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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Komödie auf Aronborg

Will langweilte sich.

Es hing Wohl damit zusammen, daß das Bein besser war; die Schwellung
ließ nach, die Schmerzen waren vorüber, und Meister Hans schien jetzt -- nicht
ohne eine gewisse Enttäuschung -- jeden Gedanken an s.inputg.tlo aufgegeben zu
haben, ja es war nicht einmal mehr die Rede davon, die übuls, noch einmal tnto
und juenucio zu brechen.

Vergebens bemühte sich Will, eine Unterhaltung mit Christenee in Gang zu
bringen. Sie war eitel Fürsorge für ihn, verschaffte ihm frischen Fisch, Sauer¬
ampfer und Salat und holte oft selbst eine Kanne Danziger für ihn von der Bier¬
frau, aber sie war noch immer ebenso wortkarg, ebenso zurückhaltend -- sie hatte
weder Seele noch Leib für ihn.

Jver Kramme kehrte beständig mit Neuigkeiten heim, bald von der Schiffs¬
brücke, bald aus der Stadt.

Eines Tags war eine spanische Galiote, ganz mit köstlichem Alicantewein für
den Keller des Königs beladen, auf dem Lappengrund aufgelaufen, und an Bord
war ein Mohr gewesen rin bunten seidnen Tüchern um den Kopf. An einem
andern Tage war das arge Hexenweib, das schuld daran war, daß Didrik Nemme-
sniders Ehefrau das schlimme kalte Fieber bekommen hatte, endlich gefaßt und auf
die Folter gespannt und mit dem glühenden Becken gebrannt worden, worauf sie
sofort gutwillig ihre arge Bosheit bekannt hatte. Aber dergleichen Neuigkeiten
interessierten Will nicht, und auf die Dauer belustigte es ihn auch nicht, Abend für
Abend die Komödie im Kopenhagner Schloß oder "König Salomos Huldigung"
abzuhandeln.

Eines Morgens, als gerade Jver Kramme in die Schule hinabgehn wollte,
fragte ihn Will, ob er ihm nicht irgend ein englisches Historienbuch zum Zeit¬
vertreib leihen könne.

Nein, ein solches hatte Jver Kramme wirklich nicht; dänische Bücher hatte er
und lateinische, andre nicht.

Dann gebt mir ein lateinisches, bat Will.

Könnt Ihr Lateinisch? rief Jver Kramme überrascht und riß die kleinen Augen
auf. Dann laßt uns doch hinfort Lateinisch miteinander reden!

Nein, sagte Will lachend, sprechen er ich die Sprache nicht, aber einen lateinischen
Autor lesen, das kann ich schon -- gebt mir nur einen.

Jver Kramme trat an sein Bücherbrett, nahm einen Folianten heraus und
gab ihn Will.

Das ist die dänische Chronika auf Latein, sagte er, von Saxo, evssnowino
<Ä-g,mena,t.ieus, abgefaßt und in Paris Anno 1514 nach Christi Geburt gedruckt.
Da habt Ihr für lange Zeit zu lesen!

Aber Will blätterte nur darin, las eine oder zwei Seiten und erklärte dann
um die Mittagszeit, wenn in Dänemark weiter nichts Merkwürdiges passiert sei,
als was in dieser Chronik stehe, so habe Dänemark keine Geschichte.

Er ließ sich seine Laute auf das Bett legen, stimmte sie und sing an, einige
Griffe zu tun, im nächsten Augenblick aber legte er sie mißmutig wieder hin, drehte
sich uach der Wand um und entschlummerte.




Jetzt mag ich nicht länger liegen, sagte Will eines Tages. Jetzt müßte ich
wieder anfangen können zu gehn.

Er kam ans dem Bett und kam in die Kleider, aber es war ihm nicht möglich,
sich nur auf das Bein zu stützen, er mußte sich sofort wieder hinlegen.

Da machte ihm Christenee den Vorschlag, da er um doch einmal aufgestanden
sei, in die große Stube hinüberzukommen und das Bein auf die Ruhebank zu
legen, es müsse doch eine Unterhaltung für ihn sein, da hinauszusehen, meinte sie.n

Und eine Abwechslung war es ja auf alle Fälle. Durch die Liudenkrone


Die Komödie auf Aronborg

Will langweilte sich.

