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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

deutschen Volk ist Bismarck mit diesem Vermächtnis; seiner Seelenstimmung während
der großen Geburtszeit des Reiches wieder noch unendlich näher gerückt.


Adliche und bürgerliche Landräte in Preußen.

Bei der Beratung des
Gesehentwurfs über die Vorbereitung zum höhern Verwaltungsdienst ist es im preußischen
Abgeordnetenhause zwischen dem Minister des Innern und einigen Abgeordneten
zu Auseinandersetzungen gekommen über den Prozentsatz der Adlichen und der ehe¬
maligen Korpsstudenten unter de" Regierungspräsidenten, Landräten und Negie-
rungsreferendnren, und der Minister ist dabei für den Adel und das Korps-
studententum mit Redewendungen eingetreten, die auf der linken Seite des Hauses
große Unruhe erregt haben und in den Zeitungen und Witzblättern weiter behan¬
delt worden siud. Der Minister war in einer Verteidigungsstellung, da der Re¬
gierung die Bevorzugung des adlichen und des Korpsstudentenelements vorgeworfen
worden war; er entgegnete zunächst in Bezug auf den Adel, wenn vierzig Prozent
der Referendare adlich seien, so beweise das nur, daß der Adel, und wesentlich der
unvermögende Adel, aus dem die frühern preußischen Könige ihren Staat gebildet
hätten, auch heute noch dem Vaterlande dienen wolle, und er freue sich über jeden
Referendar, der einer Adels- oder Beamtenfamilie angehöre, weil er sicher sei, daß
die Regierung damit gut fahre; damit sei nicht gesagt, daß die Verwaltungs-
beamten nicht adlicher Abstammung weniger tüchtig seien. "Ich freue mich über jeden
tüchtigen Beamten, gleichviel ob er adlich ist oder nicht." Der Minister weiß so
gut wie wir alle, daß die Zeit der Standesvorrechte im Staatsdienst vorüber
ist -- um Hvfchargen und Gardeofsizierstelleu handelt es sich hier ja nicht --, er
konnte sich gar uicht anders ausdrücken, wenn er sich in unsrer Zeit an seinem
Platze behaupten wollte, und die Provokation traf ihn zumal nach den kürzlich voll-
zognen Neubesetzungen der Verwaltungsämter, auf die wir noch zurückkommen, so
unverdient, daß der nationalliberale Redner keine Ursache hatte, sich über die
Schärfe aufzuregen, mit der der Angegriffne sie zurückwies. Was deu zweiten Punkt
anlangt, so erklärte der Minister die Korps für ausgezeichnete Erziehungsanstalten,
Worin wir ihm nach unsern Wahrnehmungen mit einigen Vorbehalten zustimmen,
ohne deswegen zu meinen, daß es nicht auch noch andre Erziehungsmethoden für
den künftigen höhern Beamten geben könne. Das ist ja aber auch nicht die An¬
sicht des Ministers. "Wenn der Beamte tüchtig ist, sagt er, so ernenne ich ihn
Zum Regierungspräsidenten; ist er Korpsstudent, so ist das ein persönlicher Vorzug
in meinen Augen (andauernder Lärm links), sür die Besetzung der Stelle ist es
natürlich gleichgültig. Was ich hochhalte, das ist die Aristokratie des Geistes, und die
null ich auch unter den preußischen Beamten erhalten sehen." Ohne Zweifel würde
er mit diesem Teil seiner Ausführungen mehr erreicht haben, wenn er weniger den
ehemaligen Korpsstudenten "markiert" hätte. Nach unsern Erinnerungen ist das
noch niemals von einer so hohen Stelle aus in so auffallender Weise geschehn,
soweit das eine Geschmacksfrnge ist, lassen wir es unerörtert, weil da ein Schul¬
meistern selbst die ärgste Geschmacklosigkeit wäre; soweit es die Sache berührt,
möchten wir nicht daran vorübergehn. Bekanntlich ist bei uns die Meinung weit
verbreitet, daß der ehemalige Korpsstudent schon als solcher durch seine Konnexionen,
"und wenn er keineswegs zu der "Aristokratie des Geistes" gehört, Vorteile im
höhern Staatsdienste genießt, und wir selbst kennen Kreise, in denen man das sogar
für ganz in der Ordnung hält. Da der Minister den aufrichtigen Willen hatte, an
Wren Teil eine solche Auffassung der Dinge abzulehnen, so ist zu bedauern, daß aus
dem Wie seiner Ablehnung jene Meinung neue Rührung ziehn kann.

Die Frage, ob adlich oder bürgerlich, ist bei den erwähnten letzten Neubesetzungen
von Verwaltnngsämtern viel beachtet und auch in den Zeitungen erörtert worden.
Die Provinz Hannover hat bekanntlich sogar einen bürgerlichen Oberpräsidenten
erhalten. Dort, wo der altpreußische Konservatismus niemals Wurzel fassen konnte,
hat das Welfentnm seit Bennigsens Rücktritt bedeutend an Boden gewonnen- Herr


Grenzboten II 1903 48
Maßgebliches und Unmaßgebliches

deutschen Volk ist Bismarck mit diesem Vermächtnis; seiner Seelenstimmung während
der großen Geburtszeit des Reiches wieder noch unendlich näher gerückt.


