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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

Nicht wahr, zum Frühstück bekommt er einen Zwieback, in süßen Tee einge¬
weicht, und Mittags ein Stückchen Apfel?

Davon weiß ich nichts, sagte der Marquis, aber wenn er wirklich nicht mehr
erhält als das, wird er bald genug verhungert sein.

O Herr Marquis, was denken Sie von mir! Ich werde ihn doch nicht
verhungern lassen! Hanf kann er fressen, so viel er will, und wenn Sie glauben,
daß er von Welschkorn nicht zu fett wird, so soll er das auch haben.

Madame, entgegnete der Edelmann, der jetzt verstand, daß der Vogel gemeint
war, füttern Sie ihn meinetwegen mit Zwiebäcken und Äpfeln, so oft Sie "vollen,
aber erweisen Sie mir jetzt die Gefälligkeit, mich allein zu lassen. Ich habe zu
tun und möchte nicht länger gestört werden. Nehmen Sie die Sachen mit, oder
bringen Sie sie draußen auf deu Vorsaal, aber sorgen Sie dafür, daß ich Luft
und Ruhe bekomme.

Nun machte sich die Wittib wirklich daran, ihren Raub in Sicherheit zu
bringen. Sie raffte mit beiden Armen soviel zusammen, wie sie zu tragen ver¬
mochte, und stieg damit die Treppe hinab. Viermal mußte sie wiederkehren, ehe
alles beseitigt war. Daun holte sie noch den Käfig mit dem Kakadu und kündete
dem Marquis an, daß sie ihn nun nicht weiter belästigen werde.

Als Marigny das leere Laken auf dem Fußboden sah, stieß er einen Seufzer
der Erleichterung aus und zog ans dem Alkoven, wo sein Bett stand, ein eisernes
Kästchen hervor, das er nicht ohne großen Kraftaufwand auf deu Tisch hob und
mit einem kunstvoll gearbeiteten Schlüssel öffnete. Er entnahm dieser Kassette eine
Anzahl kleiner Lederkapseln, deren jede ein auserlesenes Schmuckstück enthielt. Da
kamen herrliche Steine zum Vorschein: Ruhme und Smaragde, Türkise und Topase,
Hyazinthe und Opale, wie man sie in bunter Vereinigung zu Ludwigs des Vier¬
zehnten Zeiten getragen hatte, und die größtenteils noch in deu alten Fassungen
saßen. Aber auch an Diamanten fehlte es nicht. Vierundzwanzig der schönsten
waren zu einem Halsgeschmeide vereinigt, die mittlern fast so groß wie kleine
Haselnüsse, die übrigen wie Erbsen, und wenn auch das Feuer der Steine in der
altmodischen Kasteufassuug nicht voll zur Geltung kam, so sah man doch auf den
ersten Blick, daß diese Juwelen durchweg vom ersten Wasser waren.

Jeder andre würde sich wenigstens einige Minuten am Farbenspiele solcher
kostbaren Nichtigkeiten geweidet haben. Marigny begnügte sich damit, jede Kapsel
zu öffnen, sich vom Vorhandensein des Inhalts zu überzeugen und jedes einzelne
Stück mit dem Verzeichnis zu vergleichen, das zu unterst in der Kassette gelegen
hatte. Er zählte gerade die Opale eines Armbands, als sehr energisch an seine
Tür geklopft wurde. So schnell er vermochte, warf er sämtliche Kapseln in ihren
Behälter, klappte den Deckel zu und breitete seinen Rock darüber, um unberufner
Augen den Anblick des Schatzes zu entziehn. Dann rief er, gereizt wie er war,
mit donnernder Stimme: Herein!

Und wer erschien? Madame Haßlacher.

Sie trug etwas auf der wcitvorgestreckteu flachen Hand und hielt es dem
alten Herrn unter die Nase.

Wissen Sie auch, was das ist, Herr Marquis? fragte sie. Sehen Sie sich
das einmal genau an! Das ist die andre Schnalle! Die stak in der linken
Tasche der tabakbraunen Sammetweste. Eine Schuhschnalle in der Westentasche! Was
soll man dazu sagen! Hätten Sie vorhin die eine nicht weggeworfen, so wären
jetzt alle beide da. Aber was soll ich nun mit dieser anfangen, wenn mir die
andre dazu fehlt? Sie brauchten doch auch nicht gleich so hitzig zu werden.

Madame, wenn Sie die Absicht haben, mir Vorwürfe zu machen, so muß ich
Sie schon bitten, das auf morgen zu "ersparen. Jetzt bin ich beschäftigt.

Vorwürfe? O liebster Herr Marquis, wie käme ich, eine einfache Bürgers¬
frau, dazu, einem vornehmen Kavalier, der mir keinen Kreuzer schuldig geblieben
ist, Vorwürfe zu machen?


