Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Ein höhnisches Klorikerloben bessere Wohnung mit ziemlich reiner Luft und schöner Aussicht über die Elbe Aber ein andrer Punkt reizt uns zu einer Bemerkung. Der Kardinal Während der letzten Seminarferien regten sich noch einmal Bedenken in Ein höhnisches Klorikerloben bessere Wohnung mit ziemlich reiner Luft und schöner Aussicht über die Elbe Aber ein andrer Punkt reizt uns zu einer Bemerkung. Der Kardinal Während der letzten Seminarferien regten sich noch einmal Bedenken in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240910"/> <fw type="header" place="top"> Ein höhnisches Klorikerloben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2580" prev="#ID_2579"> bessere Wohnung mit ziemlich reiner Luft und schöner Aussicht über die Elbe<lb/> hatte, und wo es nur wenig Tschechen gab- Sogar eine Bibliothek hatte<lb/> dieses Seminar; freilich war sie auch danach: „Einige veraltete theologische<lb/> Scharteken, asketische und homiletische Werke, Heiligenlegenden, viele alte Bre¬<lb/> viere, einige alte Werke kirchengeschichtlichen und kanonistischen Inhalts und<lb/> Görres Mystik, die so recht geeignet ist, den arglos vertrauenden Leser um<lb/> seinen gesunden Verstand zu bringen." In der ältern bessern Zeit, die der<lb/> heutige Klerikalismus die schlechtere nennt, hatte die Bibliothek auch einige<lb/> religionsphilosophische Werke und die deutschen Klassiker enthalten; diese wurden<lb/> jedoch (wie es scheint erst zu Machs Zeit) vom Vizercktor für Gift erklärt und<lb/> entfernt. Einige Jahre später ist es vorgekommen, daß ein Seminarist davon¬<lb/> gejagt wurde, weil man in seinem Koffer Goethe und Schiller fand. Über das<lb/> Absperruugs- und Verdummungsshstem ist weiter kein Wort zu verlieren; wenn<lb/> die österreichischen Kirchenfürsten überzeugt sind, daß sie damit die Gläubigen<lb/> vor dem Unglauben und die Hierarchie vor Erschütterungen zu bewahren im¬<lb/> stande sind, so mögen sie zusehen, wie lange sie noch Kandidaten für den geist¬<lb/> lichen Stand finden, und was für welche, und wie lange ihnen noch die Ge¬<lb/> meinden in die von solchen Geistlichen bedienten Kirchen kommen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2581"> Aber ein andrer Punkt reizt uns zu einer Bemerkung. Der Kardinal<lb/> Schwarzenberg stand im Ruf eines Reformators, er hat auf dem vatikanischen<lb/> Konzil manch schönes und kräftiges Wort gesprochen, und auf seinen Visitations¬<lb/> reisen in der Grafschaft Glatz soll er sich menschenfreundlich gezeigt haben<lb/> sowohl gegen arme Schulkinder wie im geselligen Verkehr mit schlichten Dorf¬<lb/> geistlichen. Bedenkt man nun noch, über welche reichen Geldmittel er sowohl<lb/> als Prager Erzbischof wie als geborner Fürst Schwarzenberg verfügte, so meint<lb/> man, er habe sich doch zunächst verpflichtet fühlen müssen, dein Nachwuchs<lb/> seines Klerus väterliche Fürsorge zuzuwenden und den jungen Leuten ein<lb/> menschenwürdiges Dasein zu bereiten; ihnen, wenn nun einmal von der Ein-<lb/> sperrung nicht abgegangen werden sollte, wenigstens ein schönes gesundes Haus<lb/> mit schönem großem Garten einzurichten, sich durch persönliche Besuche zu über¬<lb/> zeugen, wie sie leben, wie sich treiben und wie sie sich befinden, und ihnen<lb/> väterlich gesinnte, pädagogisch geschulte Vorsteher zu geben. Leo der Dreizehnte<lb/> hat als Bischof von Perugia seine Seminaristen täglich besucht und sogar selbst<lb/> den Professor gespielt. Nach dem, was in Machs Schilderung durchblickt, ist<lb/> aber auch dieser Schwarzenberg daheim in Prag ein österreichischer Kirchenfürst<lb/> gewesen, wie man ihn aus unzähligen Beispielen kennt: ein hochmütiger Aristo¬<lb/> krat, der sich nur mit Verwaltungsgeschäften abgibt, und der so hoch über den<lb/> Seelsorgsgeistlichen steht, daß deren Wohl und Wehe, deren Bedürfnisse und<lb/> Stimmungen für ihn so wenig vorhanden sind wie die eines Insekts für den<lb/> gewöhnlichen Menschen. Die Jesuiten sind hierin wenigstens klug; in ihren<lb/> Internaten sollen sich die Zöglinge sehr wohl fühlen. Freilich haben sie meist<lb/> Söhne von reichen Leuten, die gut zahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2582" next="#ID_2583"> Während der letzten Seminarferien regten sich noch einmal Bedenken in<lb/> der Brust des Priesteramtskandidaten, um so lebhafter, als in Österreich die<lb/> Niederlage den kirchenpolitischen Kampf entfesselt hatte, und in der ganzen Welt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0528]
