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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wenn Deutschland, wie ein viel zitiertes und mißbrauchtes Wort Bismcircks be¬
hauptet, keine direkten Interessen am Mittelmeer haben soll, so ist das immer nur
von territorialen Interessen richtig gewesen, von den wirtschaftlichen Interessen
verstanden niemals und weniger als jemals hente, wo deutsches Kapital und deutsche
Arbeit in der ganzen Türkei massenhaft angelegt, und beiläufig die makedonischer
Bahnen in deutschen Händen sind und in deutscher Sprache verwaltet werden (für
die Beamten besteht sogar eine deutsche Schule in Saloniki).

Unsre deutsche Durchschnittspresse hat jetzt freilich viel zu viel mit dem Para¬
graphen 2 des Jesuitengesetzes und den Vorbereitungen zu den Reichstagswahlcn
zu tun, als daß sie sich um das, was "hinten weit in der Türkei" geschieht,
genauer bekümmern könnte; sie bewegt sich aber auch sonst meist in den ansge-
fnhrnen Geleisen einer längst überwundnen Politik, für die es nur europäische
Fragen gab, und sie hat kein Auge oder wenigstens kein Wort dafür, daß England
jetzt für den unvernünftigen Engländerhaß der deutschen Presse während des Buren¬
kriegs mit der Erschwerung oder der Verhinderung der türkischen Zinsgarcmtie, ohne
die der Bau der Bagdadbahu, eines doch wesentlich deutscheu Unternehmens, un¬
möglich ist, pünktlich quittiert. Wo die Rcichsregieruug für ihre uns aufgedrungne
Weltpolitik die Unterstützung der Presse und der öffentlichen Meinung braucht,
da wird sie nach wie vor von beiden regelmäßig im Stich gelassen oder gar
bekämpft.

Wenn das in Italien ganz anders ist, so liegt das natürlich auch an den
geographischen Verhältnissen. Jedenfalls ist dort Regierung wie Parlament fest
entschlossen, im Umkreis des Mittelmeers keine Gebietsverändernng zu dulden, ohne
selbst daran Anteil zu nehmen. Das führt ein bemerkenswerter Aufsatz des Ab¬
geordneten L. Bouin im ersten Aprilheft der Movi". ^ntolog'ig. (intorno alle qnostioui
baleMiebo) mit besondrer Beziehung auf die makedonische Frage näher aus. Die
Italiener haben es schwer empfunden, daß der Berliner Vertrag von 1878 an
Osterreich Bosnien und die Herzegowina überließ, Italien dagegen trotz seiner
nahen geographischen und historischen Beziehungen zur Balkanhalbinsel, namentlich
zu Albanien, leer ausging. Es hat seitdem die dortigen Fortschritte Österreichs,
nicht des parlamentarischen, sondern des militärisch-absoluten und katholischen Öster¬
reichs, vor allem seine "bewunderungswürdige Verwaltung" in den okkupierten Pro¬
vinzen mit Aufmerksamkeit und nicht ohne Eifersucht verfolgt, und es weiß ebenso¬
gut, daß Rußland außer dem Ruhme seiner zahlreichen Siege über das osmanische
Reich und seiner Klientel von Kleinstaaten auch die mächtige Hilfe des orthodoxen
Einflusses für sich hat. "Nichts ähnliches, sagt Bonin, steht uns im Orient zur
Seite, nicht der Glanz alter Siege über den Islam, weil jetzt die ruhmvollen
venezianischen Traditionen allzufern liegen, nicht die Grenznachbarschaft des Gebiets,
nicht die religiösen Einflüsse, weil jeder weiß, daß aus Gründen, an die zu er¬
innern hier überflüssig wäre, der Einfluß des katholischen Klerus sich sicher nicht
zu unsern Gunsten entfaltet. Wir haben also in den Balknnläudcru direkte Inter¬
essen, die denen der beiden Kaiserreiche uicht nachstehn, und wir sind in einer viel
weniger günstigen Lage, sie zur Geltung zu bringen." Und doch konnte Italien
unter gar keinen Umständen dulden, daß irgend eine europäische Großmacht von
der türkischen Ostküste des Adriatischen Meeres Besitz ergriffe, das würde die
Stellung Italiens an diesem Meere und die Sicherheit seiner eignen Küsten aufs
Äußerste gefährden, es wäre aber unvermeidlich mit jeder fremden Okkupation
Makedoniens verbunden, die zugleich einen italienischen Lieblingsplan, die Herstellung
einer Schieneuverbinduug zwischen Durazzo oder Avlona und Saloniki, durchkreuzen
könnte.

