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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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-- als wenn es keine Bücher und keine Presse gäbe, -- wohin geraten wir?
Der Deutsche Kaiser und König von Preußen kann nicht die Rolle des Direktors
eines L!orMS "zö-MAsliooruin spielen, wi,' der Kurfürst von Sachsen im siebzehnten
Jahrhundert sie mit geringem Erfolg gespielt hat; er ist zwar der Luwmu8
"zxisooMS der altpreußischen Landeskirche und als der mächtigste evangelische
Fürst auch der mächtigste Schirmherr der Evangelischen überhaupt, an dessen
protestantischer Überzeugungstreue auch nicht der leiseste Zweifel erlaubt ist, aber
er muß auch der Schutzherr seiner katholischen Untertanen sein und hat hundertmal
gezeigt, daß er es sein will und wirklich ist. Konfessionelle Politik kann und
soll er nicht treiben, Gott bewahre uns vor jedem solchen Versuch; das wäre
ein Rückfall in die schlimmste Zeit des sechzehnten Jahrhunderts, die den
Dreißigjährigen Krieg erzeugte. Gerade weil in unserm Volke, trotz der
schlimmstem Erfahrungen, immer noch etwas von solchem unseligen Parteigeiste
steckt, weil es der natürliche Zustand des Deutschen zu sein scheint, zu prote¬
stieren und zu opponieren und unter allen Umständen seinen Kopf aufzusetzen,
mag aus dem Vaterlande werden, was da will, müssen die Besonnenen von
beiden Seiten zusammenstehn, um diesen Parteigeist niederzuhalten.

Wenn man von protestantischer Seite die ultramontane Hochflut fürchtet,
so ist das beste Mittel dagegen eben der Zusammenschluß der evangelischen
Landeskirchen, nicht das Verharren in der bisherigen Absonderung, die über
eingebildeten Gefahren für Bekenntnisstand und Selbständigkeit die gemein-
samen Interessen übersieht. Eine zunächst nur beabsichtigte, noch gar nicht
einmal durchgeführte kirchcupolitische Maßregel der preußischen Regierung kann
an dieser Notwendigkeit nicht das mindeste ändern und kann auch die Stellung
der altpreußischen Landeskirche zu der ganzen Frage nicht berühren. Und
wenn wirklich, wie die Deutsche Evangelische Korrespondenz erzählt, "ehr¬
liche protestantische Männer Preußens in den letzten Wochen unter der Hand
ihren nichtpreußischen Freunden offen das erschütternde Geständnis abgelegt
haben: Ich schäme mich zur Zeit ein Preuße zu sein, so ist das eine beklagens¬
werte Verirrung. Wer deshalb, weil ihm eine Maßregel seiner Negierung
einmal nicht gefüllt, den Glauben an seinen stolzen Staat verlöre und sich
gar schämte, ihm anzugehören, der wäre nicht wert, ein Preuße zu sein. Und
wem die Erhaltung unbeschrüukter landcskirchlicher Selbständigkeit über das
evangelische Gesamtinteresse geht, wem auch das kleinste Opfer dafür zu viel
ist, der gehört nicht in den Anfang des zwanzigsten, sondern ans Ende des
sechzehnte" Jahrhunderts. Auch in dieser entscheidenden Zukunftsfrage muß
und wird der alte Spruch gelten, und zwar in alleu seinen Teilen:


In n6of8sei,ruf rang,8, in cludiis libörtas, in oinuivus viiritas.
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— als wenn es keine Bücher und keine Presse gäbe, — wohin geraten wir?
Der Deutsche Kaiser und König von Preußen kann nicht die Rolle des Direktors
eines L!orMS «zö-MAsliooruin spielen, wi,' der Kurfürst von Sachsen im siebzehnten
Jahrhundert sie mit geringem Erfolg gespielt hat; er ist zwar der Luwmu8
«zxisooMS der altpreußischen Landeskirche und als der mächtigste evangelische
Fürst auch der mächtigste Schirmherr der Evangelischen überhaupt, an dessen
protestantischer Überzeugungstreue auch nicht der leiseste Zweifel erlaubt ist, aber
er muß auch der Schutzherr seiner katholischen Untertanen sein und hat hundertmal
gezeigt, daß er es sein will und wirklich ist. Konfessionelle Politik kann und
soll er nicht treiben, Gott bewahre uns vor jedem solchen Versuch; das wäre
ein Rückfall in die schlimmste Zeit des sechzehnten Jahrhunderts, die den
Dreißigjährigen Krieg erzeugte. Gerade weil in unserm Volke, trotz der
schlimmstem Erfahrungen, immer noch etwas von solchem unseligen Parteigeiste
steckt, weil es der natürliche Zustand des Deutschen zu sein scheint, zu prote¬
stieren und zu opponieren und unter allen Umständen seinen Kopf aufzusetzen,
mag aus dem Vaterlande werden, was da will, müssen die Besonnenen von
beiden Seiten zusammenstehn, um diesen Parteigeist niederzuhalten.

Wenn man von protestantischer Seite die ultramontane Hochflut fürchtet,
so ist das beste Mittel dagegen eben der Zusammenschluß der evangelischen
Landeskirchen, nicht das Verharren in der bisherigen Absonderung, die über
eingebildeten Gefahren für Bekenntnisstand und Selbständigkeit die gemein-
samen Interessen übersieht. Eine zunächst nur beabsichtigte, noch gar nicht
einmal durchgeführte kirchcupolitische Maßregel der preußischen Regierung kann
an dieser Notwendigkeit nicht das mindeste ändern und kann auch die Stellung
der altpreußischen Landeskirche zu der ganzen Frage nicht berühren. Und
wenn wirklich, wie die Deutsche Evangelische Korrespondenz erzählt, „ehr¬
liche protestantische Männer Preußens in den letzten Wochen unter der Hand
ihren nichtpreußischen Freunden offen das erschütternde Geständnis abgelegt
haben: Ich schäme mich zur Zeit ein Preuße zu sein, so ist das eine beklagens¬
werte Verirrung. Wer deshalb, weil ihm eine Maßregel seiner Negierung
einmal nicht gefüllt, den Glauben an seinen stolzen Staat verlöre und sich
gar schämte, ihm anzugehören, der wäre nicht wert, ein Preuße zu sein. Und
wem die Erhaltung unbeschrüukter landcskirchlicher Selbständigkeit über das
evangelische Gesamtinteresse geht, wem auch das kleinste Opfer dafür zu viel
ist, der gehört nicht in den Anfang des zwanzigsten, sondern ans Ende des
sechzehnte» Jahrhunderts. Auch in dieser entscheidenden Zukunftsfrage muß
und wird der alte Spruch gelten, und zwar in alleu seinen Teilen:


In n6of8sei,ruf rang,8, in cludiis libörtas, in oinuivus viiritas.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/324>, abgerufen am 24.08.2024.