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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nicht mehr in der frühern Schärfe vorhanden. Frankreich hat sein Augenmerk
etwa seit derselben Zeit auf Afrika und jetzt vor allem auf Marokko gerichtet, und
Rußlands wichtigste Interessen liegen jetzt im fernen Zentral- und Ostasien, dort
ist also auch der wichtigste Schauplatz seines Konkurrenzkampfes mit England. Die
Verhältnisse der europäischen Türkei haben also nicht mehr dieselbe Wichtigkeit für
die europäische Politik wie früher; die allgemeine Erweiterung zur Weltpolitik hat
sie in den Hintergrund gedrängt. Das zeigt sich besonders in dem heutigen Ein¬
vernehmen zwischen Österreich und Rußland über die Balkanhalbinsel, auf dem
ihre augenblickliche Lage weit mehr beruht als auf deu dortigen Kleinstaaten und
ihren unruhigen Parteien.

So lange dieses unerschüttert bleibt -- und die gemeinsamen Reformvorschläge
beider Mächte in Konstantinopel zeigen es unerschüttert --, so lange ist der Aus-
bruch eiues großen Brandes am Balkan nicht zu besorgen. Denn die militärische
Macht der Türkei ist so überlegen, daß der Bandenkrieg wenig bedeutet, und daß
kein Balkanstaat es wagen wird, ohne auswärtige Unterstützung mit ihr anzu¬
binden. Die Aussicht auf wirkliche Durchführung der vorgeschlagnen Verwaltungs¬
reformen in Makedonien ist also vorhanden, und die Bürgschaft dafür bietet die
Oberherrschaft der Türken unter der Aufsicht der Großmächte immer noch eher als
die irgend eines der dort hadernden Volksstämme.

Die Erhaltung eines verbesserten solus quo ist also augenblicklich jeder andern,
namentlich jeder gewaltsamen Losung der makedonischer Frage vorzuziehn. Sie
liegt ebenso im Interesse des Landes selbst, das dadurch mehr zu Kräften kommen
kann, wie der rivalisierenden Großmächte. Dieser Ansicht ist auch L. Bonin. Die
Rivalität zwischen Italien und Österreich besonders in Albanien stellt er gar nicht
in Abrede, da beide mit Notwendigkeit darauf angewiesen sind, ihren Einfluß im
türkischen Orient auszubreiten. Aber sollten ernsthafte Fragen zwischen beiden
Mächten auftauchen, so hofft er auf friedliche Verständigung, weil beide Genossen
des Dreibunds sind und dieser "die größte Stütze der auswärtigen Politik Italiens"
geworden ist.

"Österreich aber, fährt er fort, ist uicht mehr die erobernde und reaktionäre
Macht" wie einst. "Es ist jetzt eine Bürgschaft der Sicherheit für die Zukunft
unsrer (der italienischen) Rasse geworden, unsre Vormauer gegen andre Rassen, die
an Zahl und Expansionskraft viel mächtiger sind als unsre. Dieser aus verschiednen
Nationalitäten gebildete Staat, die von der gemeinsamen Ergebenheit gegen eine
Dynastie und einem gemeinsamen Gefühl militärischer Ehre zusammengehalten
werden, erfüllt heute in Europa eine providentielle Aufgabe, die eines Pufferstaats
zwischen den drei großen Nassen, die unser Festland einnehmen. Keinem Staate ist
dieser Schutz heilsamer als dem unsrigen. Man bedenke, wie, das Verschwinden
Österreichs vorausgesetzt, die Lage unsers Landes sein würde, das unmittelbar auf
seiner nördlichen Grenze die Wucht des in einem einzigen Niesenstaat vereinigten
Deutschtums aushalten müßte, und auf seiner Ostgrenze den Stoß des Slawentums,
dieses Volkermeers, das mit seinen äußersten Wogen zugleich an unsre Alpen und
an die Hvchebnen Mittelasiens schlägt." Zwischen den drei Riesenmächten Ru߬
land, Nordamerika und (in bescheidneren Maßstabe) Deutschland sind schwächere
Staaten wie Österreich und Italien auseinander angewiesen, und dieses gemeinsame
Interesse gebietet ihnen, "jede mögliche Unverträglichkeit ihrer Interessen abzu¬
schwächen und in den Drohungen der Zukunft Gründe aufrichtigen Einverständnisses
zu suchen."