Es hing Wohl damit zusammen, daß das Bein besser war; die Schwellung
ließ nach, die Schmerzen waren vorüber, und Meister Hans schien jetzt — nicht
ohne eine gewisse Enttäuschung — jeden Gedanken an s.inputg.tlo aufgegeben zu
haben, ja es war nicht einmal mehr die Rede davon, die übuls, noch einmal tnto
und juenucio zu brechen.

Vergebens bemühte sich Will, eine Unterhaltung mit Christenee in Gang zu
bringen. Sie war eitel Fürsorge für ihn, verschaffte ihm frischen Fisch, Sauer¬
ampfer und Salat und holte oft selbst eine Kanne Danziger für ihn von der Bier¬
frau, aber sie war noch immer ebenso wortkarg, ebenso zurückhaltend — sie hatte
weder Seele noch Leib für ihn.

Jver Kramme kehrte beständig mit Neuigkeiten heim, bald von der Schiffs¬
brücke, bald aus der Stadt.

Eines Tags war eine spanische Galiote, ganz mit köstlichem Alicantewein für
den Keller des Königs beladen, auf dem Lappengrund aufgelaufen, und an Bord
war ein Mohr gewesen rin bunten seidnen Tüchern um den Kopf. An einem
andern Tage war das arge Hexenweib, das schuld daran war, daß Didrik Nemme-
sniders Ehefrau das schlimme kalte Fieber bekommen hatte, endlich gefaßt und auf
die Folter gespannt und mit dem glühenden Becken gebrannt worden, worauf sie
sofort gutwillig ihre arge Bosheit bekannt hatte. Aber dergleichen Neuigkeiten
interessierten Will nicht, und auf die Dauer belustigte es ihn auch nicht, Abend für
Abend die Komödie im Kopenhagner Schloß oder „König Salomos Huldigung"
abzuhandeln.

Eines Morgens, als gerade Jver Kramme in die Schule hinabgehn wollte,
fragte ihn Will, ob er ihm nicht irgend ein englisches Historienbuch zum Zeit¬
vertreib leihen könne.

Nein, ein solches hatte Jver Kramme wirklich nicht; dänische Bücher hatte er
und lateinische, andre nicht.

Dann gebt mir ein lateinisches, bat Will.

Könnt Ihr Lateinisch? rief Jver Kramme überrascht und riß die kleinen Augen
auf. Dann laßt uns doch hinfort Lateinisch miteinander reden!

Nein, sagte Will lachend, sprechen er ich die Sprache nicht, aber einen lateinischen
Autor lesen, das kann ich schon — gebt mir nur einen.

Jver Kramme trat an sein Bücherbrett, nahm einen Folianten heraus und
gab ihn Will.

Das ist die dänische Chronika auf Latein, sagte er, von Saxo, evssnowino
<Ä-g,mena,t.ieus, abgefaßt und in Paris Anno 1514 nach Christi Geburt gedruckt.
Da habt Ihr für lange Zeit zu lesen!

Aber Will blätterte nur darin, las eine oder zwei Seiten und erklärte dann
um die Mittagszeit, wenn in Dänemark weiter nichts Merkwürdiges passiert sei,
als was in dieser Chronik stehe, so habe Dänemark keine Geschichte.

Er ließ sich seine Laute auf das Bett legen, stimmte sie und sing an, einige
Griffe zu tun, im nächsten Augenblick aber legte er sie mißmutig wieder hin, drehte
sich uach der Wand um und entschlummerte.




Jetzt mag ich nicht länger liegen, sagte Will eines Tages. Jetzt müßte ich
wieder anfangen können zu gehn.

Er kam ans dem Bett und kam in die Kleider, aber es war ihm nicht möglich,
sich nur auf das Bein zu stützen, er mußte sich sofort wieder hinlegen.