Adliche und bürgerliche Landräte in Preußen.

Bei der Beratung des
Gesehentwurfs über die Vorbereitung zum höhern Verwaltungsdienst ist es im preußischen
Abgeordnetenhause zwischen dem Minister des Innern und einigen Abgeordneten
zu Auseinandersetzungen gekommen über den Prozentsatz der Adlichen und der ehe¬
maligen Korpsstudenten unter de» Regierungspräsidenten, Landräten und Negie-
rungsreferendnren, und der Minister ist dabei für den Adel und das Korps-
studententum mit Redewendungen eingetreten, die auf der linken Seite des Hauses
große Unruhe erregt haben und in den Zeitungen und Witzblättern weiter behan¬
delt worden siud. Der Minister war in einer Verteidigungsstellung, da der Re¬
gierung die Bevorzugung des adlichen und des Korpsstudentenelements vorgeworfen
worden war; er entgegnete zunächst in Bezug auf den Adel, wenn vierzig Prozent
der Referendare adlich seien, so beweise das nur, daß der Adel, und wesentlich der
unvermögende Adel, aus dem die frühern preußischen Könige ihren Staat gebildet
hätten, auch heute noch dem Vaterlande dienen wolle, und er freue sich über jeden
Referendar, der einer Adels- oder Beamtenfamilie angehöre, weil er sicher sei, daß
die Regierung damit gut fahre; damit sei nicht gesagt, daß die Verwaltungs-
beamten nicht adlicher Abstammung weniger tüchtig seien. „Ich freue mich über jeden
tüchtigen Beamten, gleichviel ob er adlich ist oder nicht." Der Minister weiß so
gut wie wir alle, daß die Zeit der Standesvorrechte im Staatsdienst vorüber
ist — um Hvfchargen und Gardeofsizierstelleu handelt es sich hier ja nicht —, er
konnte sich gar uicht anders ausdrücken, wenn er sich in unsrer Zeit an seinem
Platze behaupten wollte, und die Provokation traf ihn zumal nach den kürzlich voll-
zognen Neubesetzungen der Verwaltungsämter, auf die wir noch zurückkommen, so
unverdient, daß der nationalliberale Redner keine Ursache hatte, sich über die
Schärfe aufzuregen, mit der der Angegriffne sie zurückwies. Was deu zweiten Punkt
anlangt, so erklärte der Minister die Korps für ausgezeichnete Erziehungsanstalten,
Worin wir ihm nach unsern Wahrnehmungen mit einigen Vorbehalten zustimmen,
ohne deswegen zu meinen, daß es nicht auch noch andre Erziehungsmethoden für
den künftigen höhern Beamten geben könne. Das ist ja aber auch nicht die An¬
sicht des Ministers. „Wenn der Beamte tüchtig ist, sagt er, so ernenne ich ihn
Zum Regierungspräsidenten; ist er Korpsstudent, so ist das ein persönlicher Vorzug
in meinen Augen (andauernder Lärm links), sür die Besetzung der Stelle ist es
natürlich gleichgültig. Was ich hochhalte, das ist die Aristokratie des Geistes, und die
null ich auch unter den preußischen Beamten erhalten sehen." Ohne Zweifel würde
er mit diesem Teil seiner Ausführungen mehr erreicht haben, wenn er weniger den
ehemaligen Korpsstudenten „markiert" hätte. Nach unsern Erinnerungen ist das
noch niemals von einer so hohen Stelle aus in so auffallender Weise geschehn,
soweit das eine Geschmacksfrnge ist, lassen wir es unerörtert, weil da ein Schul¬
meistern selbst die ärgste Geschmacklosigkeit wäre; soweit es die Sache berührt,
möchten wir nicht daran vorübergehn. Bekanntlich ist bei uns die Meinung weit
verbreitet, daß der ehemalige Korpsstudent schon als solcher durch seine Konnexionen,
"und wenn er keineswegs zu der „Aristokratie des Geistes" gehört, Vorteile im
höhern Staatsdienste genießt, und wir selbst kennen Kreise, in denen man das sogar
für ganz in der Ordnung hält. Da der Minister den aufrichtigen Willen hatte, an
Wren Teil eine solche Auffassung der Dinge abzulehnen, so ist zu bedauern, daß aus
dem Wie seiner Ablehnung jene Meinung neue Rührung ziehn kann.

