Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches marcks Antwort: "wo möglich, ja." Ein Brief aus Ferneres 23. September an In einem Briefe vom 16. November spricht Bismarck mit warmen Worten Die Feldzugsbriefe sind fast mehr noch als alle andern dazu angetan, dem Maßgebliches und Unmaßgebliches marcks Antwort: „wo möglich, ja." Ein Brief aus Ferneres 23. September an In einem Briefe vom 16. November spricht Bismarck mit warmen Worten Die Feldzugsbriefe sind fast mehr noch als alle andern dazu angetan, dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240752"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1918" prev="#ID_1917"> marcks Antwort: „wo möglich, ja." Ein Brief aus Ferneres 23. September an<lb/> Herbert trägt unter dem Datum die Worte: „Heute vor acht Jahren wurde ich,<lb/> dünkt mich/Minister." Weiter heißt es darin: „Die Kränkung über Wilhelmshöhe<lb/> begreife ich; die Küche, Stall und Livreen sind gegen den Willen des Königs von<lb/> Berlin geschickt worden (cckso wohl von der Königin), und Napoleon hat darauf<lb/> seine eigene schnell entlassen und verkauft, um zu sparen. Im übrigen ist uns ein gut<lb/> behandelter Napoleon nützlich, und darauf allein kommt es mir nu. Die Rache<lb/> ist Gottes. Die Franzosen müssen ungewiß bleiben, ob sie ihn wiederbekommen.<lb/> Das fördert ihre Zwistigkeiten." Der ruhig, kühl berechnende Realpolitiker! Durch<lb/> alle Briefe Bismnrcks zieht sich neben manchem Ärger doch immer unverändert die<lb/> innige Sorge um und für die Semen, die Anerkennung der tapfern Truppen und<lb/> eine demütige Dankbarkeit gegen Gott für die unermeßlichen Erfolge. Vom Oktober<lb/> an bricht sein Ärger über den Aufschub des Bombardements dnrch, einmal sehr<lb/> entrüstet über das Gerücht, daß er das Spiel der Geschütze hemme. „Es schwebt<lb/> über der Sache irgend eine Intrigue, angesponnen von Weibern, Erzbischöfen und<lb/> Gelehrten, bekannte hohe Einflüsse sollen mitspielen, damit das Lob des Auslandes<lb/> und die Phraseuberäucheruug keine Einbuße erleiden." Am 12. November schickt<lb/> der „eiserne Kanzler" „einige Blätter von einem Strauß, welchen mir gestern ein<lb/> 47 er Unteroffizier, von seinen Schlesiern im Feuer der Franzosen für mich gepflückt,<lb/> dienstlich mit strammer Meldung von den Vorpusten brachte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1919"> In einem Briefe vom 16. November spricht Bismarck mit warmen Worten<lb/> über Delbrück: „Sage ihm der Wahrheit entsprechend, wie dankbar ich seine rastlose<lb/> und erfolgreiche Arbeitskraft bewundre; Du weißt, daß meine Anerkennungsfähigkeit<lb/> nicht groß ist, aber dieser kommt mir durch . . . ." Am zweiten Weihnachtstage<lb/> mahnt er: „Sei sanft und gut, mein Herz, wir mangeln alle des Ruhmes und müssen<lb/> Gottes Wille geschehen lassen, der gütig für uus über Verdienst ist." Die Zahl<lb/> 71 schreibt er am Neujnhrstnge zum erstenmal an die geliebte Gattin, „das soll<lb/> uns Glück bringen." Vom 5. Januar Morgens datiert der folgende Zettel des<lb/> Gcneraladjutcmten Grafen Lchndorff: „8^' siel der erste Schuß ans unsern<lb/> Batterien — seitdem mehrere. Sie wissen es vielleicht schon lange, aber beim<lb/> Erwachen mit diesem endlich erfüllten Wunsch mich an Ihrem Bett einzufinden wollte<lb/> nicht versäumen — Lchndorff." Am 21. Januar entschuldigte sich Bismarck,<lb/> daß er so lange nicht geschrieben habe: „aber diese Kaiscrgeburt war eine schwere."