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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Donatellos Arbeiten für die Mediceer

und all den andern bekleideten Statuen seiner jungen Zeit und nach dem halb
bekleideten, halb versteckten Holofernes hier endlich einen vollständigen, in freier
Luft stehenden Akt zu geben!

An diesem schönen Bronzedavid haftet übrigens noch ein ganz persönliches
Mediceerinteresse. Die Familie besaß unter ihren vielen antiken Münzen und
Gemmen auch einen berühmten Cameo: Amor und Psyche auf einem von
Amoretten gezognen und umspielten Wagen. Holofernes trägt einen Cameo
um den Hals. Auf dem Helm des Goliathhauptes am Bronzedavid sehen wir
den von Amoretten gezognen und erkletterten Wagen. Es war eine Art Marke
Donatellos für Medieeerwerke. Ein drittes Werk, das aufs engste hierher gehört,
ist die Bronzebüste eines knabenhaften Jünglings im Bargello, der durchaus
die Züge des Bronzedavid hat und um den bloßen Hals um Bande einen
großen Cameo trägt: Amor auf dem Streitwagen. Es ist die Portrntbüste
eines der beiden Söhne Cosimos, der zugleich zum David, wenigstens zum
Kopfe, Modell gestanden hat, eine ähnliche Empfehlung des Knaben an das
Heldentum, wie reiche Florentiner damals gern ihre Kinder in Stein oder
Bronze bilden ließen und als kleine Christus- oder Johannesportrüts aufstellten,
ihre Lieblinge damit dem Schutze dieser Heiligen empfehlend. Die Bronzebüste
Donatellos stellt einen kaum achtzehnjährigen Burschen dar; wenn es Cosimos
älterer Sohn Piero wäre, müßte sie also vor 1435 gearbeitet sein, unmittelbar
danach wäre der David zu setzen ; wenn Cosimos jüngerer Sohn Giovanni, dürfte
man sie samt dem David ziemlich an 1440 heranrücken/') Seltsamerweise ist
die Büste lange unter dem Namen Gattamelata gegangen; wußte man früher,
daß sie das Modell des berühmtesten Werkes Donatellos darstellte, und ver¬
wechselte dann eines Tags unter diesem allgemeinen Titel David und Gatta¬
melata?

Mit all diese" bedeutenden, für ihre Zeit wunderbaren Werken sind die
Arbeiten Donatellos für das Haus Medici noch nicht erschöpft. Vasari sah
ein Porträt der Gattin Cosimos, von Donatello gearbeitet; ist es die Frauen¬
büste im South-Kensington-Museum? In Neapel ist ein frappant mächtiger
wiehernder Pferdekopf, der wohl alle andern Pferdeköpfe der Antike und der
Renaissance schlägt, ein Geschenk eines Medici an einen König von Neapel,
auch er ist ein Werk von Donatellos Hand. Wieviel andres mag vernichtet
worden, verloren sein?

Wie Verrocchiv den Donatello in seinen Werken, so oft er sie im Wetteifer
mit seinem größern Vorgänger entwarf, nirgends erreicht, weder in seinem seil¬
tänzerhaften David noch in den mehr äußerlich als innerlich momentan gegebnen
Madonnen, so hat er sich auch nicht einer so fürstlich sorgenden Huld Lorenzos
erfreuen können, wie sie Donatello von Cosimo zu teil wurde. Das merkwür¬
digste Stück aus Verrocchios Mediceerarbeiten ist vielleicht die berühmte Frauen¬
büste, die man als Porträt der Lucrezia Donati ansieht, der Geliebten Lorenzos.
Die schöne Frau, deren jüngeres Antlitz Botticelli in der rechten der drei Grazien



*) Zieht man die Büste Pieros als Mann von Mino da Fiesole zu Rate, so scheint man
sich für Piero entscheiden zu dürfen; der Bronzedavid wäre dann das erste große Werk des unter
dem Eindrucke Roms und seiner Antiken 1433 in Florenz wieder an die Arbeit gehenden Meisters.
Donatellos Arbeiten für die Mediceer

und all den andern bekleideten Statuen seiner jungen Zeit und nach dem halb
bekleideten, halb versteckten Holofernes hier endlich einen vollständigen, in freier
Luft stehenden Akt zu geben!