Die Frage, ob adlich oder bürgerlich, ist bei den erwähnten letzten Neubesetzungen
von Verwaltnngsämtern viel beachtet und auch in den Zeitungen erörtert worden.
Die Provinz Hannover hat bekanntlich sogar einen bürgerlichen Oberpräsidenten
erhalten. Dort, wo der altpreußische Konservatismus niemals Wurzel fassen konnte,
hat das Welfentnm seit Bennigsens Rücktritt bedeutend an Boden gewonnen- Herr


Grenzboten II 1903 48
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[0371] Maßgebliches und Unmaßgebliches deutschen Volk ist Bismarck mit diesem Vermächtnis; seiner Seelenstimmung während der großen Geburtszeit des Reiches wieder noch unendlich näher gerückt. Adliche und bürgerliche Landräte in Preußen. Bei der Beratung des Gesehentwurfs über die Vorbereitung zum höhern Verwaltungsdienst ist es im preußischen Abgeordnetenhause zwischen dem Minister des Innern und einigen Abgeordneten zu Auseinandersetzungen gekommen über den Prozentsatz der Adlichen und der ehe¬ maligen Korpsstudenten unter de» Regierungspräsidenten, Landräten und Negie- rungsreferendnren, und der Minister ist dabei für den Adel und das Korps- studententum mit Redewendungen eingetreten, die auf der linken Seite des Hauses große Unruhe erregt haben und in den Zeitungen und Witzblättern weiter behan¬ delt worden siud. Der Minister war in einer Verteidigungsstellung, da der Re¬ gierung die Bevorzugung des adlichen und des Korpsstudentenelements vorgeworfen worden war; er entgegnete zunächst in Bezug auf den Adel, wenn vierzig Prozent der Referendare adlich seien, so beweise das nur, daß der Adel, und wesentlich der unvermögende Adel, aus dem die frühern preußischen Könige ihren Staat gebildet hätten, auch heute noch dem Vaterlande dienen wolle, und er freue sich über jeden Referendar, der einer Adels- oder Beamtenfamilie angehöre, weil er sicher sei, daß die Regierung damit gut fahre; damit sei nicht gesagt, daß die Verwaltungs- beamten nicht adlicher Abstammung weniger tüchtig seien. „Ich freue mich über jeden tüchtigen Beamten, gleichviel ob er adlich ist oder nicht." Der Minister weiß so gut wie wir alle, daß die Zeit der Standesvorrechte im Staatsdienst vorüber ist — um Hvfchargen und Gardeofsizierstelleu handelt es sich hier ja nicht —, er konnte sich gar uicht anders ausdrücken, wenn er sich in unsrer Zeit an seinem Platze behaupten wollte, und die Provokation traf ihn zumal nach den kürzlich voll- zognen Neubesetzungen der Verwaltungsämter, auf die wir noch zurückkommen, so unverdient, daß der nationalliberale Redner keine Ursache hatte, sich über die Schärfe aufzuregen, mit der der Angegriffne sie zurückwies. Was deu zweiten Punkt anlangt, so erklärte der Minister die Korps für ausgezeichnete Erziehungsanstalten, Worin wir ihm nach unsern Wahrnehmungen mit einigen Vorbehalten zustimmen, ohne deswegen zu meinen, daß es nicht auch noch andre Erziehungsmethoden für den künftigen höhern Beamten geben könne. Das ist ja aber auch nicht die An¬ sicht des Ministers. „Wenn der Beamte tüchtig ist, sagt er, so ernenne ich ihn Zum Regierungspräsidenten; ist er Korpsstudent, so ist das ein persönlicher Vorzug in meinen Augen (andauernder Lärm links), sür die Besetzung der Stelle ist es natürlich gleichgültig. Was ich hochhalte, das ist die Aristokratie des Geistes, und die null ich auch unter den preußischen Beamten erhalten sehen." Ohne Zweifel würde er mit diesem Teil seiner Ausführungen mehr erreicht haben, wenn er weniger den ehemaligen Korpsstudenten „markiert" hätte. Nach unsern Erinnerungen ist das noch niemals von einer so hohen Stelle aus in so auffallender Weise geschehn, soweit das eine Geschmacksfrnge ist, lassen wir es unerörtert, weil da ein Schul¬ meistern selbst die ärgste Geschmacklosigkeit wäre; soweit es die Sache berührt, möchten wir nicht daran vorübergehn. Bekanntlich ist bei uns die Meinung weit verbreitet, daß der ehemalige Korpsstudent schon als solcher durch seine Konnexionen, "und wenn er keineswegs zu der „Aristokratie des Geistes" gehört, Vorteile im höhern Staatsdienste genießt, und wir selbst kennen Kreise, in denen man das sogar für ganz in der Ordnung hält. Da der Minister den aufrichtigen Willen hatte, an Wren Teil eine solche Auffassung der Dinge abzulehnen, so ist zu bedauern, daß aus dem Wie seiner Ablehnung jene Meinung neue Rührung ziehn kann. Die Frage, ob adlich oder bürgerlich, ist bei den erwähnten letzten Neubesetzungen von Verwaltnngsämtern viel beachtet und auch in den Zeitungen erörtert worden. Die Provinz Hannover hat bekanntlich sogar einen bürgerlichen Oberpräsidenten erhalten. Dort, wo der altpreußische Konservatismus niemals Wurzel fassen konnte, hat das Welfentnm seit Bennigsens Rücktritt bedeutend an Boden gewonnen- Herr Grenzboten II 1903 48

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/371>, abgerufen am 24.08.2024.