T. 6- T. Clark in Edinburgh erschienen und hat nicht nur eine längere Einleitung, sondern hauptsächlich einen ganz detail¬ lierten Index der Gegenstände, die in diesem Gesetzeskodex behandelt sind. Diese Inschrift verdient aus verschiednen Gründen gar wohl den Namen eines Gesetzeskodex. Das ist scholl wegen ihrer Eingangspartie der Fall. Denn darin heißt es z.B.: Mich, Hammurabi, den hohen Fürsten, der Gott fürchtet, um dem Recht im Lande Geltung zu verschaffen, den Schlechten und Bösen zu vernichten, damit der Starke dem Schwachen nicht schade, damit ich wie Schamasch (der Sonnengott) das Land erleuchte, haben Ann (der Gott der Oberwelt) und Bel (-^ »Herr«, einer der obersten Götter), um das Wohl¬ befinden der Menschen zu fördern, mit Namen berufen." Also danach soll diese Inschrift eine grundlegende Gesetzgebung für den von Hammurabi beherrschten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/623>, abgerufen am 27.07.2024.