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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Rechtsciltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache

oblag als Diener der irdischen Gerechtigkeit das Schwert zu handhaben, und
dein doch zugleich -- ebenso wie allen seinen Nachkommen -- der Makel der
"Unehrlichkeit" anhaftete, der "Scharfrichter" oder vielmehr der "Henker."
Denn eigentümlicherweise ist es gerade diese, nur einer seiner ehemaligen Haupt-
täticckeiten entlehnte Bezeichnung des amtlichen Strafvollstreckers, die uns in so
vielen deutschen Ausdrücken und Redewendungen noch heute begegnet, während
doch die Todesstrafe jelck nur noch in wenigen europäischen Staaten dnrch den
"Strang" (Hängen, Henken), in Deutschland aber schon seit geraumer Zeck uur
noch durch Enthnuptuug vollzogen wird. Zahlreiche ältere, ernst auch in den
Gesetzen für "Henker" gebrauchte Benennungen, wie z. B. Freuncmn (lrs^-
in-wQ), Züchtiger (MÄckiZer, xnolckiZ'ör, ÄotckiMr), Feuer oder Vemcr (von
Veine im ältern Sinne von Strafe), Nachrichter (im Gegensatze zum Richter),
sind dagegen heute -- mehr oder weniger -- ebenso in Vergessenheit geraten,
wie die 'ironischen Bezeichnungen, die sich seinerzeit der Volkswitz für den
Mann des Schreckens ersonnen hatte, wie "Angstmann" oder "Pemlein,"
"Meister 5in"s" oder "Peter", "Schnürhänsleiu," "Meister F,x oder Kurzab,"
"Meister Auweh," oder "Meister Hämmerlein." Wie übrigens der zuletzt
erwähnte Name auch für den Teufel vorkommt, so sind vielleicht mich ni
manchen deutscheu Redewendungen Henker und Teufel miteinander vermischt
worden, wobei es nahe liegt, an eine Vermittlung durch den Ausdruck "Hinter"
(der dünkende, vgl. ahd. niickclm, nenollM, ahd. llinlcen, denken; Wurzel: irrte
aus indogerm. lclieng) für den bvcksfüßigen Teufel (angels. liellvlnnoa) zu
denken 'Wenn wir z. B. einem unliebsamen Störenfried zurufen: "Zum
Henker, laß mich doch in Ruhe" oder "packe dich (scher dich) zum Heuler"
oder ihm wünschen, "der Henker solle ihn holen," oder wenn wir jemand
voll Erstaunen über einen sonderbaren Vorschlag fragen: "Reitet dich denn
der Henker?" oder etwas bekräftigen mit: "Das müßte mit dem Henker
zugehen," etwas ablehnen durch: "Ich kümmere mich den Henker darum"
oder endlich in zorniger Verzweiflung ausrufen: "Das mag der Henker
wissen" (woher das kommt), so liegt in allen diesen Füllen zwar nicht gerade
eure Nötigung vor, das Wort Denker auf Teufel zu beziehen, aber doch sind die
Wendungen gewiß teilweise denen mit Teufel nachgebildet. Ganz zweifellos ist
dagegen der Zusammenhang mit dem Strafvollzugsorgan früherer Zeiten in den
Verbindungen "Henkersfreundschaft," "Henkersdienste," "Henkerlohn"
(übertriebne Forderung für im Grunde geringfüge Leistungen), "Henkersfrist"
(-^ Galgenfrist) und "Henkersmahl"' oder "Henkersmahlzeit." die uns
heute als Abschiedsmahl von guten Freunden aufgetischt werden kann, auch wenn
es sich noch nicht um die Reise ins Jenseits handelt.

