Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache gelb, das in den lateinisch geschriebn"! Vvlksrechten kreäv.8 oder krsclniri, in Auch in der altgermanischen und der fränkischen Periode hat es neben den Ganz besonders deutliche Spuren hat in unsrer Sprache der Mann hinter¬ Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache gelb, das in den lateinisch geschriebn«! Vvlksrechten kreäv.8 oder krsclniri, in Auch in der altgermanischen und der fränkischen Periode hat es neben den Ganz besonders deutliche Spuren hat in unsrer Sprache der Mann hinter¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241584"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache</fw><lb/> <p xml:id="ID_1431" prev="#ID_1430"> gelb, das in den lateinisch geschriebn«! Vvlksrechten kreäv.8 oder krsclniri, in<lb/> den Gesetzen des Mittelalters aber — namentlich in Niederdeutschland — öfter<lb/> „Wette" (vczcläo) oder „Gewelle" (Ac^sÄcks) genannt wird, womit das auch<lb/> heute noch an der mecklenburgischen Küste gebräuchliche „Gewett" zur Bezeich¬<lb/> nung gewisser, namentlich mit Schiffs- und hafeupolizeilicheu Funktionen aus¬<lb/> gestatteter Behörden in einem Zusammenhang steht, während sonst ja „die Wette"<lb/> im jetzigen Deutsch (durch Vermittlung des Begriffs „Pfand" als Einsatz bei<lb/> einer Wette) längst eine andre Bedeutung angenommen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1432"> Auch in der altgermanischen und der fränkischen Periode hat es neben den<lb/> Geldbußen schon verschiedne andre Strafen (an der Ehre und an Leib und<lb/> Leben) gegeben, nur zeigte sich dabei noch nicht die von raffinierter Grausam¬<lb/> keit erdachte Reichhaltigkeit, die sich in spätern Jahrhunderten, namentlich bei den<lb/> Todes- und den Körperstrafen, unter dem Einflüsse der mosaisch-christlichen Vcr-<lb/> geltungsvorstelluug (Talion) und der Abschrecknngstheorie ausgebildet hat. Des¬<lb/> halb machte sich auch erst im Mittelalter das Bedürfnis nach einer nur für<lb/> Strafvollstreckungen amtlich angestellten und besoldeten Persönlichkeit geltend,<lb/> während man in den ältern, einfachern Zeiten die Exekutionen zunächst öfter dem<lb/> Verletzten selbst, bei Tötungen den uüchsten Verwandten überließ oder sie<lb/> irgend einem andern, auf verschiedne Weise näher bestimmten Mitgliede der<lb/> Gemeinde, wie etwa dem jüngsten Schöffen oder Ratsherrn, übertrug. Häufig<lb/> leitete auch der sogenannte Frvnbote (ahd. vrSnvcits, mutt. vronfofbocls, vröno)<lb/> den Strafvollzug, jedoch war dieser Beamte noch mit mannigfachen andern<lb/> Geschäften, wie z. B. der Ladung der Parteien (auch in Zivilsache»?) betraut und<lb/> galt überhaupt — wenigstens im Gebiete des sächsischen Rechts — als un¬<lb/> entbehrlich für die ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts. Daß der Fronbote<lb/> ursprünglich „eine, wenn auch gefürchtete, so doch geachtete und angesehene<lb/> Persönlichkeit" gewesen ist, verdient hier besonders deshalb hervorgehoben zu<lb/> werden, weil wir für ihn schon ziemlich früh in den Rechtsquellen auch die<lb/> Bezeichnung „Büttel" (echt. hüllt oder xnt.it, ahd. dreht, angels. d^nisi,<lb/> engl. bsacllv, d. h. wörtlich der „Bieter," Gerichtsbote von ahd. xiots-n<lb/> fnnnliarej, ahd. »indem — bieten, gebieten) antreffen, die in uns heute<lb/> nicht nur „die Vorstellung eines niedrigsten Gerichtsdieners, eines unter¬<lb/> geordneten, unselbständigen Polizeiorgans" wachruft, sondern auch noch eine<lb/> weitere, verächtliche Nebenbedeutung angenommen hat, indem sie „zum Bei¬<lb/> namen für einen rohen, flegelhaften Menschen geworden, den jeder am<lb/> liebsten schon von ferne meidet." (Chr. Eckert, Der Fronbote im Mittel¬<lb/> alter usw. Gießener Jnang.-Dissertation, Leipzig 1397, Seite 7, 8.) In ähn¬<lb/> licher Weise ist es auch dem Worte „Scherge" (ahd. 8<zg.rio, searo, sovrjo, ahd.<lb/> Soneras, selloi^v) ergangen, das gleichfalls einst, namentlich bei den Langobarden,<lb/> für gerichtliche Vollstreckungsbeamte gebraucht wurde, uns heute aber fast<lb/> nur noch in einem allgemeinern, verächtlichen Sinne („feiler Scherge") geläufig<lb/> ist. Das allmähliche Herabsinken dieser Amtsnamen ist ohne Zweifel haupt¬<lb/> sächlich daraus zu erklären, daß man sie später u. a. auch für den verachtetsten<lb/> aller „unehrlichen Leute," den berufsmäßigen Scharfrichter angewandt hat, der<lb/> uns sofort noch näher beschäftigen wird. Zuvor sei nur noch bemerkt, daß<lb/> der „Büttel" eigentümlicherweise in neuern Zeiten auch wieder zu Ehren ge¬<lb/> kommen ist, nachdem man ihm ein lateinisches Gewand umgehängt hatte. So<lb/> kam es nämlich, daß der l>s6eI1u8 (franz. deae-an, nat. diäsllo) oder xe<isto8<lb/> des barbarischen Mittellateins (vielleicht durch Anlehnung an xvL, xväi8 ent¬<lb/> standen) der Stammvater geworden ist von unsern biedern „Pedellen" an<lb/> Schulen und Universitäten (hierfür seit 1350 bezeugt), die jetzt in der Studenten¬<lb/> sprache meist „Pudel" genannt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1433" next="#ID_1434"> Ganz besonders deutliche Spuren hat in unsrer Sprache der Mann hinter¬<lb/> lassen, dem im späten Mittelalter das schwere und verantwortungsvolle Amt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0370]
Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache
gelb, das in den lateinisch geschriebn«! Vvlksrechten kreäv.8 oder krsclniri, in
den Gesetzen des Mittelalters aber — namentlich in Niederdeutschland — öfter
„Wette" (vczcläo) oder „Gewelle" (Ac^sÄcks) genannt wird, womit das auch
heute noch an der mecklenburgischen Küste gebräuchliche „Gewett" zur Bezeich¬
nung gewisser, namentlich mit Schiffs- und hafeupolizeilicheu Funktionen aus¬
gestatteter Behörden in einem Zusammenhang steht, während sonst ja „die Wette"
im jetzigen Deutsch (durch Vermittlung des Begriffs „Pfand" als Einsatz bei
einer Wette) längst eine andre Bedeutung angenommen hat.