Zum Glück sind heute die Interessen der Mächte im türkischen Orient nicht
mehr so gespannt, wie etwa vor dreißig und mehr Jahren. Seitdem England
tatsächlich Ägypten in Besitz genommen hat, hat es seine alte Position um Bos¬
porus so ziemlich geräumt; der Gegensatz zu Rnßlnnd ist also an diesem Punkte


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wenn Deutschland, wie ein viel zitiertes und mißbrauchtes Wort Bismcircks be¬
hauptet, keine direkten Interessen am Mittelmeer haben soll, so ist das immer nur
von territorialen Interessen richtig gewesen, von den wirtschaftlichen Interessen
verstanden niemals und weniger als jemals hente, wo deutsches Kapital und deutsche
Arbeit in der ganzen Türkei massenhaft angelegt, und beiläufig die makedonischer
Bahnen in deutschen Händen sind und in deutscher Sprache verwaltet werden (für
die Beamten besteht sogar eine deutsche Schule in Saloniki).

Unsre deutsche Durchschnittspresse hat jetzt freilich viel zu viel mit dem Para¬
graphen 2 des Jesuitengesetzes und den Vorbereitungen zu den Reichstagswahlcn
zu tun, als daß sie sich um das, was „hinten weit in der Türkei" geschieht,
genauer bekümmern könnte; sie bewegt sich aber auch sonst meist in den ansge-
fnhrnen Geleisen einer längst überwundnen Politik, für die es nur europäische
Fragen gab, und sie hat kein Auge oder wenigstens kein Wort dafür, daß England
jetzt für den unvernünftigen Engländerhaß der deutschen Presse während des Buren¬
kriegs mit der Erschwerung oder der Verhinderung der türkischen Zinsgarcmtie, ohne
die der Bau der Bagdadbahu, eines doch wesentlich deutscheu Unternehmens, un¬
möglich ist, pünktlich quittiert. Wo die Rcichsregieruug für ihre uns aufgedrungne
Weltpolitik die Unterstützung der Presse und der öffentlichen Meinung braucht,
da wird sie nach wie vor von beiden regelmäßig im Stich gelassen oder gar
bekämpft.

Wenn das in Italien ganz anders ist, so liegt das natürlich auch an den
geographischen Verhältnissen. Jedenfalls ist dort Regierung wie Parlament fest
entschlossen, im Umkreis des Mittelmeers keine Gebietsverändernng zu dulden, ohne
selbst daran Anteil zu nehmen. Das führt ein bemerkenswerter Aufsatz des Ab¬
geordneten L. Bouin im ersten Aprilheft der Movi». ^ntolog'ig. (intorno alle qnostioui
baleMiebo) mit besondrer Beziehung auf die makedonische Frage näher aus. Die
Italiener haben es schwer empfunden, daß der Berliner Vertrag von 1878 an
Osterreich Bosnien und die Herzegowina überließ, Italien dagegen trotz seiner
nahen geographischen und historischen Beziehungen zur Balkanhalbinsel, namentlich
zu Albanien, leer ausging. Es hat seitdem die dortigen Fortschritte Österreichs,
nicht des parlamentarischen, sondern des militärisch-absoluten und katholischen Öster¬
reichs, vor allem seine „bewunderungswürdige Verwaltung" in den okkupierten Pro¬
vinzen mit Aufmerksamkeit und nicht ohne Eifersucht verfolgt, und es weiß ebenso¬
gut, daß Rußland außer dem Ruhme seiner zahlreichen Siege über das osmanische
Reich und seiner Klientel von Kleinstaaten auch die mächtige Hilfe des orthodoxen
Einflusses für sich hat. „Nichts ähnliches, sagt Bonin, steht uns im Orient zur
Seite, nicht der Glanz alter Siege über den Islam, weil jetzt die ruhmvollen
venezianischen Traditionen allzufern liegen, nicht die Grenznachbarschaft des Gebiets,
nicht die religiösen Einflüsse, weil jeder weiß, daß aus Gründen, an die zu er¬
innern hier überflüssig wäre, der Einfluß des katholischen Klerus sich sicher nicht
zu unsern Gunsten entfaltet. Wir haben also in den Balknnläudcru direkte Inter¬
essen, die denen der beiden Kaiserreiche uicht nachstehn, und wir sind in einer viel
weniger günstigen Lage, sie zur Geltung zu bringen." Und doch konnte Italien
unter gar keinen Umständen dulden, daß irgend eine europäische Großmacht von
der türkischen Ostküste des Adriatischen Meeres Besitz ergriffe, das würde die
Stellung Italiens an diesem Meere und die Sicherheit seiner eignen Küsten aufs
Äußerste gefährden, es wäre aber unvermeidlich mit jeder fremden Okkupation
Makedoniens verbunden, die zugleich einen italienischen Lieblingsplan, die Herstellung
einer Schieneuverbinduug zwischen Durazzo oder Avlona und Saloniki, durchkreuzen
könnte.