Dringt diese gewiß unbefangne und nüchterne Anschauung in Italien durch,
dann wird dem Deutschen Reiche uuter Umständen die Aufgabe der Vermittlung
zwischen seinen beiden Bundesgenossen zufallen, und es wird sie um so eher über¬
nehmen können, als sein eignes Interesse die Erhaltung und die Kräftigung der Türkei
in ihrem beschränkten Umfange, vor allem in Asien verlangt, denn jeder Zerfall
dieser Ländermasse würde die Gefahr eines großen Weltbrandes in sich schließen,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

nicht mehr in der frühern Schärfe vorhanden. Frankreich hat sein Augenmerk
etwa seit derselben Zeit auf Afrika und jetzt vor allem auf Marokko gerichtet, und
Rußlands wichtigste Interessen liegen jetzt im fernen Zentral- und Ostasien, dort
ist also auch der wichtigste Schauplatz seines Konkurrenzkampfes mit England. Die
Verhältnisse der europäischen Türkei haben also nicht mehr dieselbe Wichtigkeit für
die europäische Politik wie früher; die allgemeine Erweiterung zur Weltpolitik hat
sie in den Hintergrund gedrängt. Das zeigt sich besonders in dem heutigen Ein¬
vernehmen zwischen Österreich und Rußland über die Balkanhalbinsel, auf dem
ihre augenblickliche Lage weit mehr beruht als auf deu dortigen Kleinstaaten und
ihren unruhigen Parteien.

So lange dieses unerschüttert bleibt — und die gemeinsamen Reformvorschläge
beider Mächte in Konstantinopel zeigen es unerschüttert —, so lange ist der Aus-
bruch eiues großen Brandes am Balkan nicht zu besorgen. Denn die militärische
Macht der Türkei ist so überlegen, daß der Bandenkrieg wenig bedeutet, und daß
kein Balkanstaat es wagen wird, ohne auswärtige Unterstützung mit ihr anzu¬
binden. Die Aussicht auf wirkliche Durchführung der vorgeschlagnen Verwaltungs¬
reformen in Makedonien ist also vorhanden, und die Bürgschaft dafür bietet die
Oberherrschaft der Türken unter der Aufsicht der Großmächte immer noch eher als
die irgend eines der dort hadernden Volksstämme.

Die Erhaltung eines verbesserten solus quo ist also augenblicklich jeder andern,
namentlich jeder gewaltsamen Losung der makedonischer Frage vorzuziehn. Sie
liegt ebenso im Interesse des Landes selbst, das dadurch mehr zu Kräften kommen
kann, wie der rivalisierenden Großmächte. Dieser Ansicht ist auch L. Bonin. Die
Rivalität zwischen Italien und Österreich besonders in Albanien stellt er gar nicht
in Abrede, da beide mit Notwendigkeit darauf angewiesen sind, ihren Einfluß im
türkischen Orient auszubreiten. Aber sollten ernsthafte Fragen zwischen beiden
Mächten auftauchen, so hofft er auf friedliche Verständigung, weil beide Genossen
des Dreibunds sind und dieser „die größte Stütze der auswärtigen Politik Italiens"
geworden ist.

„Österreich aber, fährt er fort, ist uicht mehr die erobernde und reaktionäre
Macht" wie einst. „Es ist jetzt eine Bürgschaft der Sicherheit für die Zukunft
unsrer (der italienischen) Rasse geworden, unsre Vormauer gegen andre Rassen, die
an Zahl und Expansionskraft viel mächtiger sind als unsre. Dieser aus verschiednen
Nationalitäten gebildete Staat, die von der gemeinsamen Ergebenheit gegen eine
Dynastie und einem gemeinsamen Gefühl militärischer Ehre zusammengehalten
werden, erfüllt heute in Europa eine providentielle Aufgabe, die eines Pufferstaats
zwischen den drei großen Nassen, die unser Festland einnehmen. Keinem Staate ist
dieser Schutz heilsamer als dem unsrigen. Man bedenke, wie, das Verschwinden
Österreichs vorausgesetzt, die Lage unsers Landes sein würde, das unmittelbar auf
seiner nördlichen Grenze die Wucht des in einem einzigen Niesenstaat vereinigten
Deutschtums aushalten müßte, und auf seiner Ostgrenze den Stoß des Slawentums,
dieses Volkermeers, das mit seinen äußersten Wogen zugleich an unsre Alpen und
an die Hvchebnen Mittelasiens schlägt." Zwischen den drei Riesenmächten Ru߬
land, Nordamerika und (in bescheidneren Maßstabe) Deutschland sind schwächere
Staaten wie Österreich und Italien auseinander angewiesen, und dieses gemeinsame
Interesse gebietet ihnen, „jede mögliche Unverträglichkeit ihrer Interessen abzu¬
schwächen und in den Drohungen der Zukunft Gründe aufrichtigen Einverständnisses
zu suchen."

