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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Jollvereine
Der mitteleuropäisch,,' Zollverein -- Der Imperialismus in England --
Panamerika
L. G. Brandt i vonn

las Interesse unsrer Tage wird vorwiegend von den Verhand¬
lungen in Anspruch genommen, die in Deutschland und rings
um uns über die Neugestaltung der Handelspolitik stattfinden.
Bei dieser Gelegenheit wird auch die alte Frage einer größern
Zolluniou Deutschlands mit seinen Nachbarländern Wohl hie und
da erörtert; sie hat in der letzten Zeit wieder eine neue Beleuchtung durch die
Anträge des Grafen von Schwerin-Lowitz auf dem siebenten internationalen
landwirtschaftlichen Kongreß erfahren, der in Rom vom 13. bis 17. April 1903
getagt hat. Wir kommen ans diese Anträge noch zu sprechen. Es verlohnt sich,
einmal auf die Frage des mitteleuropäischen Zollvereins im einzelnen einzugehn,
weil sich der Blick weitet, wenn wir sie in ihren Folgen ganz durchdenken.
Notwendig müssen sich daran Betrachtungen über die Pläne für große Zoll¬
unionen anschließen, die in andern Ländern aufgetaucht sind. Die kritische Be¬
trachtung dieser Pläne ist auch deshalb nützlich, weil der Bund der Landwirte mit
dem Begriff des "geschloßnen Wirtschaftsgebiets," der dabei eine große Rolle spielt,
neuerdings viel arbeitet, ja eigentlich seine Grundsätze auf der Einbildung auf¬
gebaut hat, mau könne anch Deutschland zu einem solchen "geschloßnen Handels¬
staate" machen. Und zwar geschieht dies ausdrücklich unter dem Hinweis
darauf, daß die großen Weltreiche einen solchen Zustand ganz oder teilweise
schon verwirklicht hätten. Wir werden bei unsern Betrachtungen mehrfach auf
diesen Gedankengang stoßen. Diese solle" sich nun nicht in Einzelheiten ver¬
lieren, sondern nur die wichtigsten Grundgedanken hervorheben. Wer eine ein¬
gehendere Unterrichtung wünscht, sei auf die Arbeiten von Professor Dr. Sartorius
von Waltershausen in der Zeitschrift für Sozialwissenschnft (1900 und 1902),
von Professor Dr. Dietzel in der Nation (1900) und von Dr. Arndt in seinem
Buche "Wirtschaftliche Folgen der Entwicklung Deutschlands zum Industrie¬
staat" (Berlin, 1899) verwiesen, deren Ergebnisse von uns zum Teil benutzt
worden siud.

Es haben sich in neuerer Zeit drei nationale Gebiete volkswirtschaftlich
gewaltig entwickelt, Rußland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika,
die beide über so große Bodenflachen gebieten, daß sie, wie mau behauptet,
am ehesten noch die Forderung erfüllen können, ein vollständiges Gleichgewicht
der Gütererzeugung und des Güterverbranchs innerhalb ihrer eignen Grenzen
herzustellen, d. h. ein sogenanntes geschloßnes Wirtschaftsgebiet zu sein. Ein




Jollvereine
Der mitteleuropäisch,,' Zollverein — Der Imperialismus in England —
Panamerika
L. G. Brandt i vonn

las Interesse unsrer Tage wird vorwiegend von den Verhand¬
lungen in Anspruch genommen, die in Deutschland und rings
um uns über die Neugestaltung der Handelspolitik stattfinden.
Bei dieser Gelegenheit wird auch die alte Frage einer größern
Zolluniou Deutschlands mit seinen Nachbarländern Wohl hie und
da erörtert; sie hat in der letzten Zeit wieder eine neue Beleuchtung durch die
Anträge des Grafen von Schwerin-Lowitz auf dem siebenten internationalen
landwirtschaftlichen Kongreß erfahren, der in Rom vom 13. bis 17. April 1903
getagt hat. Wir kommen ans diese Anträge noch zu sprechen. Es verlohnt sich,
einmal auf die Frage des mitteleuropäischen Zollvereins im einzelnen einzugehn,
weil sich der Blick weitet, wenn wir sie in ihren Folgen ganz durchdenken.
Notwendig müssen sich daran Betrachtungen über die Pläne für große Zoll¬
unionen anschließen, die in andern Ländern aufgetaucht sind. Die kritische Be¬
trachtung dieser Pläne ist auch deshalb nützlich, weil der Bund der Landwirte mit
dem Begriff des „geschloßnen Wirtschaftsgebiets," der dabei eine große Rolle spielt,
neuerdings viel arbeitet, ja eigentlich seine Grundsätze auf der Einbildung auf¬
gebaut hat, mau könne anch Deutschland zu einem solchen „geschloßnen Handels¬
staate" machen. Und zwar geschieht dies ausdrücklich unter dem Hinweis
darauf, daß die großen Weltreiche einen solchen Zustand ganz oder teilweise
schon verwirklicht hätten. Wir werden bei unsern Betrachtungen mehrfach auf
diesen Gedankengang stoßen. Diese solle» sich nun nicht in Einzelheiten ver¬
lieren, sondern nur die wichtigsten Grundgedanken hervorheben. Wer eine ein¬
gehendere Unterrichtung wünscht, sei auf die Arbeiten von Professor Dr. Sartorius
von Waltershausen in der Zeitschrift für Sozialwissenschnft (1900 und 1902),
von Professor Dr. Dietzel in der Nation (1900) und von Dr. Arndt in seinem
Buche „Wirtschaftliche Folgen der Entwicklung Deutschlands zum Industrie¬
staat" (Berlin, 1899) verwiesen, deren Ergebnisse von uns zum Teil benutzt
worden siud.