Zum Glück sind heute die Interessen der Mächte im türkischen Orient nicht
mehr so gespannt, wie etwa vor dreißig und mehr Jahren. Seitdem England
tatsächlich Ägypten in Besitz genommen hat, hat es seine alte Position um Bos¬
porus so ziemlich geräumt; der Gegensatz zu Rnßlnnd ist also an diesem Punkte


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[0687] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wenn Deutschland, wie ein viel zitiertes und mißbrauchtes Wort Bismcircks be¬ hauptet, keine direkten Interessen am Mittelmeer haben soll, so ist das immer nur von territorialen Interessen richtig gewesen, von den wirtschaftlichen Interessen verstanden niemals und weniger als jemals hente, wo deutsches Kapital und deutsche Arbeit in der ganzen Türkei massenhaft angelegt, und beiläufig die makedonischer Bahnen in deutschen Händen sind und in deutscher Sprache verwaltet werden (für die Beamten besteht sogar eine deutsche Schule in Saloniki). Unsre deutsche Durchschnittspresse hat jetzt freilich viel zu viel mit dem Para¬ graphen 2 des Jesuitengesetzes und den Vorbereitungen zu den Reichstagswahlcn zu tun, als daß sie sich um das, was „hinten weit in der Türkei" geschieht, genauer bekümmern könnte; sie bewegt sich aber auch sonst meist in den ansge- fnhrnen Geleisen einer längst überwundnen Politik, für die es nur europäische Fragen gab, und sie hat kein Auge oder wenigstens kein Wort dafür, daß England jetzt für den unvernünftigen Engländerhaß der deutschen Presse während des Buren¬ kriegs mit der Erschwerung oder der Verhinderung der türkischen Zinsgarcmtie, ohne die der Bau der Bagdadbahu, eines doch wesentlich deutscheu Unternehmens, un¬ möglich ist, pünktlich quittiert. Wo die Rcichsregieruug für ihre uns aufgedrungne Weltpolitik die Unterstützung der Presse und der öffentlichen Meinung braucht, da wird sie nach wie vor von beiden regelmäßig im Stich gelassen oder gar bekämpft. Wenn das in Italien ganz anders ist, so liegt das natürlich auch an den geographischen Verhältnissen. Jedenfalls ist dort Regierung wie Parlament fest entschlossen, im Umkreis des Mittelmeers keine Gebietsverändernng zu dulden, ohne selbst daran Anteil zu nehmen. Das führt ein bemerkenswerter Aufsatz des Ab¬ geordneten L. Bouin im ersten Aprilheft der Movi». ^ntolog'ig. (intorno alle qnostioui baleMiebo) mit besondrer Beziehung auf die makedonische Frage näher aus. Die Italiener haben es schwer empfunden, daß der Berliner Vertrag von 1878 an Osterreich Bosnien und die Herzegowina überließ, Italien dagegen trotz seiner nahen geographischen und historischen Beziehungen zur Balkanhalbinsel, namentlich zu Albanien, leer ausging. Es hat seitdem die dortigen Fortschritte Österreichs, nicht des parlamentarischen, sondern des militärisch-absoluten und katholischen Öster¬ reichs, vor allem seine „bewunderungswürdige Verwaltung" in den okkupierten Pro¬ vinzen mit Aufmerksamkeit und nicht ohne Eifersucht verfolgt, und es weiß ebenso¬ gut, daß Rußland außer dem Ruhme seiner zahlreichen Siege über das osmanische Reich und seiner Klientel von Kleinstaaten auch die mächtige Hilfe des orthodoxen Einflusses für sich hat. „Nichts ähnliches, sagt Bonin, steht uns im Orient zur Seite, nicht der Glanz alter Siege über den Islam, weil jetzt die ruhmvollen venezianischen Traditionen allzufern liegen, nicht die Grenznachbarschaft des Gebiets, nicht die religiösen Einflüsse, weil jeder weiß, daß aus Gründen, an die zu er¬ innern hier überflüssig wäre, der Einfluß des katholischen Klerus sich sicher nicht zu unsern Gunsten entfaltet. Wir haben also in den Balknnläudcru direkte Inter¬ essen, die denen der beiden Kaiserreiche uicht nachstehn, und wir sind in einer viel weniger günstigen Lage, sie zur Geltung zu bringen." Und doch konnte Italien unter gar keinen Umständen dulden, daß irgend eine europäische Großmacht von der türkischen Ostküste des Adriatischen Meeres Besitz ergriffe, das würde die Stellung Italiens an diesem Meere und die Sicherheit seiner eignen Küsten aufs Äußerste gefährden, es wäre aber unvermeidlich mit jeder fremden Okkupation Makedoniens verbunden, die zugleich einen italienischen Lieblingsplan, die Herstellung einer Schieneuverbinduug zwischen Durazzo oder Avlona und Saloniki, durchkreuzen könnte. Zum Glück sind heute die Interessen der Mächte im türkischen Orient nicht mehr so gespannt, wie etwa vor dreißig und mehr Jahren. Seitdem England tatsächlich Ägypten in Besitz genommen hat, hat es seine alte Position um Bos¬ porus so ziemlich geräumt; der Gegensatz zu Rnßlnnd ist also an diesem Punkte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/687>, abgerufen am 05.07.2024.