Ein höhnisches Klorikerloben
bessere Wohnung mit ziemlich reiner Luft und schöner Aussicht über die Elbe
hatte, und wo es nur wenig Tschechen gab- Sogar eine Bibliothek hatte
dieses Seminar; freilich war sie auch danach: „Einige veraltete theologische
Scharteken, asketische und homiletische Werke, Heiligenlegenden, viele alte Bre¬
viere, einige alte Werke kirchengeschichtlichen und kanonistischen Inhalts und
Görres Mystik, die so recht geeignet ist, den arglos vertrauenden Leser um
seinen gesunden Verstand zu bringen." In der ältern bessern Zeit, die der
heutige Klerikalismus die schlechtere nennt, hatte die Bibliothek auch einige
religionsphilosophische Werke und die deutschen Klassiker enthalten; diese wurden
jedoch (wie es scheint erst zu Machs Zeit) vom Vizercktor für Gift erklärt und
entfernt. Einige Jahre später ist es vorgekommen, daß ein Seminarist davon¬
gejagt wurde, weil man in seinem Koffer Goethe und Schiller fand. Über das
Absperruugs- und Verdummungsshstem ist weiter kein Wort zu verlieren; wenn
die österreichischen Kirchenfürsten überzeugt sind, daß sie damit die Gläubigen
vor dem Unglauben und die Hierarchie vor Erschütterungen zu bewahren im¬
stande sind, so mögen sie zusehen, wie lange sie noch Kandidaten für den geist¬
lichen Stand finden, und was für welche, und wie lange ihnen noch die Ge¬
meinden in die von solchen Geistlichen bedienten Kirchen kommen werden.
Aber ein andrer Punkt reizt uns zu einer Bemerkung. Der Kardinal
Schwarzenberg stand im Ruf eines Reformators, er hat auf dem vatikanischen
Konzil manch schönes und kräftiges Wort gesprochen, und auf seinen Visitations¬
reisen in der Grafschaft Glatz soll er sich menschenfreundlich gezeigt haben
sowohl gegen arme Schulkinder wie im geselligen Verkehr mit schlichten Dorf¬
geistlichen. Bedenkt man nun noch, über welche reichen Geldmittel er sowohl
als Prager Erzbischof wie als geborner Fürst Schwarzenberg verfügte, so meint
man, er habe sich doch zunächst verpflichtet fühlen müssen, dein Nachwuchs
seines Klerus väterliche Fürsorge zuzuwenden und den jungen Leuten ein
menschenwürdiges Dasein zu bereiten; ihnen, wenn nun einmal von der Ein-
sperrung nicht abgegangen werden sollte, wenigstens ein schönes gesundes Haus
mit schönem großem Garten einzurichten, sich durch persönliche Besuche zu über¬
zeugen, wie sie leben, wie sich treiben und wie sie sich befinden, und ihnen
väterlich gesinnte, pädagogisch geschulte Vorsteher zu geben. Leo der Dreizehnte
hat als Bischof von Perugia seine Seminaristen täglich besucht und sogar selbst
den Professor gespielt. Nach dem, was in Machs Schilderung durchblickt, ist
aber auch dieser Schwarzenberg daheim in Prag ein österreichischer Kirchenfürst
gewesen, wie man ihn aus unzähligen Beispielen kennt: ein hochmütiger Aristo¬
krat, der sich nur mit Verwaltungsgeschäften abgibt, und der so hoch über den
Seelsorgsgeistlichen steht, daß deren Wohl und Wehe, deren Bedürfnisse und
Stimmungen für ihn so wenig vorhanden sind wie die eines Insekts für den
gewöhnlichen Menschen. Die Jesuiten sind hierin wenigstens klug; in ihren
Internaten sollen sich die Zöglinge sehr wohl fühlen. Freilich haben sie meist
Söhne von reichen Leuten, die gut zahlen.
Während der letzten Seminarferien regten sich noch einmal Bedenken in
der Brust des Priesteramtskandidaten, um so lebhafter, als in Österreich die
Niederlage den kirchenpolitischen Kampf entfesselt hatte, und in der ganzen Welt
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