Auch in der altgermanischen und der fränkischen Periode hat es neben den
Geldbußen schon verschiedne andre Strafen (an der Ehre und an Leib und
Leben) gegeben, nur zeigte sich dabei noch nicht die von raffinierter Grausam¬
keit erdachte Reichhaltigkeit, die sich in spätern Jahrhunderten, namentlich bei den
Todes- und den Körperstrafen, unter dem Einflüsse der mosaisch-christlichen Vcr-
geltungsvorstelluug (Talion) und der Abschrecknngstheorie ausgebildet hat. Des¬
halb machte sich auch erst im Mittelalter das Bedürfnis nach einer nur für
Strafvollstreckungen amtlich angestellten und besoldeten Persönlichkeit geltend,
während man in den ältern, einfachern Zeiten die Exekutionen zunächst öfter dem
Verletzten selbst, bei Tötungen den uüchsten Verwandten überließ oder sie
irgend einem andern, auf verschiedne Weise näher bestimmten Mitgliede der
Gemeinde, wie etwa dem jüngsten Schöffen oder Ratsherrn, übertrug. Häufig
leitete auch der sogenannte Frvnbote (ahd. vrSnvcits, mutt. vronfofbocls, vröno)
den Strafvollzug, jedoch war dieser Beamte noch mit mannigfachen andern
Geschäften, wie z. B. der Ladung der Parteien (auch in Zivilsache»?) betraut und
galt überhaupt — wenigstens im Gebiete des sächsischen Rechts — als un¬
entbehrlich für die ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts. Daß der Fronbote
ursprünglich „eine, wenn auch gefürchtete, so doch geachtete und angesehene
Persönlichkeit" gewesen ist, verdient hier besonders deshalb hervorgehoben zu
werden, weil wir für ihn schon ziemlich früh in den Rechtsquellen auch die
Bezeichnung „Büttel" (echt. hüllt oder xnt.it, ahd. dreht, angels. d^nisi,
engl. bsacllv, d. h. wörtlich der „Bieter," Gerichtsbote von ahd. xiots-n
fnnnliarej, ahd. »indem — bieten, gebieten) antreffen, die in uns heute
nicht nur „die Vorstellung eines niedrigsten Gerichtsdieners, eines unter¬
geordneten, unselbständigen Polizeiorgans" wachruft, sondern auch noch eine
weitere, verächtliche Nebenbedeutung angenommen hat, indem sie „zum Bei¬
namen für einen rohen, flegelhaften Menschen geworden, den jeder am
liebsten schon von ferne meidet." (Chr. Eckert, Der Fronbote im Mittel¬
alter usw. Gießener Jnang.-Dissertation, Leipzig 1397, Seite 7, 8.) In ähn¬
licher Weise ist es auch dem Worte „Scherge" (ahd. 8<zg.rio, searo, sovrjo, ahd.
Soneras, selloi^v) ergangen, das gleichfalls einst, namentlich bei den Langobarden,
für gerichtliche Vollstreckungsbeamte gebraucht wurde, uns heute aber fast
nur noch in einem allgemeinern, verächtlichen Sinne („feiler Scherge") geläufig
ist. Das allmähliche Herabsinken dieser Amtsnamen ist ohne Zweifel haupt¬
sächlich daraus zu erklären, daß man sie später u. a. auch für den verachtetsten
aller „unehrlichen Leute," den berufsmäßigen Scharfrichter angewandt hat, der
uns sofort noch näher beschäftigen wird. Zuvor sei nur noch bemerkt, daß
der „Büttel" eigentümlicherweise in neuern Zeiten auch wieder zu Ehren ge¬
kommen ist, nachdem man ihm ein lateinisches Gewand umgehängt hatte. So
kam es nämlich, daß der l>s6eI1u8 (franz. deae-an, nat. diäsllo) oder xe<isto8
des barbarischen Mittellateins (vielleicht durch Anlehnung an xvL, xväi8 ent¬
standen) der Stammvater geworden ist von unsern biedern „Pedellen" an
Schulen und Universitäten (hierfür seit 1350 bezeugt), die jetzt in der Studenten¬
sprache meist „Pudel" genannt werden.
Ganz besonders deutliche Spuren hat in unsrer Sprache der Mann hinter¬
lassen, dem im späten Mittelalter das schwere und verantwortungsvolle Amt
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