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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Zollvereine

andern Weltreichen, daß sie sich selbst erhalten könnte", d, h. daß sie weder
eine fremde Einfuhr noch eine Ausfuhr nach fremden Ländern brauchten. Aber
auch hier ist es nicht richtig. Das geht deutlich ans folgender Übersicht hervor:

Die Vereinigten Staaten hatten 1900 Einfuhr:
Wert Millionen Dollar: Prozent der Gesamteinfuhr:
Nahrungsmittel, lebende Tiere, 219,826,46
Rohstoffe für die Industrie, , ,, 280,438,81
Halbfabrikate......., 84,"10,23
182,416,98
112,113,33
829,0100,00
Ausfuhr:
Gesamtnussuhr......., 1100,00
landwirtschaftliche Produkte, , , ,904,762,26
Von der Ausfuhr gingen nach:
Europa..........1116,473,S
Nordamerika.......198,813,3
Südamerika.........41,22,8

Von der Einfuhr sind für etwa 350 Millionen Dollars Waren zollfrei.
Zollfrei läßt Amerika die Waren aber nur dann ein, wenn sie im Lande gar
nicht oder nicht rentabel hergestellt werden können. Bon den zollpflichtigen
eingehenden Waren sind mehr als 60 Prozent Rohstoffe, Nahrungsmittel,
Materialien, Es fehlt also sehr viel daran, daß die Bereinigten Staaten trotz
ihrer Größe vom Ausland unabhängig seien.

Was die Ausfuhr anlangt, so ist es doch mehr als zweifelhaft, ob diese
Riesenmenge auf dem amerikanischen Kontinent untergebracht werden könnte.
Die Ausfnhrbezichungen zum eignen Kontinent sind sogar in den Vereinigten
Staaten, wie oben gezeigt ist, überraschend gering entwickelt. Die amerika¬
nischen Agrarier würden sicher erwachen und gegen eine solche wirtschaftliche
Monroedoktrin energisch protestieren, denn sie sind in Bezug auf die Ausfuhr
im Grunde Freihändler, so gut wie unsre deutscheu Landwirte Freihändler
waren, so lange sie exportierten. In einem panamerikanischen Zollverein müßte
ferner der argentinische Weizen zollfrei ins Land gelassen werden, und dagegen
wird sich die Landwirtschaft um wieder vom Standpunkte des heimischen
Schutzbcdürfnisses aufs äußerste sträuben, wie das das Verhältnis zu Kuba
schon jetzt zeigt. Dasselbe gilt für die Viehprodukte Brasiliens, Paraguahs und
Argentmens. In all den kleinern amerikanischen Staaten würde die heimische
Industrie, die so künstlich aufgepäppelt worden ist, zu Grunde gehn gegenüber
dem Wettbewerb der Vereinigten Staaten. Und was würden diese Länder als
Exporteure gewinnen? Nichts, sondern sie würden viel verlieren. Ein Land
wie Argentinien, dessen ganze Existenz um der Ausfuhr hängt, wird sich nicht
Hals über Kopf zu einem Zollverein einfangen lassen, bei dem seine Ausfuhr
bon den bewährten Bahnen abgelenkt werden müßte.

Auch die Industrie in den Vereinigten Staaten ist für Panamerika durch¬
aus nicht gewonnen. Wenn man bedenkt, wie eifrig die Zuckerindustrie und
die Tabakindnstne gegen eine einfache Einverleibung der im spanischen Kriege


Zollvereine

andern Weltreichen, daß sie sich selbst erhalten könnte», d, h. daß sie weder
eine fremde Einfuhr noch eine Ausfuhr nach fremden Ländern brauchten. Aber
auch hier ist es nicht richtig. Das geht deutlich ans folgender Übersicht hervor:

Die Vereinigten Staaten hatten 1900 Einfuhr:
Wert Millionen Dollar: Prozent der Gesamteinfuhr:
Nahrungsmittel, lebende Tiere, 219,826,46
Rohstoffe für die Industrie, , ,, 280,438,81
Halbfabrikate......., 84,«10,23
182,416,98
112,113,33
829,0100,00
Ausfuhr:
Gesamtnussuhr......., 1100,00
landwirtschaftliche Produkte, , , ,904,762,26
Von der Ausfuhr gingen nach:
Europa..........1116,473,S
Nordamerika.......198,813,3
Südamerika.........41,22,8

Von der Einfuhr sind für etwa 350 Millionen Dollars Waren zollfrei.
Zollfrei läßt Amerika die Waren aber nur dann ein, wenn sie im Lande gar
nicht oder nicht rentabel hergestellt werden können. Bon den zollpflichtigen
eingehenden Waren sind mehr als 60 Prozent Rohstoffe, Nahrungsmittel,
Materialien, Es fehlt also sehr viel daran, daß die Bereinigten Staaten trotz
ihrer Größe vom Ausland unabhängig seien.