Der Marquis von Marigny

Nicht wahr, zum Frühstück bekommt er einen Zwieback, in süßen Tee einge¬
weicht, und Mittags ein Stückchen Apfel?

Davon weiß ich nichts, sagte der Marquis, aber wenn er wirklich nicht mehr
erhält als das, wird er bald genug verhungert sein.

O Herr Marquis, was denken Sie von mir! Ich werde ihn doch nicht
verhungern lassen! Hanf kann er fressen, so viel er will, und wenn Sie glauben,
daß er von Welschkorn nicht zu fett wird, so soll er das auch haben.

Madame, entgegnete der Edelmann, der jetzt verstand, daß der Vogel gemeint
war, füttern Sie ihn meinetwegen mit Zwiebäcken und Äpfeln, so oft Sie »vollen,
aber erweisen Sie mir jetzt die Gefälligkeit, mich allein zu lassen. Ich habe zu
tun und möchte nicht länger gestört werden. Nehmen Sie die Sachen mit, oder
bringen Sie sie draußen auf deu Vorsaal, aber sorgen Sie dafür, daß ich Luft
und Ruhe bekomme.

Nun machte sich die Wittib wirklich daran, ihren Raub in Sicherheit zu
bringen. Sie raffte mit beiden Armen soviel zusammen, wie sie zu tragen ver¬
mochte, und stieg damit die Treppe hinab. Viermal mußte sie wiederkehren, ehe
alles beseitigt war. Daun holte sie noch den Käfig mit dem Kakadu und kündete
dem Marquis an, daß sie ihn nun nicht weiter belästigen werde.

Als Marigny das leere Laken auf dem Fußboden sah, stieß er einen Seufzer
der Erleichterung aus und zog ans dem Alkoven, wo sein Bett stand, ein eisernes
Kästchen hervor, das er nicht ohne großen Kraftaufwand auf deu Tisch hob und
mit einem kunstvoll gearbeiteten Schlüssel öffnete. Er entnahm dieser Kassette eine
Anzahl kleiner Lederkapseln, deren jede ein auserlesenes Schmuckstück enthielt. Da
kamen herrliche Steine zum Vorschein: Ruhme und Smaragde, Türkise und Topase,
Hyazinthe und Opale, wie man sie in bunter Vereinigung zu Ludwigs des Vier¬
zehnten Zeiten getragen hatte, und die größtenteils noch in deu alten Fassungen
saßen. Aber auch an Diamanten fehlte es nicht. Vierundzwanzig der schönsten
waren zu einem Halsgeschmeide vereinigt, die mittlern fast so groß wie kleine
Haselnüsse, die übrigen wie Erbsen, und wenn auch das Feuer der Steine in der
altmodischen Kasteufassuug nicht voll zur Geltung kam, so sah man doch auf den
ersten Blick, daß diese Juwelen durchweg vom ersten Wasser waren.

Jeder andre würde sich wenigstens einige Minuten am Farbenspiele solcher
kostbaren Nichtigkeiten geweidet haben. Marigny begnügte sich damit, jede Kapsel
zu öffnen, sich vom Vorhandensein des Inhalts zu überzeugen und jedes einzelne
Stück mit dem Verzeichnis zu vergleichen, das zu unterst in der Kassette gelegen
hatte. Er zählte gerade die Opale eines Armbands, als sehr energisch an seine
Tür geklopft wurde. So schnell er vermochte, warf er sämtliche Kapseln in ihren
Behälter, klappte den Deckel zu und breitete seinen Rock darüber, um unberufner
Augen den Anblick des Schatzes zu entziehn. Dann rief er, gereizt wie er war,
mit donnernder Stimme: Herein!

Und wer erschien? Madame Haßlacher.

Sie trug etwas auf der wcitvorgestreckteu flachen Hand und hielt es dem
alten Herrn unter die Nase.

Wissen Sie auch, was das ist, Herr Marquis? fragte sie. Sehen Sie sich
das einmal genau an! Das ist die andre Schnalle! Die stak in der linken
Tasche der tabakbraunen Sammetweste. Eine Schuhschnalle in der Westentasche! Was
soll man dazu sagen! Hätten Sie vorhin die eine nicht weggeworfen, so wären
jetzt alle beide da. Aber was soll ich nun mit dieser anfangen, wenn mir die
andre dazu fehlt? Sie brauchten doch auch nicht gleich so hitzig zu werden.

Madame, wenn Sie die Absicht haben, mir Vorwürfe zu machen, so muß ich
Sie schon bitten, das auf morgen zu »ersparen. Jetzt bin ich beschäftigt.

Vorwürfe? O liebster Herr Marquis, wie käme ich, eine einfache Bürgers¬
frau, dazu, einem vornehmen Kavalier, der mir keinen Kreuzer schuldig geblieben
ist, Vorwürfe zu machen?