Die berufsmäßige Ausübung von Strafvollstreckungen hätte an und für
sich bei den ja ziemlich derben Anschauungen unsrer Vorfahren wohl kaum die
allgemeine Geringschätzung und Verachtung des Scharfrichters zu zeitigen ver¬
mocht, wenn er'nicht zugleich auch fast immer das im wahrsten Sinne des
Wortes "anrüchige" Gewerbe des Abdeckers mit seinen übrigen Amtsgeschäften
vereinigt hätte. In dieser Eigenschaft wird er auch wohl als "Waseumeister"
(von Wasen ^ Rasen, ahd. or-iso, ahd. pfiff), als Filter (von fillen, ahd.
und ahd. vetter, das Fell abziehen). Caviller (Cavalier. vielleicht mit An¬
lehnung an e^ballns), Kafler. Kofler (noch jetck als Familienname erhalten),
als "Schinder" (von schinden, ahd. Soiron, ahd. sollinclen, entsanken, schalen,
hart mißhandeln, dann auch im übertragnen Sinne: plagen, aussaugen, vergl.
Leuteschiiider und sich fabsschinden), zuweilen aber auch als "Schelm" oder
"Rücker" bezeichnet -- zwei Ausdrücke, die im Laufe der Zeit einen sehr auf¬
fälligen Bedeutungswechsel durchgemacht haben. "Racker" (abzuleiten nicht
von lÄvIcen recken, auf die Folter spannen, wie Lessrng meinte, sondern
von rücken ^- zusammenfegen) hat zwar zum Teil, namentlich in Nord-


Deutsche Rechtsciltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache

oblag als Diener der irdischen Gerechtigkeit das Schwert zu handhaben, und
dein doch zugleich — ebenso wie allen seinen Nachkommen — der Makel der
„Unehrlichkeit" anhaftete, der „Scharfrichter" oder vielmehr der „Henker."
Denn eigentümlicherweise ist es gerade diese, nur einer seiner ehemaligen Haupt-
täticckeiten entlehnte Bezeichnung des amtlichen Strafvollstreckers, die uns in so
vielen deutschen Ausdrücken und Redewendungen noch heute begegnet, während
doch die Todesstrafe jelck nur noch in wenigen europäischen Staaten dnrch den
„Strang" (Hängen, Henken), in Deutschland aber schon seit geraumer Zeck uur
noch durch Enthnuptuug vollzogen wird. Zahlreiche ältere, ernst auch in den
Gesetzen für „Henker" gebrauchte Benennungen, wie z. B. Freuncmn (lrs^-
in-wQ), Züchtiger (MÄckiZer, xnolckiZ'ör, ÄotckiMr), Feuer oder Vemcr (von
Veine im ältern Sinne von Strafe), Nachrichter (im Gegensatze zum Richter),
sind dagegen heute — mehr oder weniger — ebenso in Vergessenheit geraten,
wie die 'ironischen Bezeichnungen, die sich seinerzeit der Volkswitz für den
Mann des Schreckens ersonnen hatte, wie „Angstmann" oder „Pemlein,"
„Meister 5in»s" oder „Peter", „Schnürhänsleiu," „Meister F,x oder Kurzab,"
„Meister Auweh," oder „Meister Hämmerlein." Wie übrigens der zuletzt
erwähnte Name auch für den Teufel vorkommt, so sind vielleicht mich ni
manchen deutscheu Redewendungen Henker und Teufel miteinander vermischt
worden, wobei es nahe liegt, an eine Vermittlung durch den Ausdruck „Hinter"
(der dünkende, vgl. ahd. niickclm, nenollM, ahd. llinlcen, denken; Wurzel: irrte
aus indogerm. lclieng) für den bvcksfüßigen Teufel (angels. liellvlnnoa) zu
denken 'Wenn wir z. B. einem unliebsamen Störenfried zurufen: „Zum
Henker, laß mich doch in Ruhe" oder „packe dich (scher dich) zum Heuler"
oder ihm wünschen, „der Henker solle ihn holen," oder wenn wir jemand
voll Erstaunen über einen sonderbaren Vorschlag fragen: „Reitet dich denn
der Henker?" oder etwas bekräftigen mit: „Das müßte mit dem Henker
zugehen," etwas ablehnen durch: „Ich kümmere mich den Henker darum"
oder endlich in zorniger Verzweiflung ausrufen: „Das mag der Henker
wissen" (woher das kommt), so liegt in allen diesen Füllen zwar nicht gerade
eure Nötigung vor, das Wort Denker auf Teufel zu beziehen, aber doch sind die
Wendungen gewiß teilweise denen mit Teufel nachgebildet. Ganz zweifellos ist
dagegen der Zusammenhang mit dem Strafvollzugsorgan früherer Zeiten in den
Verbindungen „Henkersfreundschaft," „Henkersdienste," „Henkerlohn"
(übertriebne Forderung für im Grunde geringfüge Leistungen), „Henkersfrist"
(-^ Galgenfrist) und „Henkersmahl"' oder „Henkersmahlzeit." die uns
heute als Abschiedsmahl von guten Freunden aufgetischt werden kann, auch wenn
es sich noch nicht um die Reise ins Jenseits handelt.