<lb/> Ähnlich wie früher über Delbrück spricht er sich hier dankbar anerkennend über den<lb/> Großherzog von Baden aus. „Der Großherzog von Baden ist recht verständig und<lb/> vermittelnd, aber er ist der Einzige, der mir ab und zu geschäftlich beisteht."<lb/> „Gestern Abend plötzlich S. M und Kronprinz im Zimmer bei mir, als wir von<lb/> Tisch aufstanden. Trvchn wollte Waffenstillstand, is nich." Sehr hübsch schreibt<lb/> er über Thiers: „Mein kleiner Freund Thiers ist sehr geistreich und liebenswürdig,<lb/> aber kein Geschäftsmann für mündliche Unterhandlungen. Der Gednnkeuschaum<lb/> quillt aus ihm unaufhaltsam wie aus eiuer geöffneten Flasche und ermüdet die<lb/> Geduld, weil er hindert zu dem trinkbaren Stoff zu gelangen, auf den es ankommt."<lb/> Dieser Vergleich mit einer Flasche Sekt ist geradezu klassisch! Weiter heißt es:<lb/> „Dabei ist er ein braver kleiner Kerl, weißhaarig, achtbar und liebenswürdig, gute<lb/> altfranzösische Formen, und es wurde mir sehr schwer, so hart gegen ihn zu sein,<lb/> Wie ich mußte. Das wußten die Bösewichter, und deshalb hatten sie ihn vorge¬<lb/> schoben." Bezeichnend ist der Schluß des letzte» Briefes, der von dem Einzug in<lb/> Paris handelt: „Bei dem Zapfenstreich um Donnerstag sind Tausende Pariser mit<lb/> unsern Soldaten im Arm gefolgt, und bei »Helm ab zum Gebet« nahm alles die<lb/> Hüte ab, und sagten vonn. es qui nous wa.mano, und das wird wohl richtig sein."<lb/> (Diese Mitteilung findet sich auch bei andern Augenzeugen des Zapfenstreichs.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1920" next="#ID_1921"> Die Feldzugsbriefe sind fast mehr noch als alle andern dazu angetan, dem<lb/> „eisernen Kanzler" ins Herz zu sehen. Ob Liebe darin aufflammt oder ob der Zorn<lb/> auflodert — es sind fesselnde, menschlich anmutende Züge auf einem Antlitz von<lb/> gigantischer Größe, das uns heute wie von einem fernen Horizonte aus leuchtet. Dem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0370]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
marcks Antwort: „wo möglich, ja." Ein Brief aus Ferneres 23. September an
Herbert trägt unter dem Datum die Worte: „Heute vor acht Jahren wurde ich,
dünkt mich/Minister." Weiter heißt es darin: „Die Kränkung über Wilhelmshöhe
begreife ich; die Küche, Stall und Livreen sind gegen den Willen des Königs von
Berlin geschickt worden (cckso wohl von der Königin), und Napoleon hat darauf
seine eigene schnell entlassen und verkauft, um zu sparen. Im übrigen ist uns ein gut
behandelter Napoleon nützlich, und darauf allein kommt es mir nu. Die Rache
ist Gottes. Die Franzosen müssen ungewiß bleiben, ob sie ihn wiederbekommen.
Das fördert ihre Zwistigkeiten." Der ruhig, kühl berechnende Realpolitiker! Durch
alle Briefe Bismnrcks zieht sich neben manchem Ärger doch immer unverändert die
innige Sorge um und für die Semen, die Anerkennung der tapfern Truppen und
eine demütige Dankbarkeit gegen Gott für die unermeßlichen Erfolge. Vom Oktober
an bricht sein Ärger über den Aufschub des Bombardements dnrch, einmal sehr
entrüstet über das Gerücht, daß er das Spiel der Geschütze hemme. „Es schwebt
über der Sache irgend eine Intrigue, angesponnen von Weibern, Erzbischöfen und
Gelehrten, bekannte hohe Einflüsse sollen mitspielen, damit das Lob des Auslandes
und die Phraseuberäucheruug keine Einbuße erleiden." Am 12. November schickt
der „eiserne Kanzler" „einige Blätter von einem Strauß, welchen mir gestern ein
47 er Unteroffizier, von seinen Schlesiern im Feuer der Franzosen für mich gepflückt,
dienstlich mit strammer Meldung von den Vorpusten brachte."