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[0250] Der Marquis von Marigny Nicht wahr, zum Frühstück bekommt er einen Zwieback, in süßen Tee einge¬ weicht, und Mittags ein Stückchen Apfel? Davon weiß ich nichts, sagte der Marquis, aber wenn er wirklich nicht mehr erhält als das, wird er bald genug verhungert sein. O Herr Marquis, was denken Sie von mir! Ich werde ihn doch nicht verhungern lassen! Hanf kann er fressen, so viel er will, und wenn Sie glauben, daß er von Welschkorn nicht zu fett wird, so soll er das auch haben. Madame, entgegnete der Edelmann, der jetzt verstand, daß der Vogel gemeint war, füttern Sie ihn meinetwegen mit Zwiebäcken und Äpfeln, so oft Sie »vollen, aber erweisen Sie mir jetzt die Gefälligkeit, mich allein zu lassen. Ich habe zu tun und möchte nicht länger gestört werden. Nehmen Sie die Sachen mit, oder bringen Sie sie draußen auf deu Vorsaal, aber sorgen Sie dafür, daß ich Luft und Ruhe bekomme. Nun machte sich die Wittib wirklich daran, ihren Raub in Sicherheit zu bringen. Sie raffte mit beiden Armen soviel zusammen, wie sie zu tragen ver¬ mochte, und stieg damit die Treppe hinab. Viermal mußte sie wiederkehren, ehe alles beseitigt war. Daun holte sie noch den Käfig mit dem Kakadu und kündete dem Marquis an, daß sie ihn nun nicht weiter belästigen werde. Als Marigny das leere Laken auf dem Fußboden sah, stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus und zog ans dem Alkoven, wo sein Bett stand, ein eisernes Kästchen hervor, das er nicht ohne großen Kraftaufwand auf deu Tisch hob und mit einem kunstvoll gearbeiteten Schlüssel öffnete. Er entnahm dieser Kassette eine Anzahl kleiner Lederkapseln, deren jede ein auserlesenes Schmuckstück enthielt. Da kamen herrliche Steine zum Vorschein: Ruhme und Smaragde, Türkise und Topase, Hyazinthe und Opale, wie man sie in bunter Vereinigung zu Ludwigs des Vier¬ zehnten Zeiten getragen hatte, und die größtenteils noch in deu alten Fassungen saßen. Aber auch an Diamanten fehlte es nicht. Vierundzwanzig der schönsten waren zu einem Halsgeschmeide vereinigt, die mittlern fast so groß wie kleine Haselnüsse, die übrigen wie Erbsen, und wenn auch das Feuer der Steine in der altmodischen Kasteufassuug nicht voll zur Geltung kam, so sah man doch auf den ersten Blick, daß diese Juwelen durchweg vom ersten Wasser waren. Jeder andre würde sich wenigstens einige Minuten am Farbenspiele solcher kostbaren Nichtigkeiten geweidet haben. Marigny begnügte sich damit, jede Kapsel zu öffnen, sich vom Vorhandensein des Inhalts zu überzeugen und jedes einzelne Stück mit dem Verzeichnis zu vergleichen, das zu unterst in der Kassette gelegen hatte. Er zählte gerade die Opale eines Armbands, als sehr energisch an seine Tür geklopft wurde. So schnell er vermochte, warf er sämtliche Kapseln in ihren Behälter, klappte den Deckel zu und breitete seinen Rock darüber, um unberufner Augen den Anblick des Schatzes zu entziehn. Dann rief er, gereizt wie er war, mit donnernder Stimme: Herein! Und wer erschien? Madame Haßlacher. Sie trug etwas auf der wcitvorgestreckteu flachen Hand und hielt es dem alten Herrn unter die Nase. Wissen Sie auch, was das ist, Herr Marquis? fragte sie. Sehen Sie sich das einmal genau an! Das ist die andre Schnalle! Die stak in der linken Tasche der tabakbraunen Sammetweste. Eine Schuhschnalle in der Westentasche! Was soll man dazu sagen! Hätten Sie vorhin die eine nicht weggeworfen, so wären jetzt alle beide da. Aber was soll ich nun mit dieser anfangen, wenn mir die andre dazu fehlt? Sie brauchten doch auch nicht gleich so hitzig zu werden. Madame, wenn Sie die Absicht haben, mir Vorwürfe zu machen, so muß ich Sie schon bitten, das auf morgen zu »ersparen. Jetzt bin ich beschäftigt. Vorwürfe? O liebster Herr Marquis, wie käme ich, eine einfache Bürgers¬ frau, dazu, einem vornehmen Kavalier, der mir keinen Kreuzer schuldig geblieben ist, Vorwürfe zu machen?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/250>, abgerufen am 01.09.2024.