Die berufsmäßige Ausübung von Strafvollstreckungen hätte an und für
sich bei den ja ziemlich derben Anschauungen unsrer Vorfahren wohl kaum die
allgemeine Geringschätzung und Verachtung des Scharfrichters zu zeitigen ver¬
mocht, wenn er'nicht zugleich auch fast immer das im wahrsten Sinne des
Wortes „anrüchige" Gewerbe des Abdeckers mit seinen übrigen Amtsgeschäften
vereinigt hätte. In dieser Eigenschaft wird er auch wohl als „Waseumeister"
(von Wasen ^ Rasen, ahd. or-iso, ahd. pfiff), als Filter (von fillen, ahd.
und ahd. vetter, das Fell abziehen). Caviller (Cavalier. vielleicht mit An¬
lehnung an e^ballns), Kafler. Kofler (noch jetck als Familienname erhalten),
als „Schinder" (von schinden, ahd. Soiron, ahd. sollinclen, entsanken, schalen,
hart mißhandeln, dann auch im übertragnen Sinne: plagen, aussaugen, vergl.
Leuteschiiider und sich fabsschinden), zuweilen aber auch als „Schelm" oder
„Rücker" bezeichnet — zwei Ausdrücke, die im Laufe der Zeit einen sehr auf¬
fälligen Bedeutungswechsel durchgemacht haben. „Racker" (abzuleiten nicht
von lÄvIcen recken, auf die Folter spannen, wie Lessrng meinte, sondern
von rücken ^- zusammenfegen) hat zwar zum Teil, namentlich in Nord-


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[0371] Deutsche Rechtsciltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache oblag als Diener der irdischen Gerechtigkeit das Schwert zu handhaben, und dein doch zugleich — ebenso wie allen seinen Nachkommen — der Makel der „Unehrlichkeit" anhaftete, der „Scharfrichter" oder vielmehr der „Henker." Denn eigentümlicherweise ist es gerade diese, nur einer seiner ehemaligen Haupt- täticckeiten entlehnte Bezeichnung des amtlichen Strafvollstreckers, die uns in so vielen deutschen Ausdrücken und Redewendungen noch heute begegnet, während doch die Todesstrafe jelck nur noch in wenigen europäischen Staaten dnrch den „Strang" (Hängen, Henken), in Deutschland aber schon seit geraumer Zeck uur noch durch Enthnuptuug vollzogen wird. Zahlreiche ältere, ernst auch in den Gesetzen für „Henker" gebrauchte Benennungen, wie z. B. Freuncmn (lrs^- in-wQ), Züchtiger (MÄckiZer, xnolckiZ'ör, ÄotckiMr), Feuer oder Vemcr (von Veine im ältern Sinne von Strafe), Nachrichter (im Gegensatze zum Richter), sind dagegen heute — mehr oder weniger — ebenso in Vergessenheit geraten, wie die 'ironischen Bezeichnungen, die sich seinerzeit der Volkswitz für den Mann des Schreckens ersonnen hatte, wie „Angstmann" oder „Pemlein," „Meister 5in»s" oder „Peter", „Schnürhänsleiu," „Meister F,x oder Kurzab," „Meister Auweh," oder „Meister Hämmerlein." Wie übrigens der zuletzt erwähnte Name auch für den Teufel vorkommt, so sind vielleicht mich ni manchen deutscheu