Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.vom Gelderwerb, von dessen Jochen und dessen Unwesen Wie aus den Aktiven einer solchen Bilanz erkennbar ist, vermag die Die Menschen haben sich durch ihre überragende Intelligenz zu Herren vom Gelderwerb, von dessen Jochen und dessen Unwesen Wie aus den Aktiven einer solchen Bilanz erkennbar ist, vermag die Die Menschen haben sich durch ihre überragende Intelligenz zu Herren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241624"/> <fw type="header" place="top"> vom Gelderwerb, von dessen Jochen und dessen Unwesen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1646"> Wie aus den Aktiven einer solchen Bilanz erkennbar ist, vermag die<lb/> Menschheit nicht mehr zu erwerben, als Wohnung, Nahrung und Kleidung<lb/> sowie die dazu zu rechnenden sonstigen Bedarfs- und Luxusgegenstände, als<lb/> die zur Gütererzeugung bestimmten Herstellungsmittel und als die der Gesamt¬<lb/> heit dienenden Anlagen und Einrichtungen. Alle diese Vermögensbestandteile<lb/> haben einen Wert, der in Geld ausgedrückt werdeu kaun, und soviel bares<lb/> oder in Guthaben bestehendes Geld ein Einzelner hat, so groß ist sein Anrecht<lb/> an den Gilterbesitz der Gesamtheit. Dieser Güterbesitz umfaßt also nur Gegen¬<lb/> stände, die konsumiert werden oder sich abnutzen und die nnr Wert haben,<lb/> wenn sie nutzbringend verwendbar sind. Der Gesamtwert dieser Sachgttter ist<lb/> weit geringer als die — zufolge der fehlerhaften wirtschaftlichen Einrichtung —<lb/> übermäßig angewachsne Summe der gesamten Geldansprüche, für die es darum<lb/> auch in den vorhandnen Sachgütern keine hinreichende Deckung gibt. Aller¬<lb/> dings hat man sich daran gewöhnt, auch deu Erdboden als käuflichen Gegen¬<lb/> stand zu betrachten und zu beleihen, der jedoch nicht zu den von der Mensch¬<lb/> heit erworbnen Gütern gehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_1647"> Die Menschen haben sich durch ihre überragende Intelligenz zu Herren<lb/> über alle irdischen Geschöpfe gemacht und eignen sich alles an, was auf und<lb/> in der Erde für sie erreichbar und brauchbar ist, aber die Erde selbst und die<lb/> in der Natur waltenden Kräfte sind kein menschliches Eigentum und gehören<lb/> nicht zu den wirtschaftlichen Gütern, sondern sind als die Grundlagen für<lb/> die Entstehung und das Dasein alles Irdischen anzusehen. Der Mensch bedarf<lb/> zu seiner Lebensfristung der Atmosphäre und des Weltmeers ebensowohl wie<lb/> des Erdbodens. Die Luft und den Ozean kann er nicht parzellieren, und<lb/> wenngleich es auf dem Festlande leichter ist, durch Grenzzeichen eine Teilung<lb/> zu markieren, so würde dadurch doch ebensowenig ein wirkliches Eigentumsrecht<lb/> verliehen. Es kann sich vielmehr immer nur darum handeln, den Grund und<lb/> Boden zum Wohnsitz zu benutzen und ihm Nutzgüter abzugewinnen. Der<lb/> Erdboden ist auch keine Sache, die nach Gutdünken behandelt, verändert oder<lb/> fortbewegt werden könnte. Jeder Bodenbesitz ist von den angrenzenden Grund¬<lb/> stücken untrennbar und steht im engsten Zusammenhang mit ihnen, sodaß den<lb/> jeweiligen Besitzen: auch nur ein beschränktes Benutzungsrecht zustehn kann.<lb/> Keiner darf mit dem Boden anders verfahren, als dies ohne Schädigung des<lb/> Gesamtintcresses zulässig ist. Auch geht das Verfügungsrecht eiues gesetz¬<lb/> mäßigen Eigentümers nicht so weit, daß er sich seines Grundstücks über die<lb/> Grenzen der Hoheitsrechte des Staats hinaus entäußern könnte. Was sich<lb/> gegeneinander austauschen läßt, sind greifbare Güter, die der Mensch durch<lb/> seine Leistungen und unter Benutzung der Eigenschaften und des Wirkens<lb/> der Naturlrüfte erzeugt, oder die er als Naturprodukte in Besitz genommen hat.<lb/> Mit einem untrennbaren Teil der Erdmasse unsers Planeten aber kann man<lb/> verstündigerweise keinen Handel treiben wollen. Der Staat, oder wer sonst<lb/> als verfügungsberechtigt gilt, kann wohl das alleinige Recht, einen bestimmten<lb/> Teil des Erdbodens zu benutzen, gegen eine Geldzahlung einräumen oder<lb/> übertragen, aber zum wirklichen Eigentum eines Menschen kann der Erdboden<lb/> nie werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