In einem Briefe vom 16. November spricht Bismarck mit warmen Worten
über Delbrück: „Sage ihm der Wahrheit entsprechend, wie dankbar ich seine rastlose
und erfolgreiche Arbeitskraft bewundre; Du weißt, daß meine Anerkennungsfähigkeit
nicht groß ist, aber dieser kommt mir durch . . . ." Am zweiten Weihnachtstage
mahnt er: „Sei sanft und gut, mein Herz, wir mangeln alle des Ruhmes und müssen
Gottes Wille geschehen lassen, der gütig für uus über Verdienst ist." Die Zahl
71 schreibt er am Neujnhrstnge zum erstenmal an die geliebte Gattin, „das soll
uns Glück bringen." Vom 5. Januar Morgens datiert der folgende Zettel des
Gcneraladjutcmten Grafen Lchndorff: „8^' siel der erste Schuß ans unsern
Batterien — seitdem mehrere. Sie wissen es vielleicht schon lange, aber beim
Erwachen mit diesem endlich erfüllten Wunsch mich an Ihrem Bett einzufinden wollte
nicht versäumen — Lchndorff." Am 21. Januar entschuldigte sich Bismarck,
daß er so lange nicht geschrieben habe: „aber diese Kaiscrgeburt war eine schwere."
Ähnlich wie früher über Delbrück spricht er sich hier dankbar anerkennend über den
Großherzog von Baden aus. „Der Großherzog von Baden ist recht verständig und
vermittelnd, aber er ist der Einzige, der mir ab und zu geschäftlich beisteht."
„Gestern Abend plötzlich S. M und Kronprinz im Zimmer bei mir, als wir von
Tisch aufstanden. Trvchn wollte Waffenstillstand, is nich." Sehr hübsch schreibt
er über Thiers: „Mein kleiner Freund Thiers ist sehr geistreich und liebenswürdig,
aber kein Geschäftsmann für mündliche Unterhandlungen. Der Gednnkeuschaum
quillt aus ihm unaufhaltsam wie aus eiuer geöffneten Flasche und ermüdet die
Geduld, weil er hindert zu dem trinkbaren Stoff zu gelangen, auf den es ankommt."
Dieser Vergleich mit einer Flasche Sekt ist geradezu klassisch! Weiter heißt es:
„Dabei ist er ein braver kleiner Kerl, weißhaarig, achtbar und liebenswürdig, gute
altfranzösische Formen, und es wurde mir sehr schwer, so hart gegen ihn zu sein,
Wie ich mußte. Das wußten die Bösewichter, und deshalb hatten sie ihn vorge¬
schoben." Bezeichnend ist der Schluß des letzte» Briefes, der von dem Einzug in
Paris handelt: „Bei dem Zapfenstreich um Donnerstag sind Tausende Pariser mit
unsern Soldaten im Arm gefolgt, und bei »Helm ab zum Gebet« nahm alles die
Hüte ab, und sagten vonn. es qui nous wa.mano, und das wird wohl richtig sein."
(Diese Mitteilung findet sich auch bei andern Augenzeugen des Zapfenstreichs.)
Die Feldzugsbriefe sind fast mehr noch als alle andern dazu angetan, dem
„eisernen Kanzler" ins Herz zu sehen. Ob Liebe darin aufflammt oder ob der Zorn
auflodert — es sind fesselnde, menschlich anmutende Züge auf einem Antlitz von
gigantischer Größe, das uns heute wie von einem fernen Horizonte aus leuchtet. Dem
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