Was die Ausfuhr anlangt, so ist es doch mehr als zweifelhaft, ob diese
Riesenmenge auf dem amerikanischen Kontinent untergebracht werden könnte.
Die Ausfnhrbezichungen zum eignen Kontinent sind sogar in den Vereinigten
Staaten, wie oben gezeigt ist, überraschend gering entwickelt. Die amerika¬
nischen Agrarier würden sicher erwachen und gegen eine solche wirtschaftliche
Monroedoktrin energisch protestieren, denn sie sind in Bezug auf die Ausfuhr
im Grunde Freihändler, so gut wie unsre deutscheu Landwirte Freihändler
waren, so lange sie exportierten. In einem panamerikanischen Zollverein müßte
ferner der argentinische Weizen zollfrei ins Land gelassen werden, und dagegen
wird sich die Landwirtschaft um wieder vom Standpunkte des heimischen
Schutzbcdürfnisses aufs äußerste sträuben, wie das das Verhältnis zu Kuba
schon jetzt zeigt. Dasselbe gilt für die Viehprodukte Brasiliens, Paraguahs und
Argentmens. In all den kleinern amerikanischen Staaten würde die heimische
Industrie, die so künstlich aufgepäppelt worden ist, zu Grunde gehn gegenüber
dem Wettbewerb der Vereinigten Staaten. Und was würden diese Länder als
Exporteure gewinnen? Nichts, sondern sie würden viel verlieren. Ein Land
wie Argentinien, dessen ganze Existenz um der Ausfuhr hängt, wird sich nicht
Hals über Kopf zu einem Zollverein einfangen lassen, bei dem seine Ausfuhr
bon den bewährten Bahnen abgelenkt werden müßte.

Auch die Industrie in den Vereinigten Staaten ist für Panamerika durch¬
aus nicht gewonnen. Wenn man bedenkt, wie eifrig die Zuckerindustrie und
die Tabakindnstne gegen eine einfache Einverleibung der im spanischen Kriege


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[0407] Zollvereine andern Weltreichen, daß sie sich selbst erhalten könnte», d, h. daß sie weder eine fremde Einfuhr noch eine Ausfuhr nach fremden Ländern brauchten. Aber auch hier ist es nicht richtig. Das geht deutlich ans folgender Übersicht hervor: Die Vereinigten Staaten hatten 1900 Einfuhr: Wert Millionen Dollar: Prozent der Gesamteinfuhr: Nahrungsmittel, lebende Tiere, 219,826,46 Rohstoffe für die Industrie, , ,, 280,438,81 Halbfabrikate......., 84,«10,23 182,416,98 112,113,33 829,0100,00 Ausfuhr: Gesamtnussuhr......., 1100,00 landwirtschaftliche Produkte, , , ,904,762,26 Von der Ausfuhr gingen nach: Europa..........1116,473,S Nordamerika.......198,813,3 Südamerika.........41,22,8 Von der Einfuhr sind für etwa 350 Millionen Dollars Waren zollfrei. Zollfrei läßt Amerika die Waren aber nur dann ein, wenn sie im Lande gar nicht oder nicht rentabel hergestellt werden können. Bon den zollpflichtigen eingehenden Waren sind mehr als 60 Prozent Rohstoffe, Nahrungsmittel, Materialien, Es fehlt also sehr viel daran, daß die Bereinigten Staaten trotz ihrer Größe vom Ausland unabhängig seien. Was die Ausfuhr anlangt, so ist es doch mehr als zweifelhaft, ob diese Riesenmenge auf dem amerikanischen Kontinent untergebracht werden könnte. Die Ausfnhrbezichungen zum eignen Kontinent sind sogar in den Vereinigten Staaten, wie oben gezeigt ist, überraschend gering entwickelt. Die amerika¬ nischen Agrarier würden sicher erwachen und gegen eine solche wirtschaftliche Monroedoktrin energisch protestieren, denn sie sind in Bezug auf die Ausfuhr im Grunde Freihändler, so gut wie unsre deutscheu Landwirte Freihändler waren, so lange sie exportierten. In einem panamerikanischen Zollverein müßte ferner der argentinische Weizen zollfrei ins Land gelassen werden, und dagegen wird sich die Landwirtschaft um wieder vom Standpunkte des heimischen Schutzbcdürfnisses aufs äußerste sträuben, wie das das Verhältnis zu Kuba schon jetzt zeigt. Dasselbe gilt für die Viehprodukte Brasiliens, Paraguahs und Argentmens. In all den kleinern amerikanischen Staaten würde die heimische Industrie, die so künstlich aufgepäppelt worden ist, zu Grunde gehn gegenüber dem Wettbewerb der Vereinigten Staaten. Und was würden diese Länder als Exporteure gewinnen? Nichts, sondern sie würden viel verlieren. Ein Land wie Argentinien, dessen ganze Existenz um der Ausfuhr hängt, wird sich nicht Hals über Kopf zu einem Zollverein einfangen lassen, bei dem seine Ausfuhr bon den bewährten Bahnen abgelenkt werden müßte. Auch die Industrie in den Vereinigten Staaten ist für Panamerika durch¬ aus nicht gewonnen. Wenn man bedenkt, wie eifrig die Zuckerindustrie und die Tabakindnstne gegen eine einfache Einverleibung der im spanischen Kriege

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/407>, abgerufen am 29.09.2024.