vom Gelderwerb, von dessen Jochen und dessen Unwesen
Wie aus den Aktiven einer solchen Bilanz erkennbar ist, vermag die
Menschheit nicht mehr zu erwerben, als Wohnung, Nahrung und Kleidung
sowie die dazu zu rechnenden sonstigen Bedarfs- und Luxusgegenstände, als
die zur Gütererzeugung bestimmten Herstellungsmittel und als die der Gesamt¬
heit dienenden Anlagen und Einrichtungen. Alle diese Vermögensbestandteile
haben einen Wert, der in Geld ausgedrückt werdeu kaun, und soviel bares
oder in Guthaben bestehendes Geld ein Einzelner hat, so groß ist sein Anrecht
an den Gilterbesitz der Gesamtheit. Dieser Güterbesitz umfaßt also nur Gegen¬
stände, die konsumiert werden oder sich abnutzen und die nnr Wert haben,
wenn sie nutzbringend verwendbar sind. Der Gesamtwert dieser Sachgttter ist
weit geringer als die — zufolge der fehlerhaften wirtschaftlichen Einrichtung —
übermäßig angewachsne Summe der gesamten Geldansprüche, für die es darum
auch in den vorhandnen Sachgütern keine hinreichende Deckung gibt. Aller¬
dings hat man sich daran gewöhnt, auch deu Erdboden als käuflichen Gegen¬
stand zu betrachten und zu beleihen, der jedoch nicht zu den von der Mensch¬
heit erworbnen Gütern gehört.
Die Menschen haben sich durch ihre überragende Intelligenz zu Herren
über alle irdischen Geschöpfe gemacht und eignen sich alles an, was auf und
in der Erde für sie erreichbar und brauchbar ist, aber die Erde selbst und die
in der Natur waltenden Kräfte sind kein menschliches Eigentum und gehören
nicht zu den wirtschaftlichen Gütern, sondern sind als die Grundlagen für
die Entstehung und das Dasein alles Irdischen anzusehen. Der Mensch bedarf
zu seiner Lebensfristung der Atmosphäre und des Weltmeers ebensowohl wie
des Erdbodens. Die Luft und den Ozean kann er nicht parzellieren, und
wenngleich es auf dem Festlande leichter ist, durch Grenzzeichen eine Teilung
zu markieren, so würde dadurch doch ebensowenig ein wirkliches Eigentumsrecht
verliehen. Es kann sich vielmehr immer nur darum handeln, den Grund und
Boden zum Wohnsitz zu benutzen und ihm Nutzgüter abzugewinnen. Der
Erdboden ist auch keine Sache, die nach Gutdünken behandelt, verändert oder
fortbewegt werden könnte. Jeder Bodenbesitz ist von den angrenzenden Grund¬
stücken untrennbar und steht im engsten Zusammenhang mit ihnen, sodaß den
jeweiligen Besitzen: auch nur ein beschränktes Benutzungsrecht zustehn kann.
Keiner darf mit dem Boden anders verfahren, als dies ohne Schädigung des
Gesamtintcresses zulässig ist. Auch geht das Verfügungsrecht eiues gesetz¬
mäßigen Eigentümers nicht so weit, daß er sich seines Grundstücks über die
Grenzen der Hoheitsrechte des Staats hinaus entäußern könnte. Was sich
gegeneinander austauschen läßt, sind greifbare Güter, die der Mensch durch
seine Leistungen und unter Benutzung der Eigenschaften und des Wirkens
der Naturlrüfte erzeugt, oder die er als Naturprodukte in Besitz genommen hat.
Mit einem untrennbaren Teil der Erdmasse unsers Planeten aber kann man
verstündigerweise keinen Handel treiben wollen. Der Staat, oder wer sonst
als verfügungsberechtigt gilt, kann wohl das alleinige Recht, einen bestimmten
Teil des Erdbodens zu benutzen, gegen eine Geldzahlung einräumen oder
übertragen, aber zum wirklichen Eigentum eines Menschen kann der Erdboden
nie werden.
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