Es haben sich in neuerer Zeit drei nationale Gebiete volkswirtschaftlich
gewaltig entwickelt, Rußland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika,
die beide über so große Bodenflachen gebieten, daß sie, wie mau behauptet,
am ehesten noch die Forderung erfüllen können, ein vollständiges Gleichgewicht
der Gütererzeugung und des Güterverbranchs innerhalb ihrer eignen Grenzen
herzustellen, d. h. ein sogenanntes geschloßnes Wirtschaftsgebiet zu sein. Ein


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[0325] [Abbildung] Jollvereine Der mitteleuropäisch,,' Zollverein — Der Imperialismus in England — Panamerika L. G. Brandt i vonn las Interesse unsrer Tage wird vorwiegend von den Verhand¬ lungen in Anspruch genommen, die in Deutschland und rings um uns über die Neugestaltung der Handelspolitik stattfinden. Bei dieser Gelegenheit wird auch die alte Frage einer größern Zolluniou Deutschlands mit seinen Nachbarländern Wohl hie und da erörtert; sie hat in der letzten Zeit wieder eine neue Beleuchtung durch die Anträge des Grafen von Schwerin-Lowitz auf dem siebenten internationalen landwirtschaftlichen Kongreß erfahren, der in Rom vom 13. bis 17. April 1903 getagt hat. Wir kommen ans diese Anträge noch zu sprechen. Es verlohnt sich, einmal auf die Frage des mitteleuropäischen Zollvereins im einzelnen einzugehn, weil sich der Blick weitet, wenn wir sie in ihren Folgen ganz durchdenken. Notwendig müssen sich daran Betrachtungen über die Pläne für große Zoll¬ unionen anschließen, die in andern Ländern aufgetaucht sind. Die kritische Be¬ trachtung dieser Pläne ist auch deshalb nützlich, weil der Bund der Landwirte mit dem Begriff des „geschloßnen Wirtschaftsgebiets," der dabei eine große Rolle spielt, neuerdings viel arbeitet, ja eigentlich seine Grundsätze auf der Einbildung auf¬ gebaut hat, mau könne anch Deutschland zu einem solchen „geschloßnen Handels¬ staate" machen. Und zwar geschieht dies ausdrücklich unter dem Hinweis darauf, daß die großen Weltreiche einen solchen Zustand ganz oder teilweise schon verwirklicht hätten. Wir werden bei unsern Betrachtungen mehrfach auf diesen Gedankengang stoßen. Diese solle» sich nun nicht in Einzelheiten ver¬ lieren, sondern nur die wichtigsten Grundgedanken hervorheben. Wer eine ein¬ gehendere Unterrichtung wünscht, sei auf die Arbeiten von Professor Dr. Sartorius von Waltershausen in der Zeitschrift für Sozialwissenschnft (1900 und 1902), von Professor Dr. Dietzel in der Nation (1900) und von Dr. Arndt in seinem Buche „Wirtschaftliche Folgen der Entwicklung Deutschlands zum Industrie¬ staat" (Berlin, 1899) verwiesen, deren Ergebnisse von uns zum Teil benutzt worden siud. Es haben sich in neuerer Zeit drei nationale Gebiete volkswirtschaftlich gewaltig entwickelt, Rußland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die beide über so große Bodenflachen gebieten, daß sie, wie mau behauptet, am ehesten noch die Forderung erfüllen können, ein vollständiges Gleichgewicht der Gütererzeugung und des Güterverbranchs innerhalb ihrer eignen Grenzen herzustellen, d. h. ein sogenanntes geschloßnes Wirtschaftsgebiet zu sein. Ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/325>, abgerufen am 24.08.2024.