An diesem schönen Bronzedavid haftet übrigens noch ein ganz persönliches
Mediceerinteresse. Die Familie besaß unter ihren vielen antiken Münzen und
Gemmen auch einen berühmten Cameo: Amor und Psyche auf einem von
Amoretten gezognen und umspielten Wagen. Holofernes trägt einen Cameo
um den Hals. Auf dem Helm des Goliathhauptes am Bronzedavid sehen wir
den von Amoretten gezognen und erkletterten Wagen. Es war eine Art Marke
Donatellos für Medieeerwerke. Ein drittes Werk, das aufs engste hierher gehört,
ist die Bronzebüste eines knabenhaften Jünglings im Bargello, der durchaus
die Züge des Bronzedavid hat und um den bloßen Hals um Bande einen
großen Cameo trägt: Amor auf dem Streitwagen. Es ist die Portrntbüste
eines der beiden Söhne Cosimos, der zugleich zum David, wenigstens zum
Kopfe, Modell gestanden hat, eine ähnliche Empfehlung des Knaben an das
Heldentum, wie reiche Florentiner damals gern ihre Kinder in Stein oder
Bronze bilden ließen und als kleine Christus- oder Johannesportrüts aufstellten,
ihre Lieblinge damit dem Schutze dieser Heiligen empfehlend. Die Bronzebüste
Donatellos stellt einen kaum achtzehnjährigen Burschen dar; wenn es Cosimos
älterer Sohn Piero wäre, müßte sie also vor 1435 gearbeitet sein, unmittelbar
danach wäre der David zu setzen ; wenn Cosimos jüngerer Sohn Giovanni, dürfte
man sie samt dem David ziemlich an 1440 heranrücken/') Seltsamerweise ist
die Büste lange unter dem Namen Gattamelata gegangen; wußte man früher,
daß sie das Modell des berühmtesten Werkes Donatellos darstellte, und ver¬
wechselte dann eines Tags unter diesem allgemeinen Titel David und Gatta¬
melata?

Mit all diese» bedeutenden, für ihre Zeit wunderbaren Werken sind die
Arbeiten Donatellos für das Haus Medici noch nicht erschöpft. Vasari sah
ein Porträt der Gattin Cosimos, von Donatello gearbeitet; ist es die Frauen¬
büste im South-Kensington-Museum? In Neapel ist ein frappant mächtiger
wiehernder Pferdekopf, der wohl alle andern Pferdeköpfe der Antike und der
Renaissance schlägt, ein Geschenk eines Medici an einen König von Neapel,
auch er ist ein Werk von Donatellos Hand. Wieviel andres mag vernichtet
worden, verloren sein?

Wie Verrocchiv den Donatello in seinen Werken, so oft er sie im Wetteifer
mit seinem größern Vorgänger entwarf, nirgends erreicht, weder in seinem seil¬
tänzerhaften David noch in den mehr äußerlich als innerlich momentan gegebnen
Madonnen, so hat er sich auch nicht einer so fürstlich sorgenden Huld Lorenzos
erfreuen können, wie sie Donatello von Cosimo zu teil wurde. Das merkwür¬
digste Stück aus Verrocchios Mediceerarbeiten ist vielleicht die berühmte Frauen¬
büste, die man als Porträt der Lucrezia Donati ansieht, der Geliebten Lorenzos.
Die schöne Frau, deren jüngeres Antlitz Botticelli in der rechten der drei Grazien



*) Zieht man die Büste Pieros als Mann von Mino da Fiesole zu Rate, so scheint man
sich für Piero entscheiden zu dürfen; der Bronzedavid wäre dann das erste große Werk des unter
dem Eindrucke Roms und seiner Antiken 1433 in Florenz wieder an die Arbeit gehenden Meisters.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/300>, abgerufen am 22.11.2024.