Da machte ihm Christenee den Vorschlag, da er um doch einmal aufgestanden
sei, in die große Stube hinüberzukommen und das Bein auf die Ruhebank zu
legen, es müsse doch eine Unterhaltung für ihn sein, da hinauszusehen, meinte sie.n

Und eine Abwechslung war es ja auf alle Fälle. Durch die Liudenkrone


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[0568] Die Komödie auf Aronborg Will langweilte sich. Es hing Wohl damit zusammen, daß das Bein besser war; die Schwellung ließ nach, die Schmerzen waren vorüber, und Meister Hans schien jetzt — nicht ohne eine gewisse Enttäuschung — jeden Gedanken an s.inputg.tlo aufgegeben zu haben, ja es war nicht einmal mehr die Rede davon, die übuls, noch einmal tnto und juenucio zu brechen. Vergebens bemühte sich Will, eine Unterhaltung mit Christenee in Gang zu bringen. Sie war eitel Fürsorge für ihn, verschaffte ihm frischen Fisch, Sauer¬ ampfer und Salat und holte oft selbst eine Kanne Danziger für ihn von der Bier¬ frau, aber sie war noch immer ebenso wortkarg, ebenso zurückhaltend — sie hatte weder Seele noch Leib für ihn. Jver Kramme kehrte beständig mit Neuigkeiten heim, bald von der Schiffs¬ brücke, bald aus der Stadt. Eines Tags war eine spanische Galiote, ganz mit köstlichem Alicantewein für den Keller des Königs beladen, auf dem Lappengrund aufgelaufen, und an Bord war ein Mohr gewesen rin bunten seidnen Tüchern um den Kopf. An einem andern Tage war das arge Hexenweib, das schuld daran war, daß Didrik Nemme- sniders Ehefrau das schlimme kalte Fieber bekommen hatte, endlich gefaßt und auf die Folter gespannt und mit dem glühenden Becken gebrannt worden, worauf sie sofort gutwillig ihre arge Bosheit bekannt hatte. Aber dergleichen Neuigkeiten interessierten Will nicht, und auf die Dauer belustigte es ihn auch nicht, Abend für Abend die Komödie im Kopenhagner Schloß oder „König Salomos Huldigung" abzuhandeln. Eines Morgens, als gerade Jver Kramme in die Schule hinabgehn wollte, fragte ihn Will, ob er ihm nicht irgend ein englisches Historienbuch zum Zeit¬ vertreib leihen könne. Nein, ein solches hatte Jver Kramme wirklich nicht; dänische Bücher hatte er und lateinische, andre nicht. Dann gebt mir ein lateinisches, bat Will. Könnt Ihr Lateinisch? rief Jver Kramme überrascht und riß die kleinen Augen auf. Dann laßt uns doch hinfort Lateinisch miteinander reden! Nein, sagte Will lachend, sprechen er ich die Sprache nicht, aber einen lateinischen Autor lesen, das kann ich schon — gebt mir nur einen. Jver Kramme trat an sein Bücherbrett, nahm einen Folianten heraus und gab ihn Will. Das ist die dänische Chronika auf Latein, sagte er, von Saxo, evssnowino <Ä-g,mena,t.ieus, abgefaßt und in Paris Anno 1514 nach Christi Geburt gedruckt. Da habt Ihr für lange Zeit zu lesen! Aber Will blätterte nur darin, las eine oder zwei Seiten und erklärte dann um die Mittagszeit, wenn in Dänemark weiter nichts Merkwürdiges passiert sei, als was in dieser Chronik stehe, so habe Dänemark keine Geschichte. Er ließ sich seine Laute auf das Bett legen, stimmte sie und sing an, einige Griffe zu tun, im nächsten Augenblick aber legte er sie mißmutig wieder hin, drehte sich uach der Wand um und entschlummerte. Jetzt mag ich nicht länger liegen, sagte Will eines Tages. Jetzt müßte ich wieder anfangen können zu gehn. Er kam ans dem Bett und kam in die Kleider, aber es war ihm nicht möglich, sich nur auf das Bein zu stützen, er mußte sich sofort wieder hinlegen. Da machte ihm Christenee den Vorschlag, da er um doch einmal aufgestanden sei, in die große Stube hinüberzukommen und das Bein auf die Ruhebank zu legen, es müsse doch eine Unterhaltung für ihn sein, da hinauszusehen, meinte sie.n Und eine Abwechslung war es ja auf alle Fälle. Durch die Liudenkrone

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/568>, abgerufen am 09.11.2024.