Redewendungen Henker und Teufel miteinander vermischt worden, wobei es nahe liegt, an eine Vermittlung durch den Ausdruck „Hinter" (der dünkende, vgl. ahd. niickclm, nenollM, ahd. llinlcen, denken; Wurzel: irrte aus indogerm. lclieng) für den bvcksfüßigen Teufel (angels. liellvlnnoa) zu denken 'Wenn wir z. B. einem unliebsamen Störenfried zurufen: „Zum Henker, laß mich doch in Ruhe" oder „packe dich (scher dich) zum Heuler" oder ihm wünschen, „der Henker solle ihn holen," oder wenn wir jemand voll Erstaunen über einen sonderbaren Vorschlag fragen: „Reitet dich denn der Henker?" oder etwas bekräftigen mit: „Das müßte mit dem Henker zugehen," etwas ablehnen durch: „Ich kümmere mich den Henker darum" oder endlich in zorniger Verzweiflung ausrufen: „Das mag der Henker wissen" (woher das kommt), so liegt in allen diesen Füllen zwar nicht gerade eure Nötigung vor, das Wort Denker auf Teufel zu beziehen, aber doch sind die Wendungen gewiß teilweise denen mit Teufel nachgebildet. Ganz zweifellos ist dagegen der Zusammenhang mit dem Strafvollzugsorgan früherer Zeiten in den Verbindungen „Henkersfreundschaft," „Henkersdienste," „Henkerlohn" (übertriebne Forderung für im Grunde geringfüge Leistungen), „Henkersfrist" (-^ Galgenfrist) und „Henkersmahl"' oder „Henkersmahlzeit." die uns heute als Abschiedsmahl von guten Freunden aufgetischt werden kann, auch wenn es sich noch nicht um die Reise ins Jenseits handelt. Die berufsmäßige Ausübung von Strafvollstreckungen hätte an und für sich bei den ja ziemlich derben Anschauungen unsrer Vorfahren wohl kaum die allgemeine Geringschätzung und Verachtung des Scharfrichters zu zeitigen ver¬ mocht, wenn er'nicht zugleich auch fast immer das im wahrsten Sinne des Wortes „anrüchige" Gewerbe des Abdeckers mit seinen übrigen Amtsgeschäften vereinigt hätte. In dieser Eigenschaft wird er auch wohl als „Waseumeister" (von Wasen ^ Rasen, ahd. or-iso, ahd. pfiff), als Filter (von fillen, ahd. und ahd. vetter, das Fell abziehen). Caviller (Cavalier. vielleicht mit An¬ lehnung an e^ballns), Kafler. Kofler (noch jetck als Familienname erhalten), als „Schinder" (von schinden, ahd. Soiron, ahd. sollinclen, entsanken, schalen, hart mißhandeln, dann auch im übertragnen Sinne: plagen, aussaugen, vergl. Leuteschiiider und sich fabsschinden), zuweilen aber auch als „Schelm" oder „Rücker" bezeichnet — zwei Ausdrücke, die im Laufe der Zeit einen sehr auf¬ fälligen Bedeutungswechsel durchgemacht haben. „Racker" (abzuleiten nicht von lÄvIcen recken, auf die Folter spannen, wie Lessrng meinte, sondern von rücken ^- zusammenfegen) hat zwar zum Teil, namentlich in Nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/371>, abgerufen am 01.09.2024.