Dringt diese gewiß unbefangne und nüchterne Anschauung in Italien durch,
dann wird dem Deutschen Reiche uuter Umständen die Aufgabe der Vermittlung
zwischen seinen beiden Bundesgenossen zufallen, und es wird sie um so eher über¬
nehmen können, als sein eignes Interesse die Erhaltung und die Kräftigung der Türkei
in ihrem beschränkten Umfange, vor allem in Asien verlangt, denn jeder Zerfall
dieser Ländermasse würde die Gefahr eines großen Weltbrandes in sich schließen,


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[0688] Maßgebliches und Unmaßgebliches nicht mehr in der frühern Schärfe vorhanden. Frankreich hat sein Augenmerk etwa seit derselben Zeit auf Afrika und jetzt vor allem auf Marokko gerichtet, und Rußlands wichtigste Interessen liegen jetzt im fernen Zentral- und Ostasien, dort ist also auch der wichtigste Schauplatz seines Konkurrenzkampfes mit England. Die Verhältnisse der europäischen Türkei haben also nicht mehr dieselbe Wichtigkeit für die europäische Politik wie früher; die allgemeine Erweiterung zur Weltpolitik hat sie in den Hintergrund gedrängt. Das zeigt sich besonders in dem heutigen Ein¬ vernehmen zwischen Österreich und Rußland über die Balkanhalbinsel, auf dem ihre augenblickliche Lage weit mehr beruht als auf deu dortigen Kleinstaaten und ihren unruhigen Parteien. So lange dieses unerschüttert bleibt — und die gemeinsamen Reformvorschläge beider Mächte in Konstantinopel zeigen es unerschüttert —, so lange ist der Aus- bruch eiues großen Brandes am Balkan nicht zu besorgen. Denn die militärische Macht der Türkei ist so überlegen, daß der Bandenkrieg wenig bedeutet, und daß kein Balkanstaat es wagen wird, ohne auswärtige Unterstützung mit ihr anzu¬ binden. Die Aussicht auf wirkliche Durchführung der vorgeschlagnen Verwaltungs¬ reformen in Makedonien ist also vorhanden, und die Bürgschaft dafür bietet die Oberherrschaft der Türken unter der Aufsicht der Großmächte immer noch eher als die irgend eines der dort hadernden Volksstämme. Die Erhaltung eines verbesserten solus quo ist also augenblicklich jeder andern, namentlich jeder gewaltsamen Losung der makedonischer Frage vorzuziehn. Sie liegt ebenso im Interesse des Landes selbst, das dadurch mehr zu Kräften kommen kann, wie der rivalisierenden Großmächte. Dieser Ansicht ist auch L. Bonin. Die Rivalität zwischen Italien und Österreich besonders in Albanien stellt er gar nicht in Abrede, da beide mit Notwendigkeit darauf angewiesen sind, ihren Einfluß im türkischen Orient auszubreiten. Aber sollten ernsthafte Fragen zwischen beiden Mächten auftauchen, so hofft er auf friedliche Verständigung, weil beide Genossen des Dreibunds sind und dieser „die größte Stütze der auswärtigen Politik Italiens" geworden ist. „Österreich aber, fährt er fort, ist uicht mehr die erobernde und reaktionäre Macht" wie einst. „Es ist jetzt eine Bürgschaft der Sicherheit für die Zukunft unsrer (der italienischen) Rasse geworden, unsre Vormauer gegen andre Rassen, die an Zahl und Expansionskraft viel mächtiger sind als unsre. Dieser aus verschiednen Nationalitäten gebildete Staat, die von der gemeinsamen Ergebenheit gegen eine Dynastie und einem gemeinsamen Gefühl militärischer Ehre zusammengehalten werden, erfüllt heute in Europa eine providentielle Aufgabe, die eines Pufferstaats zwischen den drei großen Nassen, die unser Festland einnehmen. Keinem Staate ist dieser Schutz heilsamer als dem unsrigen. Man bedenke, wie, das Verschwinden Österreichs vorausgesetzt, die Lage unsers Landes sein würde, das unmittelbar auf seiner nördlichen Grenze die Wucht des in einem einzigen Niesenstaat vereinigten Deutschtums aushalten müßte, und auf seiner Ostgrenze den Stoß des Slawentums, dieses Volkermeers, das mit seinen äußersten Wogen zugleich an unsre Alpen und an die Hvchebnen Mittelasiens schlägt." Zwischen den drei Riesenmächten Ru߬ land, Nordamerika und (in bescheidneren Maßstabe) Deutschland sind schwächere Staaten wie Österreich und Italien auseinander angewiesen, und dieses gemeinsame Interesse gebietet ihnen, „jede mögliche Unverträglichkeit ihrer Interessen abzu¬ schwächen und in den Drohungen der Zukunft Gründe aufrichtigen Einverständnisses zu suchen." Dringt diese gewiß unbefangne und nüchterne Anschauung in Italien durch, dann wird dem Deutschen Reiche uuter Umständen die Aufgabe der Vermittlung zwischen seinen beiden Bundesgenossen zufallen, und es wird sie um so eher über¬ nehmen können, als sein eignes Interesse die Erhaltung und die Kräftigung der Türkei in ihrem beschränkten Umfange, vor allem in Asien verlangt, denn jeder Zerfall dieser Ländermasse würde die Gefahr eines großen Weltbrandes in sich schließen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/688>, abgerufen am 05.07.2024.